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Neues Einzugsverfahren von Kirchensteuern auf Kapitalerträge – Bischöfe ärgert Debatte über Kirchensteuer

16.08.2014, von Hanno Mussle, FAZ

Erstmals treten gerade Rentner aus der Kirche aus, weil die Kirchensteuer auf Zinsen von den Banken künftig automatisch abgeführt wird. Einige Banken geben eine schlechte Informationsüberbringung zu. Die katholischen Bischöfe wiederum sind auf ihre evangelischen Kollegen sauer.

Zum Artikel.

Finanzierung der Kirchen in den Mitgliedsstaaten der EU

Erscheinungsformen und Finanzierung der Kirchen in Europa. Die Finanzierung der Kirchen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union variiert, je nachdem wie das Verhältnis zwischen Staat und Kirche geregelt ist. Die Spannweite reicht von einer Staatskirche mit ihrer engen Verzahnung zwischen Kirche und Staat bis zur vollständigen Trennung jeglicher
Beziehungen zwischen ihnen. So ist auch bei der Finanzierung der Kirchen zu unterscheiden: direkt durch den Staat, über ein Kirchensteuersystem, durch ein Kirchenbeitragssystem, durch Erträge aus kircheneigenem Vermögen bis hin zu Spenden und Kollekten. Zum Artikel der EKD.

Staat und Kirche in Deutschland. Ein besonderes Verhältnis.

„Es besteht keine Staatskirche.“ So scharf, wie es das Grundgesetz formuliert, sind Staat und Kirchen in Deutschland allerdings nicht getrennt. Der Staat hat den Kirchen als Institutionen manche Sonderrechte zugebilligt. Wie beide zusammenhängen, zeigen sehr übersichtlich eine Reihe von Diagrammen und Schautafeln in der ZEIT.

Warum die Doppik in der Kirche obsolet ist – anhand Prof. Fredmund Malik erklärt

Der eigentliche Zweck der Doppik besteht in der Darstellung des Vermögens, des Wertes, eines Unternehmens.  Für wen aber ist dieser Wert in der Kirche überhaupt relevant? Für einen Kirchenvorstand? Für ein anderes Leitungsgremium? Für wen und in welchen Fällen also ist der Wert bedeutsam? Hierauf gibt Prof. Fredmund Malik, St. Gallen, in seiner Management-Lehre folgende allgemeine Antwort:

„Der Wert des Unternehmens ist nur bedeutsam für Leute, die das Unternehmen als solches oder Teile davon kaufen bzw. verkaufen wollen. Für die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens selbst, für das eigentliche Wirtschaften also, stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit.“

Fredmund Malik, Management. Das A und O des Handwerks, Frankfurt/New York 2008, S. 62

Übertragen auf die Kirche kann man bei den ergriffenen Maßnahmen der zurückliegenden Jahre von einem Teilverkauf des Immobiliensektors reden. Das ist ein eigenes Thema. Vergleichen Sie dazu den früheren Beitrag der wort-meldungen. Wir interessieren uns mehr für den zweiten Satz: „Für die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens selbst,… stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit. Ein Satz mit Sprengkraft. Man muss nur die Worte leicht modifizieren und damit den Inhalt aus der Unternehmenswelt auf den der Kirche übertragen. Der Satz lautet dann: Für die Tätigkeit(en) der Kirche selbst stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungsfähigkeit in Hinblick auf alle gewünschten und notwendigen Tätigkeiten der Kirche, bestehend in der inhaltlichen Arbeit an den Menschen in Gemeinde und Funktion und den erforderlichen unterstützenden (administrativen und organisatorisch-partizipativen) Tätigkeiten. Für diese Zwecke benötigt man die Doppik in er Tat nicht. Die Doppik ist in diesem Sinne für die Kirche völlig nutzlos und obsolet.
Das heißt aber nicht, dass es keine Information(en) bräuchte! Stehen etwa in Teilbereichen, (einer Gemeinde, einer Einrichtung etc.) Veränderungen an, wie z.B. der Verkauf eines einzelnen (!) Immobilien-Objektes, wird selbstverständlich ein individueller und präziser Wert als Grundlage und zum speziellen Zweck des Verkaufs benötigt. Diesen präzisen Wert liefert aber die Doppik dann gerade nicht, denn der Wert der Doppik ist für solche Zwecke nicht gedacht und viel zu ungenau. Dazu bedarf es hier z.B. eines Gutachtens. Analog gilt das für die Planung der Instandhaltung der Gebäude, also der Bildung von Rücklagen. Auch dafür ist die Doppik zu ungenau und liefert namentlich bei einem Bestand wie dem der Kirche notorisch zu hohe Werte. Folglich müssen dann viel höhere Rücklagen gebildet werden, als erforderlich. Erforderlich wäre eine nicht an pauschalen Kennziffern, sondern an Realdaten orientierte Instandhaltungsplanung. In Fällen der konkreten Arbeitsabläufe kirchlicher Administration ist also die Doppik zu ungenau. Denn sie verfolgt ja, siehe oben – ein anderes Ziel.

Wem soll also die Doppik nutzen? Dazu eine fatalistische Anmerkung: die Doppik hat natürlich Nutznießer. Denn ihre Einführung ist teuer. Offiziell ist in größeren Landeskirchen von 40-50 Mio. € die Rede. Die wahren werte dürften aber – wie bei den Darstellungen von Bundesländern auch – deutlich darüber liegen. Man wird für die Umstellung auf die Doppik in den Landeskirchen sicher mit 1 Mrd. € zu rechnen haben. Die ev. Kirchen bauen also keine teuren Bischofspaläste, sie bauen Doppik-Schlösser. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Fazit: ein wirklicher Nutzen der von der Doppik gelieferten Steuerungsziffern für die Kirche ist nicht vorhanden. Vielleicht sollte die EKD- Synode in Düsseldorf mal über dieses Problem diskutieren… Bevor sie die in der Kirche mit Engagement Arbeitenden weiterhin mit unnötiger und damit frustrierenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen belästigt und belastet. Und bevor sie weiter das Geld der Kirchensteuerzahler aus dem Fenster wirft.

Friedhelm Schneider

Zweierlei Maß bei der Debatte um die Kirchensteuer

Reinhard Binger schreibt einen Kommentar in der FAZ zur Frage der Armut in der Kirche. Zwar liegt es nahe Tebarz-van Elst und Papst Franzsikus als Prototypen unterschiedlicher Geistlicher  zu sehen. Im Großen und Ganzen ist die Kirche jedoch weder Arm noch Reich sondern, die Einkommen maßvoll gestaltet.

EKHN Jahresbericht 2012/2013 IV: Die Realwertstatistiken der Kirchensteuereinnahmen

von Friedhelm Schneider. Die Kirchensteuereinnahmen steigen nominal. Das passt nicht zur „großen Erzählung“ der Finanzdezernate sinkender Steuern. Immer und immer wieder wird daher auf die Entwicklung der (inflationsbereinigten, daher niedrigeren) Realwerte rekurriert, um die genannten Thesen zu stützen. Durch die Betonung des Realwertes – wie es auch wieder im Jahresbericht der EKHN 2012/2013 (vgl. S. 6) geschieht – wird suggeriert, der EKHN ginge es finanziell schlecht. Das ist natürlich grober Unfug und eine Irreführung der LeserInnen. Bei einer traumhaften Steigerung der Kirchensteuern um 9% von 2011 auf 2012 (real: 7%), kann davon keine Rede sein. Im Vergleich lagen die Steigerungsraten etwa in den 80iger Jahren bei durchschnittlich 3,5% (EKD- Statistik; vgl. Lienemann, Finanzen der Kirche, S. 868) und in den Nuller Jahren bei durchschnittlich 1,5% (EKHN Statistik in: Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, (vgl. Artikel „Pfarrstellenbemessung 2025“, S.5). Das passt kaum zur „großen Erzählung“ der Finanzabteilungen. Und da die Fakten diese Erzählung nicht stützen, bemüht man also den Realwert der Steuerentwicklung. Aber auch da gibt die EKHN- Statistik eine vielleicht erstaunliche Auskunft: selbst an der Realwertentwicklung ist erkennbar, dass der Wert von 2012 real genau so hoch ausfällt wie die Werte Anfang der 90iger Jahre! Und damals fielen die Steuereinnahmen  die konjunktur- und wiedervereinigungsbedingt besonders hoch aus. Und dass die Kirchen im Jahr 2000 ein Angebot des Staates auf Kompensation der Kirchensteuerausfälle infolge der Einkommensteuerreform verzichtet haben, wäre auch noch zu berücksichtigen. vgl. den Artikel von Prof. Lührs in den zeitzeichen.
Kurz: der Realwert von 1992 und der von 2012 sind identisch. Eine Aussage, die nicht ins Konzept der großen Erzählung passen will. Man muss nachhelfen. Das geschieht mit einer auf wie gesagt hohem Realwertniveau beginnenden und tatsächlich leicht nach unten zeigenden Trendlinie.  Ist die Trendlinie nur ganz leicht schräg, so die dahinter stehende Aussageabsicht aber stark schräg. Denn eine arme EKHN gibt es nicht. Dazu mehr in den nächsten Ausgaben.

 

Jahresbericht 2012/13 der EKHN III: von irren und irrenden Prognosen

von Friedhelm Schneider

Die Kirchensteuereinnahmen steigen 2013, sie stiegen auch schon 2012. Das will zur „große Erzählung“ der kirchlichen Finanzabteilungen,  der Sage von den sinkenden Kirchensteuern aufgrund sinkender Kirchenmitliedschaftszahlen, der in der EKiR so betitelten „einfachen Formel“, ganz und gar nicht passen. 

Wie geht man damit um? Ein Blick in den neuen Jahresbericht der EKHN für 2012/2013 gibt Auskunft (Vgl. S. 6. Überschrift: „Gute Haushaltssituation auch dank vorausschauender Planung“).

Dieser Beitrag lohnt der genaueren Analyse. Wir nehmen Sie in mehreren, kleinen Schritten in dieser und den kommenden Ausgaben vor. Dieser Beitrag verdeutlicht a. wie stark (und erfreulich positiv) wie auch in den letzten Jahren die Realität von den früheren Prognose abweicht (vgl. 1.); b. wie die Prognosen gemacht werden.

 

1. Irrende Prognosen

Vergleichen wir das Ergebnis der letzten Jahre 2011 und 2012 mit der letzten Prognose für diesen Zeitraum  gemäß den veröffentlichten Zahlenangaben der EKHN (!) aus dem Jahr 2011 (entnommen dem Reader zur Pfarrstellenbemessung der EKHN von 2011):

Diagramm IrrendeIrrende_Prognose Prognosen

(zum download Diagramm Irrende Prognosen)

Wir stellen fest: die – negativen, weil einen Kirchensteuerrückgang der Nettokirchensteuer (!) prognostizierenden Zahlen für 2011 und 2012 sind nicht eingetroffen. Die tatsächlichen Einnahmen liegen in 2011 um 24 Mio. € über der Prognose (+ ca. 6%) und im Jahr 2012 sogar um 37 Mio. € (+ 9%) über der im Jahr 2011 für das Jahr 2012 getroffenen Prognose. Nun könnte man sagen: Prognosen können fehlen. Das stimmt. Das müssten sie aber bspw. Nicht in einem Jahr wie 2013. Der Staat verzeichnet wiederum Steigerungen der Lohn- und Einkommensteuer, die sich auch in 2013 bei der Kirchen durch höhere Kirchensteuereinnahmen niederschlagen werden. Die Prognose für 2013 lautet aber wieder Einbruch. Und zwar um ca. 6% wie schon im Jahr 2011. Empirisch ist sie schon heute widerlegt. Man kann das nicht allein mit Dilettantismus erklären. Wie aber dann?

2. Irre Prognosen

Auch ein Vergleich der Prognosen aus dem Jahr 2011 für den Zeitraum von 2011 bis 2014 mit den Prognosen von heute, 2013, für den Zeitraum von 2013 bis 2016 ist aufschlussreich.Hier in zwei Abbildungsversionen:

Diagramm IrreIrre_ Prognosen Prognosen

(download Diagramm Irre Prognosen)

Wir stellen eine nahezu identische Prognosekurve in Bezug auf den statistischen Ausgangswert (jeweils der erste Balken) für die jeweiligen Folgejahre fest. Das mag erstaunen. Denn mit den unterschiedlichen empirischen Wirtschaftsdaten von 2011 und 2013 können die identischen Prognosen ja nicht erklärt werden. Es verwundert auch, dass die Prognosen nicht den Mitgliederrückgang abbilden. Denn dieser Kausalzusammenhang zw. Mitgliederrückgang und Rückgang der Finanzmittel ist ja wesentliches Fundament der „großen Geschichte“ der kirchlichen Finanzabteilungen. Handelt es sich bei der Prognose etwa nur um einen in der Software eingestellten Prognosealgorithmus, der der Einfachheit halber – und weil man unterstellt, dass niemand nachprüft – auf Dauer gestellt wurde? Dies ist natürlich eine ironische Unterstellung – klar. Der ernste Hintergrund: es fällt den Finanzdezernenten zunehmend schwerer, die Diskrepanz zwischen dem Dogma der „einfachen Formel“ und der empirischen Realität zu kaschieren. Solche Diskrepanzen sind untrügliche Zeichen für  – untaugliche – Ideologien. Davon muss sich die Kirche dringend verabschieden. Denn Ideologien führen zuerst in die autoritäre Herrschaft – und in fortgeschrittenem Stadium zu einer Verwandlung der Existenz aus der Wirklichkeit ins Geschichtsbuch. Die DDR lässt grüßen. Und das hat die Reformation, das hat der Protestantismus nicht verdient.

 

Wir sind sicher: das nächste mal wird alles besser. Mindestens aber wird der Prognosealgorythmus geändert werden…

Kürzlich meinte jemand im Gespräch, in der Finanzpolitik der Kirche bräuchte es eine neue Ernsthaftigkeit. Er dürfte recht haben.

 

Zur geflissentlichen Erinnerung: Kirche verzichtete auf Kompensation durch Verluste der Einkommensteuerreform 2000

Der Rückgang der Kirchensteuern wird immer wieder als Grund für Downsizing-„Reformen“, für Personalabbau, Fusionen, Doppik/NKF, Zentralisierung etc. bemüht. Allerdings zeigt die Statistik zum einen nominal deutliche Steigerungen der Kirchensteuerentwicklung – (vgl. auch die Entwicklung der Kirchensteuer in der EKiR) parallel zu den daran gekoppelten staatlichen Steuereinnahmen.

Zum anderen verzichteten die Finanzdezernenten auf eine Kompensation für den Rückgang der Kirchensteuern infolge einer Steuerreform. Die Höhe der aktuellen Kirchensteuer ist also zu einem gewissen Anteil hausgemacht und gewollt.

 

„Die Hauptursache des Rückgangs der Kirchensteuern in diesem Zeitraum waren die Steuerreformen der rot-grünen Koalition ab 1999. Die sukzessive Entlastung vor allem der höheren Einkommensgruppen löste seitdem unmittelbar eine Minderung der Kirchensteuereinnahmen aus. Dieser Rückgang war 1999/2000 keine Überraschung. Denn die Finanzbehörden der Länder und des Bundes hatten beide Kirchen über die beabsichtigten Steuerreformen informiert und insbesondere darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Reformen zu einem strukturellen Absinken der Kirchensteuern führen würden. Die staatlichen Stellen hatten an diesem Absinken ausdrücklich kein Interesse.

Deshalb hatte eine Arbeitsgruppe der Länderfinanzressorts unter Leitung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck 1999/2000 den Finanzreferenten der Landeskirchen und Diözesen Vorschläge zur Vermeidung der Verluste unterbreitet. Es wurde angeregt, die Kirchensteuer von der Einkommensteuer zu entkoppeln und sie mit einem verminderten Satz an das Bruttoeinkommen zu binden. Doch die Vorschläge wurden innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten zunächst von der katholischen Kirche, dann von den evangelischen Kirchen abgelehnt.“ Zum Artikel von Prof. Herrmann Lührs in den zeitzeichen 2009.

Jahresbericht 2012/13 der EKHN I

Kirchliche Finanzpolitik und Steuerungsgrößen. Darüber hatten wir vor Kurzem in den Wort-Meldungen schon berichtet. Fazit: finanzwirtschaftliche Größen sind nur operative, aber keine strategischen Steuerungsgrößen. Folgerung: die Theologen sind im Besitz der theologischen, soziologischen Steuerungsgrößen – und müssen damit (wieder) leiten.

Das wird aber nur gelingen, wenn sie, die Theologen, die Basisdaten und -informationen aus der Finanzwirtschaft auch einbeziehen. Handelt es sich zudem um notorische Basisdaten, wie etwa die Höhe des Anteils der Kirchensteuer an Lohn- und Einkommensteuer, die jedem Kirchensteuer zahlenden Mitglied der Landeskirche bekannt sind, dann sollte es in keinem Falle ein Vertun geben.

Nun schreibt der Kirchenpräsident der EKHN, Dr. Volker Jung, im Leitartikel des jüngsten Hochglanz- Jahresberichts der EKHN: „… In Wahrheit verhält es sich anders, das zeigt gerade die Kirchensteuer. Der Staat zieht diesen Beitrag – acht Prozent von der Lohn- oder Einkommensteuer – zusammen mit den beiden genannten Abgaben ein.“ Da lohnte es, aufmerksam Korrektur zu lesen. Und da lohnt es noch immer, möglichst frühzeitig zu korrigieren. Da lohnte es ggf., diese Ausgabe noch einmal einzustampfen und korrigiert neu aufzulegen. Denn der Anteil der Kirchensteuer beträgt in der EKHN neun Prozent. Und jedes Kirchenmitglied der EKHN weiß es. Und ergo könnte der Imageschaden für die EKHN größer sein als die Kosten einer – korrigierten –  Neuauflage.

Lesen Sie den Jahresbericht.

 

 

 

Kirchensteuereinnahmen auf Rekordniveau – Steigerung im Raum der EKD um 34,7% seit 2005 !

Bis heute wird die angeblich prekäre Finanzlage als kirchenpolitisches Druckmittel eingesetzt, um Strukturmaßnahmen zu begründen und Arbeitsplätze abzubauen. Tatsache ist allerdings, dass sich seit nunmehr 8 Jahren die Einnahmen aus Kirchensteuermittel positiv entwickeln. Der Tiefpunkt, ausgelöst durch die damalige schwierige konjunkturelle Lage und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit war im Jahr 2005 bei einem Gesamtaufkommen der EKD-Landeskirchen von 3,65 Mrd. €. Für 2013 rechnet die EKD mit Einnahmen aus Kirchensteuermitteln nahe 5 Mrd. €. Dies entspricht einer stattlichen Steigerung von 34,7%. Die Zahlen wurden kürzlich in einem Bericht des Ev. Pressedienstes idea veröffentlicht.

Im gleichen Bericht wird der Finanzdezernent der EKD, Oberkirchenrat Thomas Begrich zitiert. Begrich begründet den Zuwachs „mit der höchsten Erwerbstätigenquote seit der deutschen Wiedervereinigung und den hohen Tarifabschlüssen“. Etwas eigenwillig formuliert er: „Die Menschen zahlen nicht mehr Kirchensteuern, sondern mehr Menschen zahlen Kirchensteuern.“ Begrich fordert einen „sehr verantwortlichen“ Umgang mit den Kirchensteuermitteln. Die Einnahmen des Jahres 2012, die bei 4,8 Mrd. € liegen, hätten eine um 20% geringere Kaufkraft als die Einnahmen aus 1994.

Rückkehr zum einem rationalen Finanzdiskurs!

Dass die evangelischen Landeskirchen bald „im Geld schwimmen“ können, wie es der Titel von idea Spektrum Nr. 23 vom 5. Juni 2013 suggeriert, wird kaum zu erwarten sein. Insofern ist Begrich sicher recht zu geben, wenn er einen verantwortlichen Umgang mit den zusätzlichen Einnahmen fordert. Genauso, wie staatliche Einrichtungen trotz „Rekordsteuereinnahmen“ in vielen Fällen unterfinanziert sind, leiden beide Großkirchen bis heute unter fragwürden steuerpolitischen Maßnahmen, die vor allem die einkommensstarken Gruppen entlastet und damit die an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelte Einnahmebasis der Kirchen geschmälert haben. Allerdings kann man bei einer Steigerung der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln von 34,7% seit 2005 kaum von einer „Finanzkrise“ der Kirche reden.

Durch die Realität widerlegt ist jener monokausale Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und kirchlicher Finanzkraft, der Basis der unseriösen Langfristprognose war, nach der evangelischen Landeskirchen angeblich im Jahr 2030 nur noch über die Hälfte an realer Finanzkraft gegenüber dem Jahre 2002 besäßen. Im Grunde müssten sich heute jene Kirchenräte und Superintendenten in Grund und Boden schämen, die oft mit bester Absicht und im Vertrauen auf die eigenen Experten diesen groben Unfug unter die Leute brachten und damit Entscheidungen von Synoden maßgeblich beeinflussten. Dass Gegenteil von dem, was z.B. im EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ an Finanzprognostik vorgetragen wurde, ist eingetreten. Da dieser irrige Finanzalarmismus bis heute nachwirkt, ist dringend eine Rückkehr zu einem rationalen Diskurs geboten, der sich an den Fakten orientiert.

Insofern sind einige Äußerungen von Begrich kritisch zu hinterfragen. Als Begründung für die positive Entwicklung führt er die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie die „hohen Tarifabschlüsse“ an. Hiermit beschönigt er die soziale Situation in Deutschland und verschweigt zugleich, dass es mehr noch die vermögenden und hochvermögenden Kirchenmitglieder sind, denen der Geldregen zu verdanken ist. So heißt es in einer Mitteilung von epd: „Deutschlands Millionäre tragen einem Medienbericht zufolge überdurchschnittlich zur Finanzierung des kirchlichen Lebens bei. Die rund 7.600 Einkommensmillionäre unter den evangelischen und katholischen Gläubigen zahlten 8,5 Prozent der Gesamtlast der Kirchensteuer, obwohl ihr Anteil an den Kirchensteuerpflichtigen lediglich 0,06 Prozent betrage. … Dagegen tragen die rund drei Millionen Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 20.000 Euro den Angaben zufolge 2,5 Prozent zum Kirchensteueraufkommen bei.“ Fakt ist: die vielen ArbeitnehmerInnen in Niedriglohnsektor zahlen kaum oder gar keine Kirchensteuer. Da die soziale Ungleichheit weiter zunimmt, tragen tatsächlich eher weniger Menschen in immer höherem Ausmaß zur Finanzierung der Kirche bei.

So fällt die Steigerung bei der Lohnsteuer im Moment eher moderat aus, wohingegen in einzelnen Regionen zweistellige Zuwachsraten beim Einkommenssteueraufkommen zu verzeichnen sind. Beflügelt wird dies durch einen relativ neuen Trend zu erzwungener Steuerehrlichkeit durch das allmählich in Gang kommende international koordinierte Schließen von Steueroasen, sowie den für manchen gut betuchten Zeitgenossen bedrängenden Aufkauf von Steuer-CD’s durch Finanzbehörden.

Begrich weist darauf hin, dass die Einnahmen des Jahres 2012 eine um 20% geringere Kaufkraft hätten, als die des Jahres 1994. Dies mag sein. Richtig ist aber auch, dass der Kaufkraftverlust bei PfarrerInnen und Kirchenbeamten im gleichen Zeitraum deutlich höher ausfällt und dass auch die Einkommen der übrigen Beschäftigten der Kirche sich keineswegs oberhalb der Inflationsrate bewegt haben. Mindestens 75% der kirchlichen Ausgaben sind jedoch Personalausgaben. Nimmt man diesen Tatbestand zur Kenntnis, ist auf Grund einer „günstigen“ Kostenstruktur die Finanzkraft der Kirche gegenüber 1994 keineswegs gesunken. Am Beispiel der EKHN legt Friedhelm Schneider überzeugend dar, dass eine Kirche, die dauerhaft Lohn- und Gehaltssteigerungen unterhalb der Inflationsrate durchsetzt, zur „Inflationsgewinnerin“ wird. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Wert der eigenen Immobilien z.B. in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet deutlich steigert.

Warum die Gemeinden dennoch verarmen

Es gab einmal Zeiten, da konnten Kirchmeister von einer positiven Entwicklung beim Lohn- und Einkommenssteueraufkommen auf ein Plus bei den eigenen Gemeindefinanzen schließen. Seit etlichen Jahren geht diese Rechnung nicht mehr auf. Man kann davon ausgehen, dass auch die erwarteten Rekordeinnahmen des Jahres 2013 kaum dazu beitragen werden, die Finanzsituation der Gemeinden und Kirchenkreise zu verbessern. Es gibt eine bedrückende Parallelität zu der Finanzsituation der Kommunen, denen es trotz gesamtstaatlicher Rekordsteuereinnahmen vielfach nicht gelingt, ihre defizitäre Finanzsituation zu überwinden und zentrale Aufgaben ausreichend zu finanzieren – eine erhellende Lektüre ist in diesem Zusammenhang der Kommunalbericht 2013 des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs. Ist die prekäre Finanzsituation der Kommunen darauf zurückzuführen, dass diese zumeist durch Entscheidungen des Bundes immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen ohne hinreichende Finanzausstattung, so liegt der Fall in der Ev. Kirche etwas anders. Die zusätzlichen Finanzmittel fließen in immer größerem Umfang in andere Kanäle. Hier zwei Beispiele:

  • In erheblichem Umfang entstehen Kosten durch die Stärkung des „kirchlichen Handlungsfeldes“ „Organisation und Verwaltung“. Zu Lasten der Arbeit mit Menschen, wo die meisten Landeskirchen in erheblichem Umfang weiter Arbeitsplätze abbauen wollen, wird die Verwaltung gestärkt. Im Monatsthema Mai der Wort-Meldungen wurde in zahlreichen Beiträgen überzeugend nachgewiesen, dass z.B. die Einführung der Doppik in staatlichen Gebietskörperschaften durchweg mit höheren Personalkosten bei kaum feststellbarem Nutzen verbunden war.

  • In einigen Landeskirchen schmälern Zuführungen an Versorgungskassen die Finanzkraft der Kirchen. In der rheinischen Kirche fließen aktuell ca. 23% des Netto-Kirchensteueraufkommens in die Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte. Das skandalöse ist, dass diese Zuführungen auf versicherungsmathematischen Berechnungen beruhen, die von einem Sinken der kirchlichen Finanzkraft von mindestens 1% pro Jahr ausgehen. Franz Segbers kritisiert diesen Tatbestand als Beispiel einer Komplizenschaft der reichen Kirchen mit dem Finanzmarktsektor.