Bologna und die Folgen | Dieter Lenzen
Ein Interview in Forschung & Lehre 7/2014
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F&L: Die Universität heute muss für Sie eine Einrichtung sein, die beides, Berufsausbildung und Bildung durch Wissenschaft, vermittelt. Allerdings schreiben Sie auch, das deutsche Hochschulsystem sei für das erstere gar nicht geeignet, da sich das wissenschaftliche Personal bis dato primär an Forschung und Lehre und nicht am Ausbildungsgedanken orientiert habe. „Bis dato“? Was soll sich hier Ihrer Meinung nach ändern?
Dieter Lenzen: Bildung durch Wissenschaft kann nicht eine praktische Berufsausbildung sein, wie sie an Oberstufenzentren, in Vollzeitberufsschulen und ähnlichen Einrichtungen zu Recht und in Deutschland sehr erfolgreich betrieben wird. Wenn Hochschulen Berufsausbildung in diesem engeren Sinne auf mittlerem Niveau von Berufen wie denjenigen des Technischen Assistenten durchführen sollen, dann haben sie das falsche Personal. Dieses ist eine Aufgabe für Berufsschullehrer. Berufsausbildung kann sich aber auch erfüllen im Medium von „Bildung durch Wissenschaft“. Niemand hat bislang beweisen können, dass dieses Konzept fehlerhaft gewesen wäre. Denn schon nach einigen Jahren neuer Bologna-Absolventen mehrt sich die Klage, dass die jungen Leute über keine hinreichende Persönlichkeitsbildung verfügen. Genau das wollte und sollte die klassische Hochschule mit dem Humboldtschen Gedanken „Bildung durch Wissenschaft“ realisieren. Persönlichkeitsbildung durch eine „Hingabe an die Sache“, um Max Horkheimer zu zitieren, ist die beste Vorbereitung auf berufliches Tun, die man sich außerhalb einer Spezialausbildung vorstellen kann… Zum Interview.