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Kurswechsel in der evangelischen Kirche? Bemerkenswerte Einsichten zum Management in der Kirche bei Bischöfin Ilse Junkermann, EKM

Hier in den Wort-Meldungen kommen Führungskräfte der evangelischen Kirche selten zu Fragen der Führungstheorie (des Managements also) zu Wort. Der Grund liegt darin, dass in besagtem Personenkreis im letzten Jahrzehnt selten ein der Kultur des Protestantismus entsprechender Ansatz vertreten wurde. Leitend war vielmehr ein Reformkonzept der Reduktion auf Kernkompetenzen („sollte sich die bewusst auf Kernkompetenzen… konzentrieren“), der Reduktion von Komplexität („…komplexe Strukturen gehören im Berich der Kirche noch zur Alltagsrealität. Mehr Effektivtät heißt hier das Ziel“). Das alles auf der Basis von „Strukturreformen, Verbesserungen in den internen Abläufen, systematisches Mitarbeitermanagement“.  Alles Zitate, die das inhaltliche Fundament einer auf linearen Wachstumszielen und Reduktion von Komplexität beruhenden Reform beschreiben. Zitate, die entnommen sind einem „Gottes Hände tragen uns“ überschriebenen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 08.03.2002. Autor: Peter Barrenstein. Inhaltlich kennt man das Konzept vom Impulspapier „Kirche der Freiheit“.

Das war ein Weg mit enormen Risiken. Wir greifen das Beispiel Komplexität heraus, auf das Bischöfin Junkermann in ihrem Bischofsbericht rekurriert. Die Gefahren hier:  „‚Höhere Fähigkeiten erwachsen nur aus mehr Komplexität.’Dieser Umstand wird häufig übersehen. In zahlreichen, einschlägigen Büchern findet man Passagen, die sinngemäß lauten, dass man die Komplexität eines Systems reduzieren müsse, um es unter Kontrolle zu bringen. Das ist nur die halbe Wahrheit. Selten wird die damit einhergehende Gefahr erwähnt, das System selbst und seine wichtigsten Eigenschaften und Fähigkeiten zu zerstören.“ (Fredmund Malik, Management, S. 46). Genau dies scheint aber in der Kirche eingetroffen zu sein, dass nämlich wichtigste Eigenschaften und Fähigkeiten durch die sog. Reformen zerstört wurden. Denken wir nur an die intrinsiche Motivation der Mitarbeiterschaft. Denken wir an Vertrauen. Vieles mehr wäre zu nennen.

Auf diesem Hintergrund ist der folgende Abschnitt des Bischofsberichts von Bischöfin Ilse Junkermann, EKM, überaus bemerkenswert. Denn dort wird der Frage komplexer Systeme nicht ausgewichen. Und man wird der von ihr entwickelten Theorie folgen können. Leider fehlen Schlussfolgerungen für die Praxis. Als da wären:

1.  eine kritische Haltung  und Abwendung von den bisherigen Kirchenreformen. Das wird so leider nicht offen benannt.

2. die aktuelle Lage der ev. Kirche. Ein Kurswechsel der Kirchenpolitik beginnt leider nicht bei null, sondern mathematisch ausgedrückt, im Minusbereich:  Die Reformen haben bisweilen erhebliche Schäden angerichtet, die Situation ist verfahren.

Was zu tun wäre, beschreibt und fordert die Pfarrvertretung der EKiR dieser Tage. Die Bischöfin sollte sich also der Erklärung der EKiR- Pfarrvertretung anschließen. Denn eine gute Theorie ist nur der erste Schritt. (F.S.)

„In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg!“ – Bericht der Bischöfin Ilse Junkermann vor der Synode der EKM am 19. bis 22. November 2014 in Erfurt

„2.1. Sich bewegen in komplexem Gelände – Der wissenschaftliche Fokus
Was wir im Rückblick erkennen, gilt auch für unser Ausschau halten: Wir können beim Gehen eines Weges nicht vorher wissen, was unterwegs für gute Lösungen entstehen werden. Das mag jetzt in Ihren Ohren wie eine Floskel klingen. Doch darin liegt eine tiefe Wahrheit, die wir nicht ernst genug nehmen können beim Ausschau halten. Vor wenigen Wochen ist mir eine wissenschaftliche Reflexion aus der Prozesstheorie und Komplexitätsforschung begegnet, die diese Wahrheit sehr einleuchtend belegt und die ich Ihnen in der gebotenen Kürze für unseren Ausblick heute darstellen möchte. In ihrem jüngst erschienen Band „Gemeinde neu denken. Geistliche Orientierung in wachsender Komplexität“ 5 legt das Gemeindekolleg der Vereinigten Evangelisch- Lutherischen Kirche Deutschlands, das seit 2008 im Zinzendorfhaus in Neudietendorf seinen Sitz hat, ein bemerkenswertes Buch vor. Sein Leiter, Direktor Professor Dr. Reiner Knieling und Studienleiterin Pfarrerin Isabel Hartmann stellen darin die These auf, dass wir in der Kirche sehr häufig Entscheidendes verwechseln. Wir verwechseln, so ihre These, „komplizierte Probleme“ mit „komplexen Problemen“. Deshalb geraten wir mit unseren Problemlösungsstrategien leicht in Sackgassen…

Wir haben als Kinder unserer Zeit alle miteinander durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt gelernt, dass viele Probleme aus dem komplizierten Terrain in den letzten Jahren gelöst werden konnten. Deshalb sind wir versucht, alles für ‚kompliziert’ zu halten und damit für prinzipiell lös- und machbar, auch in der Kirche.
Der Dreischritt für die Bewegung im komplexen Gelände nach Hartmann / Knieling ist aber ein anderer. Er lautet: Probieren – Wahrnehmen – Reagieren. Ich zitiere: „Auf komplexem Terrain ist die Lösung nicht vorhersagbar, sondern sie entwickelt sich auf dem Weg. … Auf dem gemeinsamen Weg von Versuch und Irrtum und Reflexion und neuem Versuch und Irrtum tauchen Ideen auf, erwachsen Lösungswege und Handlungen.“  Der Fachbegriff in der wissenschaftlichen Debatte dafür ist „Emergenz“ – von lateinisch: emergere, d. h. „auftauchen (lassen)“ bzw. „entstehen“. Diese Emergenz bedeutet, ich zitiere weiter, „dass das, was sich entwickelt, mehr ist als die Summe der einzelnen Teile, aus denen es besteht“ …

Reiner Knieling und Isabel Hartmann plädieren in ihrem Buch für die „Förderung einer Kultur, in der Lösungen entstehen können, die nicht einfach aus dem Repertoire des Bestehenden generiert werden, sondern aus der Komplexität selbst heraus emergieren.“

Sie beschreiben Aspekte dieser emergenz-freundlichen Kultur. Dazu gehören Dinge, mit denen wir uns erst anfreunden müssen. Es sind Dinge wie:

Zaudern und Innehalten: Ich zitiere: „Zaudern ist ein erster Schritt, die Komplexität als solche ernst zu nehmen. Zaudern hegt Verdacht gegen Lösungen, die den Eindruck der Machbarkeit erwecken. … Zaudern ist eine geistliche Haltung, die aus dem Vertrauen auf Gott erwächst“

Intuition: Durch Gespür den Dingen auf die Spur kommen. Die Intuition hat – auch in der Kirche – häufig keine gute Presse, wer von „Intuition“ redet, macht sich verdächtig, ein Schwärmer zu sein. Die wissenschaftliche Debatte, z. B. in der Bildungsforschung, aber auch in der Ökonomie und in der Philosophie ist hier weiter. Für bestimmte Fragestellungen ist Intuition ein sehr präzises Werkzeug.
Und ein 3. Aspekt: Netzwerkorientierung für die Bewegung im komplexen Gelände: Netzwerke brauchen nicht initialisiert werden, sie sind bereits vorhanden. Netzwerke haben keine Grenzen und keine Formalitäten. Sie basieren auf Vertrauen…“  Zum Bischofsbericht:

EKHN: Bericht von der EKHN-Frühjahrssynode vom 08. – 10.05.2014

Neben den Berichterstattungen auf der Internetseite der EKHN
seien noch einige weitere Anmerkungen ergänzt:

1.) Die Beratungen über den Entwurf des umstrittenen Zuweisungssystems der Kirchenleitung, welches kleinere Gemeinden in Existenznöte treiben würde, sind in erster Lesung abgeschlossen worden. Dabei wurde deutlich, dass die Kirchenleitung die geäußerte Kritik durchaus aufgegriffen hat. Acht meist ländliche Dekanate hatten sich einem Alternativvorschlag angeschlossen, den zwei Synodale aus dem Dekanat Alzey eingebracht hatten. Vor allem über die Notwendigkeit eines Sockelbetrages für die gottesdienstliche Grundversorgung in kleineren Kirchengemeinden herrschte weitgehend Einmütigkeit. Finanzdezernent Striegler kündigte an, die Höhe eines Sockelbetrages für die Beratungen der Zweiten Lesung im Herbst auszuloten. Auch Kirchenpräsident Jung betonte die Absicht der Kirchenleitung bei der Weiterarbeit an dem Zuweisungssystem darauf zu achten, dass weder Fusionshemmnisse noch Fusionsförderungen zum Tragen kommen sollen. Die Beratungen werden nun bis zur Herbstsynode in den Ausschüssen weitergeführt.
2.) Die EKHN und der theologische Nachwuchs: Ausgelöst durch die Anfrage eines Synodalen hinsichtlich der Sinnhaftigkeit des vierstufigen Prüfsystems für den Theologennachwuchs (a: Potentialanalyse, b: Erstes Theol. Examen, c: Zweites Theol. Examen, d: Einstellungskommission) geriet vor allem das Verfahren der Einstellungskommission in den Fokus der Kritik. Es stellt sich die Frage, ob diese entbehrlich sei, zeige sie doch, dass die Kirchenleitung anscheinend ihren eigenen Prüfungsinstanzen a – c misstraut.
Sowohl Kirchenpräsident Jung betonte die Notwendigkeit einer Veränderung dieses Verfahrens, als auch der neu gewählte Personaldezernent Jens Böhm kündigte in seiner Vorstellungsrede eine baldige Neukonzeption an.
Der Rat der Vikarinnen und Vikare (RdV) hat dazu eine Stellungnahme_des_RdV_zum_Einstellungsverfahren verfasst. (siehe Anhang)
3.) Beteiligungsrechte der EKHN-Synode bei Personalentscheidungen:
Im Vorfeld der bei dieser Synode zu treffenden Personalentscheidungen (z. B. Wahl des Personaldezernenten) gab es bei nicht wenigen Synodalen Unmut, dass jeweils nur eine Person als Wahlvorschlag seitens der Kirchenleitung präsentiert wurde, trotz der Tatsache mehrerer Bewerbungen. Ein Synodaler formulierte diese Kritik in einer persönlichen Erklärung. Der Kirchensynodalvorstand nahm die Aussagen der Erklärung zur Kenntnis mit der Zusage einer inhaltlichen Prüfung.
4.) Kostenansatz für die Doppik: Bei der Anfrage eines Synodalen ging es darum, ob die von der Synode beschlossenen 9 Mio. Einführungsmittel ausreichen würden und wie momentan der Sachstand sei. In einer sehr ausführlichen Beantwortung der Anfrage gab die Kirchenleitung detailliert Auskunft über die bisher vollzogenen Schritte und deren Kosten. Der aktuelle Stand des Gesamtprojektbudgets zum Stichtag 30.04.2014 beträgt 7, 805 Mio. €.
Die Synode beschloss die Einführung der Doppik in einigen Pilotgebieten zum 01.01.2015. Nun gilt es, die Kostenentwicklung wachsam weiter zu verfolgen.
5.) Einer Neubildungskonzeption der Propsteibereiche durch die Kirchenleitung im Schnellverfahren erteilte die Synode eine Absage. Die geplante Aussetzung der im Juli vakant werdenden Stelle einer Pröpstin / eines Propstes für Südnassau konnte die Kirchenleitung nicht durchsetzen. Erhebliche rechtliche Probleme und Fragen wurden in dem von der Kirchenleitung vorgeschlagenen Weg deutlich. Die vakante Stelle wird nun gemäß Beschluss der Synode zeitnah ausgeschrieben. Die Neubildung der Propsteibereiche soll allerdings weiter verfolgt werden. TK

Zwei Reaktionen auf die Synode der EKiR – EKiR aus den Fugen

Die Landessynode scheut ernsthafte Korrekturen und verschärft den Bürokratieaufbau

Von Hans-Jürgen Volk

Es passt wenig zusammen in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Auf ihrer Landessynode in Bad Neuenahr, die vom 16.-22.01. 2014 tagte, präsentierte sich die zweitgrößte deutsche Landeskirche als mental wie strategisch aus den Fugen geraten. Die Widersprüche werden deutlich, wenn man den Präsesbericht von Manfred Rekowski und den Finanzbericht der Kirchenleitung, vorgetragen von dem Finanzdezernenten Bernd Baucks, nebeneinander legt. Mit am problematischsten ist die Diskrepanz zwischen der Stimmungslage der Synode, die Rekowski z.B. während der Abschlusspressekonferenz verbalisiert und dem Frust, der sich bei der Mitarbeiterschaft, in den Kirchenkreisen und den Gemeinden angestaut hat. Nimmt man nicht wahr, wie unbarmherzig provozierend diese zur Schau getragene Zufriedenheit mit dem eigenen Leitungshandeln auf die von Sparmaßnahmen betroffenen Beschäftigten wirken muss? Zum Beitrag.

http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/ekir/ekir-aus-den-fugen.php
Liebe Gemeinde,
es gibt Briefe, denen merkt man es an, dass wir nicht ihre ersten Adressaten sind. Trotzdem möchte ich Verse aus dem Hebräerbrief als Folie zur Kommen-tierung unserer letzten Landessynode nutzen. Der heutige Predigttext will das Handeln von 214 Synodalen in den Blick nehmen, die vor kurzem das zweit-größte evangelische Kirchenschiff auf Kurs bringen wollten. Mit welchem Kompass waren wir unterwegs? Wie wurden die Weichen für die Einsparung von 35% landeskirchlicher Ausgaben gestellt? Was 20 Mio. € weniger in der Kasse der Landeskirche für Bonn heißen könnte, war im Generalanzeiger zu le-sen, in der WDR-Lokalzeit zu verfolgen. Die drei Bonner Kirchenkreise ver-halten sich dazu bisher erstaunlich bedeckt. Könnten sie doch auch wie die drei Musketiere für ihre Einrichtungen mehr kämpfen. Stattdessen werfen sie lokaler Berichterstattung Provinzialismus vor. Was ich nicht verstehe, weil in Bonn doch das Koordinatensystem unserer gesamten Kirche in exemplarischer Weise zur Diskussion steht. Sollten wir uns vom Amos-Comenius-Gymnasium, wie auch vom Haus der Begegnung als größten südlichsten Standort unserer Landes-kirche, verabschieden müssen, führte dies zu Kollateralschäden für alle. Es geht doch dabei nicht um Lokalpatriotismus, sondern um die Justierung unseres zu-künftigen Kirche seins. Noch ist nichts entschieden, aber wir sollten hellwach. Nicht das wir morgen aufstehen und unsere EKiR nicht wieder erkennen. Was könnte im Getümmel um die Zukunft uns die nötige Orientierung geben? Der Hebräerbrief, das Judentum, Martin Luther wie auch der Apostel Paulus waren sich in einem besonders einig: Den Kompass für unser Christsein liefert nicht das Bauchgefühl, auch kein Rechenschieber. Allein im biblischen Wort ist er zu suchen. Nicht was sich rechnet oder gut anfühlt, sondern was immer schon ge-zählt hat, sollte den Kurs unserer Kirche bestimmen: sola sciptura! Im Hebräer-brief lesen wir dazu: Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen. Ich will mein Vertrauen auf Gott setzen und „Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.“ Das ist un-ser vornehmster Dienst: Gott zu loben!