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65 kw Religion als hochpolitisches Thema im Neoliberalismus

Friedrich August von Hayek – Evolution und Wettbewerb der Religionen
Veröffentlicht am 24. November 2009 von liberalesinstitut
Gastbeitrag von Dr. Michael Blume

…Angenommen, Sie lebten in einer Welt, in der alles Wissen vorhanden und alle Handlungen rational verbindlich vorherberechnet wären – wären Sie frei? Schon frühe Denker des Liberalismus erkannten, dass eine solche Welt nicht nur praktisch unmöglich wäre – sondern auch logisch unfrei. Denn zur Würde und Freiheit des Menschen gehöre auch, sich selber an letzte Ziele auch außerhalb der rationalen Begründbarkeit zu binden: zum Beispiel Sinn oder Spaß, Zerstreuung oder Erlösung, materiellen Besitz oder Gottesnähe. Nicht zufällig spielte daher der Kampf um Gewissens- und Religionsfreiheit in freiheitlichen Bewegungen immer wieder eine besondere Rolle. Und schon Adam Smith wies in seinem „Wohlstand der Nationen“ dem freiheitlichen Wettbewerb konkurrierender Religionen in einem genialen Kapitel eine wichtige Aufgabe beim Aufbau eines lebendigen Bildungssystems zu.

…Andere Studien erkunden, warum die sozialistischen Kibbutz-Gründungen in Israel erstarben, die religiösen aber weiterhin erblühen. Warum sich Frauen quer durch die Kulturen häufiger religiös im Ehrenamt engagieren. Wie und warum sich religiöse Signale in spieltheoretischen Experimenten auswirken. Warum fundamentalistische Anbieter am religiösen Markt oft erfolgreicher sind als „aufgeklärt-unverbindliche“ Kirchen…

Hayek schloss sein „Fatal Conceit“ mit dem Satz, dass sich an religionspolitischen Fragen „das Schicksal unserer Zivilisation“ entscheiden könne. .. Zur Quelle.

Manche wieder aufgeflammte Debatte um die Bedeutung von Religion erhellt, wenn man die Wurzeln erkennt: die politisch-ökonomische Debatte der Neoliberalen wie hier Hayek. Spannend, welche ökonomischen Themen (wie z.B. Wettbewerb) von dort in den Bereich der Religionen eingeschleust werden. Und mehr noch, welche Richtungen der „religiösen Angebote“ von neoliberaler Seite favorisiert werden („fundamentalistische Anbieter“). Und dass Religion auch als Gegenmittel gegen Säkularisierung in Stellung gebracht wird.  In wie weit solche Thesen weniger empirisch-deskriptiven Charakter haben als politisch-normative Richtungsvorgaben darstellen, wäre vielleicht nicht all zu schwer zu erweisen. Denn ökonomische Theorie trägt selbst oft genug Glaubenszüge –  obwohl ihr doch  ausreichend empirisches Material für wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung stünde. (FS)

„Kinderarbeit nicht pauschal verdammen“. Peter Barrenstein warnt vor pauschalem Verdammen von Kinderarbeit. Dazu: Bericht über Kinderzwangsarbeit von terrre des hommes.

16.06.14

Der christliche Unternehmer Peter Barrenstein fordert ein Ende evangelischer Umverteilungsideologie. Protestanten bräuchten mehr Freiheitsbewusstsein – und eine differenzierte Sicht auf Kinderarbeit.

„Was aber nicht hilft“ – und damit rührt Barrenstein an ein kirchliches Tabuthema –, sei „ein pauschales Verdammen jeder Form der Arbeit von Kindern. Wenn ältere Kinder in sehr armen Ländern Arbeit finden und zugleich eine Ausbildung machen können, ist das immer noch besser, als wenn sie in die Kriminalität oder die Prostitution getrieben werden.“

Zum Artikel der Welt.

Dr. Barrenstein ist Mitglied der Synode der EKD und der Generalsynode der VELKD, Mitglied der EKD-Steuerungsgruppe zum Reformprozeß, Beauftragter des Rates der EKD für das Thema Führen und Leiten in der EKD sowie Aufsichtsrat der Führungsakademie für Kirche und Diakonie.

Klarstellung der Fakten zu Kinderarbeit und Kinderzwangsarbeit:

Kinder- Sklaverei – immer noch in Mode. Von Iris Stolz, Referentin Kinderrechte, terre des hommes

veröffentlicht in: terre des hommes-Zeitung 4/2014
mit freundlicher Genehmigung übernommen.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass weltweit 5,5 Millionen Kinder als Arbeitssklaven, Zwangsprostituierte oder in privaten Haushalten missbraucht und ausgebeutet werden. Hinter diesen dürren Zahlen verbirgt sich unvorstellbares Leid, Tag für Tag.
terre des hommes-Partner berichten von Mädchen, die in indischen Spinnereien vor Erschöpfung zusammengebrochen sind oder die als Hausmädchen von ihren Arbeitgebern missbraucht, geschwängert und buchstäblich auf die Straße geworfen wurden. So verschieden ihre Geschichten sind, kommen doch fast alle Kinder in Zwangsarbeit und Sklaverei aus extrem armen Familien. Sie sind nur kurz oder gar nicht in die Schule gegangen, und ihren Familien fehlen Wissen und Kenntnisse, um staatliche Hilfs- und Sozialprogramme in Anspruch zu nehmen, soweit es diese denn gibt. Hinzu kommen soziale Ausgrenzungen wie beispielsweise durch das indische Kastensystem sowie die geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen und Mädchen.

Wenn Kinder durch Menschen, die nicht ihre Eltern sind, zur Arbeit gezwungen werden, dann definiert dies die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) als Zwangsarbeit. Dabei kann Zwang auf verschiedenen Ebenen ausgeübt werden: Zum Beispiel, um Kinder zu rekrutieren oder um Eltern und Kinder zu bewegen, eine bestimmte Form von Arbeit zu übernehmen. In vielen Ländern der Welt werden Kinder dazu gezwungen, Dinge zu tun, die bei ihrer Einstellung als Beschäftigte nicht Teil der Abmachung waren. Ein Beispiel dafür ist die Versklavung haitianischer Kinder als Hausdiener. Die sogenannte »Restavec«-Praxis beschreibt ursprünglich die Tradition, dass arme Familien aus ländlichen Gebieten ihre Kinder an wohlhabendere Verwandte in die Städte schicken. Die Kinder sollen dort Haushalt unentgeltlich arbeiten, dafür Essen, eine Schulbildung und bessere Lebensperspektiven erhalten. Doch der solidarische Gedanke dieses Systems wird heute für kommerzielle Zwecke und Dienstleistungen missbraucht. Die Restavecs müssen Kinder und Senioren pflegen, schwere Einkäufe schleppen, kochen putzen und waschen, Botengänge erledigen und vieles mehr, was die Gesundheit von Kindern beeinträchtigt.

Laut ILO wirft die Versklavung von Kindern und Erwachsenen jährlich rund 150 Milliarden US-Dollar Extraprofite ab – am lukrativsten ist Zwangsprostitution in Industrieländern, wo Gewinne bis zu 80.000 US-Dollar pro Opfer und Jahr möglich sind. Dies sind Profite, die bei regulären Beschäftigungsbedingungen unvorstellbar waren.

Die australische Walk Free Foundation, die den Global Slavery Index 2013 herausgegeben hat, schätzt die Zahl der Opfer von Zwangsarbeit in Indien auf fast 14 Millionen. Viele sind bei Kreditwucherern verschuldet und mitsamt der ganzen Familie deren Zahlungs-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen ausgeliefert.

Ein besonders perfides Beispiel für Zwangsarbeit in Indien ist das sogenannte Sumangali-Schema. Die im Akkord und unter haarsträubenden Bedingungen hergestellten Textilien werden in alle Welt exportiert und vor allem in Discountern billig angeboten. Doch es gibt auch Erfolge im Kampf gegen diese Zwangsarbeit – zum Beispiel dank konkreter juristischer Unterstützung für die indischen Arbeiterinnen, die ihnen endlich zu ihrem Recht verhilft, und indem der internationale Handel in die Verantwortung für faire Produktionsbedingungen in der gesamten textilen Lieferkette genommen wird. Lesen Sie auf den folgenden Seiten, wie sich terre des hommes zusammen mit indischen Partnerorganisationen für Sumangali-Opfer engagiert.

 

Wettbewerb – «Hayekianer» zum Thema Religion

Keine Denkverbote gab es bei der Tagung der „Hayekianer“ bei der Frage, ob Religion für die Freiheit nützlich, schädlich oder unerheblich sei.

Michael Zöller von der Universität Bayreuth sieht in der (reformatorischen?) Betonung der individuellen Verantwortung vor Gott einen freiheitlichen Einfluss christlicher Religion in der Politik, wobei er den Wettbewerb von Religionen für zentral hält, damit sich nicht freiheitsbeschränkende Monopole bilden.

Einig mit dem Islamwissenschafter Bassam Tibi von der Universität Göttingen waren sich die meisten «Hayekianer» darin, dass die Säkularisierung ein westliches Phänomen ist und dass weltweit eine Rückkehr religiös-politischer Fundamentalismen zu beobachten ist, welche u. a. im Islam einen guten Nährboden finden, weil dieser nicht auf eine Trennung des Religiösen vom Politischen ausgelegt ist.

«Hayekianisch» wäre dabei wohl, die Religionsfreiheit zu schützen und niemandem Denkverbote aufzuerlegen, aber von allen Toleranz für den freien Wettbewerb der religiösen Überzeugungen einzufordern. (NZZ)