Kirche wird sich neu aufstellen müssen – von Gerhard Engelsberger

Die Kirche wird sich neu aufstellen müssen.

Mir ist das nicht erst, aber besonders deutlich in den „Eklats“ um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst im Oktober des vergangenen Jahres bewusst geworden.
Was war geschehen: Ein neuer, eher bescheidener und für die Armen parteiischer Papst wurde gewählt und nahm den Namen des Poverello an. „Benedetto“ war plötzlich kein Thema mehr in den Medien, der „Poverello“ wohl. Jubel über den Papst der Armen. Entsprechende Bilder, freundliches Abnicken. Dann gab es in Deutschland Wahlen, deren man in den Medien schnell überdrüssig wurde.
Vor der italienischen Insel Lampedusa gab es kurz hintereinander verheerende Unglücke auf Flüchtlingsbooten mit Hunderten von Toten (und mit peinlicher Reaktion der EU). Die Meldungen darüber wurden getoppt durch die eidesstattlichen Lügen eines zweitrangigen katholischen Bischofs, der sowohl beim Wohnen wie beim Fliegen und dann auch noch beim Beten erstklassig sein wollte.
Schnell entdeckten Moderatoren und Kommentatoren biblische Sätze – als ob sie sich bis dato um die Bibel geschert hätten -, stellten Sender Talk-Runden zusammen, in denen alle Rollen längst festgelegt waren und der Aufprall der einen auf die andere gewollt war.
Schließlich gab es mehrere Sendungen (Phönix, 3Sat, Panorama – also Sender und Formate, die ich selbst favorisiere), die „Kirche und Geld“ zum Thema hatten. Die Kirche kam gewollt schlecht weg: Kindergärten und Altenheime, Krankenhäuser – ja die gesamte Diakonie sei – so unisono aus den öffentlich-rechtlichen Kanälen – nicht aus Kirchensteuermitteln oder Spenden finanziert, sondern aus dem üblichen Steuersäckel, in das ja auch Ausgetretene, Muslime, bekennende Atheisten etc. einzahlten. Die Kirchen hatten dort aber das alleinige Sagen.
Ingrid Matthäus-Maier und andere forderten ein Überdenken bzw. die Einstellung der staatlichen Zuschüsse, die im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips von Bund, Ländern und Kommunen insbesondere im diakonischen Bereich an die beiden Kirchen gegeben werden. (Wohl wissend, dass wesentliche Teile des weltweit bestaunten deutschen Sozialsystems eben von diesem Miteinander abhängen und eine rasche Abkehr davon größte soziale Krisen zur Folge hätte.) Der Aufschrei der Empörten und Schon-immer-Aufgeklärten folgte in den Provinzblättern als Leserbriefe auf dem Fuß. Vermutlich auch ein Anstieg der Kirchenaustritte.

Müssen – so frage ich mich – Kirchen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als andere darauf achten, Fehler zu vermeiden?

Nein, ich glaube nicht, dass es die Fehler sind. Es sind eher die Fallen, die wir selbst gestellt haben und in die, falls die antiklerikale Stimmung anhält, eher die fallen, die der immer kleineren Norm nicht entsprechen.
Es werden die Begeisterten sein oder alle, die Umwege gehen. Es werden die sein, deren Stimme Hoffnungen weckte oder deren Spiel angelockt hat. Alle, die sprühen vor Ideen, und alle, die Zulauf haben. Es werden die Sonderlinge, die Außenseiter, die Querdenker, die Überflieger sein, die Musikanten und Dichter unter den Geistlichen, die Leichten, Luftigen, der Springinsfeld und die Träumerin.

Der Platzhirsch bewahrt seinen Platz. Ihm will keiner an die Wolle.
Auch der Dompfaff wird bleiben. Man kennt und kann mit ihm.
Die, die nach allen Regeln der Kunst in die entsprechenden Positionen gekommen sind, werden bleiben. Auch die Eingesetzten und die Orthodoxen. Erst recht die Braven. Die Inthronisierten und die, die stolz „sich mit Kreuzen vorne schmücken“.
Den aus der Rolle Gefallenen geht es an den Kragen, und die Bunten müssen um ihr Beffchen bangen.
Das war einmal anders. Es gab Zeiten, da suchte man „Typen“. Heute wirkt die Kirche „untypisch“, bleich; wirkt erschrocken und pfeift Typen zurück und stellt Herausragende in den Sockel.

Die Kirche ist brav geworden. Politisch gefällig, moralisch indifferent, spirituell austauschbar. Eben das, was man öffentlich unter die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ zählt. Das hat seinen Preis.
Die Kirche wird sich neu aufstellen müssen.
Sie dient sich – in den Medien und damit in der inszenierten Öffentlichkeit – in die Belanglosigkeit, oder sie treibt Blüten. Wir alle feiern auf 2017 hin. Die Reformation war nicht fürs Album und plante keine Jahrestage. Die Reformation hat alle ergriffen, hat vor keiner Kette Halt gemacht und keinem Kaiser oder Papst gehuldigt. Auch die Reformation hat Fehler gemacht. Doch die wirklichen Fehler lagen nicht in der falschen Rücksicht vor den Mächtigen und im Kotau vor den Liedermachern, lag nicht im Widerstand gegen falsche Reime oder klare Worte.
Die Fehler der Reformation lagen – wenn überhaupt – im Binnenstreit. Im Binnenstreit gibt es rasch neue Mächtige. Und damit beginnt alles von vorne.

Mitten im Winter plädiere ich für Blüten, für Buntheit, für Vielseitigkeit, für angebranntes Essen und für falsch temperierten Wein. Für einen erfrischend herben Salat ebenso wie für etwas Wild auf dem Speisezettel. Den Vegetariern unter uns: Das mit dem „Wild“ war nur symbolisch gemeint. Aber der Rest ist echt.

Zwischenfazit:
Kein Maulkorb für die Medien.
Transparenz der Finanzen.
Subsidiarität ohne Abhängigkeit.
Und: Typen in die Kirche!
Sie sind das Geld wert.

Der Beitrag erschien als Vorwort zu den Pastoralblättern 2/2014 vom Herausgeber Gerhard Engelsberger. Die wort-meldungen danken für die Genehmigung zum Abdruck.

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