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Demokratie ist schön. Aber sie macht viel Arbeit. (Karl Valentin)

Wenn man derzeit das politische Geschehen verfolgt, kann man Karl Valentin nur zustimmen. Wir Bürger müssen schauen, was uns gezeigt wird – und durchschauen, was im Hintergrund eigentlich abläuft…

Politiker wechseln in die Wirtschaft. Lobbyisten arbeiten in der Politik. Solche personelle Platzwechsel gefährden die Demokratie. (Vgl. „Die Unterwanderte Demokratie“).

Solche Platzwechselspiele werden aber nicht allein von Individuen vollzogen, sondern auch von Institutionen. Wir erinnern uns an das Verfassungsgerichtsurteil, das den Einsatz der Bundeswehr im Innern erlaubt. Eine Entscheidung, die der frühere CDU- Minister Schäuble lange Jahre zuvor auf politischem Wege herbeiführen wollte, aber immer am parlamentarischen Widerstand scheiterte. Das Verfassungsgericht hat diese Aufgabe für die Politik erledigt. Ergo: eine eigentlich die die Kompetenz der Politik fallende Entscheidung wird an einem anderen Ort – dem Gericht – zugunsten einer bestimmten politischen Interessengruppe entschieden.

 

Ähnliche, kompetenzüberschreitende Vorstöße von Institutionen konnte man auch in den zurückliegenden Monaten feststellen:

Ab dem Jahr 2020 dürfen die Länder wegen der „Schuldenbremse“ nur noch konjunkturell bedingte Schulden aufnehmen.  Baden-Württemberg soll deshalb 30.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen, so der dortige Rechnungshof.

Der Fall des baden-württembergischen Rechnungshofes zeigt: „Angesichts der Schuldenbremse wird es in den nächsten 15 Jahren nur dann möglich sein, Sicherheit und Daseinsvorsorge zu garantieren, wenn die Einnahmen des Staates verbessert werden“.  Mit weniger Beamtinnen und Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst dürfte diese Garantie kaum zu leisten sein.“ Zur Quelle.

Thomas Bernauer et al.: Einführung in die Politikwissenschaft. Studienkurs Politikwissenschaft. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009, S. 32.)

Die Rechnungshöfe machen also Politik. Was reitet sie dabei?

Was also sind die Aufgaben von Rechnungshöfen? Beispielhaft sei dies anhand des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz dargestellt. In der Selbstdarstellung heißt es:

Aufgabe des Rechnungshofs ist insbesondere die Prüfung

  • der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe,
  • etc.“

Entscheidend sind dabei die Prüfungsmaßstäbe. Es heißt weiter:

Prüfungsmaßstäbe sind die Ordnungsmäßigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Verwaltungshandelns (§ 90 Landeshaushaltsordnung).

Unter Ordnungsmäßigkeit ist nicht nur die buchhalterische Korrektheit, sondern ganz allgemein die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu verstehen.

Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wird geprüft, ob

  • das günstigste Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und den eingesetzten Mitteln sowie
  • die Beschränkung der eingesetzten Mittel auf den zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Umfang

angestrebt und erreicht wurde.“

Die Ordnungsmäßigkeit bezieht sich auf ungesetzliches Verhalten, sog. dolose Handlungen. Sie bleiben hier außen vor. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen stehen heute im Vordergrund. Es geht um die Prüfung der Zweck-Mittel-Relation. Dies wird auf zweierlei Weise präzisiert. Es geht auch im Falle Beschränkung der Mittel auf den zur Erfüllung der Aufgabe notwendigen Umfang um die Prüfung der Angemessenheit des Mitteleinsatzes für die von der Politik definierten Aufgaben.

Das also ist die Aufgabe der Rechnungshöfe/Rechnungsprüfungsämter. Der baden-württembergische Rechnungshof hat also nicht darüber zu entscheiden, ob das Land seinen Beitrag zu Stuttgart 21 streichen soll oder 30.000 Lehrerstellen. Das hat nicht der Rechnungshof, das hat auch nicht das Verwaltungsgericht, das muss, soll und darf das Parlament entscheiden – und verantworten. Der Rechnungshof könnte wohl aber mit seiner Kompetenz darlegen, ob die Zweck-Mittel-Relation etwa bei Stuttgart 21 oder in der Bildungspolitik angemessen sind (s.o.).

Die Demokratie basiert auf Gewaltenteilung. Und darauf, dass die Institutionen die ihnen jeweils innerhalb des Systems zugewiesenen Funktionen wahrnehmen. Rechnungshöfe sollten also bei ihren eigenen Aufgaben bleiben. Da ist wahrlich genug zu tun. Sie würden damit der Demokratie einen guten Dienst erweisen. Und den Bürgern die Arbeit ersparen, über die Einhaltung des Auftrages der jeweiligen Institutionen zu wachen. So lange das nicht geschieht, gilt Karl Valentins: „Demokratie ist schön. Aber sie macht viel Arbeit.“

Friedhelm Schneider

 

 

Fusionen ohne Spareffekt und Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Kirchen sind seit Jahren im Fusionsrausch. Für die EKD stellt die Reduktion der Landkirchen auf 8-12 im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ eines der Leuchtfeuer dar (Leuchtfeuer 11). Aber fusionieren sollen auch Dekanate/Kirchenkreise, Verwaltungsämter, Kirchengemeinden. Sind Fusionen das Allheilmittel?

Wer die Beschlussgrundlagen von Fusionen näher studiert, stellt fest, dass die Zielvorstellungen meist nebulös und vage formuliert werden (Synergieffekte, Effizienzsteigerung). Fehlanzeige besteht hinsichtlich von entsprechenden plausiblen Kostenberechnungen der Vollkosten solcher Maßnahmen. Also als Kosten für den Prozess selbst inklusive Beraterkosten, der eigenen Personalkosten in Form von Kostenansätze für die Arbeitszeit des eigenen Personals, Kosten für die Anpassungsprozesse unterschiedlicher „Kulturen“, Kosten für Kollateralschäden wie Akzeptanz- oder Imageverluste, Kosten für Gebäudeinvestition bzw. -abschreibungen bei Verkäufen etc., ggf. steigenden Folgekosten) im Vergleich zu den zu erwartenden und zu beziffernden Einsparungen. Wem es ein Trost ist: das passiert auch anderswo, z.B. bei den Krankenkassen. Dort wurden derartige Fusionen allerdings anschließend vom Bundesrechnungshof einer Überprüfung unterzogen – mit wenig schmeichelhaftem Ergebnis. Aufgrund der Ähnlichkeit der Problematik wird man die Ergebnisse des Rechnungshofs auf kirchliche Fusionsprozesse übertragen dürfen – so lange jedenfalls, bis die eigentlich zuständigen Rechnungsprüfungsämter der Landeskirchen entsprechende Prüfungen vorgenommen haben.

Bericht des Bundesrechnungshofs zu Krankenkassenfusionen

In dem Rechnungshofbericht heißt es, Fusionen bänden „erhebliche zeitliche und personelle Ressourcen“, führten „zu keinen deutlichen Synergieeffekten“ und seien „mit erheblichen, zum Teil dauerhaften zusätzlichen Aufwendungen verbunden“. Dem stünden „nur geringe Einsparungen gegenüber“, so zitiert der Focus.

Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Der Gesamteindruck des Bundesrechnungshofs ist: „Die den Fusio­nen zugrunde liegenden Konzepte waren meist lückenhaft, uneinheitlich und wenig aussagekräftig. Angaben zu Auswirkungen auf Organisation, Personal und Finanzen fehlten überwiegend.“

Hintergrund: 1992 bis 2010 ging die Zahl der Krankenkassen durch Fusionen von 1397 auf 160 zurück. Der Bundesrechnungshof prüfte für mehr als ein Viertel der 2007 bis 2009 vollzogenen Fusionen die wirtschaftlichen Auswirkungen. Mit den Verschmelzungen sollten Leistungs- und Verwaltungsausgaben einge­spart werden – was offensichtlich selten gelang…

Denn einen effizienzsteigernden Einfluss konnte der Rechnungshof bei den GKV-Fusionen nicht feststellen. Sie wurden – man Vergleiche die Situationen in den Kirchen – genehmigt, „ohne dass die wirtschaftlichen Folgen transparent waren“, kritisiert der Bundesrechnungshof…

Dafür stiegen bei fast allen untersuchten Fusionen die Verwaltungsausgaben im Jahr der Vereinigung an, im Einzelfall um bis zu 18 %. Und auch in den ersten drei Folgejahren sanken die Verwaltungsausgaben nicht.

Bei der Hälfte der vom Bundesrechnungshof untersuchten Fusio­nen erhöhten sich die Vorstandsvergütungen um bis zu 25 %! Mehr dazu.