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Anfang vom Ende von KdF (Kirche der Freiheit)? Thies Gundlach will „nicht der letzte Mohikaner sein, der zu dieser Schrift steht“. Sein Vortragstitel „Als Fusionen noch geholfen haben“

Abschied von „Kirche der Freiheit“ (KdF), dem Impulspapier der EKD?
Trauer um die vergeudete Kraft und Zeit seit 2006?

Der Vizepräsident der EKD Thies Gundlach auf der Tagung der Evangelischen Akademie Berlin zur Bilanz von 10 Jahren EKBO am 1. März 2014:
Er wolle nicht der letzte der Mohikaner sein, der zu dieser Schrift stehe. Seinem Vortrag gab er die Überschrift: „Als Fusionen noch geholfen haben“.

Lesen Sie die Zusammenfassung und Kommentierung des Vortrags von Pfrin. Dr. Katharina Dang auf S. 4 der „Mündigen Gemeinde“.

Kirche ohne Kurs. Zur Mitgliedschaftsstudie der EKD

Man darf staunen: Der Ratsvorsitzende Schneider hat in einer ersten Stellungnahme zur neuesten Mitgliederstudie der EKD festgestellt, man wolle die Ergebnisse dieser Studie ernst nehmen. Was soll das heißen? Macht die EKD Studien und nimmt sie nicht ernst? Hat sie früher solche Studien gemacht und sie nicht beachtet?
Es gibt guten Grund zu vermuten, dass Schneider einen wunden Punkt benennt. Seit vierzig Jahren nämlich zeigen alle Mitgliedschaftsstudien, dass die Verbundenheit der ev. Christen zu ihrer Kirche in der Kirche vor Ort begründet ist. Wichtig sind Gottesdienste, Kasualien und die diakonische Arbeit vor Ort, das sind die Kindertagesstätten, die Diakoniestationen u.v.a.m. Die Begegnung mit dem Pfarrer vor Ort ist eine der entscheidenden Qualitäten, die das Verhältnis zur Kirche und zum Glauben prägen. Professor Pollack, einer der wissenschaftlichen Begleiter der Studie, weist auf diesen Zusammenhang eindrücklich hin: „Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Annahme ist der Glaube jedoch kein von der Institution Kirche isolierter rein individueller Akt. Er bedarf vielmehr der institutionellen Unterstützung, und er verkümmert, wenn ihm die kommunikative Unterstützung durch Interaktionen im Raum der Kirche, durch Kontakte zum Pfarrer, durch den Gottesdienst fehlt. Das haben unsere Analysen, die repräsentativ sind und höchsten sozialwissenschaftlichen Standards genügen, immer wieder gezeigt: Intensive kirchliche Praxis und das Bekenntnis zum Glauben an Gott korrelieren hoch.“
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Jung resümiert entsprechend: „Bricht personale kirchliche »Interaktionspraxis« ab, so sinkt nicht nur das Gefühl der Verbundenheit mit der Kirche, sondern auch die individuelle Religiosität wird abgeschwächt. Man kann also sagen: Auch die als privat reklamierte, unkirchliche Frömmigkeit lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht geschaffen hat.“ Wie wichtig die personale Begegnung ist, zeigt auch, dass digitale Medien gemäß der Studie nur eine geringe Bedeutung für die Weitergabe des Glaubens haben.
Thies Gundlach, Cheftheologe der EKD, hat es pointiert zusammengefasst: „Kirche – das ist der Pfarrer vor Ort.“ Wenn das gilt, dann müsste die Kirche alles dafür tun, um vor Ort präsent zu bleiben und noch präsenter zu werden. Doch genau das tut sie nicht.
Als die erste Mitgliedschaftsstudie erschien, zog der Initiator der Studie, der damalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Hild, klare Konsequenzen. Damals nämlich schon war die Idee aufgekommen, die Kirche vor Ort ließe sich besser und effizienter gestalten, wenn Pfarrer im Teampfarramt arbeiteten, die Kirche über große Institutionen präsent wäre und das Kleinklein der pastoralen Praxis vor Ort durch qualifizierte großflächige Angebote ersetzt würde. Pfarrverbünde und Auflösung der kleinen Parochien waren damals schon gefordert. Hild brach diese Experimente ab. Einer seiner Nachfolger griff sie wieder auf. Seitdem gilt in der EKHN: Alles, was das Kirche vor Ort schadet, ist gut. So wurden die Finanzausstattungen der Gemeinde in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgefahren. Gerade darf die Synode der EKHN mal wieder über ein Zuweisungssystem beraten, das vielen kleinen Gemeinden endgültig die Luft zum Atmen nehmen wird. Die sollen sich dann zu größeren Einheiten zusammenschließen. Dafür freilich wird wieder Geld zur Verfügung gestellt werden, solange bis die nächste Fusionsrunde kommt. Das ist geplant und wird zielstrebig umgesetzt: Weniger Geld für die Gemeinde, weniger Pfarrer in den Gemeinden, Loslösung von Kindertagesstätten und Diakoniestationen aus dem gemeindlichen Umfeld in größere angeblich finanziell sinnvollere Einheiten. Bei der Pfarrstellenbemessung etwa hat man konsequenterweise die Kindertagesstätten ausgeklammert, was dazu führt, dass Gemeinden, deren Pfarrstellen deswegen reduziert werden müssen, die Kindertagesstätten an die Kommunen zurückgeben. Die Ergebnisse der Studie, dass über die spätere Kirchenbindung gerade in der Kindheit und Jugendzeit entschieden wird, ist für die Kirchenleitung kein Problem: Die Kirche muss sich gesund schrumpfen.
Angesichts hoher Kirchensteuerüberschüsse in den letzten Jahren in Hessen weist die Kirchenleitung immerhin nicht fälschlich darauf hin, dass die Kirche leider zu arm sei, um noch ihre bisherigen Verpflichtungen wahrnehmen zu können. Für diesmal hat sich die Kirchenleitung noch geschickter verhalten. Sie verhindert, dass junge Menschen zum Theologiestudium ermuntert werden und stellt nach Potentialanalyse und bestandenem Examen viele Vikare gar nicht erst ein. Damit erhöht sie den Druck auf die Gemeinden, sich von ihren Pfarrstellen zu trennen. Bei weniger Pfarrern ist demnächst auch das Inhaberrecht, das bisher mit Pfarrstellen verbunden ist, in Frage gestellt. Anders wird man nämlich die flächendeckende Versorgung nicht mehr aufrecht erhalten können. Damit kappt man die letzten rechtlichen Bindungen eines Pfarrers an seine Gemeinde. Gemeindearbeit wird zunehmend unattraktiv. Auch das liegt im Interesse der Kirchenleitung. Denn die Zukunft der Kirche liegt in der Region – selbst wenn die Mitgliederstudie das Gegenteil zeigt.
Satt dessen steckt die Kirche ihr Geld z. Bsp. in große Immobilien in guter Lage. Jüngst hat sie z.B. ein Studentenwohnheim in Darmstadt erstanden. Es ist keine 10 Jahre her, da war die lang diskutierte und dann beschlossene Konzeption, möglichst wenige solcher Heime zu besitzen. Das Beispiel ließe sich durch viele andere ersetzen, die alle zeigen, wie munter in der Kirche ein Projekt nach dem anderen – wie das berühmte Schweinchen durchs Dorf getrieben wird – Geld spielt im Ernstfall dabei keine Rolle. Auch das gehört zu den Konsequenzen der Mitgliedschaftsstudie: Wenn man sich auf die Kernaufgaben vor Ort konzentrieren würde, bräuchte man viele der kirchenleitenden Funktionäre nicht, die allenthalben neue Konzeptionen entwickeln und umsetzen müssen. Und damit ist auch klar, warum die Kirchenleitungen auch diese Studie nicht ernst zu nehmen werden. Es gibt inzwischen eine erstaunlich mächtige und gut vernetzte Schicht von Kirchenfunktionären und Technokraten, die verhindern werden, dass die Ergebnisse der Studie auch nur im Entferntesten beachtet werden. Das nämlich würde ihre Bedeutung mindern und ihre Macht beschränken.
Schneider hat sich jedenfalls klug verhalten. Sein Hinweis, dass die Studie möglicherweise nicht beachtet wird, nimmt mögliche Kritik vorweg. Schließlich gehört er selbst zu jenen, die beharrlich und erfolgreich an den empirischen Erkenntnissen solcher Studien vorbeigearbeitet haben. cb.

EKD-Synode: Was die EKD aus dem FDP-Wahldebakel lernen kann

Gerade propagiert Thies Gundlach eine kirchliche Wüstenwanderung. Eine selbstverordnete Verkleinerung der Kirche: „ Wir sind eine Kirche, die muss kleiner werden.“ „Diese Aufgabe ist unserer Generation gestellt.“ (vgl. den Beitrag von Pfrin Dang)
Da sprudeln seit Jahren die Quellen der Kirchensteuern, die Kirche besitzt überaus gut ausgebildete PfarrerInnen, da gibt es eine flächendeckende Infrasruktur an Gebäuden – und   Gundlach propagiert die  Wüstenwanderung. Was ist da los?
Wüstenwanderung? Ein biblisches Bild muss also herhalten für das neoliberale Downsizing-Projekt verbal zu unterfüttern. Immerhin beinhaltet es in der aktuellen Trostlosigkeit die Hoffnung auf Manna und Honig. Das könnte aber ein schwacher Trost sein, ein zu schwacher. Solche Hoffnung könnte den/die eine oder andere vielleicht tragen, die Organisation freilich nicht. Für Organisationen und Betriebe gelten gewisse „Gesetze“. Eines lautet: ist man erst einmal draußen, fällt die Rückkkehr um so schwerer. Das prophezeien übrigens nicht allein die Kommentatoren der FDP nach ihrem Wahlflopp. Das belegt auch die PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies), die größte Studie zu unternehmerischem Erfolg. Danach gibt es sechs Schlüsselgrößen für die Beruteilung des zukünftigen Erfolgs. Die erste und wichtigste Schlüsselgröße ist die Marktstellung. Übertragen auf die Kirche: die ev. Kirche ist in deutschland in einer immer noch überaus guten Ausgangslage. Noch gehören je 1/3 der ev. Und eine weiteres Drittel der kath. Kirche an. Damit sind die Kirchen noch im Besitz dieser wichtigen Schlüsselgröße „Marktstellung“. Man spürt aber, dass damit langsam eine untere Grenze erreicht ist, deren Unterschreitung  man in jedem Falle verhindern müsste, will man nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die Effekte beim Abwärtsgang verlaufen also nicht linear, sondern es gibt Kipppunkte. Bei der Klimafrage ist das ja ähnlich. Was dann passiert, wenn Untergrenzen unterschritten, Kipppunkte erreicht sind, muss man sich nicht ausmalen. Man kann es empirisch überprüfen. Am Beispiel der östlichen Landeskirchen. Dort war die Kirche (hier in der Zusammenschau beider Kirchen) zur Zeit der Wiedervereinigung vor 23 Jahren schon marginalisiert. Sich von einer solchen Ausgangslage wieder hochzuarbeiten, stellte dann einen enormen Kraftakt dar. Er ist bekanntlich selbst mit erheblichem Westsupport bisher nicht gekglückt. Im Gegenteil (s. Folgebeitrag Wüstenwanderung II). Also: Einmal weg – immer weg. Das ist die Erkenntnis. Und sie wird das fatale Resultat sein, wenn die Kirche Gundlachs Wüstenwanderung mitmacht. Man fragt sich: Wie groß muss eigentlich die  Verwirrrung über den Kurs der Kirche in der EKD sein, wenn ein wichtiger Vertreter  solchen Unsinn propagiert!
Die Moral von der Geschicht: die Kirche hat sich seit 15 Jahren mit solchen und ähnlichen Themen mit sich selbst beschäftigt. Das sind 15 weitgehend verlorene Jahre für richtige und wichtige Reformen. Damit muss Schluss sein. Kirche muss nicht kleiner werden, sondern ihre Potenziale (s.o.) endlich voll ausnutzen und entfalten. Das ist die Erfordernis aus theologischer Sicht – wie auch aus Managementsicht.

Was ist zu tun? Die Kirche muss so schnell wie möglich zu den Menschen zurückkommen. Real, nicht verbal. Die aktuell zu hörende verbale Beschwörung des „Nahe-am-Menschen-sein Wollens ist hingegen nur der verzweifelte Ausdruck des garstigen Grabens, der schon aufgerissen wurde. Da geht es der evangelischen Kirche nicht viel besser als der katholischen. Sie muss dazu die Reformen von Strukturen und Instrumenten, sie muss die Strategie auf den Prüfstand stellen. Und sie muss vor allem zu einer Erneuerung der früheren Kultur zurück. Sie braucht Management und sie braucht Theologie. Als Sofortmaßnahmen sind zunächst die Teile sofort zu stoppen, die sowohl nutzlos und dabei auch noch teuer sind. Und dann sollte man ruhig noch einmal zur FDP blicken und die Lehre ziehen, dass ein Neuanfang nur möglich ist, wenn die Verursacher der Misere, das man in der EKiR ja gut sehen kann, die Verantwortung für das entstandene Desaster und die schon entstandene Wüste übernehmen. Zu dieser Einsicht waren die FDP-Führer immerhin in der Lage. Ob die Kirche zu einer solche Selbstreinigung auch in der Lage ist ?

Friedhelm Schneider

EKiR: Lichtblicke unter dem Vorbehalt des Kurswechsels der Landessynode

Pfr. i.R. Manfred Alberti, Rundschreiben 26
An die Interessierten an der Zukunft der Rheinischen Landeskirche!

Seit der Präseswahl auf der Landessynode und der Neubesetzung der juristischen und der Verwaltungsleitung ist viel Bewegung in die Rheinische Kirche gekommen. Im Präsesblog und in Regionalkonferenzen etc. wird versucht, Informationen und Problembewusstsein über die Zukunft unserer Landeskirche zu verbreiten, und herausgefordert, gemeinsam nach neuen  Wegen und guten Lösungsansätzen zu suchen.

Die Zeit, dass die Landessynode weitgehend im Geheimen ihre Beschlüsse vorbereitete, ist hoffentlich zu Ende. Zu schlimm sind die verursachten Katastrophen (BBZ-Desaster), die ungelösten Finanzprobleme (Versorgungskassendefizit) und die Strukturprobleme (NKF, Verwaltungsstrukturgesetz).  Mitdenken, Mitüberlegen und  Mitplanen sollten nun nicht nur Kirchenleitung, Verwaltung und Landessynodale sondern alle, die an der Zukunft der Landeskirche Interesse haben.

Nur wenn frühzeitig alle guten Vorschläge und alle Bedenken mit in den Beratungsprozess einfließen, kann am Ende ein gutes Ergebnis entstehen. Die Kirchenleitung hat den Weg zu einer solchen neuen Diskussionskultur geöffnet.

Zwei besonders wichtige Punkte scheinen mir dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen.

1.) Eine kleine Sensation kann man sehr leicht übersehen. In ihrem Beschluss vom 05. Juli 2013 zum Pfarrbild bestätigt die Kirchenleitung, dass es einen offensichtlichen Dissenz und eine Interessenkollision gibt zwischen der landessynodalen Sichtweise auf den Pfarrberuf, wie sie sich in dem Beschluss zur Personalplanung 2012 durchgesetzt hat, und der Sichtweise der Gemeindeglieder.

Zitat aus dem KL-Beschluss vom 05. Juli 2013:
http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2013-07-05perspektiven_pfarrberuf.pdf

„B.3. Erwartungshaltungen, Selbstbilder und allgemeine Bilder
vom Pfarramt
Erwartungshaltungen der Kirchenmitglieder einbeziehen
Die Erwartungen an das Pfarramt und die darin enthaltenen Pfarrbilder sind
ein Pfund, mit dem Kirche wuchern kann. Gemeinden und funktionale Dienste
profitieren von diesen Bildern und dem darin enthaltenen Vertrauensvorschuss.
Sie ebnen denen, die nur selten kirchliche Angebote wahrnehmen, den Zugang zur Kirche. Sie sind Teil des Ordinationsvorhaltes: Glaubwürdigkeit,
Verschwiegenheit und Ansprechbarkeit des Pfarrers stehen in dem einen
Dienst der Kirche und sind Zugänge zur Erfüllung ihres Auftrages. Dass Menschen
eine gute Predigt hören wollen, im Trauerfall sich an eine Pfarrerin
wenden, ihren Besuch zur Taufe erwarten, ihre größer werdenden Kinder in
die Konfirmandenarbeit oder auf eine Schule in evangelischer Trägerschaft
schicken, sich einer Krankenhaus-, Gehörlosen- oder Gefängnisseelsorgerin
anvertrauen, ist ein großer Schatz der Kirche.

Spannung zwischen synodalem Modell und landläufigen Pfarrbildern
Diese Erwartungshaltungen und Bilder vom Pfarramt schlagen sich auch in
Mitgliedschaftsbefragungen und pastoraltheologischen Entwürfen nieder. Es
ist offenkundig, dass die Erwartungshaltung weiter Teile der Kirchenmitglieder
und das Mitarbeitendenmodell nach Epheser 4 in Spannung zueinander stehen.
Hier das Modell eines weiten Spektrums kirchlicher Berufe, eines gemeinsamen
Dienstes aller auf Augenhöhe und ohne Abstufungen in der Wertigkeit,
dort in den Umfragen das Bild, dass Pfarrerinnen und Pfarrer im Mittelpunkt
kirchlicher Tätigkeit stehen und dass man Kontaktaufnahme und Repräsentation
der Kirche vor allem von ihnen erwartet. Dazu kommen Erwartungen
an die Persönlichkeit von Pfarrerinnen und Pfarrern. Verschwiegenheit,
Ansprechbarkeit vor allem in Notsituationen, persönliche Qualitäten wie z.B.
Einfühlungsvermögen, Vorbild zu sein in Glaubensfragen, Ansprechpartner in
letzten Fragen und den damit verbundenen Ritualen prägen das Bild vom
Pfarramt und das Selbstbild von Pfarrerinnen und Pfarrern. Die damit verbundenen
Erwartungen sind aber keineswegs nur Last. Gelungene Begegnungen
und erfolgreiche Arbeit tragen erheblich zur beruflichen Zufriedenheit der
Pfarrer bei.“

Was wie eine kleine Korrektur aussieht, ist im Grunde eine radikale Kehrtwende: Der erkenntnisleitende Blick wird nicht mehr auf die Interessen einiger Gruppen in der Landessynode gerichtet (Z.B. Verwaltung oder Kirchenkreisleitungen), sondern der erkenntnisleitende Blick stellt die Gemeindeglieder und ihre Interessen in das Zentrum. Sie möchten ihren PfarrerIn, ihre Kirche, ihre christliche Heimat, ihre Gruppen haben und sehnen sich nicht nach übergeordneten Strukturen, zentralisierten Veranstaltungen und vom Kirchenkreis ausgeliehenem Personal in Verwaltung, Kirchenmusik und Jugendarbeit. „Kirche in der Nähe“ beschreibt eher die Leitvorstellung der Gemeindeglieder, denn dort finden Sie Heimat, ihren Raum für ehrenamtliches Engagement, ihre Möglichkeit, Kirche zu gestalten, ihren Verantwortungsraum als Presbyter und Presbyterinnen.

Die seit mehr als einem Jahrzehnt herrschende  landessynodale Strategie des Zusammenlegens von Gemeinden, der Konzentration der Verwaltung, der Entmachtung der Presbyterien und Überlastung der Kreissynodalvorstände, der  Bürokratisierung und Zentralisierung der Verwaltung ging an den Gemeindegliedern vorbei und hat zu vielfältigen Enttäuschungen, zu vielen Rückzügen aus ehrenamtlicher und presbyterialer Arbeit und zum Verlust vieler Gottesdienstbesucher geführt. Gelder flossen (in einigen Kirchenkreisen) massenweise aus gemeindlicher Arbeit in ausgedehntere Verwaltungsstrukturen.

Wenn jetzt die Kirchenleitung hier ein Stoppschild aufstellt und die Interessenlage der Gemeindeglieder in den Fokus rückt, dann vollzieht sie eine überaus wichtige Sichtänderung:
Die Kirche der Zukunft lebt nicht von einer Superverwaltung, von hellsichtigen und mächtigen KSV-Mitgliedern oder SuperintendentInnen, sondern die Kirche wird leben vom ehrenamtlichem Engagement der Gemeindeglieder: Sie und die Stärkung ihres Glaubens müssen im Zentrum kirchlicher Bemühungen stehen. Sie sind die Basis unserer Kirche in den kommenden Jahrzehnten.

Dass nicht alle Gebäude und alle Pfarrstellen aus finanziellen und demografischen Gründen erhalten werden können, verlangt nicht zwingend Konzentrationen und Zentralisierungen: Wohnortnahe kirchliche Orte, getragen von ehrenamtlichem Engagement, halten Menschen in gemeindlicher Nähe und bilden ein stabiles Fundament als gemeindliche Heimat: verantwortet und geleitet von Presbyterien mit ihrem/r PfarrerIn. So bildet ein bunter Teppich unterschiedlichster Bezirke und Gemeinden ein farbenprächtiges Bild einer lebendigen und den Menschen nahen Kirche.

Ein Beispiel für eine fatale landessynodal verantwortete Fehlentwicklung:

Ein KSV-Beauftragter rechnet einem Presbyterium vor: „Wieso habt ihr noch die Kirche und das Gemeindehaus in L? Ihr hättet das längst abschaffen sollen und euch auf die Hauptkirche konzentrieren sollen. Alleine an Substanzerhaltungspauschale könntet ihr dann jedes Jahr € 25 000 einsparen.“
So wird es dann vom Presbyterium beschlossen, weil dieser Weg anscheinend von oben als alternativlos angesehen wird. Damit verlieren fast 100 Ehrenamtliche ihre Freude an der Arbeit, die Küsterin ihren Minijob und 1500 Gemeindeglieder und diverse Gruppen ihre kirchliche Heimat.

Fatales Motto einer solchen Strategie: „Amputiere Dir ein Bein, dann brauchst Du nur einen Schuh zu kaufen.“
Dass der KSV-Beauftragte in seiner eigenen Gemeinde jährlich € 15 000 in seinen Haushalt für den Unterhalt einer seit einem Jahrzehnt leerstehenden unverkäuflichen Kirche einstellen muss, spielt im Beratungsprozess keine Rolle: Kirche und Gemeindehaus in L. werden geschlossen.

Gleichzeitig mit dem Heimatloswerden treuer Gemeindeglieder entwerfen aber  landeskirchliche und ekd – Organisationen  mühsam Konzepte, wie man kirchlich Fernstehende für Kirche interessieren kann und näher an Kirche bindet. Eigentlich eine absurde Situation!

Wenn jetzt die Kirchenleitung die Interessen der Gemeindeglieder wieder mit in den Mittelpunkt von Denken und Planen rückt, dann legt sie einen Grundstein für eine neue zukunftsfähige EKiR: „Kirche muss anders werden.“

Eine teure Verwaltung und ein ausgeufertes NKF binden nicht ein einziges Gemeindeglied an die Kirche. Im Gegenteil: Die EKiR läuft Gefahr, dass die hohen Verwaltungskosten, die den Gemeindegliedern nichts bringen, medial antikirchlich ausgeschlachtet werden. Man erinnere sich an die Verwaltungskostendiskussion der Spendenorganisationen vor einigen Jahren: Damals wurde durch die Medien bei den Spendenorganisationen das  Lernen erzwungen, wofür Menschen ihre Gelder ausgeben: Nicht für Verwaltung und nicht für Strukturen: Limburg lässt in diesen Tagen grüßen.
(Nähere Einzelheiten zum Verwaltungsstrukturgesetz siehe:
http://manfredalberti.de/kap-a-2-2013-verwaltungsstrukturgesetz/)

Aber ich möchte Sie noch auf einen zweiten Lichtblick hinweisen, auch wenn ich weiß, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht:

Die Umstrukturierung unserer Kirche ist ja nicht nur ein rheinisches Problem: Die ganze EKD unterliegt seit ca. 2006 einem solchen Prozess. Damals hat die Schrift „Kirche der Freiheit“, die maßgeblich von Menschen aus der Wirtschaft mit entworfen wurde, den Weg der Landeskirchen für die Zeit bis 2030 mit weniger Gemeindegliedern und weniger Geld geplant: „Wachsen gegen den Trend.“

Man wollte mit von oben vorgegebenen Zielen und Maßstäben Qualitätsverbesserungen in der kirchlichen und gemeindlichen Arbeit erreichen, die Kirche für Menschen attraktiver und anziehender machen. Kirche sollte möglichst viele „Leuchtfeuer“ haben.  Kirche sollte hervorragende Produkte liefern. Bis 2030 sollte „Wachsen gegen den Trend“ das Leitbild sein.

Dazu sollten die Landeskirchen, Kirchenkreise und Gemeinden umgebaut werden zu überprüfbaren, qualitätsorientierten Organisationen, die von oben nach unten strukturiert und zielorientiert geleitet werden: Nicht mehr Presbyterien sollen für ihre Gemeinden die entscheidenden Leitungsgremien sein, sondern sie sind zwangsweise eingebunden in Strukturen, die viele Entscheidungen von oben vorgeben. Den Gemeinden und Presbyterien wird die Verantwortung für ihre Verwaltung, ihre Mitarbeiter, ihre Finanzen und letztlich auch für ihre Gemeindepfarrer entzogen.

Zugrunde lag diesem Denken ein grundlegender Irrtum: Die meisten Gemeindeglieder suchen in ihrer Gemeinde nicht das beste Produkt (Predigt, Gruppe, Vortrag, Chor etc), sondern sie suchen eine Heimat, in der sie sich wohlfühlen. Nähe mit Freunden und Bekannten, Freude an dem gewohnten Gottesdienst, feste bekannte Rituale, einen nahen Pfarrer oder Pfarrerinn wie einen Hausarzt, Gelegenheit zu eigenem ehrenamtlichen Gebrauchtwerden…, das bindet an eine Kirche, eine Gemeinde oder einen Bezirk.

Niemand wird etwas gegen Verbesserungen haben, aber falsche Ziele und Voraussetzungen führen in die Irre.

Ein kleines Beispiel: Da in einem Nachbarbezirk meiner früheren Gemeinde wenige Kilometer entfernt eine Preisträgerin des Deutschen Predigtpreises tätig war, hätte ich in der Logik des Denkens von „Kirche der Freiheit“  eigentlich vor leeren Bänken predigen müssen.

Nun der Lichtblick:
Einer der maßgeblichen Verfasser und Verfechter dieser Leitschrift „Kirche der Freiheit“, der EKD – Oberkirchenrat Dr. Thies Gundlach war gebeten worden, in einem Vortrag (Greifswald Mai 2013) seine Vision von Kirche im ländlichen Raum 2050 zu entwerfen. („Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ – Kirche in der Fläche 2050) Wer gedacht hatte, der für Struktur- und Zukunftsfragen der Evangelischen  Kirche  zuständige Oberkirchenrat würde die Vision von „Kirche der Freiheit“ noch einmal zwanzig Jahre verlängern, wurde sehr überrascht. In seinem Vortrag ist nicht mehr von dem Erfolg von Exzellenzinitiativen, Leuchtfeuern und „Wachsen gegen den Trend“ die Rede, sondern von einem notwendigen und unausweichlichen Schrumpfungsprozess der Kirchen.

Damit ist auch kirchenamtlich für die EKD sehr deutlich geworden, was inzwischen überall offensichtlich ist, dass „Kirche der Freiheit“ nicht funktioniert hat: „Kirche der Freiheit“ ist ein Flopp.   Das „Wachsen gegen den Trend“ mag mit wirtschaftlichem Denken planbar sein. In der Kirche funktioniert das nicht. Kirche lebt nicht von besten Produkten, die sie zum günstigsten Preis anbietet und verkauft, sondern Kirche lebt als lebendige Gemeinschaften in den Gemeinden von dem haupt- und ehrenamtlichen Engagement ihrer Gemeindeglieder.

Thies Gundlach schlug dagegen ein anderes interessante Zukunftsbild vor: Unserer Kirche stehe in einer Gesellschaft ohne religiöses Grundbewusstsein eine „vierzigjährige Wüstenwanderung“ bevor.

Aber Kirche als wüstenwandernde Gemeinschaft von vielen kleinen selbständigen Gemeinden und Gruppen erscheint mir ein zukunftsträchtigeres, hoffnungsvolleres und realistischeres Bild als die grössenwahnsinnigen Traumvorstellungen von „Kirche der Freiheit“: Selbständige, eigenverantwortliche, ideenreiche, von ehren- und hauptamtlichem Engagement getragene Gemeinden mit einem Minimum an übergeordneter Organisation (und Verpflichtungen) erscheinen mir attraktiver und zukunftsfähiger zu sein als Kirchen in der Gestalt kostenträchtiger von oben geleiteter und verwalteter Großorganisationen.

Oder anders ausgedrückt: „Kirche der Freiheit“ sah sehr wirtschaftsnah kirchliche Strukturen von oben nach unten durchorganisiert: Gemeinden, Presbyterien, Mitarbeiter und PfarrerInnen als Erfüllungsgehilfen kirchenleitender Planvorstellungen. In dem Boom der deutschen Wirtschaft um 2005 schien ein solches Denken sehr erfolgversprechend zu sein. Übersehen wurde aber, womit dieser Boom erkauft wurde: Massive Lohneinschnitte durch Aufteilung von Vollarbeitsplätzen in Teilzeitarbeit, der Aufbau einer Vielzahl prekärer Arbeitsverhältnisse und massive Umverteilung der Besitzverhältnisse zu Lasten weiter Teile der Bevölkerung. Leider hat Kirche weitgehend solche Entwicklungen zu prekären Arbeitsverhältnissen und Lohneinschnitten selbst mitgemacht.

„Wir müssen anders Kirche werden“, ist Präses Rekowski nicht müde zu betonen. Oberkirchenrat Thies Gundlach hat ein Zukunftsmodell angedacht: Faszinierend ist an der Zukunftsvorstellung einer wüstenwandernden Gemeinde die Nähe dieses Modells zu den Gemeindegliedern, ihren Interessen und ihren Möglichkeiten. In der Wüste ist jede Gemeinschaft vor allem auf sich selbst gestellt und lebt von ihren Fähigkeiten und ihrem Engagement, motiviert von einem großen Ziel.

„Wüstenwanderung“: Eine solche Wanderung kann aber nur gelingen, wenn man keine Wackersteine im Rucksack mitschleppen muss. Noch kann die Rheinische Kirche sich und ihre Gemeinden vor solchen Wackersteinen im Rucksack bewahren:

Einige wichtige Chancen bestehen in den nächsten Wochen durch die beiden kommenden Landessynoden:

a.)      Die Landessynode sollte auf ihrer Tagung im Januar 2014 das beschlossene  Verwaltungsstrukturgesetz in der Weise abändern, dass die Verwaltungskosten nicht mehr als einen bestimmten Prozentsatz (10 % bis 12%) der Kirchensteuereinnahmen einer Gemeinde betragen dürfen. Heute schon teilweise zu entrichtende mehr als 35 Prozent der Kirchensteuereinnahmen sind ein Skandal!  Wenn  dieser Skandal öffentlich verhandelt würde, dann könnten die Austrittskonsequenzen für die Rheinische Kirche schwerwiegender sein als der Skandal in Limburg. Nicht ein einziges Gemeindeglied bezahlt seine Kirchensteuer für die Verwaltung. Dass kirchliche Verwaltung sich mit einer kommunalen Verwaltung vergleicht, die vor allem für ihre Bürger Serviceleistungen unterschiedlichster Art bereithalten muss, ist eine grundlegende fatale Täuschung. Verwaltung ist in gewissem Maße nötig, aber Verwaltung ist keine Gemeindearbeit.

Kreissynodeninitiativen zur  Veränderung des Verwaltungsstrukturgesetz, das beschlossen ist und am 1. April 2014 in Kraft treten soll, sind sehr sinnvoll, um zu verhindern, dass teure Verwaltungen in Zukunft den Gemeinden die finanzielle Luft zum Atmen nehmen.

b)      Die Landessynode 2014 sollte das Neue Kirchliche Finanzwesen auf die Umstellung auf die „doppelte Buchführung“ reduzieren.
Die gleichzeitig mit eingeführte arbeitsintensive „Führung durch Zielvereinbarung“ „management by objectives“  (Linke Seite des Haushaltsplanes) ist überflüssig und angesichts kirchlicher Arbeitsweisen deplaziert. Bezahlten Mitarbeitern kann man von oben Ziele vorschreiben, Ehrenamtlichen nicht. Man muss ihr Engagement fördern, ihre Ideen unterstützen und auf guten Erfolg hoffen. Außerdem ist es theologisches Einmaleins, dass es nicht im Bereich menschlicher Fähigkeiten liegt, Glauben durch Zielsetzung zu schaffen. Ganz davon abgesehen haben die wenigsten Gemeinden noch so viel Geld zur Verfügung, dass sie sich unter vielen Zielen frei ihnen gemäße (Wunsch-)Ziele aussuchen könnten.
Auch die für die Eröffnungsbilanz zu erhebenden Daten könnten erheblich reduziert und an kirchliche Verhältnisse angepasst werden.  Durch die fehlende Steuerveranlagung kirchlicher Institutionen ließe sich  der Umfang des NKF ohne Qualitätsverlust deutlich verringern.

c.)      Überlegungen zu einer Verschlankung der Landessynode mit gleichzeitiger Qualitätsverbesserung der Ergebnisse finden Sie auf der Homepage www.presbyteriumsdiskussion-ekir.de :
http://manfredalberti.de/reform-der-landessynode-vorschlag/

Unsere  Landeskirche befindet sich im Umbruch. Vielleicht hat der Schock mit dem bbz noch rechtzeitig zu einem Umdenken geführt. Andere Landeskirchen sehen sich vor ähnlichen Problemen und Herausforderungen und auch dort wächst der Widerstand gegen diese Umorganisation der Kirche von oben nach unten und die Ausdehnung der Verwaltung.

Wenn die Leitung unserer Kirche und die Leitung der ekd nun andere Wege einschlagen, dann wird am Ende  dieser „Wüstenwanderung“ eine verkleinerte evangelische Kirche stehen, die getragen wird von dem Engagement und der Verantwortung vieler motivierter Gemeindeglieder, ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter, Presbyterinnen und Presbyter, Pfarrerinnen und Pfarrer: Vertrauend darauf, dass Gott seine Kirche nicht alleine lässt.

Eine gesegnete Zeit wünscht Ihnen Ihr  Manfred Alberti

p.s.: Informationen zu den Entwicklungen in der ekd und anderen Landeskirchen finden Sie jede Woche aktuell bei „www.wort-meldungen.de“

Pfr. i.R. Manfred Alberti
An der Piep 8 c
42327 Wuppertal
Tel: 02058 87889
Handy: 0152 0421 8797
manfredalberti@hotmail.com
www.presbyteriumsdiskussion-ekir.de
02. Nov. 2013

Kirchenleitende Zukunftsvorstellungen

Thies Gundlach: Liebhaber ohne festen Wohnsitz – Kirche in der Fläche 2050

Vortrag auf dem Internationalen Symposium „Mittendrin! Kirche in peripheren, ländlichen Regionen“ vom 23.-25. Mai 2013 im Alfred Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald

Auf ein Abenteuer habe er sich eingelassen, ohne die hochkompetent besetzte wissenschaftlich Tagung aus Zeitgründen mitverfolgen zu können, den Schlussvortrag zuzusagen.

Dr. Thies Gundlach als einer der drei Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD  war gebeten worden, aus kirchenleitender Sicht die Kirche auf dem Lande im Jahr 2050 und somit ein zu erreichendes Ziel zu beschreiben. Er rundete die 37 Jahre auf 40 auf und wies auf die Wüstenwanderung Israels hin: 40 Jahre Wüstenwanderung und dann das gelobte Land.

Wüstenwanderung hieß für den Referenten Durststrecke. Immer wieder betonte er seinen Respekt vor denjenigen, die „dieses Elend der Wüstenwanderung“ durchstehen müssen. Aber die Wüste erwies sich als eine selbstgeschaffene. Sie sei der Umbau unserer Kirche, das alternativlos zu vollziehende Verkleinern unserer Kirche. Als Gründe dafür wurden die „drei großen D’s genannt, die uns zusetzen: Demographie, Deinstitutionalisierung und Dezentralisierung. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Diese drei D’s scheinen genug zu sagen. So musste der kategorische Imperativ nicht begründet werden: „ Wir sind eine Kirche, die muss kleiner werden.“ „Die erste Grundaufgabe der Hauptamtlichen und der Ehrenamtlichen ist Loslassen.“ „Diese Aufgabe ist unserer Generation gestellt.“ – Von wem? 

Thies Gundlach war klar, dass Kleinerwerden Relevanzverlust bedeuten wird.Er sah die Zuschauer: „Viele, die davon ausgehen ( Säkularisierungsthese); Das hört jetzt bald auf mit diesen Frömmigkeiten und den Christen.“

Dass die Wüstenwanderung keine Freude ist, setzte er als Erfahrung seiner Zuhörer voraus: „Die Schmerzen der Anpassung, die vor uns sind, das ist überhaupt keine Prophetie. Sie haben das ja in diesen Tagen alle vor Augen.“ Trotzdem beschreibt er sich in seiner Selbstvorstellung auf der Webseite der EKD als jemanden, der mit „Lust und Leidenschaft“ den Reformprozess befördere.

Vorteil der „kleineren Einheiten“ werde sein, dass es weniger Neid und Konkurrenz gäbe und mehr familiäres Heimatgefühl.

Flüssig sollen die Strukturen werden, unterwegs, auf der Wanderschaft, wie im Mittelalter die wandernden Mönche. Überhaupt ist das Mittelalter Vorbild mit seinen Klöstern als geistlichen Orten, in denen stellvertretend für die Menschen geglaubt wird, die nur als flüchtige Besucher Kontakt mit dem Glauben haben. Aber auch die großen Kathedralen sollen weiterhin nötig sein, die die Glaubensflaneure anlässlich großer Feste aufsuchen werden.

Was wird bleiben von dem, was wir jetzt haben? Antwort: „Die Schätze der Tradition, der Väter und Mütter bleiben erhalten, die drei B´s : Bach – Backstein – Beten. 2050 werden wir das auch alles haben, zwar in kleineren Zahlen, aber wir werden das alles auch haben.“

Aber die kleinere Zahl sei nicht schlimm, denn: „Die Menge der Zeugen ist nicht ausschlaggebend für die Wahrheit des Zeugnisses.“

Diese selbst eingeschlagene Wüstenwanderung ohne Hoffnung auf Wunder, mit denen man erst mal nicht rechnen könne, und als ein Ausziehen der Linien, die wir jetzt haben, sie ist aber kein Selbstmord. Am Ende, nach 40 Jahren werden wir staunen „über Gott. Uns gibt es immer noch. Wider Erwarten gibt es uns immer noch.“ Denn Gott sei „ein Liebhaber ohne festen Wohnsitz“.

Dies belegte er in einem ersten Punkt „ Von der Freiheit Gottes“. Es folgte ein Abschnitt über die Sehnsucht der Menschen, jener Glaubensflaneure, Gelegenheitsbesucher. Zu seinem Höhepunkt wird der schöne Satz „Was haben wir für eine schöne Aufgabe, den Himmel offen zu halten.“

Der dritte Abschnitt handelte von der Stärke einer Kirche der Freiheit. Der Referent bat um Verzeihung, dass er diesen Begriff wieder aufnehme. Man soll sich treu bleiben, auch in seinen Fehlern.

Ohne Diakonie sei das Zeugnis nicht glaubwürdig, aber Kirche als Wertelieferant und diakonischer Träger, auch wenn es dafür Schulterklopfen und Anerkennung gäbe, sei nicht alles. „Wir brauchen die schönen Gottesdienste, die schönen Andachten.“ Einen Kummer habe er im Blick auf die Zukunft: Es gelte unseren Kernauftrag wieder zu entdecken, das Geistliche, von Gott zu reden und das mit einer kleinen, geistlich tiefen Minderheit. Das werde dann wie in den Städten auch in den peripheren Räumen auf dem Lande gelingen, wenn wir nur die Kunst erlernten, das loszulassen, was losgelassen werden müsse. Auf die Nachfrage, was er damit meine, werde er nicht antworten. Er sei nicht lebensmüde.

Pfrin. Dr. Katharina Dang

Eine Kathedrale für Wittenberg

Bei einer Anhörung im Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages am 15. Mai 2013  äußerte der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes Dr. Thies Gundlach  den Wunsch der EKD nach einer „provisorischen Kathedrale“ für das Reformationsjubiläum 2017  in Wittenberg.