EKiR: Massiver Eingriff in die Finanzhoheit. Haushalte sind ab 2016 genehmigungspflichtig.

03/2015, von Hans-Jürgen Volk

Bei den Veränderungen der Verwaltungsordnung, die die Kirchenleitung Ende November 2014 beschlossen hat, handelt es sich um den wohl massivsten Eingriff in unsere Kirchenverfassung seit Jahren. Ab dem Haushaltsjahr 2016 muss jeder kirchliche Haushalt vom übergeordneten Leitungsgremium genehmigt werden. In Frage steht die Genehmigung wenn eine „Gefährdung des Haushaltsausgleichs“ vorliegt. Ein Indiz hierfür soll die geplante Rücklagenentnahme sein.
Nun hat die „Verordnung über das kirchliche Finanzwesen der Ev. Kirche im Rheinland“ (KF-VO) vom 26. November 2010 bereits 4 Veränderungen erfahren. Die 5. Modifikation vom November 2014 (veröffentlicht im Kirchlichen Amtsblatt vom 17. Dezember 2014) hat erhebliche Folgen für das Verhältnis der unterschiedlichen Ebenen kirchlichen Lebens. Nach der bisherigen Fassung der KF-VO wurde ein Haushalt durch Beschluss des Leitungsgremiums rechtswirksam. Im Raum stand der Gedanke eines „Haushaltssicherungskonzepts“, dass erst dann von der nächst höheren Leitungsebene entwickelt werden sollte, wenn der Haushalt einer kirchlichen Körperschaft dauerhaft in eine Schieflage gerät und das eigene Leitungsorgan keine nachhaltigen Lösungen entwickelt. Auch dies war umstritten und wurde als Eingriff in die Kompetenzen eines Presbyteriums oder eines Kreissynodalvorstands vielfach abgelehnt, ist aber im Gegensatz zur jetzt von der Kirchenleitung beschlossenen Regelung vergleichsweise moderat. Nunmehr wird Haushaltssicherung durch aufsichtliche Intervention der nächst höheren Leitungsorgane verstetigt.

Top-Down – „Aufsicht“ wird großgeschrieben
Aufmerken lassen muss bereits der deutlich erweiterte § 11 der KF-VO zum Stichwort „Aufsicht“. Kam die alte Fassung mit 2 Abschnitten aus, sind es nunmehr 7. Am klarsten deutet der neue 4. Abschnitt den bevorstehenden Kulturwandel in der EKiR an: „Aufsicht ist die bewusste Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber den der Aufsicht unterliegenden kirchlichen Körperschaften, mit dem Ziel, auf die Einhaltung von Recht und Gesetz sowie auf die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns zu achten. Sie wird präventiv durch Anzeige und Genehmigungsvorbehalte sowie die von den Leitungsorganen zu bestimmenden internen Kontrollsysteme ausgeübt. Nachträglich wird Aufsicht durch Beanstandungen, die Aufhebung von Beschlüssen sowie äußerstenfalls durch Ersatzvornahme wahrgenommen.“ Deutlich wird, dass die Autonomie der 1. Ebene – dort, wo Kirche in Gemeinden, Einrichtungen und Werken mit ihrer Arbeit in direktem Kontakt mit Menschen steht – drastisch reduziert und die Interventionsmöglichkeiten des übergeordneten Leitungsorgans deutlich erweitert werden. Aufsicht erhält nunmehr einen präventiven Charakter, was nicht nur die Interventionsmöglichkeiten der nächsthöheren Leitungsebene verstetigt und erweitert, sondern insgesamt die Gestaltungsräume der 1. Ebene einengt. Die Vorstellung einer klaren Hierarchie geht aus dem 5. Abschnitt von § 11 der KV-VO hervor: „Die Aufsichtsorgane sind berechtigt, sich über alle ihrer Aufsicht unterliegenden Angelegenheiten zu unterrichten, dazu Berichte und Unterlagen anzufordern, an Ort und Stelle zu prüfen und den ihrer Aufsicht unterliegenden Stellen Weisungen zur Erfüllung der ihnen gesetzlich obliegenden Aufgaben zu erteilen.“ Die früheren Beteuerungen, dass mit der Einführung des NKF ebenübergreifende Interventionen ausgeschlossenen seien, sind damit gegenstandslos. In Zukunft sind Kreissynodalvorstände berechtigt, Presbyterien Weisungen zu erteilen. Das Gleiche gilt im Blick auf Kirchenkreise, denen die landeskirchliche Ebene mit fürsorglicher Aufsicht in Zukunft in präventiver und damit permanenter Weise begegnen kann.

Die wichtigsten Änderungen im Haushaltsrecht
Die Änderungen der KF-VO markieren den endgültigen Bruch mit der Tradition einer basisorientierten, kollegialen und mitunter auch solidarischen Kirche, die die EKiR trotz aller Mängel in der Vergangenheit war. Gewählte Leitungsgremien mutieren konzernmäßig immer stärker zu „Aussichtsorganen“. Der zentrale Satz bezogen auf das Haushaltsrecht findet sich im § 78 der neuen KF-VO: Der Haushalt „ist vor Beginn des Haushaltsjahres dem jeweiligen Aufsichtsorgan zur Genehmigung vorzulegen“.
Im neugefassten § 77 werden die Kriterien benannt, die bei der Genehmigung von Haushalten zu beachten sind. Der entscheidende Punkt ist die „Gefährdung des Haushaltsausgleichs“. Diese liegt vor, wenn:
„1. die Bilanz gemäß § 68 Absatz 4 Nr. 1 ein negatives Reinvermögen enthält, oder
2. die mittelfristige Finanzplanung in mindestens einem Jahr nicht ausgeglichen ist, oder
3. der Haushaltsausgleich nur durch Entnahme von Rücklagen, der Erhöhung der Umlagen oder der Minderung des Vermögensgrundbestands erreicht werden kann, oder
4. die Jahresabschlüsse der Vorjahre eine negative Entwicklung des Haushaltes erwarten lassen.“
In einem Schreiben aus der Finanzabteilung des Landeskirchenamtes vom 11.12. 2014 an die Gemeinden und Kirchenkreise der EKiR wird erläutert, wie mit dem Tatbestand einer Gefährdung des Haushaltsausgleichs umzugehen ist: „Als Basis wird die Genehmigungspflicht der Haushalte festgelegt und als Regelungswerkzeug die Versagung der Genehmigung bzw. die Genehmigung mit Auflagen eingeführt, sofern der Haushaltsausgleich gefährdet ist. Ein Indiz für die Gefährdung des Haushaltsausgleich ist die geplante Rücklagenentnahme.“ Hierbei gesteht man offenbar Rücklagenentnahmen dann zu, wenn es sich um Investitionen handelt, für die Mittel angespart wurden. Eine geplante Rücklagenentnahme zum Haushaltsausgleich ist dagegen in Zukunft nicht mehr zulässig.
In § 78 wird der Aktionsrahmen benannt, der den übergeordneten Leitungsorganen im Falle einer Gefährdung des Haushaltsausgleichs zur Verfügung steht. In Absatz 4 heißt es: „Im Falle der Gefährdung des Haushaltsausgleichs kann die Genehmigung mit einer Auflage oder Bedingung verbunden werden.“ In Absatz 5 wird weiter formuliert: “ Ist der Haushaltsausgleich nicht zu erreichen, ist die Genehmigung mindestens mit der Auflage zu verbinden, dem Aufsichtsorgan bis spätestens zum 30. Juni des Planjahres einen Plan vorzulegen, der erkennen lässt, dass der Ausgleich des Haushaltes innerhalb eines festgelegten Zeitraumes wieder erreicht werden kann (Haushaltskonsolidierungsplan). Die Entscheidung über dessen Genehmigung muss durch das Aufsichtsorgan bis zum 30. September erfolgt sein.“
Seit der NKF-Einführung gibt es zahlreiche kirchliche Körperschaften, in denen sich die Beschlussfassung über Haushalte erheblich verzögert und mit Beginn eines Haushaltsjahres kein rechtsgültiger Haushalt vorliegt. Welche Konsequenzen dies hat, ist im § 80 der KF-VO unter der Überschrift „Vorläufige Haushaltsführung“ geregelt. Die Kernaussage: „Ist der Haushalt zu Beginn eines Haushaltsjahres nicht beschlossen (haushaltslose Zeit), so darf die kirchliche Körperschaft ausschließlich Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, die erforderlich sind, um die notwendigen Aufgaben weiterzuführen und die rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.“
Diese Neureglungen haben zur Folge, dass unsere Kirche insgesamt schwerfälliger, bürokratischer und hierarchischer wird. Unschwer lässt sich erkennen, dass durch den folgenschweren Zwischenschritt der Genehmigungspflicht sich der Zeitraum bis zur Rechtswirksamkeit eines Haushalts erheblich dehnt – bei einer „Gefährdung des Haushaltsausgleichs“ bis weit ins neue Haushaltsjahr hinein. In Zukunft werden wohl vielfach Gemeinden und Kirchenkreise die wenig befriedigende Erfahrung machen müssen, was es heißt, eine „haushaltslose Zeit“ zu überstehen. Erneut kommen erhebliche Belastungen auf die Verwaltungen und insbesondere die Kreissynodalvorstände zu, was den Kostenaufwand für Verwaltung und Organisation zu Lasten der kirchlichen Arbeit mit Menschen weiter steigern dürfte.

Bewertungen
Was mit der „Haushaltskonsolidierung“ auf der Ebene der Landeskirche begonnen hat, soll nun offenbar auf dem Verordnungswege bis hin zu kleinsten Kirchengemeinde vor Ort durchgedrückt werden: ein Leitungshandeln, das sich in fataler Einseitigkeit an Finanzgrößen orientiert, Menschen immer mehr aus dem Blick verliert und sich trotz deutlich steigender Kirchensteuereinnahmen einem für die kirchliche Arbeit schädlichen Finanz- und Spardruck hingibt. Folgendes ist darüber hinaus anzumerken.
1. Der Finanzdruck ist hausgemacht und von einigen Akteuren gewiss auch gewollt, da man der Ansicht ist, nur so strukturelle Veränderungen durchsetzen zu können. Die gleiche Kirchenleitung, die sich jetzt Kirchenkreise und Gemeinden mit fiskalischer Strenge zur Brust nehmen will, hat vor kurzem erst wenig kostenbewusst auf dem Verordnungsweg die teure Verwaltungsstrukturreform auf den Weg gebracht. Die landeskirchliche Ebene hat ebenfalls durch die immer komplexere und kostenintensive NKF-Implementierung die Verantwortung dafür, dass viele Kirchenkreise am Rand der finanziellen Handlungsfähigkeit stehen. Angesichts dessen, dass man Kirchenkreisen und Gemeinden außerordentlich kostenaufwendige Aufgaben zuschustert, wirken die Änderungen der KF-VO perfide und destruktiv.
2. Seit Jahren planen zahlreiche Kirchenkreise und Gemeinden mit Rücklagenentnahmen zum Haushaltsausgleich. Dennoch konnten sie vielfach – jedenfalls bis zur Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform – ihre Rücklagensituation sogar stetig verbessern. Der Grund: die in der letzten Zeit sogar noch gewachsene Diskrepanz zwischen den Planungsvorgaben der Landeskirche und dem tatsächlichen Ergebnis. Die Zahlen für das Haushaltsjahr 2014 belegen dies einmal mehr. Planungsgrundlage war ein Betrag von 585 Mio. €, das Ergebnis liegt bei einem Netto-Kirchensteueraufkommen von tatsächlich 655 Mio. € – also ca. 70 Mio. € mehr als geplant, was einer Abweichung von fast 12% entspricht. Wer hier von „unerwarteten Mehreinnahmen“ spricht, wie es der Finanzchef der EKiR Bernd Baucks gerne tut, muss erklären, welche überraschenden ökonomischen Effekte diese Mehreinnahmen verursacht haben. Dies wird jedenfalls im Blick auf die zurückliegenden Haushaltsjahre nicht gelingen, denn seit Jahren haben wir eine sehr solide Beschäftigungssituation, in letzter Zeit eine wenig überraschende positive Lohn- und Gehaltsentwicklung und ein eher moderates Wirtschaftswachstum. Wenn unter stabilen ökonomischen Rahmenbedingungen bei kaum spürbaren Veränderungen im Steuerrecht eine derartige Diskrepanz zwischen Planung und Ergebnis auftritt, handelt es sich eben nicht um „unerwartete Mehreinnahmen“, sondern um eine Fehlplanung. Kirchenkreise und Gemeinden zum Ernstnehmen dieser fragwürdigen Planungsgrundlagen verdonnern zu wollen, ist eine Zumutung! Wünschenswert wären in der Tat Planungsgrundlagen der Landeskirche, die man wieder ernst nehmen kann, wo also die Abweichung zwischen Planung und Ergebnis nicht bei 12% und mehr liegt sondern zwischen tolerablen 2-3%.
3. Es wird Regionen in unserer Landeskirche geben, in denen es kirchlichen Körperschaft gelingt, bereits trotz dieser offenkundigen Mängel bereits bei der Planung ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Es handelt sich hierbei um ökonomisch starke Gebiete mit geringen Gemeindegliederverlusten und sogar wachsenden Gemeindegliederzahlen. Die Mehrzahl der Kirchenkreise vor allem in den strukturschwachen Regionen sind in einer völlig anderen Situation. Hier sinken die Gemeindegliederzahlen auf Grund der ökonomischen Schwäche teilweise drastisch. Steigende Kirchensteuereinnahmen kommen hier kaum an, da sich die Verteilung von Finanzmitteln beim übersynodalen Finanzausgleich an der Anzahl der Gemeindeglieder orientiert. Die Veränderungen der KF-VO erhöhen hier, wo Solidarität nötig wäre, den Druck in unerträglicher Weise.

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