Die ethnische Vielfalt in amerikanischen Gemeinden nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Schwulen und Lesben. Zu diesem Ergebnis kommt die dritte Nationale Gemeindestudie der USA. Zugleich geht die Anzahl der Gemeinde- und Kirchenmitglieder insgesamt zurück.
Die Studie zeigt freilich allein die inneramerikanische Entwicklung der Gemeinden. Spannend(er) wäre der Vergleich der amerikanischen mit europäischen bzw. deutschen Situation. Diesen Vergleich kann man sich anhand der hier für die einzelnen Untersuchungsthemen genannten Ausgangswerte selbst erschließen.
Wandel der amerikanischen Gemeinden: Ergebnisse der dritten Nationalen Gemeinde-Studie der USA
Zusammenfassung
Die dritte US-amerikanische Nationale Gemeindestudie (National Congregations Study, NCS) wurde 2012 durchgeführt. Im Rahmen des General Social Servey wurden gläubige Teilnehmer gebeten, ihre Gemeinde zu nennen, um ein repräsentatives nationales Profil der Gemeinden über das gesamte religiöse Spektrum hinweg zu erhalten. Daten über diese Gemeinden wurden durch 50-minütige Interviews mit je einem Haupt-Informanten von insgesamt 1.331 Gemeinden gesammelt. Dabei wurden Informationen über verschiedene Aspekte der sozialen Zusammensetzung, der Struktur, der Aktivitäten und der Programmgestaltung der Gemeinden ermittelt. Etwa zwei Drittel des Fragebogens wiederholt Fragen, die bereits in der ersten und zweiten Studie (d.h. 1998 und 2006/07) gestellt wurden. Entsprechend ihrer geographischen Lage wurde jeder Gemeinde ein Code zugeteilt, und ausgewählte Daten der US-Volkszählung 2010 und des American Community Servey wurden ergänzt. Wir beschreiben die Methodik der dritten Nationalen Gemeindestudie und nutzen das gesamte NCS-Datenset (das 4.071 Fälle beinhaltet), um fünf Trends zu beschreiben: mehr ethnische Vielfalt, höhere Akzeptanz von Schwulen und Lesben, zunehmend informelle Gottesdienst-Stile, abnehmende Gemeindegröße (jedoch nicht aus Perspektive des durchschnittlichen Gemeindemitglieds) sowie abnehmende Kirchenmitgliedschaft.
Die zunehmende ethnische Vielfalt zeigt sich daran, dass der Anteil derjenigen Befragten, in deren Gemeinden keine ethnische Gruppe allein mehr als 80 Prozent der Mitglieder stellt, von 15,3 Prozent (1998) auf 19,7 Prozent (2012) angestiegen ist. Die steigende Vielfalt lässt sich außerdem daran festmachen, dass der Anteil derjenigen, die ausschließlich „weiße“ Gemeinden besuchen, seit 1998 um etwa die Hälfte auf nunmehr 11 Prozent gesunken ist. Interessanterweise gibt es keinen entsprechenden Anstieg an ethnischer Vielfalt in vorwiegend „schwarzen“ Gemeinden.
Inwieweit die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in den Gemeinden angestiegen ist, wurde durch zwei Fragen ermittelt: Können in homosexuellen Beziehungen lebende Menschen vollwertige Gemeindemitglieder sein (hier stieg der Anteil der Ja-Antworten von 2006 bis 2012 von 37,4 auf 48 Prozent)? Und können sie ehrenamtliche Leitungsfunktionen übernehmen (hier stieg der Anteil an Ja-Antworten im gleichen Zeitraum von 17,7 auf 26,4 Prozent)?
Dass der Trend zudem in Richtung informeller Gottesdienstgestaltung geht, zeigt der steigende Anteil derjenigen, die Gottesdienste besuchen, in denen Schlagzeug gespielt, gesungen, geschrien, getanzt wird, in denen die Hände zum Lob erhoben werden, in denen (Video- oder Bild-)Projektionen eingesetzt werden, Menschen einander während des Gottesdienstes grüßen oder in denen in Zungen geredet wird.
Die Studie ergab außerdem, dass die Gemeindegröße im Schnitt abnimmt. So lag der Mittelwert an Personen, die aktiv in einer Gemeinde engagiert sind, 2006 bei 150, 2012 nur noch bei 135 Personen. Interessanterweise hat sich die Gemeindegröße aus der Perspektive des durchschnittlichen Gemeindemitglieds im gleichen Zeitraum vergrößert. Dies liegt daran, dass mehr Kirchgänger sich in wenigen großen Gemeinden konzentrieren, als dies zur Zeit der vorherigen Erhebnungen der Fall war.
Ein weiterer Trend zeigt, dass immer mehr Gemeinden nicht formal an eine bestimmte Kirche angeschlossen, sondern selbstständig sind. Dies war 1998 für 18 Prozent der untersuchten Gemeinden der Fall, 2012 traf es für 24 Prozent zu.