Schlagwort-Archive: Lehrer

Bild-Zeitung hetzt gegen Lehrer-Streik

24. Oktober 2013. Unerhört! Skandalös! Lehrer schwänzen und wollen auch noch Beamtengehälter!

Wer sich im Fach Propaganda weiter bilden will, kommt an der Springer-Presse nicht vorbei. Sie beherrscht das anspruchsvolle Handwerk, die arbeitende Bevölkerung gegeneinander auszuspielen und die eine Berufsgruppe von der Unsinnigkeit berechtigter  Forderungen einer anderen Berufsgruppen zu überzeugen. Mehr dazu.

Professionen am Pranger

RichterInnen:

Das Internetforum des DRB zur Justizreform macht deutlich, dass durch die Äußerungen verschiedener Politiker sowie hochrangiger Beamter aus den Justizministerien und die dadurch veranlasste negative Berichterstattung in den Medien, die Berufszufriedenheit und Motivation der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte viel stärker bedroht werden als durch die Zunahme der Arbeit und die Einschnitte in die Besoldung.

Ärztinnen und Ärzte:

Die Krankenkassen treten den Ärzten nicht mehr als gleichberechtigter Partner gegenüber, sondern sie blocken in den jährlichen Verhandlungen um das Ärztehonorar. Die Atmosphäre ist vergiftet. Mit einer regelrechten Medienkampagne wird gegen die Ärzte gehetzt. Ein Beispiel: Als am 22. Mai 2012 in Nürnberg der Deutsche Ärztetag eröffnet wurde, informierten die Kassen zeitgleich die Medien darüber, dass die Überweisung von Patienten in deutsche Kliniken nicht mit rechten Dingen zugehen würde. In dem Moment, als die Führung der gesamten Ärzteschaft der Eröffnungsrede von Gesundheitsminister Daniel Bahr lauschte, empörte sich die Medienöffentlichkeit wegen angeblicher Fangprämien für Klinikeinweisungen. Überall machte das Wort von der „Ärztekorruption“ die Runde.

Diffamierungskampagnen dieser Art sind nicht neu. Neu ist aber, dass die Krankenkassen immer mehr versuchen, die Qualitätszirkel der Ärzte zu beeinflussen. Die Kassen wollen den Ärzten vorgeben, was sie zu verschreiben haben und welche Therapie angemessen ist. „Hauptsache billig“ ist die Devise. Was für den Patienten am besten ist, scheint nicht wichtig zu sein.

LehrerInnen:

Der Berufsstand der Lehrer wird seit Jahren öffentlich immer häufiger diskreditiert. Daran beteiligen sich führende Politiker, Wirtschaftsvertreter und Journalisten. Das öffentliche Image des Lehrerberufes hat darunter erheblich gelitten. Junge Leute lassen sich vom sinkenden Sozialprestige eines Berufes – wie in jedem anderen Berufsbereich auch –  beeinflussen.

PfarrerInnen:

Spätestens ab Mitte der 90iger Jahre kursiert namentlich in den Kirchenämtern/Kirchenverwaltungen der pejorativ verwendete Begriff einer „Pfarrerkirche“. Die EKD- Reformschrift „Kirche der Freiheit“ (2006) als maßgebliche Position bleibt in diesem Fahrwasser, wenngleich jegliche plumpe Begrifflichkeit vermieden wird. Prof. Isolde Karle: „Das Grundproblem des Impulspapiers im Umgang mit der Pfarrerschaft ist, dass es diese Grundsätze (gemeint: „Führung, die den Selbstrespekt, die Würde des Menschen in ihr Sinnzentrum stellt“, Anm. F.S.) verletzt und in abwertender Weise von den Pastorinnen und Pastoren spricht, von ihrer Selbstgenügsamkeit, von ihrem pastoralen Separatismus,… ihrer Selbstbezüglichkeit, den altertümlichen Pfarrherrlichkeiten, die wieder auferstünden“. Zitiert aus: Isolde Karle, Kirche im Reformstress, S. 213

Umbruch der Arbeitswelt der Professionen im interdisziplinären Vergleich

Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Marktmechanismen, Marktdenken dringt überall hin vor. Sie werden in „Reformen“ umgesetzt. In den beruflichen Arbeitsfeldern wirkt sich der Umschwung am stärksten bei den sog. Professionen aus, im Bereich Bildung (Lehrer, Professoren) und Gesundheitswesen (Ärzte, Apotheker). Aber auch im Bereich Justiz (Richter) und den Kirchen (Pfarrer) sind seit Jahren signifikante Veränderungen zu verzeichnen. Diese Veränderungen wurden bislang in Einzelstudien erforscht und dargestellt. Soweit uns bekannt liegt aber bislang keine interdisziplinäre Studie über die Veränderungen in den getrennten Sektoren vor. Vielleicht ergeben sich aber gerade in der Zusammenschau ganz neue Erkenntnisse? Oder Mutmaßungen über einen gemeinsamen Hintergrund werden bestätigt. Diese also vielleicht neuen Erkenntnisse ggf. durch detaillierte Studien auf eine fachwissenschaftlichen Anforderungen standhaltende Form zu bringen, überlassen wir gerne anderen, dazu Berufenen.

Die Behandlung des Themas wird aber nicht in eine berufsständische Interessenvertretung mit abschließender nostalgischer recherche du temps perdu münden. Die zweite Seite der Medaille ist die der gesellschaftspolitischen Veränderungen, die sich in einem entsprechenden institutionellen Wandel manifestieren. Inwieweit Marktdenken und Marktgesetze also die Institutionen schon verändert haben und was das für die Gesellschaft in den Bereichen Gesundheitsversorgung, im Bereich Bildung, im Bereich der Justiz und der Kirchen für Folgen hat, das also wird im folgenden Monatsthema des Monats Juli genauer untersucht werden. Dabei wird die Frage, inwieweit die Demokratie selbst von diesen sektoralen, scheinbar unpolitischen Veränderungen tangiert ist, stets mit zu bedenken sein.

Lehrermangel „groß wie nie“

In Deutschland gibt es ca. 800.000 Lehrer in allen Schularten. Sie unterrichten 11,25 Mio. Schüler. Ca. 50% der Lehrkräfte sind über 50 Jahre (vgl. S.45).

An deutschen Schulen fehlen die Lehrer. Das beklagt der Philologenverband und warnte vor dramatischen Zuständen. Er schätzt die Zahl der

fehlenden Lehrkräfte auf rund 45.000. Besonders dramatisch ist Meidinger zufolge die Lage in den Bereichen Naturwissenschaften und Mathematik, wo bis zu 30.000 Pädagogen fehlen… Für junge Leute ist das Lehramtsstudium trotzdem keine Jobgarantie, denn es kommt auf die Schulform, das Fach und die Region an. Zum Artikel.

Interview mit Prof. Klemm, emerit. Professor für Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen in der Zeit:

DIE ZEIT: Herr Professor Klemm, Sie schlagen Alarm, weil bald weniger Geld in die Bildung fließt, als die verantwortlichen Politiker versprochen haben. Wie kommen Sie darauf?

Klaus Klemm: Durch ein Papier, das die Kultusministerkonferenz…

DIE ZEIT: …der Zusammenschluss der Bildungsminister aller Bundesländer…

Klemm: …vor ein paar Tagen vorgelegt hat. Daraus geht hervor, dass die Kultusminister die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer in den kommenden Jahren von derzeit knapp 800.000 nach meinen Berechnungen auf nur noch etwa 720.000 senken wollen.

‚Vom vielen Wiegen wird die Sau nicht fett‘ – ein Lob der Schule von Prof. Joachim Bauer (Rezension)

Schule wie Kirche?  Parallele Entwicklungen in unterschiedlichen Institutionen. Eine Buchempfehlung – nicht nur für Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit!

Joachim Bauer: Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. Hamburg 2007 ISBN 978-3-455-50032-5

Gut zu lesen, kurz und knapp, aber doch sehr bildreich beschrieben („’Vom vielen Wiegen wird die Sau nicht fett‘- und Schüler werden vom Testen nicht klüger.“ S. 120) All dies empfinde ich für unsere kirchliche Arbeit nicht nur mit Kindern und Jugendlichen äußerst entlastend und hilfreich zu hören.

Worum geht es?
– ungeschminkt wird die Situation des Lehrers vor einer Klasse beschrieben;
– die universitäre Ausbildung der Lehrer wird kritisch gesehen und Vorschläge zur Verbindung von Universität und Schule ähnlich wie bei den Medizinern gemacht;
– vor allem aber wird das Urteil über Lehrer in der Politik und Öffentlichkeit schärfstens abgelehnt, denn Lehrer leisten Schwerstarbeit;
– der Einfluss der elektronischen Medien auf die Kinder und Heranwachsenden wird in seinen negativen Auswirkungen insbesondere auf die Gewaltbereitschaft benannt;
– es werden in kurzen und klaren Worten Orientierungen für den Lehrer gegeben, wie er sich angesichts dieser Situation verhalten und seine eigene Gesundheit schützen kann.
– Es wird auf die Untersuchungen der Gründe für die hohe Zahl der früh berenteten oder pensionierten Lehrer hingewiesen.
– Die Übernahme von Mess- und Kontrollsystemen, die von außen nicht nur auf Schulen, sondern auch auf „Industriebetriebe, Dienstleistungseinrichtungen, Arztpraxen, Krankenhäuser oder Schulen“ wird kritisiert, da sie die Tendenz haben, „zu parasitären Apparaten zu werden, zu Biotopen, in denen sich viele Zaungäste ernähren, ohne letztlich die Einrichtungen zu stärken, die sie evaluieren und kontrollieren sollen.“ (S. 120) – Als Kirche beginnen wir damit ja gerade in großem Maßstab.

Wichtige Parallelen zur kirchlichen Situation:
– Vor allem die drei Seiten über die „Beziehungen im Lehrerkollegium“ und den Umgang mit Klagen von Eltern und Schülern über Kollegen ist sicher für viele von unseren Mitarbeitergruppen sehr hilfreich. Ein professioneller, an Qualitätsmangagements (QM)ausgerichteter Prozess wird hier gefordert: schriftliches festhalten der Beschwerden, Schaffung eines Vertrauensgremiums, das aufgrund dessen Rücksprache hält und diese Beschwerden einordnet als üble Nachrede oder berechtigt. (S. 60ff)

Joachim Bauer ist Medizin Professor und Psychotherapeut. Er leitet das Münchener Institut für Gesundheit in pädagogischen Berufen“ . Bei Hoffmann und Campe sind 2005 und 2006 weitere sehr lesenswerte Bücher erschienen, die über die Wirkung unserer Spiegelneuronen Auskunft geben.

K.D.