Schlagwort-Archive: Ungedeihlichkeit

Eine Chronik kirchlicher und staatlicher Verstrickungen. Unrecht in der Verkleidung des Rechts. Von Christian Johnsen, Deutsches Pfarrerblatt

07/2016

Am 24. Mai 2016 wählte die Mitgliederversammlung Pfarrer Martin Michaelis, den Vorsitzenden des Thüringer Pfarrvereins und der Pfarrvertretung der EKM, zum dritten Vorsitzenden der 1996 gegründeten Hilfsstelle für evang. Pfarrer. Nach 13 Monaten Vakanz ist damit das bis zum 25. April 2015 von Pastor Roland Reuter und zuvor von seinem Bruder Dietrich ausgeübte Amt wiederbesetzt. Einen aufschlussreichen Rückblick auf deren Wirken und Erfolge für die gesamte Pfarrerschaft enthält die Analyse »Der Pfarrer im Spannungsfeld zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und staatlichem Rechtsschutz« von Rechtsanwalt Dr. Armin Schwalfenberg. Christian Johnsen stellt das Gutachten vor und resümiert dabei nochmals die Ungedeihlichkeit des Ungedeihlichkeitsparagraphen.


Der im Pfarrdienstrecht geregelte Mechanismus von einer Abberufung ohne Schulderhebung über den Wartestand in den Ruhestand bietet – wie dargelegt – möglicher Willkür Raum und Schutz. Dieser Sachverhalt verstößt aber nicht nur gegen allgemein anerkannte Grundsätze der Gerechtigkeit. Vielmehr kann er gerade auch einer grundsätzlichen Überprüfung an der Schrift- und Bekenntnisgrundlage der Kirche, auf die alle kirchlichen Amtsträger verpflichtet sind, nicht standhalten. Unbedingt muss gefragt werden:

In welcher Weise steht die hohe Forderung der »Gedeihlichkeit« des Wirkens eines Pfarrers überhaupt im Einklang mit der Heiligen Schrift?

Vieles spricht dafür, dass der Begriff »Gedeihlichkeit« eine Worthülse für verschiedenste Erwartungen darstellt, die zwar immer wieder an Pfarrer herangetragen werden, die aber im Widerspruch zu den Wirkungen des Geistes Gottes durch die Predigt von Gesetz und Evangelium stehen…. Zum Artikel.

Reform des Kirchenrechts unter Beachtung staatlicher Grundrechte dringend erforderlich. Offenes Schreiben der INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau an Präses Rekowski, EKiR

06/2015

Sehr geehrter Herr Präses Rekowski,
aufgrund zahlreicher Hinweise sind wir im Internet auf Ihr Schreiben vom Mai 2015 aufmerksam geworden, in dem Sie sich im Auftrag Ihrer Kirchenleitung bei Ihren lieben Brüdern und Schwestern für die “missliche Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“ entschuldigen. Ein solches Entschuldigungs-Schreiben ist sehr zu begrüßen, ebenso die darin angekündigten Änderungen und Verbesserungen. Gleichwohl kann dies nur als ein 1. Schritt verstanden werden.

In diesem Zusammenhang möchten wir an das heftig umstrittene Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland erinnern, in dem diese behauptet hat, “die Kirche sei nicht durch die Grundrechte gebunden“ (VK 16/2006 vom 17.08.2007). Da das Bundesverfassungsgericht diese falsche Behauptung unreflektiert übernommen hat, dient dieser missglückte Vorgang seither den Gliedkirchen der EKD als Grundlage für ihre Rechtsprechung.

Mit dem anliegenden Schreiben unserer INITIATIVE haben wir den jetzigen Ratsvorsitzenden der EKD auf diese unhaltbare Situation aufmerksam gemacht und zugleich darum gebeten, sich für die Abschaffung der Paragrafen zum sogenannten “Ungedeihlichen Wirken“ im Pfarrdienstrecht  einzusetzen. Unter Berufung auf diese Rechtsnorm ist sowohl in Ihrer Kirche als auch in anderen Landeskirchen viel Unheil angerichtet worden. Zahlreichen Pfarrern und Pfarrerinnen wurde völlig zu Unrecht die berufliche Existenz zerstört. Beabsichtigt Ihre Kirche, sich auch bei diesen Opfern zu entschuldigen und sie irgendwie zu entschädigen? Ebenso wichtig ist, dass dieser Teufelskreis durch einen christlichen Umgangsstil durchbrochen wird, damit nicht erneut Unrecht geschieht.

Wir wären Ihnen dankbar, wenn auch Sie sich für eine Reform des Kirchenrechts einsetzen wür-
den, insbesondere für die Abschaffung der erwähnten Paragrafen im Pfarrdienstgesetz, ferner für die Klarstellung, dass die staatlichen Grundrechte auch für die Kirche gelten. Da letztere auf der biblischen Botschaft fußen, sollte dies ein Herzensanliegen aller kirchlichen Repräsentanten sein.
Mit freundlichen Grüßen

INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der EKHN
gez. Gabriele von Altrock
gez. Dorothea Maier

Abberufung wegen „Ungedeihlichkeit“

Die Praxis von Kirchenbehörden und das Wesen der Kirche. Zum „Ungedeihlichkeitsparagrphen“  der neuen EKD-Pfarrdienstgesetzes (bzw. der Vorlage für die landeskirchliche Gesetzgebung).

Ein Vortrag von Professorin i.R. Gisela Kittel vor dem Thüringer Pfarrverein.

„Ohne Diskussion und ohne eine Gegenstimme hat die Synode der EKD am 10. November 2010 dieses Pfarrdienstgesetz beschlossen, das in den §§ 79ff die Möglichkeit von Abberufungen wegen „ungedeihlichen Wirkens“ (so hieß der Tatbestand früher) nicht nur bestätigt, sondern sogar noch verschärft.“