Bis heute wird die angeblich prekäre Finanzlage als kirchenpolitisches Druckmittel eingesetzt, um Strukturmaßnahmen zu begründen und Arbeitsplätze abzubauen. Tatsache ist allerdings, dass sich seit nunmehr 8 Jahren die Einnahmen aus Kirchensteuermittel positiv entwickeln. Der Tiefpunkt, ausgelöst durch die damalige schwierige konjunkturelle Lage und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit war im Jahr 2005 bei einem Gesamtaufkommen der EKD-Landeskirchen von 3,65 Mrd. €. Für 2013 rechnet die EKD mit Einnahmen aus Kirchensteuermitteln nahe 5 Mrd. €. Dies entspricht einer stattlichen Steigerung von 34,7%. Die Zahlen wurden kürzlich in einem Bericht des Ev. Pressedienstes idea veröffentlicht.
Im gleichen Bericht wird der Finanzdezernent der EKD, Oberkirchenrat Thomas Begrich zitiert. Begrich begründet den Zuwachs „mit der höchsten Erwerbstätigenquote seit der deutschen Wiedervereinigung und den hohen Tarifabschlüssen“. Etwas eigenwillig formuliert er: „Die Menschen zahlen nicht mehr Kirchensteuern, sondern mehr Menschen zahlen Kirchensteuern.“ Begrich fordert einen „sehr verantwortlichen“ Umgang mit den Kirchensteuermitteln. Die Einnahmen des Jahres 2012, die bei 4,8 Mrd. € liegen, hätten eine um 20% geringere Kaufkraft als die Einnahmen aus 1994.
Rückkehr zum einem rationalen Finanzdiskurs!
Dass die evangelischen Landeskirchen bald „im Geld schwimmen“ können, wie es der Titel von idea Spektrum Nr. 23 vom 5. Juni 2013 suggeriert, wird kaum zu erwarten sein. Insofern ist Begrich sicher recht zu geben, wenn er einen verantwortlichen Umgang mit den zusätzlichen Einnahmen fordert. Genauso, wie staatliche Einrichtungen trotz „Rekordsteuereinnahmen“ in vielen Fällen unterfinanziert sind, leiden beide Großkirchen bis heute unter fragwürden steuerpolitischen Maßnahmen, die vor allem die einkommensstarken Gruppen entlastet und damit die an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelte Einnahmebasis der Kirchen geschmälert haben. Allerdings kann man bei einer Steigerung der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln von 34,7% seit 2005 kaum von einer „Finanzkrise“ der Kirche reden.
Durch die Realität widerlegt ist jener monokausale Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und kirchlicher Finanzkraft, der Basis der unseriösen Langfristprognose war, nach der evangelischen Landeskirchen angeblich im Jahr 2030 nur noch über die Hälfte an realer Finanzkraft gegenüber dem Jahre 2002 besäßen. Im Grunde müssten sich heute jene Kirchenräte und Superintendenten in Grund und Boden schämen, die oft mit bester Absicht und im Vertrauen auf die eigenen Experten diesen groben Unfug unter die Leute brachten und damit Entscheidungen von Synoden maßgeblich beeinflussten. Dass Gegenteil von dem, was z.B. im EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ an Finanzprognostik vorgetragen wurde, ist eingetreten. Da dieser irrige Finanzalarmismus bis heute nachwirkt, ist dringend eine Rückkehr zu einem rationalen Diskurs geboten, der sich an den Fakten orientiert.
Insofern sind einige Äußerungen von Begrich kritisch zu hinterfragen. Als Begründung für die positive Entwicklung führt er die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie die „hohen Tarifabschlüsse“ an. Hiermit beschönigt er die soziale Situation in Deutschland und verschweigt zugleich, dass es mehr noch die vermögenden und hochvermögenden Kirchenmitglieder sind, denen der Geldregen zu verdanken ist. So heißt es in einer Mitteilung von epd: „Deutschlands Millionäre tragen einem Medienbericht zufolge überdurchschnittlich zur Finanzierung des kirchlichen Lebens bei. Die rund 7.600 Einkommensmillionäre unter den evangelischen und katholischen Gläubigen zahlten 8,5 Prozent der Gesamtlast der Kirchensteuer, obwohl ihr Anteil an den Kirchensteuerpflichtigen lediglich 0,06 Prozent betrage. … Dagegen tragen die rund drei Millionen Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 20.000 Euro den Angaben zufolge 2,5 Prozent zum Kirchensteueraufkommen bei.“ Fakt ist: die vielen ArbeitnehmerInnen in Niedriglohnsektor zahlen kaum oder gar keine Kirchensteuer. Da die soziale Ungleichheit weiter zunimmt, tragen tatsächlich eher weniger Menschen in immer höherem Ausmaß zur Finanzierung der Kirche bei.
So fällt die Steigerung bei der Lohnsteuer im Moment eher moderat aus, wohingegen in einzelnen Regionen zweistellige Zuwachsraten beim Einkommenssteueraufkommen zu verzeichnen sind. Beflügelt wird dies durch einen relativ neuen Trend zu erzwungener Steuerehrlichkeit durch das allmählich in Gang kommende international koordinierte Schließen von Steueroasen, sowie den für manchen gut betuchten Zeitgenossen bedrängenden Aufkauf von Steuer-CD’s durch Finanzbehörden.
Begrich weist darauf hin, dass die Einnahmen des Jahres 2012 eine um 20% geringere Kaufkraft hätten, als die des Jahres 1994. Dies mag sein. Richtig ist aber auch, dass der Kaufkraftverlust bei PfarrerInnen und Kirchenbeamten im gleichen Zeitraum deutlich höher ausfällt und dass auch die Einkommen der übrigen Beschäftigten der Kirche sich keineswegs oberhalb der Inflationsrate bewegt haben. Mindestens 75% der kirchlichen Ausgaben sind jedoch Personalausgaben. Nimmt man diesen Tatbestand zur Kenntnis, ist auf Grund einer „günstigen“ Kostenstruktur die Finanzkraft der Kirche gegenüber 1994 keineswegs gesunken. Am Beispiel der EKHN legt Friedhelm Schneider überzeugend dar, dass eine Kirche, die dauerhaft Lohn- und Gehaltssteigerungen unterhalb der Inflationsrate durchsetzt, zur „Inflationsgewinnerin“ wird. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Wert der eigenen Immobilien z.B. in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet deutlich steigert.
Warum die Gemeinden dennoch verarmen
Es gab einmal Zeiten, da konnten Kirchmeister von einer positiven Entwicklung beim Lohn- und Einkommenssteueraufkommen auf ein Plus bei den eigenen Gemeindefinanzen schließen. Seit etlichen Jahren geht diese Rechnung nicht mehr auf. Man kann davon ausgehen, dass auch die erwarteten Rekordeinnahmen des Jahres 2013 kaum dazu beitragen werden, die Finanzsituation der Gemeinden und Kirchenkreise zu verbessern. Es gibt eine bedrückende Parallelität zu der Finanzsituation der Kommunen, denen es trotz gesamtstaatlicher Rekordsteuereinnahmen vielfach nicht gelingt, ihre defizitäre Finanzsituation zu überwinden und zentrale Aufgaben ausreichend zu finanzieren – eine erhellende Lektüre ist in diesem Zusammenhang der Kommunalbericht 2013 des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs. Ist die prekäre Finanzsituation der Kommunen darauf zurückzuführen, dass diese zumeist durch Entscheidungen des Bundes immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen ohne hinreichende Finanzausstattung, so liegt der Fall in der Ev. Kirche etwas anders. Die zusätzlichen Finanzmittel fließen in immer größerem Umfang in andere Kanäle. Hier zwei Beispiele:
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In erheblichem Umfang entstehen Kosten durch die Stärkung des „kirchlichen Handlungsfeldes“ „Organisation und Verwaltung“. Zu Lasten der Arbeit mit Menschen, wo die meisten Landeskirchen in erheblichem Umfang weiter Arbeitsplätze abbauen wollen, wird die Verwaltung gestärkt. Im Monatsthema Mai der Wort-Meldungen wurde in zahlreichen Beiträgen überzeugend nachgewiesen, dass z.B. die Einführung der Doppik in staatlichen Gebietskörperschaften durchweg mit höheren Personalkosten bei kaum feststellbarem Nutzen verbunden war.
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In einigen Landeskirchen schmälern Zuführungen an Versorgungskassen die Finanzkraft der Kirchen. In der rheinischen Kirche fließen aktuell ca. 23% des Netto-Kirchensteueraufkommens in die Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte. Das skandalöse ist, dass diese Zuführungen auf versicherungsmathematischen Berechnungen beruhen, die von einem Sinken der kirchlichen Finanzkraft von mindestens 1% pro Jahr ausgehen. Franz Segbers kritisiert diesen Tatbestand als Beispiel einer Komplizenschaft der reichen Kirchen mit dem Finanzmarktsektor.