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Die Welt brennt – die Kirchen verzetteln sich im Klein-Klein. Wittenberger Appell.

Erklärung der Versammlung christlicher Reformgruppen vom 21. – 23. Oktober 2016 in Lutherstadt Wittenberg
Die Welt brennt – die Kirchen verzetteln sich im Klein-Klein
Geschwisterlich Kirche sein in gemeinsamer Verantwortung für die Welt
Reformationsjubiläum Jubiläen bringen es mit sich, auf die Anfänge zurückzublicken und darauf, wie prächtig sich doch alles entwickelt hat. Sind 500 Jahre Reformation in diesem Sinne ein Jubiläum wert? Kirchenspaltungen und Religionskriege, gegenseitige Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Ausgrenzungen bis in die letzten Jahrzehnte, ja bis heute, sind kein Ruhmesblatt für die Kirchen. Nach langem, redlichem Bemühen in der ökumenischen Bewegung scheinen die Gräben zwischen den Konfessionen eher wieder tiefer zu werden. … Mehr dazu.

»Skandalöser Zustand«. Prominente Christen fordern gemeinsames Abendmahl – auch gegen den Widerstand der Kirchenoberen

08.10.2016, Bayerisches Sonntagsblatt

Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum im nächsten Jahr dringen prominente Christen auf das Ende der Kirchenspaltung. In Berlin riefen prominente Vertreter aus katholischer und evangelischer Kirche Christen beider Konfessionen zum gemeinsamen Abendmahl auf, auch gegen den Widerstand der Kirchenoberen…  Mehr dazu.

Auf dem Weg in den Post-Protestantismus. Von Martin Schuck.

10/2016

Karl Richard Ziegert zeichnet in mehreren Veröffentlichungen das beklemmende Bild eines Protestantismus, der durch seinen Wunsch nach verstärkter Kirchlichkeit letztlich das Potential, das den Protestantismus ausmacht, leichtfertig aufs Spiel setzt. Nicht mehr das Pfarramt in der Gemeinde, sondern die Kirchenleitungen, die sich mit politischen Botschaften an das Gemeinwesen wenden, sind die entscheidenden Akteure in dieser neuen Form von Kirchlichkeit. Die Arbeiten Ziegerts, vor allem auch sein im vergangenen Jahr erschienenes Buch „Die Verkäufer des perfect life. Über die Amerikanisierung der Religion und den Untergang der EKD-Kirchenwelt in Deutschland“ (LIT-Verlag, Münster 2015), zeichnen die Konturen eines Protestantismus, der sich, sowohl was seine Gestalt als auch seine Botschaft betrifft, in einem tiefgreifenden Transformationsprozess befindet. Ziegert zieht einige Linien von den 1920er Jahren bis in die Gegenwart und sieht eine mögliche Lösungsstrategie in der Wiederaneignung alter theologischer Tugenden, die die Attraktivität und Ausstrahlungskraft des reformatorischen Pfarramts ausgemacht haben.
Zu fragen ist allerdings, ob die gegenwärtige Transformation des Protestantismus sich tatsächlich nur als das Ergebnis eines veränderten Rollenverständnisses kirchenleitender Personen, die sich plötzlich als Leitende Geistliche verstehen, zu beschreiben ist, oder ob es nicht noch andere, außertheologische Faktoren gibt, die letztlich entscheidend sind und überhaupt erst den Ermöglichungsrahmen bieten für das veränderte Verhalten der Kirchenleitungen. Zieht man den Vergleich mit der ersten großen Transformation, die der Protestantismus durchgemacht hat, nämlich die Umwandlung des Altprotestantismus der konfessionell geprägten Lehrsysteme in einen von der Wende zur neuzeitlichen Subjektivität bestimmten Neuprotestantismus, so kann man die These wagen, dass der Protestantismus selbst nicht die treibende Kraft ist, die die Bedingungen für die eigne Transformation herstellt, sondern mit einer veränderten Form religiöser Präsentation auf von außen gesetzte Veränderungen reagiert. So wurde die Transformation vom Alt- in den Neuprotestantismus ab der Mitte des 17. Jahrhunderts massiv vorangetrieben durch die im Dreißigjährigen Krieg gewachsene Erkenntnis, dass nach der Spaltung der mittelalterlichen Einheitswelt die neu entstandenen Konfessionen eine sozialverträgliche Form der Koexistenz finden müssen, wenn sich das Gemeinwesen nicht in einem permanenten Kriegszustand befinden soll. Umgesetzt wurde diese Erkenntnis aber zunächst nicht von dem Konfessionskirchen und ihren Theologen, sondern von den Philosophen der Aufklärung und deren Anhängern unter den Territorialfürsten, die in ihren jeweiligen Gebieten Toleranzedikte erließen und so Strukturen schufen für eine Konvivenz der unterschiedlichen Konfessionskirchen. Erst innerhalb dieser Strukturen entstand auch in der Theologie die Notwendigkeit zur Reflexion der eigenen theoretischen Grundlagen mit dem Ziel, diese mit dem in der Aufklärung entstandenen Menschenbild kompatibel zu machen.
Schaut man auf das Ergebnis dieser Transformation, lassen sich im 19. Jahrhundert Konturen eines Protestantismus erkennen, in dem die Frage nach der Bedeutung einer bestimmten Konfession für die Kultur des Gemeinwesens eine gewisse Priorität erlangt hatte. So trat die kirchliche Lehre als konfessionsspezifisches Merkmal in ihrer Bedeutung zurück hinter stark empfundene Differenzen zwischen den Konfessionen in Fragen der Gestaltung der Lebenswelt, also des Ethos, des Frömmigkeitsstils und des sozialmoralischen Habitus. Die fast überall geführten Kulturkämpfe machten deutlich, dass es hart verteidigte konfessionelle Milieus gab, und in Folge dieser Erkenntnis widmete sich um 1900 auch die Theologie verstärkt der Frage nach der spezifischen Bedeutung des Protestantismus im Gegenüber zur katholischen Kirchenwelt für die kulturelle Verfassung des Gemeinwesens. Als Ergebnis dieser Debatten entstand das Bild eines Protestantismus, dessen wichtigstes Identitätsmerkmal darin bestand, „mehr und anderes als nur Kirche zu sein“ (Friedrich Wilhelm Graf), weil für den Protestantismus eine völlig andere Verhältnisbestimmung zwischen persönlichem Glauben, christlicher Überlieferung und kirchlicher Institution konstitutiv war als für alle anderen konfessionellen Ausprägungen des Christentums. Das identitätsstiftende Zentrum (oder, in der damaligen Diktion, das „Wesen“) des Protestantismus, so das Ergebnis der damaligen Debatten, sei ein prinzipielles Eigenrecht des Glaubenden in seiner durch Subjektivität bestimmten Religiosität gegenüber der kirchlichen Institution.
Betrachtet man diese Erkenntnis als inhaltliche Pointe des Transformationsprozesses vom Alt- zum Neuprotestantismus, so beginnt die derzeit noch anhaltende Transformation ab dem Zeitpunkt, als eine Korrektur und der Versuch der Rückgängigmachung ebendieses Ergebnisses auf dem Plan stand. Einen ersten theologischen Versuch wagte die dialektische Theologie, die in ihrer prinzipiell antiliberalen Haltung der religiösen Subjektivität des Einzelnen ein autoritatives kirchliches „Wort“ vorordnete und in Barths Diktum über den direkten Weg von Schleiermacher zu den Deutschen Christen die gesamte Geschichte des Neuprotestantismus als Irrweg erklären wollte.
Etwa zeitgleich dazu gab es einige außertheologische Veränderungen, die – im Nachhinein betrachtet – nicht spurlos an der Selbstpräsentation des Protestantismus vorübergehen konnten. Waren die Katholiken noch in der Kaiserzeit in den wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen deutlich unterrepräsentiert, so gelang es ihnen, nach dem Übergang zur parlamentarischen Demokratie nachhaltig an gesellschaftlichem und politischem Einfluss zu gewinnen. Damit einher ging ein auffälliges Schrumpfen der protestantischen Sozialmilieus, während die katholischen Milieus aufgrund institutioneller Präsenz (katholische Vereine, katholische Arbeitnehmerverbände, Zentrumspartei) weitgehend intakt blieben und auch durch den Nationalsozialismus nicht existenzbedrohend beschädigt werden konnten. Nach 1945 prägte der Katholizismus die Kultur der neuen Bundesrepublik mindestens in gleichem Maße wie der Protestantismus – eine Entwicklung, die der Protestantismus durch seine permanente Produktion von moralisch aufgeladenen politischen Erklärungen zu unterlaufen versuchte. Die Präsenz des Katholizismus im öffentlichen Raum verstärkte sich noch einmal signifikant nach 1989, so dass heute in der medialen Öffentlichkeit die Begriffe kirchlich und katholisch nahezu synonym gebraucht werden.
Im Grunde sind damit wichtige Motive angedeutet, warum der Protestantismus so vehement versucht, eigenmächtig Transformationsprozesse in Richtung einer starken öffentlichen Präsenz als Kirche in Gang zu setzen. Letztlich dreht es sich um die Frage, ob in einer Öffentlichkeit, die immer stärker durch eine sich weiterentwickelnde Medienlandschaft bestimmt wird, der Protestantismus für den Katholizismus ein ernsthafter Konkurrent bei der Jagd um Aufmerksamkeit sein kann. Solange Zeitungen und später der Hörfunk Leitmedien waren, hatte der Protestantismus aufgrund seiner Wortzentriertheit alle Vorteile auf seiner Seite; mit dem Beginn der Herrschaft des Fernsehens änderte sich das gewaltig, denn der Katholizismus liefert mit Abstand die besseren Bilder. Der Beginn des Internet-Zeitalters wirkt nun allerdings wie eine Weggabelung. Mit dem Internet ist das Zeitalter der Massenmedien vorbei; aber das, was jetzt entsteht, knüpft keineswegs an die vorherige Ära an, sondern bietet einen kategorial neuen Weg der Kommunikation, der im Ergebnis einen größeren Kampf um Aufmerksamkeit der Empfänger von Nachrichten nötig macht als im Zeitalter der Massenmedien, wo durch Staatsverträge eine gewisse Präsenz der Kirchen in der öffentlichen Wahrnehmung sichergestellt war. Da diese Präsenz durch das Unwissen über das Verhalten der Internetnutzer nicht mehr gesichert ist, scheint der Protestantismus sein Heil in einer Konzentration auf zentrale, meist lange vorher angekündigte Events zu suchen.
Aus dieser Eventorientierung, wie wir sie spätestens seit Beginn der „Lutherdekade“ 2008 erleben, ergeben sich aber zwei Probleme. Das erste Problem besteht darin, dass eine Großveranstaltung, die überregional wahrgenommen werden soll, nur von einer Organisation vorbereitet und durchgeführt werden kann, die über genügend materielle und finanzielle Ressourcen verfügt. Deshalb verlangt die Orientierung auf Events nach einer Organisationsform, mittels derer man in der Lage ist, notfalls etwas einem Papstbesuch vergleichbares auf die Beine zu stellen. Das geht natürlich nur in einer Zentralkirche, der die Regionalkirchen bei Bedarf zuarbeiten.
Das zweite Problem dieser Eventorientierung ist die Reduzierung der komplexen christlichen Botschaft auf wenige eingängige Parolen. Hier kann der Protestantismus auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen, denn im evangelikalen Spektrum gibt es seit Jahrzehnten solche Großveranstaltungen. Aber gerade an Predigten etwa bei Pro-Christ kann man studieren, dass differenzierte Botschaften nicht massentauglich sind, sondern nach Vereinfachung verlangen. Problematisch ist auch, dass es bei solchen Events praktisch unmöglich ist, den einzelnen Christen direkt anzusprechen; er erscheint ja nur als Teil einer Masse. Ansprachen geraten dann sehr schnell in den Modus des Stellens von Forderungen an alle und jeden („die Gesellschaft muss in der Frage der Klimagerechtigkeit umdenken“) bei gleichzeitiger Vereinnahmung der einzelnen für von kirchlichen Agenturen gesetzte Ziele, deren Umsetzung nun wirklich nicht in der Kompetenz kirchlicher Stellen liegt („wir als Kirche müssen uns dafür einsetzen, dass Europas Grenzen für Flüchtlinge offen bleiben“). Für den Protestantismus bedeutet deshalb eine Orientierung auf Großereignisse als Orte kirchlicher Präsenz einen Verzicht auf protestantische Kernkompetenz, nämlich die religiöse Kommunikation, symbolische Identitätsbildung und Vermittlung von Lebenssinn im überschaubaren Sozialraum und im Gespräch von Mensch zu Mensch; diese Reduktion auf präsentable Inhalte birgt jedoch die Gefahr eines permanenten Realitätsverlust, der – um mit Friedrich Wilhelm Graf zu reden – mit „einer phantastischen Rhetorik des immer mehr Erreichenkönnens“ überdeckt werden soll.
Macht man sich diese wenigen Zusammenhänge klar, wird deutlich, dass diese Entwicklung nicht nur ein Problem der Kirchenleitungen ist, sondern aller Protestanten. Für nahezu jede Pfarrerin und jeden Pfarrer ist es eine Selbstverständlichkeit, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu betonen, dass Kirche politisch zu sein hat, dem „Rad in die Speichen greifen“ muss, wie Dietrich Bonhoeffer das in gewiss anderem Zusammenhang gesagt hat. Und aufgrund des anhaltenden Bedeutungsverlusts der Kirchengemeinden in zahlreichen Kommunen ist es verständlich, dass Pfarrerinnen und Pfarrer wie nach dem sprichwörtlichen Strohhalm nach allen sich bietenden Möglichkeiten greifen, die Aufmerksamkeit in der örtlichen Presse garantieren und die Kirchengemeinde zum Gesprächsthema vor Ort werden lassen. Theologische Überlegungen spielen dabei meist eine untergeordnete Rolle. In diesem Zusammenhang ist zu hoffen, dass die theologische Ausbildung weiterhin am reformatorischen Pfarramt, wie Ziegert es beschreibt und als selbstbestimmte Form der theologischen Existenz wiedergewinnen möchte, orientiert ist und nicht irgendwann den vielseitig begabten Eventmanager mit theologischer Zusatzkompetenz zum Leitbild erklären wird.
Im Ergebnis steuern wir auf eine Form von evangelischer Kirchlichkeit zu, die nicht mehr viel mit dem klassischen Protestantismus zu tun hat. Aber genau diese evangelische Form von Kirchlichkeit bietet die Grundlage etwa für ökumenische Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche, und ohne diese Kirchlichkeit wäre auch das gemeinsame Reformationsgedenken des EKD-Ratsvorsitzenden mit dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz nicht möglich. Ich habe noch sehr genau die Worte eines führenden katholischen Ökumenikers im Ohr, der zu Beginn der Reformationsdekade im kleinen Kreis sagte, man könne mit evangelischen Kirchen über ein gemeinsames Reformationsgedenken reden; aber wenn der Protestantismus zum Thema werde, dann sei das Gespräch beendet.
Man wird solche Worte ernst nehmen müssen, denn sie drücken eine Überzeugung aus, die nicht nur in Kirchenleitungen, sondern auch bei Pfarrerinnen und Pfarrern sowie vielen Gemeindegliedern gerne geteilt wird. Daraus gilt es die Konsequenzen zu ziehen, auch wenn diese wehmütig stimmen. Die reformatorische Spielart des Christentums ist nach zwei tiefgreifenden Transformationsprozessen in ein Stadium eingetreten, in dem zwar die reformatorische Begrifflichkeit sorgfältig gepflegt und unter den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen theologisch gründlich durchdacht wird. Allerdings ist der ursprünglich kirchenkritische Impuls der Reformation verloren gegangen und das reformatorische Christentum findet sich wieder als Kirche im Gegenüber zu anderen Kirchen, mit denen man Zusammenarbeit pflegt, um mit einem gemeinsamen Zeugnis der Gesellschaft gegenüberzutreten. Dass in dieser Kirche eine Zunahme an hierarchischen Strukturen zu verzeichnen ist, muss nicht verwundern, denn in ihrem Umbau kann sie sich kaum auf Theologie berufen, sondern muss sich soziologischen und organisationstheoretischen Gesetzmäßigkeiten fügen. Das alles sind Zeichen für einen fortgeschrittenen Weg der reformatorischen Kirchlichkeit in eine post-protestantische Existenzweise.
Martin Schuck

500 Jahre Reformation: Die evangelische und die katholische Kirche haben sich auf einen Text verständigt. taz

09/2016, taz

Die Reformation gemeinsam betrachten: Die evangelische und die katholische Kirche haben sich auf einen Text verständigt….

Während sich die EKD schon seit etwa zehn Jahren auf aufwändige Reformationsfeierlichkeiten einstellt und dafür auch viel staatliche Hilfe erhalten hat, wusste die katholische Kirche Deutschlands lange Zeit nicht recht, wie man sich der großen Feierei der evangelischen Schwestern und Brüder stellen sollte. Insofern ist das gemeinsame Wort zum Reformationsjubiläum schon ein recht eindrucksvoller Schritt in der Ökumene – ebenso wie das Bekenntnis der beiden höchsten Repräsentanten der beiden Volkskirchen, Bedford-Strohm und Marx: „2017 werden wir erstmals in der Geschichte der getrennten Kirchen die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Reformation auch in ökumenischer Gemeinschaft feiern.“…

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Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen

16.9.2016 Taz.de

Das erste mal seit fast 500 Jahren haben sich die evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland auf einem gemeinsamen Text zur Reformation geeinigt. „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ soll den Kirchen eine Grundlage für das Reformationsjubiläum geben.

Es enthält auch ein gegenseitiges Schuldbekenntnis für ökumenische Gottesdienste:

In diesem Entwurf wird dem katholischen Priester vorgeschlagen, unter anderem folgendes Schuldbekenntnis zu sprechen: „Ich bekenne, dass die Freude des Glaubens in Hochmut verkehrt worden ist. Wo es um Gottes Ehre gehen sollte, stand menschlicher Stolz im Vordergrund.“ Und der oder die evangelische Geistliche kann beten: „Ich bekenne, dass Christen und Christinnen in Eifer und Unduldsamkeit Krieg gegeneinander geführt haben. … Die Geschichte der Verletzungen endet nicht, wo die Waffen niedergelegt werden. Wir haben an ihr teil, wenn wir einander in Gedanken, Worten und Werken verachten, verletzen und verurteilen.“

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Langweilige Theologie. Von Martin Schuck.

08/2016

Theologie treiben beinhaltete schon zu allen Zeiten die Aufgabe, das Gott-Welt-Verhältnis der Zeitgenossen zu ergründen, zu reflektieren und mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu konfrontieren. Dabei orientierte sich die Form der Theologie meist sehr genau am Zustand ebendieser gesellschaftlichen Verhältnisse.
Brachte das frühe Mittelalter eine lange Periode statischer Verhältnisse, so war die Scholastik legitimer Ausdruck dieser Verhältnisse. In genau dem Augenblick, als diese Statik, verursacht durch die Entwicklung des Städtewesens, durch erste naturwissenschaftliche Forschungen und durch humanistische Bildungsinitiativen, aufzubrechen begann, ging dieser Riss auch durch die scholastische Theologie und Philosophie und es entstand die Scheidung in Nominalismus und Realismus. Die weitere Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mündete kirchenpolitisch in die Reformation mit ihrer sehr dynamischen Theologieentwicklung, je nach den vorherrschenden gesellschaftlichen Formationen in eine lutherische (ländlich-feudale) und eine reformierte (städtisch-frühbürgerliche) Variante. Der zumindest in Mitteleuropa misslungene Versuch der physischen Vernichtung der Reformation führte auf der aktiven (katholischen) Seite zur ebenfalls recht produktiven Theologieentwicklung des Trienter Konzils, das als Geburtsort der modernen römisch-katholischen Kirche gelten kann; auf der passiven (reformatorischen) Seite bildeten sich dagegen Strategien zur Sicherung des Erreichten aus, die sich als konfessionell-theologische Systembildungen der lutherischen und reformierten Orthodoxie darstellten.
Die nach der Reformation für die europäische Geistesgeschichte wohl produktivste Periode war die Zeit der Aufklärung; die in ihr sich vollziehenden Transformationsprozesse des Denkens übertrugen sich vollständig auf die Theologie und führten zur Neuformulierung der klassischen Inhalte reformatorischer Theologie unter den Bedingungen neuzeitlicher Subjektivität. Aber erst die Phase der Restauration nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon und dem Wiener Kongress führte die Theologie mit Daniel Friedrich Ernst Schleiermacher zu jener Systembildung, die in der Philosophie bereits nach der Französischen Revolution mit den vernunftkritischen Werken von Immanuel Kant abgeschlossen war.
So wie sich die Werke der Philosophen in der Nachfolge Kants, namentlich bei Fichte und Hegel, als Bemühung zur Konsolidierung der Aufklärungsphilosophie durch die Phase des deutschen Idealismus hindurch zu statischen Entwürfen der Restauration lesen lassen, so leitet in der Theologie Schleiermacher diese Konsolidierungsbemühung direkt ein – unter Auslassung des idealistischen Umweges. Das restliche 19. Jahrhundert ist geprägt durch allerlei Ungleichzeitigkeiten, die sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie ihren Ausdruck gefunden haben; in der Philosophie etwa in der doppelten Nachwirkung Hegels sowohl im Marxismus als auch in der preußischen Staatstheorie Friedrich Julius Stahls und in der Theologie in der Abarbeitung des Schleiermacher’schen Systems durch die liberale Theologie ohne direkte Verbindung zur parallel verlaufenden Entwicklung des konfessionellen Luthertums.
Zu einer weiteren Transformation innerhalb der Theologie führte die Abkehr vom landesherrlichen Kirchenregiment nach 1918, und jetzt waren es die in die Selbständigkeit entlassenen Kirchen selbst, die immer mehr zum Gegenstand theologischen Nachdenkens wurden. Eine der letzten Äußerungen, die nicht die Kirchen-, sondern die Zeitbezogenheit der Theologie fordert, stammt von Ernst Troeltsch aus dem Jahr 1913: „Die heutige Dogmatik soll der heutigen Zeit dienen, die keine Zeit der Kirchengründung, sondern der religiösen Unruhe und Krisis, der intellektuellen und ethischen Umwälzungen ist. Da müssen die Kirchen, gerade um dem Leben zu genügen, individuelle Freiheit gewähren und kann gerade eine solche Dogmatik vielen Gläubigen entsprechen, während anderen Gruppen andere dogmatische Leitfäden entsprechen werden. Wenn die Kirchen diese Weitherzigkeit nicht mitmachen wollen oder können, so werden sie in den Hintergrund gedrängt werden. […] Die heutige Krise wird nicht durch kirchliche Neugründungen, sondern durch Ausweitung und Beweglichmachung der Kirchen überwunden.“
Spätestens mit dem Siegeszug des Barthianismus als wirkmächtiger Kirchentheorie Nachkriegsdeutschlands wurde die von den Barthianern gerne im Mund geführte Zeitbezogenheit der Theologie immer mehr zum reinen Postulat, denn es ist jetzt die Kirche, die selbst sowohl zum Produzenten als auch zum Adressaten der Theologie mutiert. Exemplarisch für diese neue Kirchentheorie stehen Sätze aus Barths Vortrag „Offenbarung Kirche Theologie“, der 1957 im dritten Band der „Gesammelten Vorträge“ abgedruckt wurde: „Theologie ist wie alle anderen Funktionen der Kirche ausgerichtet auf das Faktum, daß Gott gesprochen hat und daß der Mensch hören darf. Theologie ist ein besonderer Akt der Demut, die dem Menschen durch dieses Faktum geboten ist. Darin besteht dieser besondere Akt der Demut: in der Theologie versucht die Kirche, sich immer wieder kritisch darüber Rechenschaft zu geben, was es heißt und heißen muß vor Gott und vor den Menschen: Kirche zu sein. Existiert doch die Kirche als eine Versammlung von Menschen, und zwar von fehlbaren, irrenden, sündigen Menschen. Nichts ist weniger selbstverständlich als dies, daß sie immer wieder aufs neue Kirche wird und ist. Sie existiert unter dem Gericht Gottes. Eben darum kann es nicht anders sein, als daß sie sich auch selbst richten muß, nicht nach eigenem Gutdünken, sondern nach dem Maßstab, der identisch ist mit dem Existenzgrund, also nach Gottes Offenbarung und also konkret nach der Heiligen Schrift. Und eben dies: die immer wieder notwendige und gebotene Selbstprüfung der Kirche am Maßstab des göttlichen Wortes ist die besondere Funktion der Theologie in der Kirche.“
Kurz vorher reflektierte Barth im gleichen Vortrag über die Wissenschaftlichkeit der Theologie und führte dabei eine Kategorie ein, die verblüffen lässt, nämlich die Kategorie der Langweiligkeit: „Gibt es eine Wissenschaft, die so ungeheuerlich und so langweilig werden könnte wie die Theologie? Der wäre kein Theologe, der nicht von ihren Abgründen noch nie erschrocken wäre oder der vor ihnen zu erschrecken aufgehört hätte.“
Barth zeichnet eine Korrelation von Wissenschaft, menschlicher Wirklichkeit und Wahrheit, deren Pointe darin besteht, dass ästhetische und psychologische Wahrnehmungen darüber entscheiden, ob Theologie ihre Bestimmung erreicht oder eben verfehlt, und nichts anderes als das Verfehlen ihrer Bestimmung lässt das Prädikat langweilig als angemessene Beschreibung erscheinen: „Unter allen Wissenschaften ist die Theologie die schönste, die den Kopf und das Herz am reichsten bewegende, am nächsten kommend der menschlichen Wirklichkeit und den klarsten Ausdruck gebend auf die Wahrheit, nach der alle Wissenschaft fragt, am nächsten kommend dem, was der ehrwürdige und tiefsinnige Name einer ‚Fakultät’ besagen will, eine Landschaft mit fernsten und immer noch hellen Perspektiven wie die von Umbrien oder Toskana und ein Kunstwerk, so wohl überlegt und so bizarr wie der Dom von Köln oder Mailand. Arme Theologen und arme Zeiten in der Theologie, die das etwa noch nicht gemerkt haben sollten. Aber unter allen Wissenschaften ist die Theologie auch die schwierigste und gefährlichste, diejenige, bei der man am ehesten in der Verzweiflung oder, was fast noch schlimmer ist: im Übermut endigen, diejenige, die zerflatternd und verkalkend, am schlimmsten von allen zu ihrer eigenen Karikatur werden kann.“
Da genau an diese Passage die Frage nach der Möglichkeit von Langeweile anschließt und aufgrund der nur rhetorisch gestellten Frage die Antwort gleich mitgesetzt ist – ja, Theologie kann langweilig sein –, entsteht eine inhaltliche Unklarheit, wie genau Theologie beschaffen sein muss, um Langeweile zu vermitteln; das Zitat bietet als Möglichkeiten an: schwierig, gefährlich, in die Verzweiflung treibend, im Übermut endend, zerflatternd, verkalkend sowie zur eigenen Karikatur werdend.
Was also ist langweilige Theologie? Ich wage die Behauptung, dass Theologie genau dann langweilig ist, wenn sie weder in zeitdiagnostischer noch in wirklichkeitserschließender Absicht betrieben wird. Langweilige Theologie wird also vor allem dort getrieben, wo Theologie nachgefragt wird entweder zur institutionellen Selbstrechtfertigung der Kirche oder wo ein scholastischer Umgang mit Bekenntnistexten gepflegt wird, der die Glaubenspraxis der Zeitgenossen ebenso ignoriert wie die Transformationsprozesse der Neuzeit. Der erste Fall ist beispielhaft zu beobachten an der kürzlich vorgenommenen Selbsterklärung der EKD zur Kirche, der zweite geschieht auf geradezu klassische Weise in den ökumenischen Dialogen zwischen evangelischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche.
Zum ersten Fall: In der Debatte um die „Kirchwerdung“ der EKD werden eigentlich keine echten theologischen Argumente gebraucht, sondern ein einziger theologischer Satz wird zum Zwecke der institutionellen Selbstrechtfertigung so ausgelegt, dass sich aus ihm Konsequenzen kirchenpolitischer Art ziehen lassen. Der Satz: Die EKD „ist als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche“ ist als theologischer Satz dann richtig, wenn er die ebenso grundlegende wie banale Wahrheit ausdrückt, dass die EKD als Bund rechtlich selbständiger Kirchen Teil der einen weltumspannenden Kirche Jesu Christi ist. Dieser Satz bedarf keiner weiteren theologischen Diskussion. Die Diskussion, die sich diesem Satz anschloss, wurde jedoch nicht in theologischer, sondern in kirchenpolitischer Absicht geführt. Das Ziel bestand nicht darin, eine dogmatische Wahrheit auszudrücken, sondern darin, eine kirchenrechtliche Setzung auf den Weg zu bringen, die bei Bedarf ausbaufähig ist und eine Zentralisierung der kirchlichen Verwaltung im Kirchenamt der EKD ermöglicht. Eine solche Absicht muss jedoch offen kommuniziert und ehrlich diskutiert werden. Mit Theologie hat das alles sehr wenig zu tun, und dementsprechend wenige Theologen ließen sich auf diese Debatte ein. Machttaktische Absichten einer kirchlichen Institution in theologische Argumente zu transformieren, mag für die mit dieser Aufgabe befassten Theologen interessant und sogar lehrreich sein. Auf die Rezipienten wirkt diese Art von Theologie einfach nur – langweilig.
Zum zweiten Fall: Seit die römisch-katholische Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossen hat, sich mit einem eigenen Ökumenismusprogramm an der ökumenischen Bewegung zu beteiligen, führen vom Vatikan eingesetzte Dialoggruppen Lehrgespräche mit Vertretern der evangelischen Konfessionskirchen mit dem Ziel, Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirche zu gehen. Obwohl die sichtbare Einheit die Zielperspektive einzig der römisch-katholischen Kirche ist, wird dieses Programm wie selbstverständlich als Leitperspektive für sämtliche Dialogteilnehmer unterstellt. Die Zielperspektive der evangelischen Kirchen, Kirchengemeinschaft in der versöhnten Verschiedenheit nebeneinander existierender Konfessionskirchen zu praktizieren, findet in den veröffentlichten Texten keinerlei Beachtung.
Die theologische Gratwanderung der evangelischen Teilnehmer in den Dialoggruppen besteht nun darin, Verständigung mit den römisch-katholischen Teilnehmern einzig über einen Bestand an Lehrformulierungen, der in den konfessionellen Bekenntnisschriften aus dem 16. Jahrhundert niedergelegt ist, erreichen zu sollen. Diese Vorgabe ignoriert jedoch die Realität fast aller evangelischer Kirchen, da diese Bekenntnisse zwar einen auch heute noch gültigen Grundkonsens über das Verständnis des Glaubens aussagen, aber ihre Rolle als disziplinierende Instanz im Verhältnis zwischen den Gläubigen und der kirchlichen Obrigkeit seit dem Ende der lutherischen und reformierten Orthodoxie verloren haben. In der römisch-katholischen Kirche wird jedoch gerade diese disziplinierende Wirkung vorausgesetzt, wie die restriktive Zulassung auch der katholischen Christen zur Eucharistie deutlich macht.
Aufgrund der Rolle, die die Lehre innerhalb der katholischen Kirche spielt, kann dort die Einheit der Kirche nur als Gemeinschaft mit einer einheitlichen Lehre, für deren Vollständigkeit und Wahrheit der Papst steht, gedacht werden. Die evangelische Vorstellung von Einheit verwirklicht sich dagegen in einer Gemeinschaft, die sich zwar über die Wahrheit des Evangeliums verständigen kann, aber gerade deshalb eine Pluralität von kirchlichen Bekenntnissen akzeptieren und diese sogar als sichtbares Ergebnis der Freiheit des Evangeliums positiv würdigen kann.
Diese beiden Konzepte sind Ausdruck unterschiedlicher Auffassungen vom Kirchesein, und gerade deshalb ist es für evangelische Theologen eine überaus unbefriedigende Aufgabe, sich in Dialogkommissionen Gedanken darüber zu machen, wie man auf bekenntnispositivistische Weise Formulierungen auf gemeinsame Aussageinhalte hin untersucht, die nur als „differenzierter Konsens“ zur Darstellung gelangen können und keinerlei praktische Konsequenzen haben, weil die ökumenischen Kernfragen wie Kirchen- und Amtsverständnis aufgrund eines nicht kompatiblen Offenbarungsverständnisses unlösbar sind.
Wieder gilt: Die Teilnehmer der ökumenischen Kommissionen mögen ihren Spaß und sogar persönliche Befriedigung an dieser Art des Theologietreibens finden. Beim Lesen der veröffentlichten (und in aller Regel nur einseitig oder gar nicht ratifizierten) Dokumente stellt sich dagegen schnell Langeweile ein.
Vielleicht kann in Zeiten, wo die Kirche sich selbst zum Gegenstand der Theologie macht, Theologie, die sich darauf einlässt, gar nichts anderes sein als langweilig. Das muss aber nicht so bleiben. Ändern wird es sich genau dann, wenn die Vertreter der wissenschaftlichen Theologie selbst merken, dass sie es sind, die für die Themen der Theologie zuständig sind – und nicht die Kirchenämter.

Evangelische Kirchen Europas als kritische Partner in Flüchtlingshilfe und Sozialarbeit

29. April 2016
53. Tagung für Konfessionskunde in Europa vom 21. bis 24. April 2016 in Ukraine

Kirchen sollen nicht einfach auf Armut oder die Flüchtlingssituation in Europa reagieren, „sondern selbst die Initiative ergreifen: Statt eines reaktiven Verhaltens sollten sie neue Themen und die Entwicklung innovativer Lösungsmethoden anstoßen.“ Dies forderte Sándor Fazakas vom Reformierten Kolleg in Debrecen während der 53. Tagung des Evangelischen Arbeitskreises für Konfessionskunde in Europa (EAKE). Die historisch bedingte fehlende Bürgerkultur in den Staaten Süd-, Ost- und Mittel-Europas wirke sich in einer unterentwickelten demokratischen Diskurskultur aus. Kennzeichen seien „der mangelnde Respekt vor der Meinung des Anderen und der Verlust an Diskurs und Argumentation.“…

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ELK Bayern: Die Landeskirche und ihre Partnerkirchen laden am 8. Oktober zu einem »Virtuellen Weltkirchentag« ein.

05/2016

Bei einem »Virtuellen Weltkirchentag« im Internet sollen sich am 8. Oktober 2016 Gemeinden und christliche Gruppen aus der ganzen Welt im Internet begegnen, gemeinsam und gleichzeitig an vielen Orten weltweit Gottesdienst feiern, sich austauschen und diskutieren.

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Anglikanische und Prtesbyterianische Kirche nähern sich im vereinigtem Königreich an

4.2.2016 Radio Vatikan

Die Kirchen in England und Schottland nähern sich weiter an. In der Columban-Declaration erkennen sie gegenseitig Taufe, Abendmahl und Weihamt an.

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