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Professionen – neue Diskussion über die jeweilige Berufsethik

In den Wort-Meldungen beschäftigen wir uns in dem Monatsthema mit den Umrüchen in den Professionen. Wir hatten wir berichtet, wie die Professionen angesichts der Ökonomisierung der Berufsfelder

– einem bashing von Arbeitgeberseite, Politik und Medien ausgesetzt sehen

– in Ihrem eigenen Fachgebiet entmachtet werden

– auf verschiedene Weise unter Druck gesetzt werden

In dieser Ausgabe soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Professionen durch die Veränderungen der Arbeitsfelder infolge der Ökonomisierung mit ihrem Gewissen in Konflikt geraten. Eine neue Diskussion über die jeweilige Berufsethik ist entfacht.

Pastorale Berufsethik

von Christian Buchholz (Evangelischer Pfarrverein in Württemberg

Vertrauensleuteversammlung; Bericht des Vorsitzenden )

 

Vor Kurzem habe ich einmal als Teil einer pastoralen Berufsethik formuliert:

Ich bin in und mit meinem Dienst für die Gesellschaft wie für den einzelnen Menschen wichtig. Synodale Gremien und Verantwortliche äußern sich mitunter abfällig über den Pfarrdienst. Die gesellschaftliche und mediale Öffentlichkeit sieht das anders: Ungebrochen ist die Akzeptanz meines Dienstes – mit seinen sozial-diakonischen, therapeutischen, kulturellen, pädagogischen, kommunikativen, ethischen …Dimensionen für die Mitmenschen und die Umwelt. Die hohe Verantwortung für die mir anvertrauten Menschen (bzw. für die, die sich mir anvertrauen) nehme ich als unschätzbares und sensibles Gut wahr, das auch mit der mich bindenden Gültigkeit des Beichtgeheimnisses zusammenhängt.“Lesen Sie den Vortrag.

Richterliche Ethik

Jetzt kommen die auch mit Ethik, mag manch einer denken. Eine verständliche Reaktion, hat der Begriff gerade in letzter Zeit große Konjunktur. Wir wollen nicht einer Modeerscheinung nachlaufen, aber die Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren hat gezeigt, dass ein Bedürfnis besteht, sich auf den Kern des übertragenen Amtes zu besinnen, und dass wir allen Anlass haben, dem hohen Anspruch, mit dem viele ihre verantwortungsvolle Tätigkeit aufgenommen haben, wieder mehr Geltung zu verschaffen. Stellungnahme des Deutschen Richterbundes.

Medizin

Über die Ethik in der Medizin ist so viel gedacht, geschrieben und gesagt worden, dass es ein Einzelner kaum überblicken kann. Ich möchte es kurz machen und den Kollegen Dittrich zitieren, der in seinem Grußwort zum Deutschen Chirurgentag geschrieben hat: »Wir Chirurgen, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, sollten uns darauf besinnen, dass es einen Patienten gibt, der sich mit seinem Leiden in unsere Obhut begibt und wir berufen sind, auf der Basis der Mystik des Arzt-Patientenverhältnisses mit dem Ziel der Heilung, Linderung oder Bewahrung vor Sekundärschäden, den Kern des Leidens zu diagnostizieren, konservative und/oder operative Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des Patienten abzuwägen und eine adäquate chirurgische Therapie bis zur Genesung durchzuführen bzw. zu gewährleisten.«

Schöner kann man es in dieser Kürze nicht sagen. In einem einzigen Satz ist fast alles auf den Punkt gebracht, was die chirurgische Ethik – wenn es denn eine gibt – ausmacht. Wer sich aber nun selber prüft und einmal ehrlich in sich hineinhört und diese Schablone auf den eigenen Arbeitsalltag legt, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, wird vielleicht ebenso wie ich empfinden: Dieser Satz ist inzwischen meilenweit vom chirurgischen Alltag entfernt, und täglich wird der Abstand zwischen Wunsch und Wirklichkeit größer. Lesen Sie den Vortrag von Dr. Hontschik auf dem
 Chirurgentag 2013.

 

Lehrer: Profil der Empathie

Wo es um menschliche Bildungsprozesse und Identitätsentwicklung geht, dürfen nicht die Regeln der Markt‐ und Kapitallogik gelten. Der Bildungs‐ und Ausbildungsbereich muss ein Reservat einer alternativen Logik bilden, in dem es um Gebrauchswerte und Bedürfnisse geht. Wer junge Menschen etwas lehren und ihre Menschwerdung fördern will, benötigt Empathie, Sensibilität, Rücksichtnahme und die Fähigkeit des ́Sich‐selbst‐Gebens` (André Gorz). Schulen, die an die Leine der Verwertbarkeit gehen und sich als Zulieferbetriebe für die industrielle Verwertung menschlicher Arbeitskraft begreifen, erweisen der Gesamtgesellschaft langfristig einen Bärendienst. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass schnell erwerbbare und einsetzbare Fertigkeiten zukunftsfähig sind.

H.v.Hentig

 

Der Bruch – Arbeitsplätze der Professionen werden groß transformiert (Thema des Monats)

Ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens gibt es jedoch, die – unter den immer gleichen Schlagworten wie ‚Wettbewerb’, ‚Transparenz’ und ‚Qualitätsmanagement’ – in den vergangenen Jahren nach dem Modell des entfesselten Unternehmertums bis in ihre Fundamente hinein umgestaltet wurden, bei denen eine kritische Revision der Geschäftsgrundlagen bis jetzt nicht einmal als Möglichkeit erwogen wird – auch wenn ihre Vorbilder, eben die Wirtschaftsunternehmen, längst damit begonnen haben… Grundsätzlich gehören hierzu alle Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens, die sich, oft nach Vorgaben von Unternehmensberatern, als öffentliche Institutionen eine unternehmerische Struktur geben mussten. Und es gilt vor allem für die größte dieser Einrichtungen: die Universität.“Zum Artikel.

Universität:

Die neue Hochschule verändert nicht nur die Studienbedingungen, sondern auch die Arbeitsprozesse, Tätigkeitszuschnitte und Beschäftigungsbedingungen mehr oder minder aller Hochschulbeschäftigten. Die Hochschule ist für Professorinnen und Professoren, für andere wissenschaftlich Beschäftigte und auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung ein anderer „Arbeitsplatz“ geworden.

Kirche:

Es wurde eine Doppelstuktur geschaffen in Form eines „Gesamtgemeindekirchenrates“, der das Sagen über Finanzen und alles Rechtliche hat und „Ortgemeindekirchenräte“, die ein Taschengeld bekommen und den Rasen mähen dürfen. Die Anzahl der Gemeindepfarrer wurde um ca. 40% pro Region reduziert und beispielsweise der Konfirmandenunterricht wurde an sogenannte „Pfarrer im Spezialdienst“ außerhalb der Gemeinde abgegeben. Pfarrstellen, Kantoren, Katecheten und Büropersonalstellen wurden nur noch über den Kirchenkreis besetzt.

 

Jörg Flecker/Christoph Hermann

Die »große Transformation« öffentlicher Dienstleistungen: Materielle und symbolische Folgen für Arbeit und Beschäftigung
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die öffentlichen Dienstleistungen in Europa durch die Einrichtung und Liberalisierung von Märkten für das Dienstleistungsangebot und durch die Privatisierung der Organisationen einer tief greifenden Umstrukturierung unterzogen. In diesem Beitrag geht es nach einem kurzen Einblick in den Prozess der Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen um den damit verbundenen Umbruch dieses herausgehobenen Bereichs der Arbeitswelt. Wir fokussieren auf die Formen und Bedingungen der Beschäftigung, die Arbeitsbeziehungen und die Organisation der Arbeit, die sich durch die Prozesse der Kommodifizierung und Ökonomisierung grundlegend verändern. Die früheren „Staatsdiener/innen“ sind aber nicht nur in materieller Hinsicht, sondern durch den gleichzeitigen Umbruch der symbolischen Ordnungen auch in ihrer „ständischen Lage“ betroffen. Entsprechend nehmen wir die Perspektive der in den öffentlichen Dienstleistungen Beschäftigten ein und diskutieren, wie die symbolische Dimension des Wandels theoretisch angemessen zu erfassen ist.

 

Arbeits- und Leistungskontrollen in den Professionen (Thema des Monats)

Mit dem Eindringen des unternehmerischen Institutionenmodells verlieren die Professionen an Selbständigkeit. Ihre Fachkompetenz wird regelmäßiger Überprüfung unterzogen (s. Pfarrer, Lehrer), Verfahren mit dem Ziel der Leistungssteigerung werden etabliert (s. Lehrer). Bei Freiberuflern werden tatsächliche oder vermeintliche Normabweichungen ökonomisch sanktioniert (Ärzte).

 Arbeits– und Leistungskontrollen bei Pfarrern

Arbeits- und Leistungkontrollen bei Lehrern

Arbeits- und Leistungskontrollen bei Ärzten

Versetzbar oder unversetzbar? Zu einer zentralen Frage nicht nur der beruflichen Selbstbestimmung.

Zentrale Frage der beruflichen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ist die Frage der Versetzbarkeit. Der Der Deutsche Richterbund sieht darin einen unzumutbaren Eingriff in die Rechte der Richter und formuliert ein kategorisches Nein.

Hingegen ist im Pfarrdienstgesetz der EKD die Versetzbarkeit stark aus der Sicht und den Bedürfnissen des Dienstherrn und nicht der Profession gestaltet. Teilweise heftige Kritik, wie etwa von Professorin Gisela Kittel, war die Folge (vgl. Vortrag beim Thüringer Pfarrverein)

Die Personalsituation und -entwicklung in den Professionen – eine Annäherung an das Thema

Die Personalsituation der Professionen in einem ersten, statistischen Vergleich. Entsprechend der Profession differiert die Personalstärke beträchtlich. Die Lehrer und Ärzte spielen bei dieser Frage in einer höheren Liga als die Professoren, Pfarrer und Richter (vgl. Tabelle Spalte I).

Die Alterszusammensetzung ist generell geprägt durch die Alterspyramide und den sog. geburtenstarken Jahrgängen von 1955 bis 1969. Sie prägen und bestimmen die Alterszusammensetzung von Ärzten, Lehrern und Pfarrern. Wohl weniger für Richter und Professoren, wobei zu Letzteren keine Angaben greifbar waren.

Die Professoren bilden die einzige Berufsgruppe mit leicht wachsenden Personalzahlen (vgl. S.22,23) – bei teilweise kräftig steigenden Studierendenzahlen (vgl. S.21) . In diesem Bereich gibt aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ steigende Anforderungen. Nur ein Fall: die Sachbudgets bleiben bei steigenden Studentenzahlen konstant. Der „Betrieb“ kann dann nur durch effizientere Verfahren aufrecht gehalten werden. Dies haben die Professoren selbst zu gewährleisten. Outputorientiertes Management ist hier also schon vollständig realisiert.

Ein akuter Personalmangel besteht bei den Richtern, bei denen die Unternehmensberatung Arthur Anderson einen Mangel an 3000, die Richterbund von 4000 Stellen ermittelt. Das sind 15% bzw. 20% der Stellen! Bei Ärzten lässt sich die Frage aufgrund der hohen Anteile der Freiberufler zum einen aus den Zahlen der Krankenhausärzte ableiten und generalisieren, zum anderen aber aus den Indikatoren Altersdurchschnitt/ kommende Pensionierungszahlen und Attraktivität für Nachwuchs erschießen. Klar scheint aber, dass aufgrund der Alterszusammensetzung ein Versorgungskollaps droht: „das Sterben der bayerischen Hausarztpraxen läuft meist still ab. Schließt mal wieder eine für immer, berichtet allenfalls die Lokalpresse. Den Überblick hat hingegen der Chef des bayerischen Hausärzteverbandes, Dr. Wolfgang Hoppenthaller: „Wir steuern auf eine Katastrophe zu“, weiß er. „Nahezu jeder zweite der 8.000 bayerischen Hausärzte ist über 58 Jahre alt. Statistisch gehen die Kollegen mit 61 Jahren in Rente, weil sie ausgebrannt sind. “

Bei Pfarrern kann man bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 54 Stunden, die etliche Studien für den Gemeindepfarrdienst als Minimum belegen, die die EU-Rechtsprechung  überschreitende Wochenstundenzahl von 48 Stunden als Maß der fehlenden Stellen/Personen ansetzen. Das wäre ein Plus (und also Stellenmangel) von 12,5% für die Gemeindepfarrstellen und ca. 9% auf alle Pfarrstellen (außer Verwaltungs-Pfarrstellen) umgerechnet. Diese Angabe wurde entsprechend in die Tabelle für die Ev. Kirche eingestellt.

Dennoch werden Stellen weiter gestrichen. Die EKD will 2006 unter dem Titel „Kirche der Freiheit“ die Pfarrerzahl von 21.000 im Jahr 2007 auf 13.000 im Jahr 2030 reduzieren. Das sind 30 % in 23 Jahren. Die Lehrerzahl soll ebenfalls gekürzt werden – um 10%. Und in Hessen will die noch amtierende Regierung die Richterzahl (inkl. Staatsanwälte) trotz eines Fehlbestandes von 15% bis 2016 um weitere 15 % reduzieren.

Die Quote der Veränderung muss ins Verhältnis gesetzt werden zu den beruflichen Leistungsanforderungen. Diese steigen tendenziell qualitativ und/oder quantitativ. In der Addition von Veränderung der Personal- oder Stellenzahl (tendenziell Verringerung) und der Veränderung der Leistungsanforderungen (tendenziell Erhöhung) ergibt sich bei allen Professionen in Zukunft  eine steigende Belastung.

Offensichtlich sind die Professionen ‚überaltert‘. Vielfach wird das Problem der Alterszusammensetzung der Professionen den geburtenstarken Jahrgängen selbst in die Schuhe geschoben. Inkriminierende Begrifflichkeit wie Lehrer- oder Pfarrerschwemme begleiteten das Berufsleben dieser Generation innerinstitutionell vielleicht nicht in allen, aber doch zumindest den beiden genannten Professionen. Sind die Betroffenen etwa Schuld an den heute unbesetzten Stellen und den geplanten oder beschlossenen Stellenstreichungen? Sind die älteren Mitarbeiter verantwortlich für den Mangel an Interesse der jungen Menschen für die entsprechenden Professionen? Die Berufsverbände beklagen schon seit Anfang dieses Jahrhunderts die Situation und fürchten sei es um den Bildungsstandort Deutschland, sei es um die Volksgesundheit, die Rechtssicherheit, oder die Vermittlung der christlichen Glaubenstradition als Bestandteil der europäischen, von der Aufklärung geprägten Wertetradition.

Die Belege zu den in der folgenden Tabelle genannten Zahlen finden sich hier für die Ärzte, hier für die Schulen, hier für die Universitäten, hier für die Richter, sowie hier für die Ev. Kirche und hier für die Kathol. Kirche. Alle anderen und weitere Daten finden sich in den den Professionen speziell zu dieser Fragestellung gewidmeten Seiten.

Personen/Stellen* Durchschnittsalter Anzahl Fehlender Personen Fehlende in Prozent Pensionierung bis 2020 Leistungsanforde-rungen fachlich
Dienstherr plant Reduktion
HausärztInnen ca. 50.000 51,9 Jahre ca. 24.000 qualitativ: +quantitatitv +
Ärzte-Fachärzte ca. 80.000 51,9 Jahre ca. 26.000 qualitativ: +quantitatitv +
Ärzte- Krankenh ca. 134.000 51,9 Jahre 5.000 ca. 4 % ca. 20.000 qualitativ: +quantitatitv +
LehrerIn generell ca. 800.000 50 + 45.000 ca. 6 % ca. 160.000 qualitativ + quantitativ +/- 10 %
Professor
Wissenschaftl.MitarbeiterIn
ca. 38.000ca. 183.000 k.A.k.A. qualitativ+ +quantitatitv +
RichterIn insgesamt ca. 20.000 k.A. 3.000 15% unverändert Hessen: 15%
PfarrerIn Protestant ca. 17.000 50 + Keine offiz. Ang. ca. 9% ca. 3500 –4000 qualitativ+ quantitativ – ca. 25% bis 2030
Priester Diakone ca. 16.000 50 + (+?) ? keine offiz. Ang. qualitativ+quantitativ –

Erläuterung: zwischen Personalzahl und Stellen kann aufgrund der öffentlich verfügbaren Datenlage nicht unterschieden werden.

Legende: + = steigend; – = fallend

Wer muss die Arbeitsbücher eines Lehrers bezahlen?

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.13 zum Aufwendungsersatz für den Erwerb eines Schulbuchs von Lehrkräften.

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, das in bestimmten Fällen auch für die Pfarrer interessant sein dürfte, sofern es auf deren Situation angewendet werden kann.