Werden die Professionen durch die Reformen entmachtet?

Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst“ – so der

Bamberger Soziologe Richard Münch.

Traditionell war das anders:

Die traditionelle Ausgestaltung der deutschen Universität räumte im Inneren insbesondere den Professorinnen und Professoren eine erhebliche personale Autonomie und weitgehende institutionelle Mitwirkungsrechte ein, den anderen Gruppen darüber hinaus abgestufte Beteiligungsrechte. Die Universität war staatlich privilegiert, geschützt und finanziert; sie bot den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein hohes Maß an akademischer Freiheit sowie ein sehr weitgehendes Selbstergänzungsrecht.

Das Organisationsmodell der „unternehmerischen“ Hochschule eliminierte die partizipatorischen Rechte. Dies löste Widerstand aus:

„Wie in Hamburg bestimmt auch in vielen anderen Bundesländern inzwischen ein Hochschulrat den Rektor oder die Präsidentin. Die Proteste sind somit insbesondere von Seiten der Professorinnen und Professoren vielfach auch gespeist von dem Willen, die körperschaftliche, also auf Mitgliedschaft beruhende, Tradition der deutschen Universitäten und Fachhochschulen aufrecht zu erhalten, die sich exemplarisch in der akademischen Selbstverwaltung widerspiegelt.“ Lesen Sie mehr.

Kirche: Die Basis einer entgegengesetzten Entwicklung legt das unternehmerische Organisationsmodell, wie es in den wort-meldungen bereits früher dargestellt wurde. Wichtiger Bestandteil ist der weitgehende Ausschluss der Professionen aus den formalen Entscheidungsprozessen und -gremien. So z.B. auch in der Kirche auf der mittleren Ebene:

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kirchenkreisrates

 … Für die Zusammensetzung des Kirchenkreisrates gilt, dass die Anzahl der hauptamtlichen Mitglieder die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder des Kirchenkreisrates nicht erreichen darf.

So in den entsprechenden Gesetzen bspw. der EKM.

Diskutiert (und beschlossen) werden aber auch weit ungünstigere Zusammensetzungen:

Auch die Zahl der gewählten ordinierten Mitglieder bei der kleinen Lösung bewegte die Gemüter einiger Parlamentarier. Sie bangten um den Sachverstand im Gremium. Hintergrund: Bei künftig rund 50 Mitgliedern würde meist nur noch ein Delegierter aus dem regionalen Kreis der Pastorinnen und Pastoren stammen.

Diese Fragen sind nicht allein Machtfragen. Sondern es ist auch die Frage der Wirksamkeit der Institutionen selbst. Das trifft nicht allein auf die Wissenschaftgemeinschaften, als auch anderer Dienst- und Professionsgemeinschaften zu.

Schule:

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den aus internationalen Absprachen und überwiegend wirtschaftlichen Interessen erwachsenen Konzepten hat es in Deutschland jedoch bisher nicht gegeben. Die für die Umsetzung von Bildungsreformen zuständige  Lehrerschaft wurde an deren Entwicklung nicht angemessen beteiligt. Sie wurde in der Durchsetzung von Reformmaßnahmen – die durchaus sinnvolle Anteile haben könnten – zum bloßen Empfänger von Anordnungen degradiert.Lesen Sie mehr.

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