Hannover: Die Evangelisch-lutherische Landeskirche rechnet damit, „dass sich die Zahl ihrer derzeit rund 1.800 Pastorinnen und Pastoren nach jetziger Lage bis 2030 halbieren wird.“

07/2015, epd-Gespräch: Michael Grau

… Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover rechnet damit, dass sich die Zahl ihrer derzeit rund 1.800 Pastorinnen und Pastoren nach jetziger Lage bis 2030 halbieren wird…

In dünn besiedelten Randgebieten wie dem Harz, dem Emsland oder dem Wendland könne künftig es schwer werden, Stellen zu besetzen…

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Ein Gedanke zu „Hannover: Die Evangelisch-lutherische Landeskirche rechnet damit, „dass sich die Zahl ihrer derzeit rund 1.800 Pastorinnen und Pastoren nach jetziger Lage bis 2030 halbieren wird.“

  1. Gottfried Schäfer

    Lieber Herr Pastor Mathis Burfien!
    Unbestritten ist der Pfarrberuf von großer Freiheit und Vielfalt geprägt, das soll nicht in Frage gestellt werden. Allerdings scheint Ihnen hinsichtlich Ihres Vollstellenauftrages, junge Leute für das Theologiestudium zu gewinnen, doch ein wenig der Blick für die Realitäten abhanden gekommen zu sein. „Ich bin Herr meines Terminkalenders und kann dort meine Schwerpunkte setzen, wo es mir wichtig ist.“ Diese naive Euphorie ist schnell verflogen, wenn man sich die feststehenden Termine im Gemeindepfarramt anschaut, bei denen es kaum Selbstbestimmungsmöglichkeiten gibt:
    Sonntags ein bis zwei Gottesdienste zu festen Uhrzeiten, vier Stunden Religionsunterricht in der Schule, Konfirmandenunterricht, Sprechzeiten im Gemeindebüro, feststehende Gruppen und Kreise (wie z. B. Seniorennachmittag, Bibelgesprächskreis etc.), Geburtstagsbesuche, Beerdigungen, Trauungen, Jubiläen, Pfarrkonferenzen, Synoden, Gremien, Repräsentationsveranstaltungen, Verwaltungs- und Organisationsfristen etc. Diese Termine kommen in der Regel von außen auf einen zu und werden nicht selbst gesetzt, machen aber einen Großteil pfarramtlicher Arbeitszeit aus.
    Und, lieber Herr Pastor Burfien, in der Tat – „es ist attraktiv, den Arbeits- und Tagesablauf selbst bestimmen zu können“ – aber ihre werbenden Statements haben eher den Realitätsbezug von Poesiealbumsweisheiten! Versuchen Sie es doch mal mit diesem: „Hier auf Erden gibt`s nichts Schöneres als Pastor werden, dann bleibste gesund und froh, wie der Mops im Haferstroh…!“ Denn das deckt sich doch mit Ihrer Erfahrung, die Sie gerne an begeisterungsfähige junge Menschen mit dem Ihnen eigenen Enthusiasmus weitergeben: „Pastoren könnten als Seelsorger ganz nah bei den Menschen sein. Sie verdienen so viel wie Lehrer und könnten gut davon leben.“
    Mit dieser Aussage schrammen Sie allerdings verdächtig nahe am 8. Gebot vorbei (Erklärungen siehe Dr. Martin Luthers Kleiner Katechismus). Verschiedene Umfrageergebnisse unter GemeindepfarrerInnen zeigen nämlich die ganz andere Wirklichkeit, dass diese es bedauern, kaum noch Zeit für wesentliche pastorale Aufgaben wie Seelsorge wahrnehmen zu können, da die bürokratischen und organisatorischen Erfordernisse immer mehr von diesen kostbaren nahen Zuwendungsmöglichkeiten den Menschen gegenüber wegnehmen. Da hilft es auch nichts, in symbolischen Projekten den jungen Leuten das romantische Bild eines Hirten in der Lüneburger Heide im Blick auf den zukünftigen Pastorenberuf zu vermitteln – am besten im goldenen Licht einer untergehenden Abendsonne mit ganz nah sich brav um ihn scharenden makellos weißen Schäfchen: Der Pastor und seine Gemeinde – welch liebreizendes Bild pfarramtlicher Zukunft! Das gilt sicher vor allem für die ländlichen Stellen mit den vielen idyllischen Dörfern im Emsland, Wendland und Harz.
    Die Besoldung einer Pfarrperson ähnelt der eines Lehrers – soweit richtig, aber um bei der Wahrheit zu bleiben bitte auch erklären, dass für die Residenzpflicht nach wie vor ein sog. Ortszuschlag abgezogen wird (ca. 600 € pro Monat) und das Wohnen im Pfarrhaus zusätzlich als sog. geldwerter Vorteil monatlich mit durchschnittlich 500 € (manchmal auch deutlich mehr) zu versteuern ist. Das ergibt zusammengerechnet ein hübsches Sümmchen, mit dem ein Lehrer sein Eigenheim in der Vorstadt finanziert. Doch diese Rechnung betrifft Sie nur peripher, da Ihre Vollzeitstelle wahrscheinlich von der Residenzpflicht befreit ist und Sie somit den Ortszuschlag ausbezahlt bekommen. Eine Vakanzvertretung in einer benachbarten Vollzeitstelle mit mehreren Dörfern und Predigtorten ist bei Ihnen in der Regel auch nicht vorgesehen, zumal diese auch nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung abgegolten wird, die deutlich unter dem Ortszuschlag liegt.
    Im Übrigen ist die statistische Wahrscheinlichkeit, als Pfarrer Bundespräsident zu werden, doch als ziemlich gering einzuschätzen. Aber auch in diesem Beruf gilt Residenzpflicht. Und ob bei Herrn Gauck für sein Wohnen im Schloss Bellevue bzw. in Berlin-Dahlem ein Ortszuschlag einbehalten wird, ist mir nicht bekannt. Und ob er Herr seines Terminkalenders ist, den Arbeits- und Tagesablauf selbst bestimmen kann und dort seine Schwerpunkte setzen kann, wo es ihm wichtig ist, sei ebenfalls einmal dahingestellt.
    Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg bei Ihrer nicht ganz leichten Aufgabe und hoffe, dass Sie genügend sympathische Hirten gewinnen können, die auch die kirchlich unattraktiv (warum eigentlich?) gewordenen Auen im Harz, Emsland und Wendland bereit sind zu beweiden, ohne unbedingt danach zu streben, Bundespräsident werden zu wollen.
    Mit pastoralen Grüßen
    Gottfried Schäfer

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