Schlagwort-Archive: Klerikalismus

»Alles ist relativ, außer Gott und der Hunger«. Von Michael Rammminger.

Dieses Manuskript entspricht im Wesentlichen dem Vortrag, den Dr. Michael Ramminger auf der 35. Bundesversammlung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche am 25. Oktober 2014 in Essen gehalten hat.

…Wir werden also darüber nachdenken müssen, ob und warum wir dieser und diesen Nachfolgegemeinschaften des Namen Gottes noch anhängen, was wir von ihnen noch erwarten und natürlich, was wir dazu tun. Wenn wir allerdings der Meinung sind, dass diese Kirche im Blick auf das kommende Reich Gottes noch einen Sinn hat, dann müssen wir uns in das Gefecht und die Auseinandersetzungen, die ideologischen und politischen hineinbegeben, und das heist aktuell: eine Position zum gegenwärtigen Papst entwickeln, seinen Ansichten, den Möglichkeiten, die er eröffnet, die, wie wir sehen werden, sehr nah an Dom Pedro ist. Fast fünfzig Jahre ist es jetzt her, dass es so schien, als würde sich die katholische Kirche aus seiner knapp zweitausendjährigen Verstrickung in die Geschichte der Macht und der Unterdrückung lösen können. Das zweite vatikanische Konzil war bei aller Begrenztheit für viele KatholikInnen ein Zeichen des Aufbruchs, sowohl nach Innen und nach Außen. Ihm folgen global gesehen, die Theologie der Befreiung und für uns die Würzburger Synode. In ihr ging es nicht nur um die Beteiligung der Laien an der Verkündigung (153) und um Ehe und Familie (411). Das Abschlusspapier „Unsere Hoffnung“ sagt auch:„Das Reich Gottes ist nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen“ (97). Das war für viele hier eine Zeit des Aufbruchs- und für andere, wie mich, die Grundlage kirchlicher Sozialisation. Aber der Aufbruch währte nicht lange: schon 1978 wurde Johannes Paul II zum Papst gewählt, 1981 Ratzinger um Präfekten der Glaubenskongregation. …

Konservative Bischofsernennungen, die Stärkung des opus dei und die gezielten Einflussnahmen auf die Klerikerausbildung haben uns einen Roll-back beschert, dem diejenigen, die sich am II.Vatikanum oder an der Würzburger Synode orientierten, nicht viel entgegenzusetzen hatten. All das wurde unter dem Vorwand des Abwehrkampfes gegen „Relativismus“ und Glaubensschwäche in Gang gesetzt. (Vgl.Eigenmann/ Ratzingers Jesusbuch). Und als deutlich wurde, dass auch diese Strategie den Bedeutungs- und Mitgliederverlust der katholischen Kirche nicht aufhalten konnte, ging man zu einer neuen Doppelstrategie über: Einerseits Aufrechterhaltung des überkommenen klerikalen Kirchenmodells und andererseits eine sogenannte Modernisierung der kirchlichen Strukturen über Gemeindezusammenlegung und neue Seelsorgekonzepte, die pastoralen Räume. Diese Vorstellung war nichts anderes als der irrwitzige Versuch, den zunehmenden Priestermangel noch einmal durch Vergrößerung der Territorialgemeinden bei gleichzeitiger Besinnung auf das „Kerngeschäft“ (Sakramentenpastoral) zu kompensieren.
Das alles führte dazu, dass sich viele Katholiken noch stärker aus der kirchlichen Arbeit zurückzogen und andererseits klerikale Allmachtsphantasien zunahmen, die sich in sexuellen Ausschweifungen in Priesterseminaren oder feudalen Bischofsselbstverständnissen wie in Limburg oder Regensburg ausdrückten. …

Die Offenbarung Gottes in Jesus als Selbstmitteilung Gottes reduziert sich bei ihm (Benedikt XVI) auf den Glauben, dass es Gott gäbe, und dass er die Fäden in der Hand halte. Die ganze biblische Reich-Gottes-Botschaft vom Ende von Hunger und Gefangenschaft, von Krieg und Sklaverei, von Gerechtigkeit verschwindet. Dagegen müssen wir aber daran festhalten, dass sich in Jesus nicht irgendein Gott offenbart, sondern eben der biblische Gott des ersten und zweiten Testamentes. Der Relativismus von Ratzinger ist darüber hinaus nicht nur eine Entleerung des biblischen Gottesglaubens, sondern es ist geradezu eine Umkehrung. Denn Ratzinger sieht die Gefahr, dass die Reich-Gottes-Botschaft, wo sie sich auf die reale Ungerechtigkeit, den realen Hunger bezieht, in „eine nachchristliche Vision von Glaube und Politik“ transformiert, die sich „als utopistisches Gerede ohne realen Inhalt“ erweist.“ Die ganze katastrophale Kirchenpolitik Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation und sein tragisches Pontifikat erklären sich von hier aus: Die biblische Entleerung des Gottesglaubens erklärt seinen fanatischen Kampf gegen die Theologie der Befreiung und damit gegen die Armen….„Nicht mehr die Bibel ist die „Norma normans non normata, [die] normierende, nicht normierte Norm“, sondern das kirchliche Lehramt wird zur „Norma normans non normata, [zur] normierenden, nicht normierten Norm“…

Wie auch immer: Die letzten dreißig Jahre waren für notwendige Kirchenstrukturreformen als auch gesellschaftspolitische Positionierungen der Kirche verlorene Zeit…. Der vollständige Text des Vortrags.

„Schluss mit Klerikalismus!“ – Forderung von „Wir sind Kirche“ anlässlich der Mahnwache am 11.10.2014 in Eichstätt

Mit der Forderung nach einem Ende des Klerikalismus (Überbetonung des Klerus) weist die „Wir sind Kirche“ bei der Mahnwache am 11.10.2014 zwischen 10.30 und 11.30 Uhr vor dem Eichstätter Priesterseminar hin. An diesem Tag wird das 450-jährige Bestehen des ältesten Priesterseminars nördlich der Alpen gefeiert. 1563 war das Konzil von Trient zu Ende gegangen, in dem das Sakrament der Priesterweihe bestätigt worden ist. Dadurch verstärkte sich die Unterscheidung zwischen Kleriker und Laien in der Kirche, wie sie im Bistum Eichstätt bewusst gepflegt wird. Papst Franziskus sprach 2013 von „Ich werde (…) ein entschiedener Kirchengegner, wenn ich einem Klerikalen gegenüberstehe.“ Die beiden Eichstätter Bischöfe Mixa und Hanke bemühten sich erfolglos, durch Überbetonung des Klerikalen den Priesterberuf attraktiver zu gestalten. Das Ergebnis: Insgesamt 16 Alumnen aus dem Bistum Eichstätt leben derzeit im Priesterseminar…

Info 30. September 2014

Katholikentag III: Pressemitteilung der Reformbewegungen. Bischöfe dürfen Franziskus-Effekt nicht verpassen

Regensburg 1.6.2014

Zum Abschluss des Regensburger Katholikentages appellieren kirchliche Reformgruppen an die Bischöfe, den positiven „Franziskus-Effekt“ nicht zu verspielen und zu verpassen, und warnen vor einer Folgenlosigkeit dieses Katholikentages. Die Bischöfe dürften nicht nur vom Dialog und Aufbruch reden, sondern müssten endlich konkrete Schritte tun und konkrete Reformen einleiten.

Die zahlreichen ermutigenden Impulse von Franziskus haben große Hoffnungen und Erwartungen bei den Gläubigen geweckt, die nun voller Ungeduld darauf warten, dass der jahrzehntelange pastorale Reformstau endlich abgebaut wird. Papst Franziskus hat die Bischöfe in aller Welt aufgefordert, mutige Vorschläge für die Pastoral in den einzelnen Kulturkreisen zu machen, und hat eindringlich den Klerikalismus kritisiert. Deshalb ist es nun Aufgabe der Bischöfe, die Arbeitsergebnisse aus ihren Diözesen und aus dem bundesweiten „Dialogprozess“ offensiv nach Rom zu bringen. Als Vorsitzender der Deutschen und der Europäischen Bischofskonferenz sowie Mitglied päpstlicher Beratungsgremien trägt Kardinal Reinhard Marx hierbei eine besonders große Verantwortung, damit der weltweite positive „Franziskus-Effekt“ nicht verpufft.

Reformen jetzt!!

Bischöfe und Priester brauchen Mut und Solidarität für eine dringend notwendige Reform der Pastoral, die theologisch geboten ist. Statt der Zusammenlegung zu XXL-Gemeinden braucht es realisierbare Konzepte für lebendige Gemeindearbeit mit Gemeindeleiter/innen und Seelsorge vor Ort. Gemeinden müssen sich im Sinne von Eucharistie versammeln können – unabhängig davon, ob ein Priester anwesend ist oder nicht. Das Sakrament der Eucharistie ist ein Recht eines jeden Getauften und keine Belohnung für Wohlverhalten gegenüber der Amtskirche. Dies gilt auch für nach einer Scheidung Wiederverheiratete. Die katholische Sexualmoral muss auf den Prüfstand, wie auch die veröffentlichten Ergebnisse der Vatikan-Umfrage zur Familien-Synode zeigen. Wo Menschen in der Sexualität zu Objekten gemacht werden, wird die Würde des Einzelnen verletzt, werden Missbrauch, Menschenhandel und Abwertung toleriert.

Ende der klerikalen Volkskirche

Der Regensburger Katholikentag war von einer Volkskirchlichkeit geprägt, wie es sie wohl in keinem anderen deutschen Bistum mehr gibt. Noch stärker hat diesen Katholikentag aber die theologisch konservative Linie des gastgebenden Bischofs Dr. Rudolf Voderholzer und seines Vorgängers Gerhard Ludwig Müller geprägt, die sehr viel mehr auf der Linie des emeritierten Papstes Benedikt als auf der von Papst Franziskus liegt. Die Berufung von Bischof Voderholzer als Berater der Glaubenskongregation, die von Kardinal Müller geleitet wird, wurde während des Katholikentages offiziell bekannt gegeben.

Die vom Regensburger Bischof und anderen Bischöfen vehement vertretene Fokussierung auf den unbedingten Lebensschutz (Ablehnung der kirchlichen Schwangerschaftskonfliktberatung) hat schon jetzt dazu geführt, dass die Positionen der römisch-katholischen Kirche in anderen ethischen Fragen (wie z.B. assistierte Sterbehilfe) in der gesellschaftlichen und politischen Debatte immer weniger Gehör finden.

Die vollständige Pressemitteilung.