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Rundbrief zur Synode in Hilden

An die Interessierten an der Zukunft der Rheinischen Landeskirche!

Als Besucher der ausserordentlichen Landessynode in Hilden kann ich dem Eindruck nur beipflichten, dass die große Mehrheit der Synode die Kirchenleitung dabei unterstützt, deutliche Sparanstrengungen in erheblicher Höhe zur Sanierung des landeskirchlichen Haushaltes und der Versorgungskassen vorzubereiten.

Aus Gemeindesicht ist bei vielen sehr positiv wahrgenommen worden, dass die neue Kirchenleitung mit dem neuen Präses und den neuen Verwaltungs- und Finanz-verantwortlichen nicht primär den Gemeinden eine neue Sparrunde aufdrückt, sondern zuerst die landeskirchliche Ebene einer gründlichen Prüfung unterzieht. Ebenso positiv wird wahrgenommen, dass der Außenwirkung kirchlicher Aufgaben dabei erhöhte Priorität beigemessen wird und besonders intensiv nach Sparmaßnahmen im Innenbereich gesucht werden muss.

Aber: Der Besucher der Landessynode auf der erhöhten Seitentribüne nimmt manche Eindrücke vielleicht anders wahr als die 210 Synodalen und 150 beratenden Mitglieder oder die landeskirchliche Presseabteilung.

1.) Es gab einige kritische Anfragen an die Berechnung des (anscheinend) defizitären landeskirchlichen Haushaltes. Ein saarländischer Superintendent hinterfragte – und stützte sich dabei auf ein Votum von über einhundert zustimmenden Unterschriften, ob bei NKF die „Abschreibung“ von Gebäuden und die gleichzeitige Erhebung einer „Substanzerhaltungspauschale“ nicht eine Doppelung ergebe, die überflüssig sei und im Endeffekt zu einem Haushaltsdefizit führe, das ohne diese Doppelung so nicht entstanden wäre? Auch aus anderen Voten von Synodalen war deutlich die Befürchtung herauszuhören, dass hier durch NKF ein Haushalt künstlich defizitär gerechnet würde. Weder die Kommunen noch die Wirtschaft würden eine solche Doppelung kennen. Zwar müssen Unterhaltungskosten eingeplant werden: aber dann kann es nur entweder Abschreibung oder Substanzerhaltungspauschale geben. Niemals beides zusammen. Hier sei NKF falsch angelegt.

Wer in einer Ortsgemeinde das Erschrecken mitbekommen hat, wie ordentlich geführte und solide finanzierte Gemeinden durch NKF auf einmal zu notleidenden Gemeinden werden können, kann nachvollziehen, wie eine solche Doppelung Haushalte übermäßig belasten kann und dann zur Begründung für rigide Sparmaßnahmen dient.

Hans-Jürgen Volk hat vor einigen Tagen auf seiner Homepage (http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/ekir/in-den-sand-geschrieben.php) auf diese Problematik beim rheinischen NKF hingewiesen:

Der Haushalt der Landeskirche gerät also nicht etwa auf Grund sinkender Kirchensteuereinnahmen unter Druck. Ein entscheidender Faktor ist die unsinnige Doppelung von Substanzerhaltungspauschalen (SEP) und Abschreibungen (AfA) bei Gebäuden, die es sonst in der Doppik weder bei Kommunen noch bei den Ländern gibt. Der landeskirchliche Haushalts wird mit 13,4 Mio. € für Beides belastet. Dies macht etwa 22% der gesamten Haushaltsmittel aus. Die AfA hat ein Volumen von 5,2 Mio. €, SEP von 8,2 Mio. €. Würde man auf die AfA verzichten, reduzierte sich das Defizit des landeskirchlichen Haushalts auf 2,6 Mio. €, bei Abschaffung der SEP würde unter Beibehaltung der AfA selbst nach den Planzahlen für 2013 ein Plus von 400.000 € zu verzeichnen sein.“

(Eine sehr vereinfachte Erklärung: Man bezahlt monatlich erstens einen Autokredit ab und legt zweitens gleichzeitig einen Betrag zurück, um sich nach Verschrottung des ersten Autos ein neues Auto kaufen zu können. Der Haushalt wird also momentan gleichzeitig für den Kauf zweier Autos belastet. Selbstverständlich müssen normale Unterhaltungskosten für das Auto eingerechnet werden.)

OKR Baucks hat darauf geantwortet, dass die KL das Problem sähe und eine Arbeitsgruppe daran arbeite, dieses Problem zu lösen.

2.) Hier stockt einem der Atem: Seit Jahren wird über NKF intensiv in den Synoden und Gemeinden gestritten, es gab ein Moratorium, es gab eine Neuaufstellung der Verantwortlichen für die Umsetzung und nun erst, nach gefühlten zehn Jahren Leiden unter NKF, wird ein Grundfehler deutlich, der verheerende gravierende Auswirkungen auf die Beurteilung von Finanzlagen hat. Warum wurde dieses Probleme nicht schon vor zehn Jahren offen dargelegt und besprochen? Warum erst heute?

Was nun:

  • Haben die verantwortlichen Verwaltungsmenschen das nicht gesehen und gewusst? Das ist sehr unwahrscheinlich, da auch Menschen, die ursprünglich aus der Kommunalverwaltung (ohne diese Doppelung) kommen, jetzt in einflussreichen Stellen und Ausschüssen in unserer Kirche tätig sind: Aber dann wären ihnen wegen Unfähigkeit dringend solche Aufgaben zu entziehen! NKF wäre in ganz schlechten Händen.

  • Oder haben sie jahrelang das Problem vor den Synodalen, der KL und den Gemeinden verschwiegen? Und bekämen so die Synodalen Recht, die auf der Synode durch NKF eine künstliche Schlechterrechnung der Finanzen befürchteten? Sollten so insgeheim kirchenpolitisch motiviert Sparmaß-nahmen und Strukturveränderungen zu Lasten der Gemeinden und der theologischen und diakonischen Arbeiten der Landeskirche gepuscht werden?

  • Oder?

Das Misstrauen, dass hier nicht von allen Beteiligten im finanziellen Bereich mit offenen Karten gespielt wurde, war bei einigen Synodenvoten deutlich zu spüren. Hier muss die KL dringend für Klarheit sorgen, bevor dieses Misstrauen auf die neue Kirchenleitung selbst übergreifen kann.

3.) Und dann kamen noch zwei Voten, die bei mir Erstaunen und Erschrecken hervorgerufen haben: Der von der Kirchenleitung berufene Synodale Preutenvorbeck, Verwaltungsleiter des KK Jülich, gab etwas überraschend in der Diskussion ein Votum ab, dass man mit weiteren Kostensteigerungen bei NKF zu rechnen habe und diese dringend nötig seien. Der Finanzchef OKR Baucks, stimmt ihm zu und bedankte sich ausdrücklich für diesen Hinweis. Man müsse auch technisch auf dem neuesten Stand sein. Und es gäbe keine Alternative zum Weitermachen. Das blieb so stehen. Keine weiteren Voten dazu.

Anscheinend stehen weitere 1,1 Millionen € zur Debatte.

War das Resignation, dass sich niemand von den Synodalen gegen diese neuere Kostensteigerung wehrte? Hatte man das schon eingeplant und abgehakt? Gilt das Projekt als unberechenbar und unbeherrschbar?

Aber die Bedeutung einer solchen Haltung ist unbegreifbar: Da wird über die Existenz landeskirchlicher Arbeit hautnah diskutiert: der Fortbestand der Schulen oder des Internates in Hilden, über die Kirchliche Hochschule oder andere landeskirchliche Arbeitsfelder an, mit und für Menschen: und gleichzeitig werden Millionenbeträge für neue Methoden der Finanzverwaltung ausgegeben: Kein einziges Gemeindeglied wird einen kleinen Vorteil von NKF haben oder verspüren, aber entscheidende kirchliche Arbeitsgebiete müssen wegfallen. Mitarbeiter zittern um ihre Arbeitsplätze.

Es ist unglaublich und unbegreifbar: Da werden Verwaltungsträume und erhoffte Verbesserungen seit Jahren mit immer mehr Millionenbeträgen subventioniert (Ende nicht absehbar) und die dringend notwendige Arbeit an und für Menschen wird zurückgefahren. Ich habe noch nirgendwo von Einsparungen bei der Verwaltung durch Synergieeffekte gehört, aber dauernd wird mir von neuen Stellen und ausufernden Kosten für die Verwaltung berichtet.

Darf für eine Kirche NKF wichtiger sein als die Arbeit mit Menschen? Darf man für dieses Projekt im Rechnungswesen noch weiter unabsehbare Millionenbeträge ausgeben, ohne dass das Ende der Fahnenstange in Sicht ist?

Ein begrenzter, teilweiser Stopp dieser Finanzumstellung NKF könnte mit fünf Schritten Ruhe in die ganze Sache bringen:

a) Alle Kirchengemeinden und Kirchenkreise, die noch nicht umgestellt haben, stoppen den Prozess der Umstellung umgehend.

  • Sie müssen nicht mehr teuer zu bezahlende externe Berater einkaufen, weil der Personalmarkt sonst keine geeigneten Personen für die Umstellung hergibt.

  • Sie müssen nicht mehr noch unfertige Konzepte ausprobieren und teures Lehrgeld bezahlen.

b) Die linke Seite des Haushaltsbuches wird vorerst in allen Institutionen auf Eis gelegt. Die oft als „Haushaltslyrik“ verspottete linke Seite mit den Zielvorstellungen ist für die Gemeinden und Kirchenkreise weitgehend uninteressant und überflüssig. Wo wichtige Ziele sich anbieten, werden Gemeinden sie auch ohne linke Seite im Blick haben und über die notwendigen Finanzen beraten. Wenn Gemeinden oder Kirchenkreise aber ernsthaft sich auf die Zielformulierungen und Zieldiskussionen einlassen würden, hätten sie im ganzen Jahr für nichts anderes mehr Zeit. Was nützen von der Verwaltung vorgeschlagene leere Worthülsen? Oder vom Vorsitzenden mühsam überlegte Zielvorschläge? Oder leer abgegebene Seiten? Angesichts der vielfach herrschenden Finanznot ist nicht die Aufstellung des Haushaltsplanes der richtige Ort, sich über Prioritäten klar zu werden.

c) Nur die Institutionen, die schon umgestellt haben, führen diesen Prozess weiter. Sie experimentieren mit den noch offenen Problemen, optimieren die Prozesse und Methoden und bilden einen kompetenten Mitarbeiterstab aus. Ziel sollte die Ausarbeitung eines einheitlichen NKF-Modells sein, das preiswert und sparsam ist, das leicht verständlich und verwaltungstechnisch beherrschbar ist, das auf andere Kirchengemeinden und Kirchenkreise übertragbar ist und das für Presbyterien und KSV-Mitglieder überschaubar und verständlich ist, damit die Leitungskompetenz bei den dafür zuständigen Gremien bleibt und nicht auf die Verwaltung übergeht. Nur diese Kirchenkreise investieren vorerst in dieser Experimentier- und Erprobungsphase auch in neue Hard- und Software.

Für die Ausarbeitung eines solchen NKF – Modells reichten einige engagierte Kirchenkreise und Gemeinden aus. Es muss nicht die ganze Landeskirche zu einem superteuren Experimentierplatz werden.

d) Erst wenn das angestrebte optimierte Modell erfolgreich den Praxistest bestanden hat, kopieren die anderen Kirchenkreise, Gemeinden und Werke dieses Modell. Inzwischen wird es dann genügend kompetente Verwaltungsmitarbeiter geben, die dieses fertige Modell preiswert in Nachbarkirchenkreisen und Gemeinden einführen können.

e) Die linke Haushaltsseite bleibt optional: Nur wer für seine Institution diese linke Seite für sinnvoll und sachgerecht hält, macht sie zum Teil des Haushaltsbuches.

Diese linke Haushaltsseite ist kein notwendiger Bestandteil von NKF, sondern ist die zusätzliche Einführung eines neuen Führungssystems in der Kirche. Dieses System hat mit NKF im Kern nichts gemein.

Bei der Einführung von NKF im Rheinland wird nicht nur die Buchführung umgestellt auf doppelte Buchführung, sondern es wird mit der linken Haushaltsplanseite gleichzeitig ein neues Management-System für die Leitung von Gemeinden, Kirchenkreisen und der Landeskirche eingeführt: „management by Objectives“

 

Management by Objectives (MbO) (zu Deutsch: Führung/Führen durch Zielvereinbarung) ist eine Methode aus der Betriebswirtschaftslehre zur Führung von Mitarbeitern eines Unternehmens.

Ziel dieses Verfahrens ist es, die strategischen Ziele des Gesamtunternehmens und der Mitarbeiter umzusetzen, indem Ziele für jede Organisationseinheit und auch für die Mitarbeiter gemeinsam festgelegt werden.“ (wikipedia)

Eine solche Methode hat nichts direkt mit dem Finanzwesen zu tun und ist somit nicht zwingend mit der Einführung der doppelten Buchführung zu verbinden.Durch diese Koppelung wird aber die Einführung der doppelten Buchführung verkompliziert und für Presbyterien und KSVs kaum durchschaubar: Notgedrungen müssen sie der Verwaltung die Handhabung überlassen und Teile ihre Leitungsfunktion abgeben.

Sollte nicht in einer Kirche gelten: Besser einige Jahre Zweigleisigkeit für Haushaltspläne und Abschlüsse -das klappt ja im Moment auch- als weiter dieses NKF-Fass ohne Boden zu füllen und dafür die Arbeit an Menschen zu kappen.

Die Landessynode könnte hier im Januar 2014 die (zeitweise) Notbremse ziehen, ohne die ganze Umstellung in Frage zu stellen und viel Geld vergeblich ausgegeben zu haben.

Viele Grüße und Gottes Segen für Ihrer Arbeit

Manfred Alberti

p.s.: Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Schwächen und Gefahren des Verwaltungsstrukturgesetzes, das am 01.April 2014 so in Kraft tritt, wenn die Landessynode 2014 es nicht noch verändert und einen finanziellen Rahmen setzt, können Sie finden auf: www.presbyteriumsdiskussion-ekir.de Kap. A 2 Verwaltungsstrukturgesetz 2013 Kritische Analyse

Fiktive Eröffnungsrede einer Synode

Die Synoden laufen. Leider werden wir wahrscheinlich in vielen Landeskirchen wieder Blut-Schweiß-Tränen Reden hören. Ziel wird es sein trotz hoher Kirchensteuereinnahmen weiterhin Kürzungen und Zurückstellungen begründen zu können.

Für alle Ghostwriter wollen wir hier eine Eröffnungsrede anbieten, die zu den brutalsmöglichen Aufklärern unserer Landeskirchen passt. Wir wissen natürlich, das Sie kein Geld haben und bieten das Redemanuskript daher kostenlos an:

Liebe Brüder, Liebe Schwestern!

Die Lage unserer Kirche täuscht. Lassen Sie sich nicht von den fast rekordverdächtig hohen Kirchensteuereinnahmen täuschen. Wir haben viel gespart und müssen weiterhin sparen. Wir wissen, das unsere Kirche schrumpfen wird. Obwohl unsere Prognosen zur Einahmenentwicklung meist nicht eintreffen, wissen wir dieses mal sicher, das wir auf den besten Weg in den Bankrott sind.

Die Gesellschaft setzt keinen Pfifferling auf uns. Unsere Verantwortung ist es daher uns fatalistisch in dieses Schicksal zu ergeben. Visionen ohne Krisenszenarien apokalyptischen Ausmaßes wären unverantwortlich unseren Mitarbeitern gegenüber. Daher ist diese Kirchenleitung fest von einer negativen Zukunftserwartung überzeugt. Nur wenn wir das Schlimmste annehmen, können wir die richtige Vorsorge treffen. Daher will ich Sie nicht mit mehreren möglichen Szenarien belästigen. Schließlich gibt es keine Verheißung, das es nicht zum worst case kommt.

Wir erklären daher zur Wirklichkeit, das die Mitgliederzahl unserer Kirche in den nächsten Jahren rapide schrumpft. Wir könnten nun die Kirchensteuerentwicklung von der Lohnentwicklung, der Arbeitslosigkeit und mehren Faktoren abhängig betrachten. Aber als brutalsmöglicher Aufklärer reicht es, wenn ich Ihnen sage,dass sie einbrechen werden. Das sie momentan steigen hat mit unserer herbeigeredeten Entwicklung nicht das geringste zu tun.

Einhergehend mit dem Mitgliederschwund wird sich unsere Stellung in der Gesellschaft weiterhin verschlechtern. Die Kirche wird weniger Einfluss auf noch weniger gesellschaftliche Entwicklungen haben. Damit uns das nicht überrascht, werden wir schon jetzt mit den Kürzungen anfangen. Wir werden uns freiwillig aus der Gesellschaft zurückziehen und von den Menschen entfernen, bevor uns mangelnde Finanzmittel dazu zwingen. Unsere Handlungsfähigkeit muss erhalten bleiben. Daher müssen wir selber kürzen, bevor uns die Sachzwänge wirklich dazu zwingen. So handeln immerhin wir und können immerhin einen günstigen Zeitpunkt (Ferien/Fußballweltmeisterschaft oder Bundestagswahl) wählen.

Zukunftsängste und Unsicherheit werden dabei helfen Eigeninitiative zu verringern. Begeben wir uns in die Abwärtsspirale, können wir die Kürzungen mit schlechten Leistungen problemlos erklären. Wenn wir weiterhin unsere finanzielle Lage konsequent schlecht reden, werben wir auch keine weiteren Mitarbeiter mit Ideen und Visionen an. Die momentan entstehenden Lücken im Personal helfen uns zu späteren Zeitpunkten betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen.

Wie wir überleben können zeigen uns unsere Beraterfreunde. Wir haben weiterhin ein großes Potential bei den Festtagen und den Kasualien. Leider sind unsere Strukturen in der Zwischenzeit zu gering ausgelastet. Von erfolgreichen Franchisebetrieben können wir lernen diese Situation besser zu managen. Statt einen großen solidarischen Betrieb zu bilden sollten wir in Zukunft schrumpfen. Wir sparen Geld mit einem kleinerem Regelbetrieb. Für Spitzen an den wichtigen Feiertagen können wir zusätzliche Vertragspfarrer beschäftigen. Diese freiberuflichen Vertragspfarrer können dann auch zu nichtchristlichen Feiertagen arbeiten.

Die Kasualien sollen in einen freiem Markt überführt werden. Gemeinden und Pfarrer sollen um den besten Service kämpfen. Eine erfolgsabhängige Entlohnung entfacht den Wettbewerb, der zu zufriedenen Kunden und besseren Gewinnspannen führt. Nicht die langjährige persönliche Bindung einer seelsorgerischen Begleitung, sondern harte wirtschaftliche Kriterien sollen uns erlauben aus unserem Bestseller einen Verkaufsschlager zu machen.

Liebe Brüder, liebe Schwestern. Unsere Kirche muss sich tiefgreifend ändern. Die eschatologische Ausrichtung hat uns zu falschen Erwartungen geführt. Wir werden von nun an einen streng apokalyptischen Weg einschlagen. Als brutalstmöglicher Aufklärer, werde ich den alternativlosen Kurs unserer Kirche nicht beschönigen. Unser Plan sieht vor, das wir unser Personal und die Aufgaben beschränken, bis wir uns zu einem kleinem Verein gesund geschrumpft haben. Hierzu werden wir in den nächsten Jahren immense Summen einsparen. Ab dem Jahr 2030 werden wir keinen Kirchenpräsidenten mehr wählen, sondern einen Abwicklungsbeauftragten bestimmen. So können wir sicher stellen, das wir auch im Jahr 2055, wenn es (unserer Überzeugnung nach) keine Christen mehr gibt unsere ehemaligen Beschäftigten angemessen mit ihren Altersbezügen versorgen können.

Wenn Ihnen diese Rede nicht gefällt, habe ich noch eine andere, die Ihnen die sie auch wesentlich lieber verwenden sollten:

Liebe Brüder, Liebe Schwestern,

Kirche ist ein Prozess ständiger Veränderung. Einige der Veränderungen machen uns Angst. Aber wir dürfen uns nicht aus Angst von unserem Auftrag abbringen lassen. Mehrmals wurde gesagt, die Kirche würde aus unserer Gesellschaft verschwinden. Sie hat ihren Platz und ihr Aussehen geändert. Wir können darauf vertrauen, das sich die Kirche wieder ändern wird. Aber diesen Prozess wollen wir gestalten und uns nicht von angeblich alternativlosen Plänen treiben lassen.

Die Mitgliedszahlen unserer Landeskirche werden wahrscheinlich weiter zurück gehen. Unsere Mitglieder sind wichtig, aber nicht alles. Viele Menschen, die sich von der institutinellen Kirche trennen, bleiben uns weiterhin freundlich verbunden. Viele Nichtmitglieder erachten unsere Arbeit dennoch als wichtig.

Historisch gesehen haben sich die Einnahnen unserer Kirche oftmals verlagert. Unsere Kirchenväter lebten von Spenden wohlhabender Familien, bis Konstantin für eine staatliche Unterstützung einiger Aufgaben sorgte. Im Mittelalter waren Kirchen und Klöster Großgrundbesitzer und wichtige Träger der Wirtschaft. Auch der Verlust dieses wirtschaftlichen Kapitals in der Reformation und der Säkularisation hat die Kirche nicht von ihren Aufgaben abgebracht. Es entstand ein steuerbasiertes Unterstützungsmodell, in dem die Bevölkerung ihre Kirche finanzierte.

Wenn nun in der Tat weniger Menschen ihre Kirche unterstützen, dann ist es natürlich, das wir Angst vor dieser Entwicklung haben. Aber wir finden auch schon jetzt Beispiele die Anlass zur Hoffnung geben und uns Mut machen. In vielen Gemeinden identifizieren sich ChristInnen mit ihrer Kirche. Solidarisch engagieren sich gerade im ländlichem Raum Menschen ob Mitglieder oder nicht um ihre Kirchen und Gemeindehäuser als wichtiger Teil ihres sozialen Lebens zu renovieren und damit zu erhalten. Viele Gemeinden bauen mit Stiftungen vor um ihre Arbeit weiter auf dem erfolgreichem Kurs halten zu können. Dort wo aktuell Geld fehlt, kann es oft durch Spenden aufgetrieben werden.

Das alles beweist, das es eine große Basis auch über unsere Mitglieder hinaus gibt, die Kirche als Ort der Verkündigung, Begegnung und des sozialen Lebens als wichtig erachten. Das verdanken wir vor allem dem Engagement der Haupt- und Ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Ihre Ideen, Arbeit und Engagement wirkt nach außen und trägt Früchte. Sparen wir hier, legen wir die Abrissbirne an die tragenden Elemente unserer Kirche.

Liebe Brüder, Liebe Schwestern, wie soll es aber weiter gehen?

Die Antwort wird uns niemand mit Gewissheit sagen können. Einen Schritt haben wir bereits getan. Wir haben Kapital angesammelt, damit wir einen Teil der anstehenden Pensionen nicht mehr aus den Kirchensteuern zahlen müssen. Unsere gute Arbeit ist nicht kostenlos. Aber gerade in Zeiten in denen sich er Staat immer weiter von seiner sozialen Verantwortung zurück zieht, haben wir auch gute Argumente unsere Arbeit finanzieren zu wollen. Das wird uns aber auch nur gelingen, wenn unsere Gemeinden Zentren der Begegnung bleiben.

Über die Kirchensteuereinnahmen lässt sich nur spekulieren. Sie hängen nicht nur von den Mitgliedern, sondern auch von der Beschäftigung und der Lohnentwicklung ab. Wir können uns sicherlich nicht alleine auf die Kirchensteuern verlassen.

Ich bin zuversichtlich, das wir unsere Kirchensteuereinnahmen mit Mieten, Spenden und Stiftungen ergänzen können. Das wird nicht jeder Gemeinde im gleichem Maß gelingen. Daher brauchen wir kirchliche Solidarität.

Basis für diesen Plan ist ein wirksames Handeln der Kirche nach außen. Nur Menschen, die sich mit ihrer Kirche – und das ist meistens die Gemeinde vor Ort – identifizieren, werden diesen Plan mittragen. Das birgt ein Risiko, das wir in der Kirchenleitung nicht steuern können. Wir können Ihnen vor Ort nur die Freiheit lassen sich für ihre Kirche einzusetzen. Keine Vorgaben, Kennzahlen oder Vorschriften können ihrer Situation und ihren Möglichkeiten gerecht werden. Wir vertrauen Ihnen aber, dass Ihre Berufung dem Erhalt und der Pflege der Kirche gilt.

Liebe Brüder, liebe Schwestern, die Herausforderung ist groß uns an die neuen Strukturen anzupassen. Diese Kirche hat aber schon schlimmeres überstanden und daher bin ich mir sicher, das wir gemeinschaftlich auch dies meistern werden.

EKD-Synode: Was die EKD aus dem FDP-Wahldebakel lernen kann

Gerade propagiert Thies Gundlach eine kirchliche Wüstenwanderung. Eine selbstverordnete Verkleinerung der Kirche: „ Wir sind eine Kirche, die muss kleiner werden.“ „Diese Aufgabe ist unserer Generation gestellt.“ (vgl. den Beitrag von Pfrin Dang)
Da sprudeln seit Jahren die Quellen der Kirchensteuern, die Kirche besitzt überaus gut ausgebildete PfarrerInnen, da gibt es eine flächendeckende Infrasruktur an Gebäuden – und   Gundlach propagiert die  Wüstenwanderung. Was ist da los?
Wüstenwanderung? Ein biblisches Bild muss also herhalten für das neoliberale Downsizing-Projekt verbal zu unterfüttern. Immerhin beinhaltet es in der aktuellen Trostlosigkeit die Hoffnung auf Manna und Honig. Das könnte aber ein schwacher Trost sein, ein zu schwacher. Solche Hoffnung könnte den/die eine oder andere vielleicht tragen, die Organisation freilich nicht. Für Organisationen und Betriebe gelten gewisse „Gesetze“. Eines lautet: ist man erst einmal draußen, fällt die Rückkkehr um so schwerer. Das prophezeien übrigens nicht allein die Kommentatoren der FDP nach ihrem Wahlflopp. Das belegt auch die PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies), die größte Studie zu unternehmerischem Erfolg. Danach gibt es sechs Schlüsselgrößen für die Beruteilung des zukünftigen Erfolgs. Die erste und wichtigste Schlüsselgröße ist die Marktstellung. Übertragen auf die Kirche: die ev. Kirche ist in deutschland in einer immer noch überaus guten Ausgangslage. Noch gehören je 1/3 der ev. Und eine weiteres Drittel der kath. Kirche an. Damit sind die Kirchen noch im Besitz dieser wichtigen Schlüsselgröße „Marktstellung“. Man spürt aber, dass damit langsam eine untere Grenze erreicht ist, deren Unterschreitung  man in jedem Falle verhindern müsste, will man nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die Effekte beim Abwärtsgang verlaufen also nicht linear, sondern es gibt Kipppunkte. Bei der Klimafrage ist das ja ähnlich. Was dann passiert, wenn Untergrenzen unterschritten, Kipppunkte erreicht sind, muss man sich nicht ausmalen. Man kann es empirisch überprüfen. Am Beispiel der östlichen Landeskirchen. Dort war die Kirche (hier in der Zusammenschau beider Kirchen) zur Zeit der Wiedervereinigung vor 23 Jahren schon marginalisiert. Sich von einer solchen Ausgangslage wieder hochzuarbeiten, stellte dann einen enormen Kraftakt dar. Er ist bekanntlich selbst mit erheblichem Westsupport bisher nicht gekglückt. Im Gegenteil (s. Folgebeitrag Wüstenwanderung II). Also: Einmal weg – immer weg. Das ist die Erkenntnis. Und sie wird das fatale Resultat sein, wenn die Kirche Gundlachs Wüstenwanderung mitmacht. Man fragt sich: Wie groß muss eigentlich die  Verwirrrung über den Kurs der Kirche in der EKD sein, wenn ein wichtiger Vertreter  solchen Unsinn propagiert!
Die Moral von der Geschicht: die Kirche hat sich seit 15 Jahren mit solchen und ähnlichen Themen mit sich selbst beschäftigt. Das sind 15 weitgehend verlorene Jahre für richtige und wichtige Reformen. Damit muss Schluss sein. Kirche muss nicht kleiner werden, sondern ihre Potenziale (s.o.) endlich voll ausnutzen und entfalten. Das ist die Erfordernis aus theologischer Sicht – wie auch aus Managementsicht.

Was ist zu tun? Die Kirche muss so schnell wie möglich zu den Menschen zurückkommen. Real, nicht verbal. Die aktuell zu hörende verbale Beschwörung des „Nahe-am-Menschen-sein Wollens ist hingegen nur der verzweifelte Ausdruck des garstigen Grabens, der schon aufgerissen wurde. Da geht es der evangelischen Kirche nicht viel besser als der katholischen. Sie muss dazu die Reformen von Strukturen und Instrumenten, sie muss die Strategie auf den Prüfstand stellen. Und sie muss vor allem zu einer Erneuerung der früheren Kultur zurück. Sie braucht Management und sie braucht Theologie. Als Sofortmaßnahmen sind zunächst die Teile sofort zu stoppen, die sowohl nutzlos und dabei auch noch teuer sind. Und dann sollte man ruhig noch einmal zur FDP blicken und die Lehre ziehen, dass ein Neuanfang nur möglich ist, wenn die Verursacher der Misere, das man in der EKiR ja gut sehen kann, die Verantwortung für das entstandene Desaster und die schon entstandene Wüste übernehmen. Zu dieser Einsicht waren die FDP-Führer immerhin in der Lage. Ob die Kirche zu einer solche Selbstreinigung auch in der Lage ist ?

Friedhelm Schneider