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Kehrtwende im Rheinland. Von Manfred Alberti.

01/2018

Viele rheinische Gemeinden klagen seit Jahren über die Lasten, die ihnen durch die massiv ausgeweitete Macht und Kosten der Kirchenkreisverwaltung und die Entmachtung der Presbyterien und der Gemeindeebene entstanden sind.

Nun haben Kirchenleitung und Landessynode auf der Landessynode 2018 mit dem „Erprobungsgesetz“ eine Notbremse gezogen: Gemeinden und Kirchenkreise können bei fast allen kirchlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Kirchenordnung in den nächsten fünf Jahren die Initiative ergreifen, Neuerungen mit jeweiliger Genehmigung der Kirchenleitung auszuprobieren. Den zunehmend ihrer Verantwortung beraubten Gemeinden wird damit wieder die Möglichkeit eingeräumt, kirchen- und gemeindegestaltend aktiv zu werden. Die Basis kann wieder Gemeindearbeit so strukturieren, wie es für ihre individuelle Gemeinde gut ist.

„Abgehakt“ sind damit die Träume in dem Papier der AG „Leichtes Gepäck“ von einer weitgehenden Autonomie der Kirchenkreisebene. Bei der Erprobung von Abweichungen von bisherigen Vorschriften und Verordnungen, von Regelungen der Kirchenordnung und von Gesetzen entscheidet auch in Zukunft die Kirchenleitung. Eine Interessenabwägung zwischen Gemeinden und Kirchenkreis ist damit gewährleistet.

Mit dem von der Kirchenleitung vorgelegten Erprobungsgesetz (EPG) (Drucksache 16 http://www.ekir.de/www/downloads/DS16Erprobungsgesetz.pdf geändert durch P 10 http://www.ekir.de/www/downloads/P10-Erprobungsgesetz.pdf , ausg. §1 Abs.3e) hat die Landessynode einen Rahmen geschaffen, in dem Kirchengemeinden und Kirchenkreise Möglichkeiten bekommen können, wie sie z.B. ihren „Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum“ (EPG § 1, Abs. 2) gegenüber den bisherigen Regelungen erweitern können. Durch die Erprobungen in örtlich begrenzten und auf längstens fünf Jahren befristeten Zeiträumen wollen Kirchenleitung und Landessynode Erkenntnisse über die Folgewirkungen von Regelungen gewinnen. Auf einer solchen Erfahrungsbasis können sie dann entscheiden, ob es sinnvoll ist, neue Regelungen in allgemein geltendes Recht einzubauen.

Die Landessynode hat Abschied genommen von der Vorstellung, mit einem Gesetz oder einer Verordnung die beste Lösung für alle Gemeinden oder Kirchenkreise des Rheinlandes treffen zu können. Ein größerer Spielraum für individuellere Lösungen wird der Bandbreite rheinischer Gemeinden eher angemessen sein.

Da sich neue Regelungen ausdrücklich auch beziehen können auf „die Aufgabenwahrnehmung durch kirchliche Verwaltungen“ (EPG §1 Abs. 3b), könnte Gemeinden z.B. die Möglichkeit eröffnet sein, Gemeindeaufgaben wieder in die eigenen Hände zu bekommen:

Bauverwaltung durch professionell kompetente ehrenamtliche Baukirchmeister statt durch Verwaltungsmitarbeiter,

ehrenamtlich zu bewältigende Aufgaben können wieder auf die Gemeindeebene zurückgegeben werden,

eigenes Gemeindeamt durch teilweise Übernahme von Verwaltungsaufgaben wieder in eigene Verantwortung,

mehr Personalverantwortung und Stellenanteile für die eigene Gemeindearbeit, statt aufgeblähte Verwaltungen finanzieren zu müssen, etc. etc.

Gemeinden eröffnet sich so die Chance, starre Regelungen des Verwaltungsstrukturgesetzes und des Personalplanungsgesetzes für sich probeweise aufheben zu lassen zugunsten einer gemeindenäheren Verwaltung, die besser die Gemeindearbeit unterstützt als ferne Verwaltungsämter.

Mit dem Erprobungsgesetz kann auf die unterschiedlichen Situationen der 694 rheinischen Gemeinden wesentlich individueller und somit besser eingegangen werden. Zukünftige Regelungen gleich welcher Art werden dann frühzeitig auf ihre Wirksamkeit überprüft und durch eine Art „best practice“ optimiert.

Jetzt sind der Ideenreichtum und die Initiativen der Gemeinden gefragt, damit zukünftig kirchliches Recht nicht Gemeindearbeit unnötigerweise belastet und einschränkt, sondern die Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume der Verantwortlichen an der Basis, der PresbyterInnen, der Gemeindeglieder, der haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen und der PfarrerInnen gestärkt werden.

Eine Neuerung des Erprobungsgesetzes ist im wahrsten Sinne sensationell: Gemeinden können sich mit ihren Erprobungsvorschlägen erstmals direkt an die Kirchenleitung (natürlich auf dem Dienstweg) wenden. Sie müssen nicht den Weg über eine Mehrheit in ihrer Kreissynode suchen, um einen Vorschlag an die Landessynode richten zu können. Natürlich werden Kirchenkreisinstitutionen im Rahmen des Verfahrens um ihre Stellungnahme gebeten, aber die Initiative von Gemeinden kann sich direkt an die Kirchenleitung richten.

Damit führt die Landeskirche auch eine Möglichkeit ein, schnell und ohne auf den jährlichen Turnus der Synode angewiesen zu sein, Neuerungen (probeweise) installieren zu können. Erprobte gute Vorschläge könnten andere Gemeinden aufgreifen und für sich nutzen. Die Gemeindeebene, in der presbyteriale Leitungsgremien in der direkten Kommunikation mit den Gemeindegliedern stehen, bekommt damit wieder ein ihr angemessenes Gewicht bei der Gestaltung kirchlicher Arbeit.

Wenn jetzt die Gemeinden die neuen Möglichkeiten wahrnehmen und nutzen, kann dieses Erprobungsgesetz ein riesiger Schritt zu guter Gemeindearbeit und zu vernünftiger Aufsicht und Leitung sein. Nachdem sich die gewaltigen Nachteile der Umwälzungen durch Verwaltungsstrukturgesetz, NKF etc. für die Gemeinden und damit für die Basis unserer Kirche nicht mehr verschweigen lassen, kann man sich nur freuen, dass sich Kirchenleitung und Landessynode zu einem solchen mutigen Schritt der Umkehr entschlossen haben.

Anm. F.S.: Mutiger Schritt der Umkehr?

 

EKiR: (neue) Ökumene als Bußübung: „… dass unser ganzes Leben eine Buße sein soll“…

22.11.17

Ein ökumenisches Wegzeichen des Bistums Trier
und der Evangelischen Kirche im Rheinland
aus Anlass des Reformationsgedenkens 2017

Das Anliegen der Reformation des 16. Jahrhunderts
und die Feierlichkeiten des Reformationsfestes 2017
erinnern alle christlichen Kirchen daran, dass Buße, Umkehr
zu Jesus Christus und die Erneuerung durch sein
Evangelium, eine bleibende Aufgabe aller Kirchen ist.
Wir bekräftigen, uns auch weiterhin regelmäßig über
die Reformprozesse in unseren Kirchen auszutauschen,
dabei noch mehr voneinander zu lernen und auch die
Erfahrungen der Gemeinden in den Mitgliedskirchen
der ACK einzubeziehen und zu würdigen.
Wir vereinbaren, einander darin zu helfen, wieder neu
im Glauben auskunfts- und sprachfähig zu werden. …

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dazu passend: Themenpaket der EKiR zur Wallfahrt „Heiliger Rock“

EKiR: Neue Töne aus dem Landeskirchenamt? Von Kirchenbunt

10/2017

In der neuen EKiR-Info gibt es manch erstaunlichen Satz zu lesen …
Beitrag vom 23. Oktober 2017 von kirchenbunt
In der Oktober-Ausgabe 2017 der Zeitschrift EKiR.info ist mancher Satz zu lesen, den Kritiker der Reformprozesse lange vermisst haben. So antwortet Oberkirchenrat Baucks auf die Frage, ob „als Folge synodaler Entscheidungen immer mehr Kirchensteuermittel an die höheren Ebenen der Kirche“ geflossen seien: „Kirchenleitung und Landessynode machen sich intensiv Gedanken zum Thema Kirchensteuerverteilung. Dabei sind Gerechtigkeit und Handlungsfähigkeit zentrale Kriterien. Um mehr Effizienz und Qualität zu erreichen, hat die rheinische Kirche in den vergangenen Jahren punktuell Aufgaben zentralisiert. Insgesamt sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Presbyterien dadurch auch kleiner geworden. …

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EKiR: Statt Überraschungscoup kompetente Leitung. Überlegungen zu einer Synodenreform. Von Pfr. i.R. Manfred Alberti.

07/2017, Deutsches Pfarrerblatt

Anhand der Praxis in der EKiR soll deutlich gemacht werden, wie die Überforderung von Synodalen und die Ausgrenzung der Gemeinde aus dem Beratungsprozess Interessengruppen die Durchsetzung ihrer Interessen erleichtern und gut durchdachte Synodenentscheidungen verhindern. …

…Überrumpelung durch Überraschung

Überraschungen sind gut – für Geburtstage. Aber sind sie auch gut für kirchenleitende Synodenentscheidungen? Natürlich nicht, denn bei Synodenentscheidungen sind eher fundierte Informationen, abwägendes Überlegen und offenes Diskutieren angebracht. Dennoch spielt das Überraschungsmoment bei Synodenentscheidungen eine zentrale Rolle. Die Vorlagen werden oft erst kurz vorher den Synodalen zur Kenntnis gegeben, so dass ihre Zeit zur Bearbeitung und zum kritischen Nachdenken sehr begrenzt ist. Die Ergebnisse eines solchen Prozesses unter starkem zeitlichen Druck sind sicher selten optimal, wie unzählige später bereute Entscheidungen deutlich machen: Die Synodalen wurden mit einem Überraschungsmoment überrumpelt.

Das Überraschungsmoment ist in der Evang. Kirche im Rheinland (EKiR) extrem, wenn 1500 Seiten Synodenvorlagen erst kurz vor Weihnachten versandt werden und schon bald nach Neujahr die Synode beginnt. Durch das heute per Internet leicht mögliche frühzeitige Einbinden aller Synodalen und von fachkundigen Gemeindegliedern in den Entstehungsprozess einer Vorlage könnten in den Synoden von Landeskirchen, Dekanaten, Kirchenkreisen und in der EKD-Synode erheblich bessere Vorlagen entstehen. Die mitberatende Einbindung von Gemeindegliedern und ihrer Kompetenzen könnte eine ganz neue Tiefe erreichen. Das Synodensystem mit repräsentativer Demokratie würde so wieder mehr in der Gemeindebasis verankert werden, wie es dem ursprünglichen evangelischen Gemeindeverständnis entspricht…

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Ein Schiff auf Sand. Anmerkungen zum Zustand der Ev. Kirche im Rheinland im Jahr des Reformationsjubiläums

04/2017, Von Hans-Jürgen Volk

 

… Ceterum censeo: In strategischer Hinsicht betreibt die EKiR Selbstdemontage. Sie entwickelt sich zu einer Behördenkirche mit gut ausgebauter Investmentabteilung, der die Basis mehr und mehr wegbricht. Eine Umkehr, wie das „Wormser Wort“ sie fordert, ist dringlicher denn je.

 

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Kirchengemeinden: Körperschaftstatus bewahren!

23.02.2017, Kirchenbunt

In seiner Übersicht verdeutlicht Dr. Hartmut Becks, warum es wichtig ist, den Körperschaftsstatus der Kirchengemeinden nicht anzutasten!

Die rheinischen Kirchengemeinden besitzen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR). Eher beiläufig formulierte Bemerkungen aus den Reihen der Kirchenleitung lassen vermuten, dass im Landeskirchenamt mehr oder weniger offen darüber diskutiert wird, ihnen diesen Status streitig zu machen. Schon jetzt gibt es Anzeichen dafür, dass schleichend und in kleinen Schritten die Voraussetzungen geschaffen werden, die Körperschaftsrechte der Kirchengemeinden soweit zu beschneiden, dass ein entsprechender Status obsolet wird. …

 

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EKiR: Bericht des Vorsitzenden des Pfarrvereins in der Mitgliederversammlung in Bonn

02/2017, Bericht von Friedhelm Maurer gehalten am am 7.11.2016

… Das große Reformationsjubiläum stellt eine große Chance dar, uns wieder darauf zu besinnen, was Kirche heißt. Die reformatorische Minimalbestimmung der notae ecclesiae sollte wieder bewusst werden im Angesicht einer Situation, in der Verwaltungsdenken unsere Kirche zu einer Behördenkirche aufbläht. Wo das Evangelium wiederentdeckt wird, reformiert sich Kirche durch das Wort Gottes selbst. Die Reformation war eine Predigtbewegung und lief nicht Gefahr, in „Struktur- und Reformprozessen“ zu ersticken.
Andreas Kahnt, der Vorsitzende des Verbandes Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V., dem etwa 21.000 Pfarrerinnen und Pfarrer angehören, hat in seinem Vorstandsbericht auf der Mitgliederversammlung am 26.September 2016 in Travemünde in aller Klarheit Stellung genommen zu dem unsäglichen Reformprozess, der vor zehn Jahren mit dem „Impulspapier“ der EKD „Kirche der Freiheit“ in Gang gesetzt wurde: …

Zu einer Rückschau auf zehn Jahre Impulspapier wurde der Verband trotz eines konstruktiven Gesprächs des Verbandsvorsitzenden mit dem Leiter des Reformbüros nicht eingeladen. Nun war zu erfahren, dass die Veranstaltung ausgefallen ist. Das ist schade. Es hätte ein schönes Forum fröhlicher Auseinandersetzung werden können.“…

Auch wir in der Kirche haben zuallererst ein Problem in der Leitung. Wer trägt die Verantwortung für die Einführung der Doppik?

Der vollständige Vortrag, vgl. S. 10

Ein Schiff auf Sand. Anmerkungen zum Zustand der Ev. Kirche im Rheinland im Jahr des Reformationsjubiläums. Von Hans-Jürgen Volk.

01/2017

Martin Luther war wahrhaftig kein Heiliger. Prägend für den Protestantismus ist jedoch sein Auftritt auf dem Wormser Reichstag 1521. Das Schicksal von Jan Hus noch im Gedächtnis, der trotz Sicherheitszusagen im Rahmen des Konstanzer Konzils als Ketzer verbrannt worden war, widersetzt sich Luther dem autoritären Ansinnen auf Widerruf seiner Positionen, wie er sie insbesondere in den 1520 erschienen Schriften „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ zum Ausdruck gebracht hatte. Luther sagte damals: „… wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“

Trotz des Netzwerks an Unterstützern, zu dem eine Reihe von einflussreichen Landesfürsten gehörte, offenbart diese Haltung Mut. Ein einzelner Theologe stellt sich der sich selbst sakralisierenden Großorganisation „Kirche“ entgegen, die in der damaligen Zeit keinerlei Skrupel hat, vermeintliche oder tatsächliche Widersacher auf demütigende und schmerzhafte Weise ins Jenseits zu befördern.

Offene Debatten nicht gewünscht!
Blickt man auf die Landessynoden der Ev. Kirche im Rheinland (EKiR) der vergangenen Jahre, so wird man von diesem mutigen, widerständigen und organisationskritischen Geist Luthers bestenfalls Spurenelemente ausmachen können. Es ist zu befürchten, dass sich dies auch bei der Landessynode im Jahr des Reformationsjubiläums kaum anders darstellen wird.
Diese fehlende Debattenkultur hat für die EKiR schädliche Nebenwirkungen. Falsche Weichenstellungen werden so verstetigt. Neue Fakten, die diese falschen Weichenstellungen in Frage stellen, werden nicht genügend wahrgenommen oder gänzlich ignoriert. Offenkundige Baumängel werden nicht behoben, sondern hinter Putz verbaler Euphemismen verborgen. Dies gefährdet zunehmend die Statik des gesamten Kirchengebäudes.
Es wird immer deutlicher, dass die grundsätzlichen Bedenken im Blick auf zentrale Umbauprojekte wie der Verwaltungsstrukturreform, der Einführung des neuen kirchlichen Finanzwesens (NKF) oder zum Thema „Personalplanung“ mehr als berechtigt waren. Empfohlen sei eine durchaus kritischer Blick die „Zwischenrufe“ und hier vor allem auf die Beiträge aus dem Jahr 2011 unter den Rubriken EKiR, „Kirche und Geld“ und „Landessynode“. Leider ist aus heutiger Sicht festzustellen, dass die damaligen Befürchtungen vielfach durch die Realität negativ überboten worden sind.
In etlichen Kirchenkreisen haben sich die Vollzeitstellen in der Finanzverwaltung vervielfacht. Begründet wird dies in der Regel mit dem erhöhten Aufwand durch das NKF. Aber auch in anderen Arbeitsfeldern kommt es, beflügelt durch die von der Kirchenleitung empfohlenen Vorgaben zur Personalbemessung, zu einem Stellenaufwuchs bei den zentralen Verwaltungen.
Die Kosten für den erhöhten Finanzbedarf tragen überwiegend die Kirchengemeinden, deren Finanzlage in einigen Regionen der Landeskirche immer prekärer wird.
Der Personalplanung der Kirchenkreise wird hierdurch die finanzielle Basis entzogen. Stellen im Küsterdienst, in der Jugendarbeit oder der Kirchenmusik sind gefährdeter denn je. Gemeindefusionen werden vorangetrieben und kirchliche Häuser aufgebeben, auch um die gestiegenen Verwaltungskosten zu stemmen. Nahezu überall werden Stellen reduziert, in jedem Fall gilt dies immer noch für den Pfarrdienst. Gegen den Trend wächst in der EKiR zur Zeit alleine die Verwaltung.
Von dem an sich guten Gedanken des „Personalmix“ kann angesichts einer derartigen Entwicklung keine Rede mehr sehr. In einigen Kirchenkreisen ist absehbar, dass in wenigen Jahren bei ungebremster (Fehl-)entwicklung die Anzahl der Vollzeitstellen in der zentralen Verwaltung mindestens doppelt so hoch sein werden, wie z.B. im Pfarrdienst. Die bittere Wahrheit ist, dass, um die steigenden Verwaltungskosten zu schultern, Stellen in anderen Arbeitsfeldern reduziert oder ganz gestrichen werden und Einrichtungen wie Jugendzentren, Büchereien oder Kindertagesstätten bedroht sind.
Es wäre die Aufgabe der Landessynode, eine gründliche Evaluation dieser Umbauprozesse zu fordern. Die Pflicht insbesondere der Superintendenten aus strukturschwachen Regionen wäre, die prekäre Situation in ihren Kirchenkreisen offensiv zu thematisieren. Man darf gespannt sein!

Die Fiktion von einer „Kirche mit leichtem Gepäck“
Das Kirchenschiff der EKiR hat kräftig Schlagseite und hängt fest auf der Sandbank aufreibender Selbstbeschäftigung, mit der man es nunmehr vor allem in den Kirchenkreisen zu tun hat. Trotz des enormen Aufwands zeigen wichtige „Kennzahlen“ wie die Mitgliederentwicklung oder die Teilnahme an unseren Gottesdiensten tendenziell nach unten. Es geht nicht voran, jedenfalls nicht in die richtige Richtung.
Im Rahmen der Sondersynode von Hilden entwickelte Manfred Rekowski das Bild von einer „Kirche mit leichtem Gepäck“. Ein enormer Finanzalarmismus veranlasste die Synode dazu, ein drastisches Sparprogramm zu beschließen.
Basis der den Beschlüssen zu Grunde liegenden Berechnungen war ein Netto-Kirchensteueraufkommen von 575,4 Mio. € sowie ein strukturelles Defizit im landeskirchlichen Haushalt von ca. 8. Mio. €. Ausgelöst wurde der schon damals nicht plausible Finanzalarmismus durch die nach den EKD-Vorgaben des sog. „erweiterten Solidarpakts“ zu geringe Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche.
Die Sondersynode in Hilden folgte der Kirchenleitung und beschloss im November 2013, ein Sparpaket („Aufgabenkritik“) in Höhe von 8 Mio. € bereits bis 2015 und weitere Kürzungen in Höhe von 12 Mio. € bis 2018 auf den Weg zu bringen. Insgesamt sollte der Haushalt der Landeskirche um drastische 35% reduziert werden.
Mittlerweile hat sich die Einnahmesituation der EKiR derart verbessert, dass den damaligen Beschlüssen jegliche sachliche Grundlage entzogen ist. Seit 2005 erleben wir eine Phase stetig steigender Kirchensteuereinnahmen, die lediglich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 etwas gedämpft wurde. 2005 gab es ein Nettokirchensteueraufkommen von 492 Mio. €. Für 2017 können wir mit einem Betrag von 710 Mio. € planen. Dies entspricht einer Steigerung von 218 Mio. € (30,70 %). Im Vergleich zu 2013 ergibt sich eine beachtliche Steigerung von 134,6 Mio. €. (18,87%), was deutlich macht, dass sich die positive Entwicklung bei den Kirchensteuereinnahmen verstärkt hat.
Da ist es verblüffend offen, wenn in der Drucksache 1.2 „Bericht über den Stand der Umsetzungen aus der Aufgabenkritik und zur Weiterarbeit an der Umsetzung der Haushaltskonsolidierung“ folgender Satz zu lesen ist: „Unabhängig von Veränderungen gegenüber der Ausgangssituation im Jahr 2013 hält die Kirchenleitung an den Zielen der Aufgabenkritik und der Haushaltskonsolidierung fest. Die angestrebten Veränderungen sind notwendig, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben.“
Sparen als purer Selbstzweck? – Wohl eher nicht. Es geht tatsächlich um eine Umschichtung von Mitteln. Organisation und Verwaltung werden gestärkt. Mindestens 25% des Netto-Kirchensteueraufkommens dienen zur Absicherung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche. Überall dort, wo Menschen in direktem Kontakt mit Menschen arbeiten, werden Mittel abgezogen, Einrichtungen geschlossen und Stellen abgebaut.
Das schwere Gepäck explodierender Verwaltungskosten sowie in astronomische Höhen steigender Finanzabflüsse, die zur Kapitalbildung dienen, bringt das Kirchenschiff in Schräglage. Wäre einem an einer positiven Entwicklung kirchlicher Arbeit gelegen, so würde man angesichts der positiven Entwicklung bei den Kirchensteuereinnahmen durch eine moderate Senkung der Versorgungsicherungsumlage um 2-4 Punkte etwas Luft geben. So aber pumpt man alles, was man hat in Richtung Versorgungskasse und offenbart damit ein geradezu naives Zutrauen in die zukünftige Integrität der Finanzmärkte.

„Ohne Druck geht es nicht“
Auf S. 5 und 6 der Vorlage werden u.a. die sozialen Folgen des Sparkurses angesprochen. Zu loben ist auch hier wieder die Offenheit in der Analyse, aus der hervorgeht, dass gering Qualifizierte und hier wiederum vor allem Frauen am stärksten betroffen sind. Deutlich wird, dass hier rote Linien überschritten werden. Obwohl theoretisch genügend Finanzmittel vorhanden wären, verlieren vor allem die „Kleinen“ durch Stellenstreichungen und Outsourcing gesicherte Arbeitsplätze.
Warum hält man derart ideologisch am einmal eingeschlagenen Kurs fest, obwohl sich die Finanzlage deutlich verbessert hat?
Es gibt starke Indizien dafür, das hinter all dem das simple, jedoch zutiefst autoritäre und elitäre Ressentiment steht, ohne Finanzdruck käme man nicht zu den gewünschten strukturellen Veränderungen. Ich möchte dies am Beispiel des „Hauses der Stille“ verdeutlichen.
Es ist eine politische Entscheidung, ob man eine derartige Einrichtung vorhalten möchte oder nicht. Ich persönlich gehöre zu denen, die einen derartigen Ort gerade in unseren hektischen Zeiten für unentbehrlich halten. Dann allerdings sollten man denen, die dort die fachliche Arbeit leisten, auch den Rücken freihalten. Das Gegenteil geschieht. Auf S. 19 der Vorlage wird festgehalten, dass von den angestrebten 333.430 € an Einsparvolumen bereits 263.430 € erreicht worden sind. Es bleibt ein Restbetrag von 70.000 €. Dennoch lassen die Beschlussvorschläge die Zukunft dieser Einrichtung weiter offen, was zwangsläufig die dort Beschäftigten unter Druck setzen muss. Noch einmal, es geht um 70.000 €, mehr nicht. Kirchenkreise stocken im Augenblick in erheblich größerem Umfang Stellen insbesondere in der Finanzbuchhaltung auf. 70.000 € sind in etwa die Kosten für einen qualifizierten Finanzbuchhalter. Eine Kirche, die derart schräg ihre Prioritäten setzt, ist auf dem falschen Weg.
Ceterum censeo: In strategischer Hinsicht betreibt die EKiR Selbstdemontage. Sie entwickelt sich zu einer Behördenkirche mit gut ausgebauter Investmentabteilung, der die Basis mehr und mehr wegbricht. Eine Umkehr, wie das „Wormser Wort“ sie fordert, ist dringlicher denn je.