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„Die christliche Kirche ist die Gemeinde…“ (Barmen III). Das Impulspapier der EKD und das evangelische Kirchenverständnis. Prof. Dr. Eberhard L. J. Mechels

Vorbemerkung

Eine persönliche Bemerkung möge mir vorweg erlaubt sein: das Faszinierende und Aufregende am Thema „Kirche“ und an der Lehre von der Kirche, der Ekklesiologie, ist für mich ihre Scharnierfunktion oder Brückenfunktion zwischen der unsichtbaren Wirklichkeit, die Gegenstand des Glaubens ist, und der sichtbaren Welt, die Sache der empirischen Erfahrung ist. Zwar gibt es eine ziemlich lange protestantische Tradition, die gerade diese Vermittlungsfunktion von geistlicher und empirischer Wirklichkeit der  Kirche umgeht oder gar beseitigt. Dann haben wir eine Art Zwei-Bereiche-Lehre im Gebiet der Ekklesiologie. Demnach verhält sich die geglaubte Kirche zu ihrer empirischen Gestalt oder Organisation indifferent. Dann gerät die Ebene der Gestalt, auch der Gestaltung, in die Beliebigkeit. Das bedeutet: die Organisation der Kirche, ihre äußere Gestaltung, ihre Sozialgestalt regeln wir je nach den Erfordernissen der Nützlichkeit, der geschichtlichen Situation, d.h de facto: nach der jeweiligen Verfassung der gesellschaftlichen Umwelt. D.h.: die Kirche hat in diesen scheinbar „äußerlichen“ Belangen keinen eigenen Kompass, sondern ist außengelenkt. Die Fragen der Organisation, der Gestaltung sind Ermessensfragen, sie haben keine geistliche Relevanz und sind in der gegenwärtigen Reformdiskussion bezogen auf Erfordernisse der Integration von Kirche und Gesellschaft. D. Bonhoeffer war als junger Mensch von 21 Jahren  in mancher Hinsicht seiner Zeit theologisch weit voraus, indem er genau an dieser Stelle der Dissoziierung von geistlicher und empirischer Ebene der Kirche das Problem erkannte und  die geglaubte communio sanctorum mit der sozialen Empirie der Kirche wieder auf Tuchfühlung brachte.

In Anlehnung an Lessings Dictum formuliert: Den garstigen breiten Graben zwischen der geglaubten unsichtbaren Kirche und der empirischen sichtbaren Kirche hat er ins Visier genommen. Sein Anliegen steckt bereits im Titel: „Sanctorum communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche“. Sanctorum communio ist eine Glaubenswirklichkeit – Soziologie ist eine empirische Wissenschaft, und die dogmatische Untersuchung bringt das in Berührung, sie sitzt genau dazwischen an der Schnittstelle. Und so durchbrach er die ekklesiologische Zwei-Bereiche-Ideologie. Es geht um den Schnittpunkt (das ist der Akzent von A. Denecke) bzw. die Schnittmenge (das ist eher meine Interpretation) zwischen geistlicher und sozialer Wirklichkeit der Kirche. Dieses Bemühen für die heutige Situation fortzuschreiben, das ist ein Weg, um im gegenwärtigen Streit über den Weg der Kirche aus der derzeitigen Blockade, um nicht zu sagen Agonie herauszukommen. In dieser Sache auf Bonhoeffer zu hören ist außerordentlich hilfreich. Um es mit Worten von Eberhard Jüngel zu sagen (er sagte das in Bezug auf Karl Barth): Die Zitrone gibt immer noch Saft.

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