„Wer da kärglich sät, der wird kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen“: Zehnjahres-Auszeit für alle Mitarbeitenden der EKHN gefordert.

04/2015, Pfr. Hans-Joachim Greifenstein (Schwanheim), bekannt als Mitglied des 1. Allgemeinen Babenhäuser Pfarrerkabaretts,  bedankt sich mit folgendem Brief mit folgenden an die Synodalen der Dekanatssynode Bergstraße für die Unterstützung des Antrags der Gemeinde Schwanheim für eine Zehnjahres- Auszeit für alle Mitarbeitenden der EKHN.

 

An die
Mitglieder der Synode des Evangelischen Dekanates Bergstraße

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder!

Zunächst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass die Mehrheit der Synodalinnen und Synodalen bei ihrer letzten Tagung am 13.3.2015 dem etwas abgewandelten Antrag unseres Kirchenvorstandes Schwanheim zur Einführung einer Zehnjahres-Auszeit für alle Mitarbeitenden der EKHN in der folgenden Fassung zugestimmt hat:

„Die Synode der EKHN soll die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass allen Mitarbeitenden der EKHN nach zehn Jahren Dienst die Möglichkeit einer bezahlten Auszeit / Studienzeit von bis zu drei Monaten eingeräumt wird.“

Mehrheitlicher Beschluss (bei 44 Ja-Stimmen, 16 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen)

In der Diskussion über den Antrag sind einzelne Aspekte aufgetaucht, zu denen ich mit diesem Schreiben gerne noch einmal Stellung nehmen möchte. Es ging uns mit unserer Initiative nicht um das Aufreißen von Gräben zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitarbeitenden, auch sollte nicht der Eindruck einstehen, dass der Studienurlaub für Pfarrerinnen und Pfarrer gemäß § 18 der PfrUrlO in unseren Augen ein zu kritisierendes Standesprivileg der Pfarrerschaft sei. Es geht uns viel mehr um eine Weiterentwicklung der bestehenden Dienstgemeinschaft und um eine Stärkung der Mitgliederbasis unserer Landeskirche.

In unserer EKHN sind Pfarrerinnen und Pfarrer zahlenmäßig in der Minderheit. Erzieherinnen, Verwaltungsangestellte, Musikerinnen, Pflegekräfte und Gemeindepädagogen bilden die übergroße Zahl der Mitarbeitenden. Doch verstehen sie sich dabei bewusst als „Leute der Kirche“? Mitglied sein müssen sie ja, aber sind sie es auch gerne? Wie reden Angestellte der Kirche nach Feierabend im Freundes- oder Familienkreis über ihren Arbeitgeber? Sind sie zufrieden und vielleicht sogar ein bisschen stolz, weil sie für eine so gute Organisation arbeiten dürfen? Oder sind sie desillusioniert („die Kersch is auch net viel besser wie die annern……“) oder gar verbittert über den Unterschied zwischen hohem ethischen Anspruch und der teilweise ernüchternden Realität der alltäglichen Arbeitsvollzüge? Nehmen Kirchenangestellte am Gemeindeleben teil? Besuchen ihre Kinder den Kindergottesdienst, kandidieren ihre Ehepartner bei der Kirchenvorstandswahl, singen sie im Chor mit oder stellen sie sich beim Gemeindefest hinter den Bratwurststand? Erheben sie ihre Stimme, wenn bei der Familienfeier jemand laut verkündet, aus der Kirche ausgetreten zu sein? Mit anderen Worten: Identifizieren Menschen, die ihr Geld bei der Kirche verdienen (und ihre Angehörigen) sich öffentlich und nachvollziehbar mit der Institution (und werden dadurch missionarisch tätig)?

Wir wissen: viele tun es, aber sehr viel mehr tun es leider nicht.

Meine Hoffnung ist, dass mehr es tun würden, wenn sie einen heilsamen Unterschied zwischen der EKHN als Arbeitgeber und anderen Arbeitgebern erleben würden, ein „kirchliches Plus“ sozusagen.

Wer bei uns einen Arbeitsvertrag unterschreibt, verkauft damit zunächst einmal nur seine Arbeitskraft so wie z.B. an das Rote Kreuz oder an ein Wirtschaftsunternehmen. Aber wie sieht es mit der inneren Einstellung aus? Wenn es uns gelänge, auch diese für unsere Ziele zu gewinnen würde es die EKHN stärken. Diesen Leuten brauchen wir keine Impulspost zu schicken, wir treffen sie an ihrem Arbeitsplatz und da gibt es viele direkte Impulse. Die Frage ist nur: Welche? Jeder Arbeitstag bietet Chancen für eine „innere Mission“ der besonderen Art.

Hier setzt die Idee der „Zehnjahresauszeit“ an. Wer zehn Jahre im Gemeindebüro ansprechbar war, Kranke gepflegt, Kirchenmusik gemacht, Kinder und Eltern erzogen, die Mühen der Einführung der „Doppik“ mit erlebt oder zuverlässig Kirche und Gemeindehaus geputzt hat, darf – „weil er/sie bei de Kersch schafft“ – einmal durch schnaufen. Das ist etwas anderes als Erholungsurlaub. Es ist eine Wertschätzung für Menschen, die oft an ihrer Belastungsgrenze arbeiten, Überstunden vor sich herschieben und anderswo vielleicht mehr Geld verdient hätten als bei uns. Eine Auszeit ist eine Burn-Out-Prophylaxe, die darüber hinaus auch noch die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärkt. Jemand der sich gut behandelt fühlt ist in der Regel loyaler.

Allerdings ist auch zu beachten: Sozialpolitische Errungenschaften werden oft nur zu Anfang als spürbare Verbesserung erlebt und dankend angenommen. Nach relativ kurzer Zeit verblasst der Wertschätzungs-Effekt und in der Regel wird die Maßnahme schnell unspektakulärer Teil des Besitzstandes. Man gewöhnt sich daran und nur die Nachdenklicheren werden die Wertschätzung noch angemessen Wert schätzen.

Darum wäre es wichtig, die Auszeit mit flankierenden spirituellen und Personal fördernden Angeboten zu verbinden. Vor Jahren hat z.B. die Gefängnisseelsorge zu Familienfreizeiten für Beschäftigte der Justizvollzugsanstalten und ihren Angehörige in die Evangelischen Akademie Arnoldshain eingeladen. Die Teilnehmenden hatten gemeinsam Abstand vom Arbeitsalltag zusammen mit den nächsten Angehörigen, die die mit dem Beruf verbundene seelischen Belastungen mit zu tragen haben. Ein solches Konzept sollten wir neu aufgreifen: Bei nicht allzu teuren Familienfreizeiten würden kirchliche Angestellte mit ihren Angehörigen erholsame und spirituell aufbauende Erfahrungen machen. Nebenbei könnten unsere kirchlichen Freizeitheime damit eine bessere Auslastung bekommen, die z.T. recht schöne Häuser unserer Partnerkirchen im europäischen Ausland (wie z.B. die Foresteria Valdese in Torre Pellice u.v.a.) könnten mit einbezogen werden. Professionell aufgezogen ließe sich mit diesem Angebot sogar Geld verdienen. Kirchliche Reiseveranstalter, Fortbildungsinstitute und die Standesvertretungen unserer Mitarbeiterschaft müssten dazu synergetisch zusammen wirken.

Natürlich kostet das auch Geld. Es wird nicht überall so gehen wie bei den Pfarrern, die durch freiwillige Mehrarbeit kostenlos die Vertretung sichern, Vertretungskräfte müssten zumindest teilweise die Lücken stopfen. Und das kostet. Zusätzliches Geld in Zeiten der knappen Kassen, wie soll das gehen? Natürlich nur, indem man es wirklich will! Die Erfahrung lehrt: Wenn der Synode etwas tatsächlich wichtig ist, dann hat sie bisher immer irgendwo das Geld dafür gefunden. Für die Einführung der Doppik sind es in der EKHN bislang z.B. 9.000.000,- €. Ich würde die Suche nach der Finanzierung dieser Idee bei den in den letzten Jahren dauernd gestiegenen Kirchensteuereinnahmen beginnen…..

Die „Produktivkraft“ der Kirche ist das Wirken des heiligen Geistes. Wir versuchen ihn in der EKHN durch 1.562 Pfarrerinnen und Pfarrer und 21.426 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (s.o.) zu „verkörpern“. Die Zehnjahresauszeit könnte eine geeignete Körperpflege sein die uns stärker macht, unseren Auftrag zu erfüllen. Die Idee klingt in Zeiten der Kürzungen etwas verrückt. Aber genau darin liegt auch ihr Charme. Haben wir den Mut antizyklisch zu investieren! Und keine Angst um die Spargroschen: Wo Charisma ist, da fließen auch die Geldmittel. Schon Paulus wusste: „Wer da kärglich sät, der wird kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ (2. Kor. 9,6).

Mit freundlichen Grüßen und den allerbesten Wünschen für die bevorstehende Osterzeit bin ich Ihr

Pfarrer Hans-Joachim Greifenstein

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