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Tu felix Austria: PISA-Stopp Österreichs als Chance für Europa

Nach einem Datenleck, bei dem Testdaten Österreichischer Schülerinnen und Schüler auf dem Server eine rumänischen IT-Firma öffentlich wurden (PM Bundesministerium für Bildung und Frauen), hat Bildungsministerin  Gabriele Heinisch-Hosek die Notbremse gezogen: Vorerst werden die Schulleistungs-Tests eingestellt und eine Teilnahme an PISA 2015 ausgeschlossen. (nachrichten.at, Linz) Heinisch-Hosek zweifelt darüber hinaus generell am Sinn solcher Testungen: „LehrerInnen und SchülerInnen lehren und  lernen teilweise nur mehr für diese Tests, das habe ich in vielen Gesprächen gehört“, erklärt die Ministerin.(Pressemeldung). Ob Österreich später wieder alle Tests durchführt, steht zudem für Heinisch-Hosek noch nicht fest: “Es geht jetzt darum, darüber nachzudenken, welche Tests in Zukunft noch Sinn machen und welche nicht.”  Zum Artikel.

Stell Dir vor es ist PISA und keiner schaut hin

20.10.13 von Karl-Heinz Dammer

Ich habe einen Traum…: Eines Tages kreißt der PISA-Berg und die Medien ignorieren die Geburt der Maus. Der Traum mag noch in weiter Ferne liegen, dennoch sei ein kleiner Beitrag zu seiner Verwirklichung erlaubt. Vor Kurzem erschien der für Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren konzipierte Ableger von PISA, die PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies), die wie ihr schulisches Pendant von der OECD initiiert wurde und dem langfristigen Bildungsmonitoring dienen, also in regelmäßigen Abständen wiederholt werden soll.

Ihre wesentlichen Ergebnisse sind: Die deutschen Erwachsenen liegen bei allen drei getesteten Bereichen – Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und Computerkenntnisse – im Mittelfeld, genauer: bei der Alltagsmathematik und den Computerkenntnissen leicht über, bei den Lesekompetenzen leicht unter dem OECD-Durchschnitt, wobei die Bandbreite der Punktunterschiede geringer ist als bei der PISA-Studie. Weit überdurchschnittlich viele Erwachsene verfügen über keine ausreichende Lesekompetenz und die Kopplung von Lesekompetenz und sozialer Herkunft ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Das ist und bleibt natürlich ein Missstand, wir kennen ihn aber bereits aus sämtlichen bisherigen PISA-Studien. Nicht wirklich überraschend ist auch die Erkenntnis, dass ältere Mitbürger nur über unterdurchschnittliche Computerkenntnisse verfügen, ja nicht einmal die Botschaft, dass die jüngeren Probanden den älteren überlegen sind, lässt wirklich aufhorchen, denn schließlich liegt ihre Schulzeit noch nicht so lange zurück und außerdem sind sie an diese Form von Befragungen dank PISA seit mehr als zehn Jahren gewöhnt; da kann man wohl höhere Testkompetenz erwarten.

Eben aus diesem Grund dürfte selbst einem Menschen mit mittlerem Kompetenzprofil die Frage in den Kopf kommen, was denn bei den Erwachsenen anderes als Mittelmaß herauskommen soll, wenn sie in Schulen unterrichtet wurden, denen PISA von Anfang an eben dieses Mittelmaß bescheinigte? Zum Artikel.

Reformen: Verheißungen und Ent-Täuschungen, Refom und Repartur

Schule:

„In den Selbstbeschreibungen zur aktuellen „Bildungsreform“ bzw. Unterrichtsentwicklung mangelt es nicht an wohlklingenden Worten, die scheinbar keinen Widerspruch dulden, da sie doch offenbar höchst wünschenswerte Güter bezeichnen: Qualität, Standards, Kompetenzen, Selbständigkeit. Viele engagierte und ihre Profession ernst nehmende Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern, die sich für eine gute Bildung ihrer Kinder einsetzen, haben sich deshalb in der Anfangsphase dieser „Neuorientierung“ von Bildung und mit den besten Absichten für deren Umsetzung stark gemacht.

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den aus internationalen Absprachen und überwiegend wirtschaftlichen Interessen erwachsenen Konzepten hat es in Deutschland jedoch bisher nicht gegeben. Die für die Umsetzung von Bildungsreformen zuständige  Lehrerschaft wurde an deren Entwicklung nicht angemessen beteiligt. Sie wurde in der Durchsetzung von Reformmaßnahmen – die durchaus sinnvolle Anteile haben könnten – zum bloßen Empfänger von Anordnungen degradiert.

Schon sehr bald wurde überdies großen Teilen der Lehrer- und Elternschaft deutlich, dass die „von oben“ gewünschte Unterrichtsreform in der Praxis nicht einem pädagogisch motivierten Bildungsbegriff entspricht und in vielen Fällen auch nicht dem Wohl der Kinder und Jugendlichen dient.

Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den neuen  Konzepten und den hinter ihrer Verwendung liegenden Intentionen ist eine kritische Würdigung der Rolle und Zielsetzungen der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), des PISA-Konsortiums sowie anderer den Wandel treibenden Kräfte erforderlich.“ Lesen Sie mehr.

Frust an Universitäten

Aus vielen Veranstaltungen an Hochschulen, an denen ich teilgenommen habe und aus vielen Gesprächen mit Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern weiß ich, dass sich an den Hochschulen nach anfänglicher Euphorie über die neue Freiheit und die Versprechungen von Autonomie inzwischen viel Unmut und Frust angesammelt hat. Viele sehen den professionskulturellen Charakter ihre Arbeit gestört oder schon als verletzt an.

Beim Bologna-Prozess wurde – angefangen von Bundesbildungsministerin Schavan, über den Wissenschaftsrat, ja sogar bis zur HRK – „Korrekturbedarf“ inzwischen anerkannt.
Ganze Fakultätentage lehnen eine Teilnahme an den CHE-Rankings ab, es gibt Resolutionen von Fachbereichen gegen das unternehmerische Hochschulmanagement.

Lesen Sie den Artikel.

Bernhard Kempen, Chef des Hochschulverbands, über die Bachelor-Reform:

Wir sind im Dauer-Reparaturbetrieb der Bologna-Reform. Als vor drei Jahren die Studenten auf die Straße gegangen sind, haben die Kultusminister eingesehen, dass es so nicht weitergeht. Lesen Sie das Interview in der SZ.

 

Kirche: Was bleibt nach 25 Jahren Reformen?

1. Der Selbstbeschäftigungsgrad der Kirche ist erheblich gestiegen. Funktionäre und Technokraten bestimmen die Tagesordnung. Wichtige Themen der Kirche wie z.B. die Bedeutung des Gottesdienstes, die Aufgabe der Seelsorge und des Religionsunterrichts standen seit 25 Jahren nicht mehr auf der Tagesordnung einer Synode.

2. Die Strukturveränderung an sich ist zum Prinzip kirchenleitenden Handelns geworden. Die Anlage dieses Prozesses löst ständig neue Reformen aus. Die Reform ist zur Dauerbeschäftigung geworden.

3. Insgesamt hat es keine Einsparungen gegeben, sondern Umschichtungen von unten nach oben. Verlierer sind die Gemeinden und der Pfarrdienst.

4. Die Sprache der Reform klingt ökonomisch. Doch die ökonomischen Ergebnisse sind dürftig. Die tatsächlichen Kosten sind hoch.

5. Der Verwaltungsaufwand ist gestiegen. Für seine Verwaltung gibt ein Dekanat etwa das Fünffache aus wie 20 Jahre zuvor. Vermutlich hat die Kirche noch nie so viel Geld für ihre Verwaltung ausgegeben wie heute. Vermutlich war ihre Organisation noch nie so schlecht und die leitenden Mitarbeiter noch nie so gut bezahlt.

6. Die Gemeinden werden zu Filialen der Kirche. Nachdem Kirchenmusiker, Gemeindepädagogen und Fach- und Profilstellen auf der Ebene des Dekanates angesiedelt worden sind, sollen nun die Gemeindepfarrstellen folgen. Sie werden zu Pfarrstellen der Region. Nach den Diakoniestationen sollen auch die Kindergärten aus den Gemeinden abgezogen werden.

7. Das Gegenüber von kirchlichen Mitarbeitern ist nicht mehr die Gemeinde und ihr Kirchenvorstand, sondern ein Gremium, das von der täglichen Arbeit weit entfernt ist und deshalb durch Dokumentationen und Präsentationen unterrichtet werden muss und sich vor allem als Kontrollorgan versteht.

8. Die Kirchenvorstände sind weitgehend entmündigt. Sie werden durch Ehrenamtsakademien darauf vorbereitet, die Arbeit zu übernehmen, die früher durch den Pfarrer gemacht wurde.

9. Die Fluktuation von Ehrenamtlichen ist gestiegen. Gerade kompetente Mitglieder ­haben die Synoden in den letzten Jahren verlassen. Der Niveauverlust und die hohe Fluktuation erleichtern die Durchsetzung von Reform­schritten.

10. Die EKHN hat in den letzten 5 Jahren nichts unternommen, um nachhaltig für pastoralen Nachwuchs zu werben. Das hat verschiedene Gründe. Einer darf dabei nicht übersehen werden: Die Zusammenlegung von Gemeinden, die Fusion von Dekanaten lässt sich besser durchsetzen, wenn kein Personal mehr da ist.

11. Die Dauerdebatte über die Zukunft der Kirche und die stetige Dramatisierung von Problemen machen die Kirche offenbar als Arbeitsgeber unattraktiv.

12. Die klassischen Organisationsvorteile der Kirche – flache Hierarchien, hohe Präsenz vor Ort, Selbstorganisation und intrinsisch motivierte Mitarbeiter – sind reduziert worden.

  1. Die Reformen werden nicht von den Menschen und den Notwendigkeiten vor Ort her gedacht, sondern von Organisations- und Machtfragen her entwickelt. Sie wirken deshalb nur beschränkt nach außen. Die Evaluation der Dekanatsstrukturreform zeigte, dass das Dekanat kaum wahrgenommen wird. So erklärten etwa 82% der Kirchenvorstände und 71% der Gemeindeglieder, dass sie nicht die Region, sondern die Kirchengemeinde gestärkt sehen möchten. Vom Dekanat wussten nur 21% der Mitglieder bei starker Bindung, 10% bei mittlerer Bindung und 5% bei schwacher Kirchenbindung. Das ursprüngliche Ziel, gerade die Kirchenfernen durch die Dekanatsstrukturreform zu erreichen, wurde bislang verfehlt.

Zum Artikel von Pfr. Dr. Christoph Bergner