Semper reformanda. Die Kirche und ihre Reformdiskurse
Kurzbericht von der Landeskirchenstudie im Rahmen der Tagung der Fachgruppe Prakt. Theologie vom 18.-20.09.2013 in Berlin
Interdisziplinäres Forschungsprojekt „Kirchenreformen im Vergleich“
Gegenstand auf evangelischer Seite: die Württembergische Landeskirche, die Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die Nordkirche.
Wir zitieren aus dem aufschlussreichen Vortrag, der etliche sensationelle Interviewaussagen kirchenleitender Personen enthält:
„Stefanie Brauer-Noss führte dazu in den vergangenen Jahren halbstandardisierte, leitfadengestütze Interviews mit leitenden Geistlichen und nicht ordinierten kirchenleitenden Personen… durch. …Es hat uns überrascht, wie offen viele Bischöfe, Prälaten und Oberkirchenräte ihre eigenen Reformvorhaben als ambivalenten beschreiben, wie selbstkritisch sich viele… in den Interviews gezeigt haben…“
Von den Autorinnen wiederholt kommentierte Antworten aus den Interviews mit kirchenleitenden Personen:
Aus der (fusionierten) EKM wird eine Person mit folgenden Antworten zitiert:
„’wir sind ein bisschen verkrümmt in uns selber, in diese Ängstlichkeit: Ach, wie schlimm wird das noch alles’… Mehrfach redet er davon, wie viel Kraft die Reformen gekostet hätten. ‚Die Fusion hat unendlich viel Energie gebunden. Das hätte ich nie gedacht, was so ein Fusionsprozess für Energie, auch seelische Energie, bindet… In einer ständigen Überforderung zu arbeiten, bringt einfach Unruhe in die Landeskirche‘ (S.45)
Trotz der Dissonanzen werden die Strukturreformen in der Regel als zukunftsweisend verteidigt…
Es wird zugestanden, dass die Entscheidungen mit schmerzlichen Verlusten, Kränkungen und Verwerfungen einhergehen… (46).
Viele der interviewten kirchenleitenden Personen betonen denn auch nicht ohne Unzufriedenheit, dass die Reformen in der nahen Zukunft unbedingt zum Abschluss kommen müssten, damit man sich endlich wieder den eigentlich wichtigen theologischen Fragen und der Außenwelt zuwenden könne.“ (S.47)
Zwischenbemerkung: die Nähe zum Inhalt des Wormser Wortes ist selbst bei der Forderung des Moratoriums gegeben.
Und wer initiierte die „Reformen“?
„‚die heutigen Reformprozesse sind ja im Prinzip oft Prozesse, die von Oberkirchenräten, Kollegien, Synoden initiiert werden… (S. 44)… Diese Kirchenreformen der 70er („die von unten kamen“ – an anderer Stelle, Anm. FS.) waren im Prinzip von einer unglaublichen inneren Überzeugung getragen… und ich glaube, da haben wir (heute, Anm. FS) einen anderen Skeptizismus und eine tiefe Verunsicherung…‘ (so eine kirchenleitende Person der Württ. Landeskirche, 44)
Damit machen wir gleichzeitig auf ein lesenswertes Buch aufmerksam, den Tagungsband der o.g. Tagung: Kirchentheorie, Hrsg. Birgit Weyel/ Peter Bubmann, Leipzig 2014. (FS)