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Prof. Gerd Theißen contra Prof. Peter Scherle in Sachen ‚Aufgaben und Kompetenzen von Synoden‘.

06/2016

Prof. Peter Scherle, Herborn, hat auf der jüngsten Synode der EKHN mit einer denkwürdigen Kompetenzbestimmung für Synoden aufgewartet. Dazu wurde hier in den Wort-Meldungen schon ein kritischer Kommentar verfasst. Die dort schon genannten Beispiele für ablehnungsbedürftige Synodenvorlagen der Kirchenleitung ließe sich durch weitere Beispiele aus der Amtsperiode der zurückliegenden Synode ergänzen. Aufschlussreich wäre in diesem Zusammenhang die Frage, in wie vielen Fällen nicht ohne Grund  der Gang zum Kirchlichen Verfassungsgericht begangen wurde oder aber in Erwägung gezogen wurde.

Eine aufmerksame Leserin der Wort-Meldungen weist darüber hinaus auf ein den Inhalt unseres Kommentars unterstützende, nicht empirisch, sondern ekklesiologisch-organisatorisch argumentierende Position von Prof. Gert Theißen hin. Theißen schreibt den Synoden dabei sogar nicht nur Kontrollfunktion zu. Er geht darüber hinaus: die Zweck von Synoden ist es, Herrschaft generell zu begrenzen:

„SYNODEN dienen dazu, Herrschaft zu begrenzen.
Es darf niemand in der Kirche Herrschaft ausüben,
der nicht Rechenschaft ablegen muss.
Niemand hat einen unantastbaren Status.
Alle sind gewählt,
auch der Papst.
Keiner ist unfehlbar.
Kirchen ohne Demokratie verwandeln sich in Diktaturen.“

Aus: „Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus“, 3/2013, S. 304 (F.S.)

EKHN-Synode 1/2016. Herborner Theologieprofessor Peter Scherle: Kirchensynode hat keine Kontrollfunktion gegenüber Exekutive und Synodale haben sind keine Interessensvertreter (ihrer Dekanate/ Gemeinden)

06/2016, EKHN
„…Zuvor hatte Scherle auf die besondere Bedeutung des Zusammenspiels der verschiedenen Leitungsorgane in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hingewiesen. Obwohl die Synode vergleichbar mit einem demokratischen Parlament eine Gesetzgebungs- und eine Wahlfunktion sowie das Budgetrecht habe, übe sie keine „Kontrollfunktion gegenüber einer Exekutive“ aus. Es gehe aus evangelischer Sicht vielmehr um das „Zusammenwirken der Leitungsorgane“ wie der Kirchensynode, Kirchenleitung und der Kirchenverwaltung. Es gehe aus evangelischer Sicht vielmehr um das „Zusammenwirken der Leitungsorgane“ wie der Kirchensynode, Kirchenleitung und der Kirchenverwaltung. Im ursprünglichen Sinne bedeute das Wort Synode zudem eine „gottesdienstliche Versammlung derer, die miteinander auf dem Weg des Glaubens sind.“ Demnach sind die Synodalen nach Scherle auch keine Interessensvertreter. Vielmehr seien sie „allein Christus verpflichtet, nicht aber bestimmten Interessen, wie zum Beispiel denen einer Region oder bestimmter Handlungsfelder“. Als Synodale repräsentierten sie „die ganze Kirche, die sich wiederum als Zeugin Jesu Christi versteht“, so Scherle… Zum EKHN-Bericht.

Kommentar von Friedhelm Schneider:

Die Amtsperiode der neuen EKHN-Synode beginnt, Wahlen standen auf der aktuellen Tagung im Juni 2016 im Vordergrund. Aber doch mit pikanter Beilage: die Synodalen mussten offensichtlich nicht nur gewählt, sondern auch justiert werden. Von Prof. Peter Scherle wurden sie zu Beginn der Arbeit über das Wesen des Systems EKHN, die Aufgaben und Funktion der Synode belehrt. Nach manchen – im Falle schwacher Kirchenleitungsvorlagen – korrigierenden Entscheidungen früherer Synoden wurde eine solche Belehrung offensichtlich als notwendig erachtet. Schwache Kirchenleitungsvolagen?… wie etwa zu Pfarrstellenbemessung (2011, Wiedervorlage 2019) oder auch gravierenden Umsetzungsproblemen mit prinzipiell umstrittenen Entscheidungen, etwa bei der Doppik. Im letzeren Fall musste jüngst die Kirchenleitung den (Achtung Consultingdeutsch:) „roll out“ erneut um ein Jahr auf 2018 verschieben. Flopps sind also – leider – keine Einzelfälle. Und so erscheint zur Gewährleistung eines reibungslosen Durchgangs zukünftiger Vorlagen eine solche Belehrung, eine Justierung des Organs der Synode mittlerweile offensichtlich als notwendig.

Doch: sind Synoden, sind die Synodalen denn per se widerspenstig? Die Erfahrung lehrt das Gegenteil: die Synodalen erscheinen in der Regel als sehr auf Harmonie bedachte Geschöpfe aufzutreten. Was ist also los? Hat sich die nach Harmonie strebende Synode gewisse Funktionen wie die der Kontrolle etwa am Ende gar nicht selbst ausgesucht? Vielleicht wurde sie ihr geradezu aufgezwungen – aus der Verantwortung nicht nur für die entsendende Region, sondern für das große Ganze der Kirche (Scherle: Christus). Und sie folgt gerade im Widerspruch – gut protestantisch – ihrem Gewissen. Und damit – so viel lässt sich ja empirisch schon nachweisen – dem Besten der Kirche. Denn mittlerweile wurden solche Positionen des Widerspruchs der Synode(n) nur zu oft durch die nachfolgende Realität mehr als bestätigt: Pfarrerschelte und massiver Pfarrstellenabbau – wer von den Führungskräften wagte es, dafür heute noch einzustehen? Strukturreformen? wer schämte sich nicht, diese als eine zentrale Problemlösungsmittel für die Kirche propagiert zu haben? Last not least: Kirche der Freiheit, das Impulspapier der Kirchenreform? Völlig demontiert durch die 5. KMU, die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Alles Irrwege in einer Phase neoliberalen institutionellen Wandels auch der Kirchen, die vielleicht früher hätten gestoppt werden können, wenn in der Kirche eine Kultur des offenen Diskurses, ja des Widerspruchs bei wenig überzeugenden Vorlagen bestanden hätte. Wenn die Synode aktiv mit der Kontrollfunktion betraut worden wäre, für die die Rechnungsämter aufgrund von Amtsabhängigkeiten in Zeiten starken Veränderungsdrucks ganz offensichtlich vielfach überfordert waren. Und nun Professor Scherle, die Synode habe keine Kontrollfunktion! Um solche Aussagen zu treffen, muss man jegliche empirische Forschung konsequent ausblenden und tief in die Klamottenkiste eines platten Begriffsplatonismus greifen, wie Scherle es tut: „im ursprünglichen Sinn bedeutet das Wort Synode…“. Sorry, Herr Professor. Da war theologische und kirchliche Wissenschaft schon einmal weiter, viel weiter… Auf diesem Weg – so viel ist klar – werden die (teilweise selbstgeschaffenen und so zu benennenden) Probleme der EKHN (und der anderen Landeskirchen) nicht zu lösen sein.