Schlagwort-Archive: Kontrolle

Organisationsentwicklung: „Typische Reaktionen auf die gestiegene Komplexität ist die Intensivierung der zentralen Steuerung oder auch von Planung und Kontrolle. Erreicht wird damit das Gegenteil von dem, was eigentlich gesucht wird…“

05/2016, von Detlev Trapp

„…
Wo Dinge nicht mehr nur kompliziert und damit beherrschbar sind, versagen viele der tradierten Steuerungslogiken und Bauprinzipien für Organisationen. Einer komplexen Umwelt kann man nicht mit Lösungsmustern begegnen, die für komplizierte Verhältnisse noch geeignet waren. Gleichwohl reagieren viele Führungskräfte auf die VUKA-Herausforderungen damit, dass sie der neuen Situation mit den ihnen bekannten Lösungsmustern begegnen.

Sie setzen auf die Erfolgsmuster, die sie aus der Vergangenheit kennen und übertragen diese in die Gegenwart. Typische Reaktionen auf die gestiegene Komplexität ist die Intensivierung der zentralen Steuerung oder auch von Planung und Kontrolle. Erreicht wird damit das Gegenteil von dem, was eigentlich gesucht wird: die Binnenkomplexität und das Stresslevel steigen, die Systeme werden starrer, Entscheidungsprozesse werden deutlich langsamer und die Organisation kann mit der Dynamik des Umfelds nicht mehr Schritt halten.

Und es sind weitere Erkenntnisse, die ein Umdenken erfordern. Die jährlich durchgeführten Untersuchungen des Gallup Instituts zeigen eine erschreckend geringe Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrem Job. Durchschnittlich 70 % der Mitarbeiter machen Dienst nach Vorschrift, 15 % haben innerlich gekündigt und nur 15 % sind emotional stark an ihr Unternehmen gebunden. …“ Zum Artikel.

Anm. F.S.: Beispiele für traditionelle Reaktionsmuster und Steuerungslogiken kennt man aus den Umbauprozessen der Kirchen.

„Herr, schmeiß Rückgrat vom Himmel.“ Oder: Qualitäten, Quantitäten. Wider das kleine Karo der Dienstordnungen. Von Hans Schlumberger

1/2016, Hans Schlumberger, Korrespondenzblatt (PfarrerInnenblatt ELK Bayern)

 

Auf vielen Papieren und Festplatten sollen also künftig ungezählte Details über quantitativ beschriebene Belastbarkeiten von Pfarrerinnen und Pfarrern stehen, so pingelig wie wirklichkeitsfremd.

Aber jederzeit verwendbar. Papier ist geduldig. Daten können interessenbestimmt eingesetzt werden. Wir, die aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer unserer Landeskirche, werden weniger. Schneller als die Gemeindeglieder und schneller als die Stellen weniger werden. Kurzfristig werden die Vakanzen mehr werden, damit auch die zeitlichen Belastungen der im pastoralen Dienst Verbleibenden…

Wo die Enge, hier die Engmaschigkeit von Dienstbeschreibungen, regiert, wird es unter solchen Umständen noch enger werden. Wenn die Pflichten vieler Pfarrerinnen und Pfarrer dicht erfasst sind, liegt es nahe, Schrauben fester anzuziehen. Ein Mausklick langt. Befreundete Kollegen aus Kantonalkirchen der alemannischen Schweiz haben mir erzählt, wie ihnen Mitglieder der Chillepfläg (des Presbyteriums) detailversessen, kontrollwütig und mit wenig Rücksicht auf ihre persönliche Gestaltungsfreiheit und Verantwortungsbereitschaft mit Viertelstundenrastern in die Details ihres Dienstes hineinregieren und unangemessene Arbeitgeberallüren entwickeln. Kirchliche Konflikte dort erhitzen sich in diesen Jahren oft ins Unerträgliche. Dienstordnungen, auf die sich die Quälgeister gern berufen, heißen dort übrigens in erfrischender Klarheit „Pflichtenheft“….

Wer aber einen wesentlichen Teil seiner Bereitschaft zur personalen Verantwortung an ein Stück Papier delegiert und dem Text darauf damit eine gewisse Autorität verleiht, sollte sich nicht wundern, wenn dieses Stück Papier sich eines Tages gegen sie oder ihn selbst richtet. Nicht gegen Trägheit oder Faulheit, sondern gegen Gestaltungslust, Personalität und notwendige Schlupfwinkel der Freiheit in einem der vielfältigsten, freiesten und (also?) schwierigsten Berufe – um Machtgehabe und Kontrollgelüst zu bedienen.
Herr, schmeiß Rückgrat vom Himmel

 

Mehr dazu, vgl. S.1

Mit Bestien spielt man nicht. SWR2 Feature am Sonntag.

07/2015

Flucht in die nächste Gesellschaft
Von Annette Brüggemann und Leonhard Koppelmann

Krise. Krise. Krise. Die westlichen Demokratien werden durch den weltweiten Finanzkapitalismus erschüttert. Und der sieht alt aus. „Wir werden dominiert von toten Ideen, die wie Zombies sind“, meint der amerikanische Globalisierungskritiker Michael Hardt: „Es scheint, als gäbe es heutzutage nur zwei Möglichkeiten: Entweder akzeptierst du die Gesetze des freien Marktes oder du wirst vom Staat kontrolliert.“
Und wenn man diese Alternative nicht hinnimmt? Wenn man beim Spiel mit den Bestien von Markt und Staat nicht mitmacht? Feature-Autoren spielen die Fiktion als Ernstfall durch. Und lassen Krisen-Überlebende die Flucht nach vorn antreten: auf Inseln der liquiden Demokratie, utopischen Terrains der Gemeinwohl-Ökonomie, der KaosPilots. Dort erkämpfen sie eine alternative Gesellschaft und zwingen die untoten Zombies überalterter Systeme in ihre Särge zurück.
(Produktion: SWR/WDR 2013)

Bildungsreformen: „von der Muße und den Musen verabschiedet“. Neue Leitbegriffe einer Erziehung zur Unmündigkeit: Steuerung, Effizienz und Kontrolle.

„Vielmehr kann das neue Leitbild in drei Begriffen gefasst werden, die aus meiner Sicht eine Erziehung zur Unmündigkeit bewirken: Steuerung, Effizienz und Kontrolle. Es sind Begriffe, die zunächst nichts mit Bildung zu tun haben…“

Veröffentlicht am 13.07.15

Unberechenbare Bildung, Gastbeitrag von Pierangelo Maset in Bildung-Wissen.eu

Erschienen in: DAS PLATEAU. Die Zeitschrift im Radius-Verlag, Ausgabe 149, Juni 2015.

Die unter dem Titel »Erziehung zur Mündigkeit« Anfang der siebziger Jahre versammelte Aufsatzsammlung mit Texten von Theodor W. Adorno zu philosophisch-pädagogischen Fragen war jahrzehntelang ein klassischer Text für Lehrende und Studierende. Heute findet man kaum noch Studenten, die dieses Buch kennen. Und die Lehrenden, die es noch empfehlen – immerhin befinden sich darin solch wichtige Artikel wie »Erziehung nach Auschwitz« und »Tabus über dem Lehrberuf« – sind längst eine kleine Minderheit. Viel zu sehr hat sich das pädagogische Denken seit den neunziger Jahren in die Fänge ihrer »empirischen« Ausrichtung begeben. Sie war dabei sehr erfolgreich, hat ungeheure Summen für zum Teil sinnlose Projekte bei Forschungsinstitutionen eingeworben, doch was sie nicht zu leisten vermochte, war, z. B. in unserem Land ein gerechteres und weniger ausgrenzendes Schulsystem zu ermöglichen. Internationale Studien belegen dies in regelmäßigen Abständen immer wieder aufs Neue. So führt die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) in ihrer Studie »Bildung auf einen Blick 2014« für Deutschland aus, dass der zu erwartende Bildungsabschluss hierzulande wesentlich mit dem elterlichen Hintergrund zusammenhängt und die bildungsbezogene Mobilität eher mit einem sozialen Abstieg als mit einem Aufstieg verbunden ist. Doch die OECD stellt nicht die Frage, ob das auch am Bildungsverständnis liegen könnte, denn die heute dominierenden, ökonomisch ausgerichteten Leitvorstellungen haben durchaus eine stark selektive Wirkung im Bildungssystem. Während sich die einen geschmeidig durchs System an die Spitze bewegen, haben die anderen unentwegt damit zu tun, sich überhaupt darin zurechtzufinden. Eine »Erziehung zur Mündigkeit« konnte solche Ungleichheit noch als Frage der Bildungsgerechtigkeit thematisieren, doch diese steht nicht mehr im Zentrum pädagogischen Handelns. Vielmehr kann das neue Leitbild in drei Begriffen gefasst werden, die aus meiner Sicht eine Erziehung zur Unmündigkeit bewirken: Steuerung, Effizienz und Kontrolle. Es sind Begriffe, die zunächst nichts mit Bildung zu tun haben, sie stammen aus anderen Zusammenhängen, aus der Wirtschaft, der Politik, der Regelungsund Automatisierungstechnik. Um deutlicher zu machen, weshalb das Beharren auf einer Tradition, die den Bildungsbegriff weiterführt, unverzichtbar ist, möchte ich kurz zurückblicken …
Zur Quelle und zum vollständigen Essay als pdf.

Personalmanagement nach Bedford-Strohm und nach Huber. Ohrfeige für den Lehrer Wolfgang Huber?

Am 19. August 2012 predigte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm anlässlich des 70. Geburtstags seines Lehrers Wolfgang Huber in Berlin und sagte in seiner Predigt Folgendes:

Es gibt keine tragfähigere Grundlage für Gelingen als die Dankbarkeit für geschenkte Freiheit. Aus dieser Perspektive heraus ist die aus bestimmten Unternehmensberatungskonzepten stammende gesellschaftliche Tendenz problematisch, nach der Erfolg vor allem oder gar allein auf Qualitätskontrolle fußt. Im Namen der Bekämpfung des Schlendrians tritt an die Stelle der Freiheit die Kontrolle. Nicht das Zutrauen in Kompetenz und Engagement der Mitarbeiter gibt den Ton an, sondern das Misstrauen. Der Nachweis über die Qualität der eigenen Arbeit stiehlt der echten Arbeit die Zeit. Der ständige Zwang zur Beweisführung über die Qualität der eigenen Arbeit wird zum Gift für die Arbeitsatmosphäre. Es tut den Unternehmen nicht gut, es tut den Universitäten nicht gut. Und es täte ganz bestimmt der Kirche nicht gut, wollten wir auf diesen Zug aufspringen. … Lasst uns die Kirche verändern! Lasst uns ihre Ausstrahlungskraft erneuern! Lasst uns das Evangelium so weitersagen, dass die Welt es hört! Aber lasst es uns aus der Leidenschaft und Begeisterung heraus tun, die die Freiheit eines Christenmenschen mit sich bringt. Alle Instrumente der Motivation, alle Methoden der Mitgliedergewinnung und –bindung, alle Personalentwicklungsprogramme für unsere Pfarrerinnen und Pfarrer werden schal und sind am Ende kontraproduktiv, wenn sie zur Hauptsache werden und sich nicht mehr nähren aus der geschenkten Freiheit.“ Lesen Sie den Beitrag von Pfr. Taig, Hof.

Zur Gegenüberstellung: In Kirche der Freiheit, unterzeichnet vom damaligen ratsvorsitzenden der EKD Wolfgang Huber, wurde formuliert:

„Unerlässlich ist es dafür, Ziele zu formulieren, Erfolge zu überprüfen und Teamfähigkeit zu fördern. Der Umfang der von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbrachten Leistung wie deren Qualität lässt sich steigern. Orientierungsgespräche, Zielvereinbarungen, 360-Grad-Feed-backs und andere Instrumente können auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche zu Gute kommen. Auch die Mitglieder und die an der Kirche Interessierten werden das mit Freude bemerken. Die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat deshalb eine so hohe Priorität, weil die evangelische Kirche die geistliche Qualität ihrer Arbeit steigern und unter diesem Gesichtspunkt Leistung fördern möchte.“ (KdF, S. 65).

Also eine Ohrfeige für den Lehrer?