Schlagwort-Archive: ZDF

Westliche Propaganda im Ukrainekonflikt

Der Bürgerkrieg in der Ukraine zeigt deutlich, wie stark unsere Eliten noch im Denken des kalten Kriegs verharren. Ein komplizierter Konflikt mit unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten wird vereinfacht in ein Schema von Gut und Böse gepresst. Vor allem der Journalismus enttäuschte viele kritische BürgerInnen. Zu häufig wurde ein verzerrtes Bild der Vorgänge gezeichnet und Informationen der Nato ohne Nachfrage übernommen.

Der Appell von 60 Prominenten für eine Entspannungspolitik und einen Dialog mit Russland war keine Nachricht wert. Der wahrscheinlich traurige Grund: Freitags haben ARD und ZDF weniger Zeit für ihre Nachrichten und waren mit der Innenpolitik beschäftigt.

Immerhin beginnt das ZDF das eigene Handeln kritisch aufzuarbeiten. Auch unsere Medien sind Teil der Propaganda. Warten wir ab, ob sich damit etwas ändert.

Was die Kirche vom Fernsehen lernen kann II: Die Geiselhaft der Quote

Das Fernsehen vereint momentan extreme Gegensätze, die nebeneinander existieren. Biedere Konzepte, die sich in Dauerschleifen wiederholen und kreative, mitreißende, neue Stoffe. Auf der einen Seite kaputtgesparter Diletantismus und auf der anderen große Investitionen mit hoher Qualität.

Es gibt strukturelle Gründe warum sich das Fernsehen parallel unterschiedlich entwickelt. Dabei lassen sich interessante Parallelen zur Lage der Kirche ziehen. Es zeigt sich, das die Kirche die Wahl hat, welchen Kurs sie einschlagen. Daher lohnt der Blick auf das Fernsehprogramm.

In einer Serie werden  9 in Einzelartikeln dargelegte Thesen zur Zukunft von Kirche und Fernsehen entfaltet. Hier sind wir also beim 2. Beitrag .

  1. Qualität kostet Geld
  2. Die Quote ist eine Form der Geiselhaft
  3. Man muss seinem Produkt vertrauen
  4. Gebt den Kreativen die Macht
  5. Es gibt eine Sehnsucht nach großen Erzählungen
  6. Die feste Programmierung ist ambivalent
  7. Erfolg ist da, wo man ihn nicht sucht
  8. Wer seine Kunden/Gemeinde kennt hat Erfolg
  9. Versprechen Sie keine Wunder

Die Gefangenschaft der Quote

Im Zeitalter des öffentlich-rechtlichen Staatsfunks interessierte die Quotejahrzehntelang nicht. Erst seit dem Erstarken der privaten Fernsehsender ist die Quote eine relevante Größe. Sie liefert eine scheinbar objektive Zahl, den Wert der käuflichen Werbeblöcke zu ermitteln.

Zahlen gelten als objektiv und wissenschaftlich und lassen sich hervorragend vergleichen. Jeder weiß, dass vier Millionen mehr sind als drei Millionen.

Wie wenig die Quote mit Wissenschaft und Objektivität zu tun hat, zeigt sich an der Messmethode. Da lange Zeit RTL, Sat1 und Co gegenüber ARD und ZDF im Nachteil waren, wurde die „werberelevante Zielgruppe“ eingeführt. Gemessen werden nur ZuschauerInnen zwischen 14 und 45 Jahren, da jüngere ZuschauerInnen tendenziell das Privatfernsehen schauen. Da die Reichweite in der Zielgruppe sinkt, wird die Neudefinition der „werberelevante Zielgruppe“ diskutiert. Die Quote folgt also eng begrenzten Zielen und manipuliert damit die Wahrnehmung.

Unsäglicher Weise haben sich die öffentlich- rechtlichen Sender der Quote und ihrem Druck angeschlossen. Seit dem ist die Quote das goldene Kalb um das fast jeder Fernsehschaffende tanzt. Für ARD und ZDF ergibt es wenig Sinn sich der Quote auszuliefern. Am offensichtlichsten haben sie kaum Werbezeit zu verkaufen. Aber am wichtigsten: Ihr Auftrag ist keine große Reichweite sondern die Grundversorgung an Bildung, Kultur und Unterhaltung. Dieser Auftrag alleine rechtfertigt eine bundesweite Zwangsabgabe aller Haushalte. Ob das öffentlich rechtliche Fernsehen diesen Auftrag erfüllt, lässt sich also an der Quote nicht erkennen. Besser wäre es Befragungen dergestalt durchzuführen:

Hatte die Berichterstattung im Fernsehen einen Einfluss auf die letzte Wahlentscheidung?

Half das Fernsehen komplexe politische Zusammenhänge zu verstehen?

Wann habe ich Neues vom Fernsehen gelernt?

Die Geiselhaft der Quote beginnt in dem Moment, wo sie das Programm diktiert. Obwohl sie unfähig ist die Erfüllung des Auftrags zu erfüllen, wird das gesamte Programm nach ihr ausgerichtet. Gesendet werden keine interessanten Dokumentationen, sondern Checks in denen Trivialwissen der ZuschauerInnen bestätigt wird. Der Sport wird durch König Fußball dominiert und die politische Berichterstattung findet in boulevardesken Talkshows statt, in denen sich die gleichen Leute mit den selben Phrasen nicht zu Wort kommen lassen.

Die Quote verhindert jegliche Änderung. Sobald die ZuschauerInnen nicht das gewohnte Programm vorgesetzt bekommen, bleiben sie fern. Während neue ZuschauerInnen nicht von Beginn an bemerken, wenn gutes im Programm versteckt wurde. Das Diktat der Quote geht so weit, dass sich Schauspielerin Iris Berben beschwerte, dass sie in Deutschland nur drehen können, wenn Geranien blühen. Sonst befürchten die Sendechefs, dass die Quote ausbleibt.

Die Kirche könnte aus der Geiselhaft der Quote lernen. Zuerst müsste sie sich selber aus der Geiselhaft ihrer Statistiken befreien. Wenn die EKD im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ fordert die Quote der GottesdienstbesucherInnen mehr als zu verdoppeln, befindet sie sich schon in deren Geiselhaft. Dabei sagt die Zahl der Gottesdienstbesucher nichts über den Erfolg der Verkündigung aus. Selbst wenn mehr Menschen einen Gottesdienst besuchen, kann durch de Anpassungen dafür gesorgt werden, dass weniger Impulse mitnehmen oder sich in ihrem Glauben bestätigt fühlen. Genau wie ARD und ZDF benutzt die Kirche quantitative Statistik, während eine qualitative Auswertung ihrem Auftrag eher entspricht. Damit setzt die Kirche Anreize für ein quantitatives Wachstum. Wie ich letzte Woche geschrieben habe, hat die Kirche auch ein qualitatives Problem. Es ist nicht Absicht von „Kirche der Freiheit“ auf Kosten der Qualität zu wachsen. Dennoch begibt sich die Kircheauf ein gefährliches Terrain., wenn sie auf die falschen Zahlen schaut oder schauen lässt. 

Ebenso sind die quartalsmäßigen Zahlen der Kirchenaustritte zu betrachten. Es ist schmerzhaft trotz einem fast universalen Anspruch Mitglieder zu verlieren. Auf die Verluste zu schauen lähmt alle Beteiligten. Die neueste Mitgliederbefragung hat einen Schritt in eine gute Richtung getan. Statt auf die Mitgliederstatistik zu schauen, sollte in den Fokus rücken, wo Kirche ihrem Auftrag gerecht wird. Die Bindung an die Kirche liegt in großem Maßen an der Qualität der persönlichen Begegnung. Die gilt es auszubauen. Die ist aber kaum messbar.

Ein Blick auf diese Statistiken ist zuerst schmerzlich. Wie viele Mitglieder kann die Kirche nicht erreichen? Alle werden es niemals sein. Das schaffen auch nicht die Gewerkschaften, Parteien, Vereine oder das Fernsehen. „Wachstum gegen den Trend“ muss hier anfangen. Es muss ein neuer Trend einer offenen persönlichen Kirche gestartet werden. Leuchttürme können gegen den Trend wachsen. Eine einige Kirche in denen motivierte verantwortliche Personen an der Qualität arbeiten kann einen Trend setzten. Ob das zu einem Wachstum bei den Mitgliedern führt mag ich bezweifeln. Aber diese Statistik interessiert mich nicht als Mitglied und Akteur in der Kirche. Die Momente, wo ich für eine Person im richtigem Moment Dasein kann sind wichtiger als die Reichweite meiner Veranstaltung. Wer der Versuchung falscher Statistiken widersteht, kann den Weg zu wirklichen Reformen finden.

Reformern sind genau das Stichwort für nächste Woche. Dann geht es darum, warum man seinem eigenen Produkt vertrauen muss. Ich werde zeigen, wie panische Reformanstrengungen und immer wieder neues Gegensteuern einen negativen Sog aufbauen. Auch das kann Kirche vom Fernsehen lernen.

Wenn Journalisten auch Lobbyisten sind

Die Anstalt deckt auf, viele bedeutende Journalisten und Chefredakteure sind zugleich Mitglied in Thinktanks oder Vereinen, die sich stark für die Nato als Sicherheitskraft einsetzen. Viele beraten auch die Bundesregierung in diesen Funktionen. Diese Personen sollen uns dann objektiv über Fragen von Krieg und Frieden informieren. Interessenskonflikte sind vorprogrammiert.

 

Sehen und lesen Sie das ganze Ausmaß bei Meedia.de

Ehemaliger Chefredakteur Brender spricht über den politischen Einfluss der Parteien auf das ZDF

Nikolaus Brender, ehemaliger Chefredakteur des ZDF spricht in einem Interview mit Tilo Jung über den Einfluss der Parteien auf den ZDF.

Dieser politische Einfluss führte zu seinem Ausscheiden als Chefredakteur und dem jüngst ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgericht.

Sehr prägnant beschreibt Brender, wie die Strukturen die Mitarbeiter zu Loyalitätskonflikten führen. Die Vorgaben der Politik kollidieren mit den Selbstansprüchen der journalistischen Arbeit. So beklagt Brender, dass er kritische Berichterstattung gegen Politiker durchsetzen musste, was auf Dauer kraft kostet. Besonders interessant ist der Abschnitt ab 17:32. Hier spricht er über die Wahl, bei der er überraschend nicht gewählt wurde. Der Grund war angeblich eine zu geringe Quote bei den Nachrichten. Brender entgegnet, dass die Quote vorher keine Vorgabe war. Er hätte sie nach eigenem bekunden mit boulevardesken Themen jederzeit erhöhen können. Entschied sich aber dagegen.

Vielleicht erkennt sich der ein oder die andere PfarrerIn mit einem Druck zwischen dem eigenen qualitativen Ansprüchen und quantitativen Vorgaben der Kirche wieder.

Stoppt den Quotenfang auf dem Rücken von Flüchtlingen

Die Situation von Flüchtlingen vor den Toren der Festung Europa ist sicherlich ein wichtiges Thema, das zu lange in unserer Gesellschaft nicht diskutiert wurde. Die europäische Abschottungspolitik verwandelt den Meeresgrund im Mittelmeer zu einem Massengrab. Jahre lang wurden Diktatoren dafür bezahlt und ausgerichtet als Türsteher darauf zu achten, das niemand ohne Erlaubnis Nordafrika verlässt. Das alles findet nur in den seltenen Fällen Beachtung, wenn einmal der Papst für die Flüchtlinge auf seiner Reise betet. Wenn das einmal gerade nicht passiert, berichten die Zeitungen häufiger über das Wrack eines Kreuzfahrtschiffes, das ein mehr oder minder absichtlich vor einer Insel auf Grund gesetzt wurde als über die vielen Toten.

Daher war es ein löbliches Anliegen des ZDF der Flüchtlingsproblematik mehr Platz im Sendeprogramm zu geben. Doch leider hat man sich bei dem Programmkonzept krass verstiegen. Mehrere Personen, die einige Leute aus dem Fernsehen kennen könnten, werden mit Kamerabegleitung ausgeschickt um zusammen so zu tun, als wären sie Flüchtlinge. Untermalt wird alles von dramatischer Musik. Neben den Streiten und Problemen der ProtagonistInnen treten die Probleme der wahren Flüchtlinge in den Hintergrund. Die Flüchtlinge werden als Kulisse für eine weitere Darstellung von mediengeilen Personen genutzt.

Dabei lassen sich die wirklichen Probleme der Flüchtlinge niemals in einem solchen Medienformat abbilden. Es dennoch zu versuchen transportiert ein beschönigtes Bild der Situation dieser Menschen, die sich auf ihren langen Weg nach Europa machen. Viele Aspekte lassen sich einfach nicht abbilden und nacherleben.

Die DarstellerInnen sind zu keinem Zeitpunkt in der rechtlosen Situation der Flüchtlinge. Bevor jemand einen Asylantrag in Europa gestellt hat, sind die Flüchtlinge häufig de facto ohne Rechte. Ohne legale Aufenthaltserlaubnis kann ihnen keiner der Staaten, die sie durchqueren helfen. Vielfach sind es sogar die Staaten selber, die dazu ermuntert wurden die Flüchtlinge einzusperren, damit sie Europa nicht erreichen. Dabei hat es niemand interessiert, wie Gaddaffi und seine Diktatorenfreunde mit den Flüchtlingen umgegangen sind.

Flüchtlinge bringen sich oftmals um ihre Heimat auf der Suche nach einer sicheren Existenz zu verlassen in Lebensgefahr. Die ProtagonistInnen im TV sind wahrscheinlich zu keinem Zeitpunkt einer wirklich absehbaren Gefahr ausgesetzt. Ihre Verpflegung ist gesichert, sie befinden sich nicht auf überfüllten, Hochseeuntauglichen Booten oder halten sich am Fahrgestell von Lastkraftwagen fest. Aber gerade hier zeigt sich die nackte Not von Flüchtlingen. Wie verzweifelt muss jemand sein, damit er oder sie sich in solche Gefahr begibt?

Die DarstellerInnen kennen ihre Zukunft. Nach einiger Zeit werden sie alle Unannehmlichkeiten wieder gegen ihr sicheres und vergleichsweise luxuriöses Leben tauschen können. Die echte Flüchtlinge wissen nicht ob sie ihr Ziel jemals erreichen werden. Selbst die wenigen, die es in das sichere Europa schaffen wissen nicht, ob ihnen jemals einer der Staaten Asyl nach den strengen Regeln erteilen wird. Die wenigen, die Hoffnung auf ein Asyl haben können, werden Jahre im Unklaren gelassen, weil die südlichen EU Staaten vom Rest im Stich gelassen werden. Auch werden Verfahren, die wahrscheinlicher mit einer Abschiebung enden gerne priorisiert verhandelt. Das alles unter der Annahme, das die Flüchtlinge nicht in einen so genannten sicheren Drittstaat überführt werden.

Für den größten Teil gibt es keine Hoffnung auf einen legalen Aufenthalt in der EU. Wenn sie dennoch ihre Familien unterstützen wollen oder nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können, müssen sie hier ein Leben in der Illegalität verbringen. Weiterhin rechtlos und unter Verzicht auf wichtige Grundrechte, die sonst jedem hier offen stehen.

Dabei zeigt sich wie zynisch das Fernsehen geworden ist. Die DarstellerInnen hätten sich auch problemlos mit einem Buch über Flüchtlinge im RTL-Dschungelcamp einsperren lassen können. Das wäre auch eine Zeit lang unangenehm aber wenigstens ehrlich, da ZuschauerInnen und Sendeverantwortliche hier nicht bezweifeln, das alles nur zur Belustigung des Publikums geschieht. Mit seinem Anspruch aber über die Probleme von Flüchtlingen zu berichten, macht ZDF das Schicksal der Ärmsten und Verletzlichsten zu einer Abenteuerreise für die Schönen und Reichen.

Holger Kreymeier – Im Internet als Fernsehkritiker bekannt – hat eine Petition gestartet, deren Unterzeichnung ich jedem empfehlen kann:

Empfänger:
Thomas Bellut, Intendant des ZDF

Sofortige Absetzung der Dokusoap „Auf der Flucht – Das Experiment“

Das ZDF verstößt mit dieser zynischen Dokusoap gegen Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. In der Sendung werden sechs skurrile Persönlichkeiten auf eine Art Abenteuersafari in den Nahen Osten und Nordafrika geschickt. Die Kandidaten dürfen „Flüchtlinge spielen“ und einmal hautnah erleben, wie es so ist, Flüchtling zu sein – immer begleitet von Kamerateams. Die gesamte Sendung ist effekthascherisch konzipiert und mit dramatischer Musik unterlegt. Die Damen und Herren, unter anderem das Model Mirja du Mont und der Musiker Stephan Weidner, dürfen erleben, wie es mal so ist, in einem Asylbewerberheim zu leben oder einer dramatischen Überfahrt auf einem Flüchtlingsboot beizuwohnen. Dabei wird so getan, als sei es eine Art „spannendes Abenteuer“, auf der Flucht zu sein. Dass hier Menschen massenhaft zu Tode kommen und schlimmste Schicksale erleiden, wird durch eine solche Unterhaltungssendung relativiert.

Die Sendung orientiert sich eindeutig an kommerziellen Formaten. Es werden zwischenmenschliche Konflikte geschürt (auch Konflikte mit realen Flüchtlingen), die leidenden Menschen dienen als Fassade für eine simpel gestrickte Dokusoap. Am Ende der ersten Folge werden dann noch die dramatischen Szenen der zweiten Ausgabe als Appetizer serviert, nach dem Motto „Schalten Sie auch das nächste Mal wieder ein, wenn es hier so richtig spannend wird“. Auch die Konflikte zwischen den Protagonisten werden immer wieder in den Vordergrund gespielt – mehr noch als das eigentliche Flüchtlingsthema.

Ein öffentlich-rechtlicher Sender hat die Verpflichtung, sich ernsthaft und seriös mit dem Thema Flüchtlinge auseinanderzusetzen. Aus einem so schwierigen Thema eine dramaturgisch aufgebauschte Realsoap zu machen, gehört nicht zum Bildungsauftrag des ZDF. Hier wird reißerischer Voyeurismus auf dem Rücken der Ärmsten der Armen betrieben. Offensichtlich hat man sich an erfolgreichen Formaten von kommerziellen Sendern wie etwa das „Dschungelcamp“ orientiert. Dabei ist „Auf der Flucht – Das Experiment“ noch schlimmer, da hier eben Quote mit echten Flüchtlingen gemacht werden soll.

Wir fordern Sie, Herr Intendant Bellut, auf, die Ausstrahlung dieser Sendung auf ZDF Neo sofort zu stoppen und ebenso auf die geplante Ausstrahlung im ZDF zu verzichten.

Mit freundlichen Grüßen
[Ihr Name] „

Quelle: Petition auf change.org

Zusammensetzung öffentlich- rechtlicher Aufsichtsgremien

Aufsichtsgremien in Körperschaften des öffentlichen Rechts sind nicht neu. Ein Beispiel, in dem auch „Ehrenamtliche“ vertreten sind, sind die Rundfunkbeiträte des öffentlich-rechtlichen Funks und Fernsehens. Traditionell sind diese dann von den Verbänden gesandt und sollen die gesamte Gesellschaft repräsentieren.

Die Entsender der Rundfunkräte von ARD und ZDF haben folgende prozentuelle Anteile:

Rundfunkräte ARD in %

Politik 29

Wirtschaft 15

Kirchen 9

Gewerkschaften 11

Gesellschaftliche Gruppen 36

 

Fernsehrat ZDF in %

Politik 44

Wirtschaft 17

Kirchen 6

Gewerkschaften 6

Gesellschaftliche Gruppen 36

 

Demgegenüber stellt sich die tatsächliche Zusammensetzung der aus den Reformen hervorgegangenen Hochschulräte  nach einer Erhebung der Bochumer Universität ganz anders dar als bei der in unserer Gesellschaft bekannten Verbändevertretung. Die Mitglieder externer Hochschulräte rekrutieren sich gemäß dieser Erhebung über die gesamte Republik mit jeweils einem runden Drittel aus der Wirtschaft und der Wissenschaft, wobei auf Seiten der Wirtschaft die Vertreter von Großunternehmen dominieren.

„Was aber noch entscheidender ist: Unter den Hochschulratsvorsitzenden liegt der Anteil der Wirtschaftsvertreter bei 47 Prozent, von diesen sind 80 Prozent Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglieder. Kein Wunder, dass das Handelsblatt ziemlich triumphierend titelte: „Manager erobern die Kontrolle an den Unis“.

Die Bochumer Soziologen sehen in ihrer Studie in den Hochschulräten eine „Privatisierung der Organisationsverantwortung“ zu Lasten der klassisch-parlamentarischen Repräsentation der gesellschaftlichen Interessen und vor allem zu Ungunsten der Selbstverwaltung der Hochschule. Es zeige sich darüber hinaus in der tatsächlichen Zusammensetzung der Hochschulräte eine Erosion der klassischen Verbändebeteiligung.“ So im Artikel von W. Lieb.

Diese Konstruktion kann man als Lobbyismus der anderen, strengeren Art bezeichnen. Zwar wird nicht die Politik in der Gesamtheit beeinflusst, aber im Bereich der traditionellen Institutionen. Punktuell aber ganz massiv und direkt. Denn der Aufsichtsrat ist kein Bittsteller sondern Be-Steller. Er bestellt und bezahlt – mit dem Geld des Steuerzahlers freilich. In der Praxis könnte also der Fall eintreten, dass eine Universität, deren Vorsitzender des Hochschulrates der Vorstand eines Tiefbaukonzerns ist, den Universitätsbereich der betreffenden Universität weiträumig untertunneln ließe. Mit dem ’schlagenden‘ Argument, dass sich auf diese Weise die Wegstrecken für alle Beteiligten, Professoren wie Studenten, von bislang 20 auf nur 5 Minuten verkürzen würden. Ein Projekt, das selbstverständlich dazu führen müsste, dass leider alle Fachbereiche der Universität über ein Jahrzehnt hin mit einem Null-Budget auskommen müssten. Die Folgen wären für die Universität verständlicherweise verheerend und auch volkswirtschaftlich schädlich. Sie schlügen positiv allein betriebswirtschaftlich beim ausführenden Unternehmen zu Buche. Tja, und wenn es der Zufall will, dann wäre der Vorstand des ausführenden Unternehmens aus der Politik in die Wirtschaft gewechselt und wäre nun – auf Umwegen – zurück in der ökonomisch in den Sektoren Gesundheit und Bildung überaus interessanten Institutionen’politik’…   Die Verwendung dieses Beispiels hat zugegebenermaßen parodistischen Charakter. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Grundproblem dieser Konstruktion gerade so sehr anschaulich und griffig wird. Fazit: Projekte und Organisationskonstruktionen dieser Art sind weder für die betreffenden Institutionen, noch für die Volkswirtschaften von Nutzen. Sie nutzen nur einigen großen Einzelunternehmen der global players, also genau denen, die aus „gutem“ Grund des Eigeninteresses die Posten der Vorsitzenden der Hochschulräte in Besitz nehmen (vgl. die Erhebung der Uni Bochum).