11/2015,
Jetzt ist es raus: 275000 Kirchenaustritte aus den Landeskirchen im Berich der EKD. Das gab es lange nicht mehr. Nachdem sich die im Sommer erschienen „Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben“ der EKD 2014 über die angeschwollene Zahl der Kirchenaustritte 2014 noch ausgeschwiegen hatte, ließ auf der aktuellen Herbstsynode Finanzdezernent Thomas Begrich die Katze aus dem Sack: 275 000 Mitglieder verließen demnach die evangelischen Kirchen. Das ist fast eine Verdoppelung seit 2011, also innerhalb von nur 4 Jahren. (vgl. dazu auch hier).
Doch: wie soll man das Ergebnis für 2014 deuten? War es ein Ausreißer? Oder zeigt es Vorbote einer anhaltenden Tendenz? Schaut man sich die längerfristige Entwicklung an (2015_EKD-Austritte_Statistik), dann zeigt sich in den 90iger Jahren nach den Austrittswellen infolge der Soli- Einführung eine zunehmende Beruhigung und ein Rückgang der Austritte bis 2006. In diesem Jahr – dem Jahr übrigens, in dem das EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ veröffentlicht wurde, stiegen die Austrittszahlen
wieder moderat an und erreichten 2013 wieder das Ergebnis von 2001. Der Sprung folgte danach – 2014. Dieser traurige Spitzenwert wurde von Anfang an in Verbindung gebracht mit der Erhebung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge:
„Einer der Gründe ist bereits klar: Seit 2014 wird die Kirchensteuer automatisch von der Kapitalertrags-Steuer abgezogen. Für viele ist das ein Grund, aus der Kirche auszutreten, sagt Klaus Winterhoff, bei der EKD zuständig für die Finanzen:
Die Frage muss man sich natürlich stellen. Ist das den Ärger wert, wenn man hinterher Verluste einfährt? Die Sache hat eine rechtliche Dimension, der man nicht ausweichen kann, nämlich die gerechte Besteuerung. Aber die Gerechtigigkeit ist mehr wert, als mancher Ärger, den man sich dabei einhandelt, würde ich als Jurist sagen.“ (zur Quelle).
Nun könnte man natürlich fragen, wie es mit der Gerechtigkeit bei der Kirchensteuer tatsächlich bestellt ist, schon angesichts der kirchenrechtlich schon eingeräumten Möglichkeit der Kappung, also Reduktion der Kirchensteuer um 50%. Was heißt da Steuergerechtigkeit, wenn die einen 100%, die anderen aber nur 50% des Steuersatzes zahlen? Könnte man immerhin fragen. Es könnte also sein, dass dies Argument der Gerechtigkeit, angesichts der erwähnten Umstände doch eher die verzweifelte Lage und Erklärungsnöte zeigt, in der sich die Verantwortlichen hier mittlerweile vorfinden.
Denn dass man da ein „Eigentor“ geschossen hat, war schnell klar. Und daran war man nicht unbeteiligt: “ Redete man jedoch länger mit Kirchenleuten über das Thema, ließ sich der eine oder andere zu der Bemerkung hinreißen, dass dies schon eine clevere Idee sei. Einwände, dass dieser cleveren Idee ein gewisser Selbstüberlistungsfaktor innewohne, wurden souverän hinweggewischt…“, so Mathias Drobinski in der SZ.
Frühere Versuche, die Schuld an der Misere den Banken in die Schuhe zu schieben, sind zwar verständlich, entbehren aber ebenfalls der Realität.
Was ist zu tun?
Derzeit geben zwei langjährige Unternehmensberater in dem Buch „Mad buisness“ Empfehlungen, wie der ökonomische Verstand in Organisationen zurückkehren kann. Vielleicht kann die Kirche davon lernen.
Die zweite Empfehlung scheint wie auf die Kirche zugeschnitten:
„Der zweite Ansatz… ist die Stärkung der Beiräte und Aufsichtsräte. In vielen Konzernen werden bei Misserfolgen lieber Teams aussgetauscht als jene Leute an der Spitze, die es
verbockt haben. Es braucht ein stärkeres Gegengewicht, um die personellen Ursachen des Irrsinns zu beheben.“ (Oliver Weyergraf, in: brandeins, 11/2015, S. 68)
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Friedhelm Schneider
der link am Ende des ersten Absatzes geht nicht, nach ‚also innerhalb von nur 4 Jahren.‘
Vielen Dank für den Hinweis. Bei mir funktioniert alles, daher kann ich einen potentiellen Fehler nicht erkennen.