10/2015, Deutsches Pfarrerblatt
Kirche ist nicht nur Institution, sondern auch Organisation. Doch gerade um die Ordnungen von Kirche bricht oft Streit aus. So auch im Rahmen des Reformprozesses der EKD. Martin Honecker greift auf Orientierungen bei Luther sowie bei der Konstituierung der EKD nach 1945 zurück und resümiert den Stand der Debatte um den Reformprozess.
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Ein wesentliches Grundproblem ist inzwischen das Misstrauen gegen einen Vorschlag von oben, wie ihn das Impulspapier »Kirche der Freiheit« vorgelegt hat, und dem dadurch bedingten Einspruch von unten, der über mangelnde Partizipation klagt und sich von einer kirchenleitenden Macht beeinträchtigt fühlt. Damit ist ein Vertrauensverlust eingetreten. Der Vertrauensverlust kann keineswegs durch die Ausübung von Macht durch kirchenleitende Instanzen behoben werden. Denn nach Max Weber beruht Macht – im Unterschied zu Gewalt – in der Regel auf Zustimmung und Anerkennung von Autorität. Machtausübung kann eben nicht nur zur Stärkung und Legitimation von Herrschaft, sondern auch zum Vertrauensverlust und zur Schwächung von Macht führen. Zum Artikel.
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‚Kirche der Freiheit‘ hat „die biblische und reformatorische Weite von „Ekklesia“ vergessen“. Aus der „Praktischen Theologie“ von Prof. Dr. Christoph Grethlein
Prof. Dr. Christoph Grethlein
Praktische Theologie, Berlin 2012; anstelle einer Rezension ein Zitat zu „Kirche der Freiheit“:
„Auffällig ist bei dem Papier dier weitgehende Verzicht auf theologische Reflexion (s. Hermelink…). Ein undeutlicher Religionsbegriff leistet keine inhaltliche Klärung.
So ist der Text Ausdruck kirchenamtlicher Orientierungslosigkeit angesichts der nicht zu leugnenden Herausforderungen. Soziologisch formuliert: Es wird versucht, Unorganisierbares zu organisieren, ohne dies Dilemma zu reflektieren. Dadurch kommt es zu einer Überforderung der kirchlichen Organisation, konkret der kirchlichen Mitarbeiter/innen. Der Hauptgrund dafür ist ein auf die kirchliche Organisation verengtes Kirchenverständnis, das die biblische und reformatorische Weite von „Ekklesia“ vergessen hat.“ (S. 410)
Revisted: McKinsey-Beratung und Kirchenverständnis
von Pfr. Günter Unger, München, zum eMp, evangelisches München-Programm der Firma McKinsey unter Peter Barrenstein, Deutsches Pfarrerblatt 1999.
Die folgenden Ausführungen sind ein für die Pfarrkonferenz München-Süd am 15.11.99 erbetener Kurzbeitrag. Eine Vorbemerkung zum aufgetragenen Thema: explizite Ekklesiologie dürfte weder im initiativen Angebot und Anschub von McKinsey enthalten gewesen sein, noch die Überlegungen der weiterplanenden kirchlichen Kommission primär bestimmt haben. Ohne langfristige Wirkungsbeobachtung und angesichts der Veröffentlichung der Entwürfe in nicht unparteiischem Kleinschrifttum bleibt trotz der Klage von Andreas Grabenstein über eine »Hermeneutik des Verdachts« (D/4) derzeit keine Alternative zum ›Vermuten‹. Mit Dietrich Neuhaus (K) sehe ich im eMp (evangelisches München-Programm) eine ›fundamentalistische Revolution von oben‹ am Werk. In Umkehrung des normalen Revolutionsverlaufs eines emanzipatorischen Aufbegehrens der Unteren gegen auf Herrschaft beharrende Obere initiieren diesmal höchste und mittelhohe kirchenleitende Ebenen weitreichende Veränderungen, nicht aus geistlichem Innovationsinteresse heraus, sondern zum Zweck des besseren Sparens, Rationalisierens im betriebswirtschaftlichen Sinne, Kontrollierens und Einflußnehmens und vor allem -bewahrens. Daher ist diese Revolution konservativ. Visionär ausgemalte spätere Früchte der Strukturerneuerung wirken gegenüber diesem primären Interesse wie eine Rationalisierung im psychologischen Sinne. Ohne solche Motivaffinität in der Genese des eMp hätte sich die originäre Resonanz zwischen Kirchenleitung und professionellen Unternehmensberatern auch nicht wie geschehen eingestellt. So betrachtet, zeigt sich im eMp das Kirchenbild von Konsistorialräten, die das Instrumentarium von Wirtschaftsbossen kennengelernt haben und begierig wurden, es anzuwenden. Dem »Machtkampf der Kirchenverwaltungen, die leiten und steuern wollen, gegen die dezentralen und relativ autonomen kirchlichen Teilbereiche« incl. der Ortsgemeinden (K 68) entsprechen die militärische Terminologie im Begriff der ›Stabsstellen‹ (C 4), die dankbare Inanspruchnahme einer als »knallhart« bekannten Unternehmensberatungsgesellschaft (C 2), das dem eMp innewohnende vordemokratische (und unbiblische) Verständnis von ›Führung‹ der Einzelgemeinde durch übergeordnete Kircheninstanzen statt eines gegenseitig existenz-ermöglichenden Miteinanders (C 4), die lange Zeit mit dem Stempel der Vertraulichkeit geführte Planung am betroffenen ›Personal‹ vorbei, wie das angesichts der Ursprungsgeschichte des Protestantismus seltsam betont eingeforderte »Ja« zur Kirche als Organisation, welches geeignet ist, den geistigen Blick auf das essentielle »Trans-« hinter jeder Kirchengestalt zu verdecken. Der Schatz der Kirche Tragender Grund, Schatz und Legitimation der Kirche ist das Evangelium… Zum Artikel.