Schlagwort-Archive: Partizipation/ Beteiligung

Frankenthaler Appell des Pfälzischen Pfarrvereins

Im Frankenthaler Appell werden vom Pfarrerverein der pfälzischen Landeskirche Forderungen zu zentralen Fragen von Beruf und Institution aufgestellt. Der Pfarrverein ruft die Mitglieder auf, die Forderungen in allen Pfarrvereinen und Zusammenkünften zu besprechen. Diese Aufforderung sollte nicht auf das Gebiet der pfälzischen Landeskirche beschränkt bleiben.

Forderung 1:

Das Ergebnis der Portfolioanalyse der Landessynode vom 8. März 2012 bestätigt, dass der Pfarrdienst und die Kirchengemeinden als sehr wichtig für die Gesellschaft und sehr profilbildend für die Kirche bewertet werden. Daher benötigen die Kirchengemeinden eine bessere finanzielle Ausstattung: Wir fordern die Landessynode auf, den Finanzierungsschlüssel deutlich zugunsten der Kirchengemeinden zu verändern.“

Die weiteren Forderungen beziehen sich auf die Themen Finanzmittel, Kindertagesstätten, Finanzierung Verwaltung, pfarramtliche Verwaltung, neues Verwaltungsparadigma, Förderung sinnvoller Kooperationen, zu RU, Ehrenamtlichen, zu Entdemokratisierung und Pfarrberuf.

vgl. dazu auch die Thesen des Vereins Aufbruch-Gemeinde in Bayern:

Wir vertrauen auf die Dynamik der Botschaft
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Anteil der Kirchensteuern, über dessen Verwendung die Kirchengemeinden selbst entscheiden, stetig gesunken. Gleichzeitig rückt das Bild der evangelisch-lutherischen Kirche als Großorganisation und Institution immer stärker in den Vordergrund… Die Ortsgemeinde ist zu stärken gegenüber dem organisatorischen Überbau der Kirche. Es ist der Dynamik des Wortes Gottes zu vertrauen, das von unten, d.h. vor Ort, seine Wirkung entfaltet. In einem ersten Schritt ist deshalb der Anteil der Kirchensteuermittel, der an die Kirchengemeinden zurückfließt, deutlich zu erhöhen, damit diese in eigener Verantwortung über eine sinnvolle Verwendung entscheiden können. Auf Dauer ist der Geldfluss umzukehren. Die Steuermittel kommen in der Gemeinde an und für übergemeindliche Zwecke leitet die Gemeinde einen Teil weiter.

Wandel oder Transformation? – Liebesgrüße aus Gütersloh

„Liebesgrüße aus Gütersloh “ von Prof. Matthias Burchardt, Universität Ludwigsburg.

„Spätestens seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts können auffällige Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft beobachtet werden: Politik, Kultur, Medien, Gesundheitswesen, Sozialsysteme, Landwirtschaft, Wirtschaft, Strafvollzug, Polizei, Kirchen, Familien und natürlich das Bildungswesen zeigen in Strukturen, Prozessen, Sprachspielen, Deutungen und Bewertungen ein gänzlich anderes Gesicht. Der vollzogene Wandel wurde in der politischen Rhetorik durch Begriffe wie Reform oder „Modernisierung“ ausgewiesen. Als Legitimation wurde – postlyotard – die große Erzählung der „Globalisierung“ bemüht, Vokabeln wie „Zukunftsfähigkeit“ erzeugten Anpassungsdruck und Thatcher’s TINA-Doktrin (There is no alternative!) gewann unausgesprochen Allgemeingültigkeit. Wie wenig diese Modernisierungsprozesse tatsächlich zur Ermöglichung von Zukunft beigetragen haben, zeigt sich an den diversen Krisen, die einerseits Folge der genannten Maßnahmen sind und gleichzeitig als Argumente für weitere „alternativlose“ Reformen herangezogen werden: ökologische Krise, Klimakrise, Überschuldungskrise, Energiekrise, Wasserkrise, Krise der Sozialsystem, Bildungskrise, Finanzkrise, Euro-Krise, Demokratiekrise, Kulturinfarkt usf.“

Hinter all diesen Prozessen steckt nicht allein die Bertelsmann-Stiftung. Aber ihr Einfluss darauf ist enorm. Welche Mittel, Methoden, Instrumente und – Personen mitwirken, beschreibt Prof. Burchardt in seinem Artikel „Liebesgrüße aus Gütersloh“ auf sehr anschauliche, bisweilen unterhaltsame Weise. Zur Lektüre wärmstens empfohlen!

Matthias Burchardt „Liebesgrüße aus Gütersloh“. Der Artikel ist erschienen in: In: Demokratie setzt aus. Gegen die sanfte Liquidation einer politischen Lebensform. Hrsg. von Ursula Frost und Markus Rieger-Ladich. Sonderheft der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Paderborn 2012. S. 65-77.

Protestantismus ohne Partizipation

Wie Partizipation heute organisiert wird um Beteiligung vorzutäuschen, beschreibt Prof. Burchardt in seinem Artikel (s.o.). Bei Burchhardt findet sich u.a. eine erhellende Passage darüber, wie Partizipation heute im Gefolge der Reformen postdemokratisch gestaltet, man könnte sagen: inszeniert wird. Man betrachte auf dem Hintergrund dieser Beschreibung die Vorgänge in den eigenen, bekannten synodalen und presbyterialen Gremien der mittleren oder der landeskirchlichen Ebenen, sowie Beiträge zum Thema des Monats Juni „Professionen“.

„…Ich selbst (Prof. Burchardt) habe bspw. an einer Schulung des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE – Bertelsmann Stiftung, Anm. F.S.) teilgenommen, bei der Führungskräfte der Universitäten darin unterrichtet wurden, wie man gewünschte Gremienentscheidungen herbeiführt – natürlich unter Wahrung des demokratischen Scheins. Schon die Zusammensetzung der Gremien beruht auf einem Schlüssel, der einerseits Mehrheiten garantieren soll, andererseits die Verlierer und Kritiker der Reform insofern einbezieht, dass sie zwar zu Wort kommen, aber keine Gestaltungsmacht entfalten können. Partizipation bedeutet allerdings nur noch, die Implementierung ausführen zu müssen; Kritik ist erwünscht, insofern diese innerhalb des Reformrahmens Optimierungen vornimmt, eine Abstimmung über den Reformrahmen selbst oder eine wirkliche Gestaltungsmacht wird den Beteiligten nicht zugestanden. Das Geheimnis der Partizipationsökonomie besteht darin, dass man einerseits auf die beteiligten als Ressource angewiesen ist, andererseits aber vermeiden muss, dass sie den Prozess selbst verhindern, oder maßgeblich gestalten. Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang auch immer, wenn man eingespielte Strukturen zerschlägt und ein Klima von Konkurrenz und gegenseitigem Misstrauen schafft…“

Man lese diese Zeilen aber auch als Einleitung und Erläuterung zum folgenden Artikel „Protestantismus ohne Partizipation“. Diese in diesem Vorwort geschilderte Praxis kennt man auch in der EKHN zur Genüge. Aber sind die Zeiten, in denen man Prozesse solcherart kaschiert hat, jetzt vorbei? Zeigt man jetzt die Destruktion demokratischer Strukturen ungeschminkt? Der folgende Beitrag von Pfr. Friedhelm Schneider über die flächendeckende Dekanatsfusion in der EKHN unter dem Gesichtspunkt des Entzugs der Herrschaftsrechte der Basis („Alle Gewalt geht vom Volke aus“) beschreibt eine neue Stufe der Entwicklung und reflektiert die Problematik des neuen Steuerungssystems der mittleren Ebene:

Protestantismus ohne Partizipation

Syndrom Kirchenreformen nach EKD-Muster

„Was ist los in der evangelischen Kirche? Falsche Analysen führen zu paketweisen Reformmaßnahmen wie Zentralisierung und Hierarchisierung, Doppik, Fusionen auf allen Ebenen. Maßnahmen, die keinem etwas nützen, wohl aber viele Leute mit unnötigen Aufgaben beschäftigen, um nicht zu sagen: lahm legen. Das ist die Kirche der Selbstbeschäftigung in Reinkultur. Und so platzte vor einiger Zeit einem – ansonsten völlig ‚unverdächtigen‘ – Pfarr-Kollegen in kleinerer Dienstrunde, bei der über die geplante Fusion der betreffenden Dekanate gesprochen wurde, der Kragen. Vehemenz und Zitatauswahl der Äußerung lassen darauf schließen, dass bei dem gewählten Fluch…“ Lesen Sie Protestantismus ohne Partizipation.

(erschienen auch im Hess. Pfarrerblatt, 3/2013).

Der Dritte Weg – Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewertung

Ottmar Schreiner (MdB)

 

Der Dritte Weg ist darauf angelegt, eine wesentliche Funktion der Tarifautonomie zu ersetzen: nämlich die Herstellung einer Verhandlungslage, in der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer „auf Augenhöhe“, also unabhängig und gleichgewichtig gegenüberstehen. Dabei ist der Einfluss der Arbeitgeberseite beim Dritten Weg keineswegs einheitlich. In einigen evangelischen Landeskirchen gibt es die Vetorechte der Synode. Bei der KODA (Arbeitsrechtsordnung der katholischen Kirche) hat der Bischof das letzte Wort.

Ich will gar nicht bestreiten, dass auch diese Varianten auf eine faire Lohnfindung zielen, die im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis stehen. Allerdings ist der gleichzeitige Anspruch der Kirchen, ihren Arbeitnehmern eine dem Tarifsystem gleichwertige Verhandlungsposition bei Lohnkonflikten einzuräumen, kaum nachvollziehbar.

Vor wenigen Tagen (Ausgabe vom 3./4.03.2012) berichtete die „Saarbrücker Zeitung“, das Bistum Trier wolle massiv sparen. Unter anderem soll die Katholische Akademie geschlossen und die Mittel für die Kindertagesstätten jährlich um knapp drei Millionen Euro gekürzt werden. Scharfe Kritik an den Plänen äußerte die Gesamtmitarbeitervertretung (GMAV): „’Der gesamte Kostensenkungsprozess ist in diesem Umfang nicht notwendig’, heißt es in einer Stellungnahme, die Schließung der Katholischen Akademie sei nicht notwendig. Zudem kritisiert die 2700 Mitarbeiter vertretende GMAV die fehlende Mitwirkungsmöglichkeit am Klärungsprozess: ‚Der Generalvikar wollte uns ausdrücklich nicht beteiligen. Die Ergebnisse waren zementiert’.“ Eine Partnerschaft „auf Augenhöhe“ sieht anders aus!

Wer den Kirchen gut will, der kann ihnen nur anraten, einen das eigene Selbstverständnis bedrohenden Dauerkonflikt mit erheblichen Teilen der eigenen Belegschaften und ihrer Vertretungen abzuwenden. Das heißt dann aber auch, der in Sonntagsreden immer wieder betonten Bedeutung von Gewerkschaften auch praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Warum sollte all dies sich um Himmels Willen nicht mit einer christlich inspirierten Unternehmenskultur vertragen können?

Lesen Sie den Vortrag von Ottmar Schreiner, MdB

Buchbesprechung: Die neue Macht der Bürger

Am 16. April erschien in der Süddeutschen Zeitung von Johann Osel eine Rezension über ein hoch interessantes Buch:

 

Franz Walter u. a.: Die neue Macht der Bürger. Was

motiviert die Protestbewegungen? Rowohlt, Reinbek

2013. 352 Seiten, 16,95 Euro.

 

In ihm legt der Göttinger Politikwissenschaftler eine Analyse über eine Vielzahl von Protestinitiativen vor, die er zusammen mit einem Team an seinem Institut für Demokratieforschung erarbeitet hat. Wer initiiert solche Protestbewegungen und was ist die Motivation derer, die sie mittragen? Die Antworten Franz Walters (hier wiedergegeben nach der oben genannten Rezension) geben zu denken:

 

Der landauf, landab „gut organisierte Partizipations-Lobbyismus“

wird laut der Studie vor allem von Ruheständlern, akademisch gebildet und finanziell sorgenfrei, sowie klassischen Bildungsbürgern getragen.

Den Aktionisten geht es hauptsächlich um eine neue Beteiligungskultur, sie klagen in der Mehrzahl über eine Scheindemokratie.

 

So etwa zeigte es sich bei der Protestbewegung gegen eine dritte Start- und Landebahn am örtlichen Flughafen München. Sie hatte eine breite Organisationsbasis, wurde aber getragen von den Arrivierten, Gebildeten, Wohlhabenden. Die Bürger hätten sich tief in die Materie eingearbeitet, sich detailliert mit dem Wachstum der Flugbewegungen und dem Kerosinpreis beschäftigt. „Wenn sie den Eindruck haben, man speise sie zum wiederholten Male mit Argumenten ab, die sie schon längst widerlegt sehen, verlieren sie den Glauben, ernst genommen zu werden.“

Am Anfang steht nicht etwa die Wut, sondern Misstrauen“, so Walter.

 

Auffällig an allen Initiativen ist, dass vor allem jene auf die Straße gehen, die es sich leisten können. Nicht das Elend treibt Menschen auf die Straße, auch sind es nicht die „ehrbaren kleinen Leute“, die protestieren, sondern – Magister und Doktoren. Und ganz besonders die Diplomingenieure! Und das Alter spielt eine Rolle. Franz Walter: „Spätestens zwischen 2015 und 2035 werden sich Hunderttausende hoch motivierte und rüstige Rentner in den öffentlich vorgetragenen Widerspruch begeben.“

Die Forscher sehen dies nicht negativ. Am Ende der Rezension heißt es:

Die meisten Mitglieder der meisten Initiativen fordern keinen Systemwechsel, es gehe ihnen nicht um eine „große umstürzlerische Alternative“ oder einen „weiteren hochmodernen Zukunftsentwurf“. In der Regel agieren die Initiativen maßvoll, im Blick ist auch eine Vernetzung mit Politik und der Wirtschaft. „Ohne den misstrauischen Blick aufgeklärter Bürger“, schreibt Walter, würden sich „politische und ökonomische Macht verselbständigen und korrumpieren“.

Misstrauensgesellschaften seien „Seismografen“ dafür, dass etwas schiefzulaufen droht und könnten Ausgangspunkte für „neue Ideen“ sein: Sie sind eine Herausforderung für die Institutionen – und ein Beweis für die Lebendigkeit der Demokratie.

Protestantismus ohne Partizipation

In der EKiR fragt der neue Präses Manfred Rekowski kritisch nach dem Verlust der Partizipation in der Kirche. Die EKHN hingegen praktiziert sie: im Verfahren um die flächendeckende Dekanatsfusion sind die eigentlich Betroffenen, die Gemeinden und Dekanate, von der Entscheidung ausgeschlossen. Ob die rechtliche Basis für das Verfahren trägt, sei dahin gestellt. Das Ansinnen scheint aber nicht allein aus diesem Grund bedenklich: Kosten und Nutzen stehen in keinem akzeptablen Verhältnis. Was aber viel interessanter ist: dies Vorhaben zeigt, welche Ziele die Reformen verfolgen – und welche Strukturen diese Ziele benötigen.

Dies erfahren sie im Artikel Protestantismus-ohne-Partizipation von Pfr. Friedhelm Schneider.

 

Fraktionen wollen Mitwirkung des Bundestags bei europäischen Angelegenheiten stärken

Berlin: (hib/AHE) Die fünf Bundestagsfraktionen wollen die Mitsprache des Bundestages in europäischen Angelegenheiten neu regeln. Das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 19. Juni 2012 habe die Unterrichtungs- und Mitwirkungsrechte des Parlaments in diesem Bereich konkretisiert, heißt es in einem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf (17/12816) „über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG)“.

zum Artikel

„Ist die Kirche noch zu retten?“

Ist die Kirche noch zu retten?“ – das fragt der Tübinger Kirchenkritiker und Weltethos- Spezialist Hans Küng in seinem neuen Buch, das vor kurzem im Piper Verlag erschienen ist.

Die Menschen sind am Ende ihrer Geduld, wollen mitbestimmen, auch in den Gemeinden mitbestimmen. Mitbestimmen, wer ihre Bischöfe sind; sie wollen Frauen in den Ämtern sehen, sie wollen Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten haben, die zu Pfarrerinnen und Pfarrern gemacht werden. Ein Interview mit dem Romkritiker Hans Küng im SWR.