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Wie politisch ist die Praktische Theologie? Von Prof. Godwin Lämmermann

…Wohlgemerkt, die Fragestellung lautet: „Wie politisch ist die Praktische Theologie?“ Demgegenüber soll im Folgenden nicht gefragt werden, wie politisch denn der eine oder andere Praktische Theologe war. Denn selbstverständlich kann ein Wissenschaftler politisch sein, ohne dass seine Theorie es substanziell ist. Man braucht sich nur an die Diskussion im Werturteilsstreit oder im Positivismusstreit erinnern und daran, dass hier zwar den Wissenschaftlern – sofern sie sich als Politiker gerieren wollen – das Recht auf politische Äußerungen eingeräumt, zugleich aber die Wert- und Politikfreiheit ihrer wissenschaftlichen Aussagen eingefordert wurde. Im Gegensatz zu dieser positivistischen Position der Wertfreiheit, vertreten von Max Weber und anderen, stand bekanntlich Theodor W. Adorno im sogenannten Positivismusstreit für die Auffassung, dass die Wissenschaft selbst eine Verantwortung für die politische Seite ihrer Ergebnisse zu tragen habe. Dass ich diese Auffassung teile, dürfte hinlänglich bekannt sein. Deshalb konkretisiere ich das Thema wie folgt: „Wie politisch ist die Praktische Theologie als wissenschaftliche Disziplin?“

…Die Praktische Theologie als politisch denkende hätte vielmehr das anzuwenden, was Paul Ricœur eine „Hermeneutik des Verdachts“ genannt hat….

Ein Praktische Theologie, die sich als Kritische Theorie versteht, hinterfragt das bisherige Selbstverständnis und versucht, in dieser Dialektik von Verstehen und Erklären verborgene Faktoren, wie Interessen, Verdrängtes, Machteinflüsse, geschlechtsspezifische Perspektiven, Manipulationsagenten usw. zu entschlüsseln. Das gilt für Strukturen wie für Menschen, für das Politische wie für das Persönliche, für andere Disziplinen, aber auch für die Praktische Theologie selbst. …

Eine „Hermeneutik des Verdachts“ ist – so schon Hans-Georg Gadamer – Ideologiekritik.  In diesem Sinne wäre die Praktische Theologie eben als Ideologiekritik christlich-religiösen Denkens und Handelns zu verstehen, und damit ist sie grundständig politisch…  

Lesen Sie auf den Seiten 37ff den vollständigen Vortrag.

Neues zum „Geist des Kapitalismus“. Die religiöse Struktur des modernen Wirtschaftsdenkens.

Bei den Stichworten „Kapitalismus“ und „Religion“ fällt den meisten immer noch der Name Max Weber ein. Der meinte, dass der Calvinismus die geistigen Vorraussetzungen geschaffen habe für die Entwicklung des Kapitalismus in Europa und Amerika. Seine Studie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ hat eine Wirkungsgeschichte nach sich gezogen, vor der jeder Autor nur vor Neid erblassen kann. Obwohl Historiker immer wieder nachgewiesen haben, dass der von Weber postulierte Zusammenhang von Konfession und wirtschaftlichem Erfolg nicht taugt zur Erklärung der Wirtschaftsgeschichte, ist die These dennoch kaum totzukriegen. Von daher ist der Versuch, den „Geist des Kapitalismus“ einmal anders zu rekonstruieren, reizvoll und nicht so verwegen, wie es scheint. Kann man dazu doch an die alte Weber-Kritik von Lujo Brentano und Werner Sombart anknüpfen. Zum Artikel von Christoph Fleischmann.