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Revisted: „Rerum Novarum“. Die bleibende Bedeutung der Sozialenzyklika Papst Leos XIII von 1891.

06/2015

„Wenn Du den Frieden willst, dann schaffe Gerechtigkeit“, formulierte heute der Zweite Präsident des (österreichischen) Nationalrats, Fritz Neugebauer, eine zentrale Aufgabe der Politik anlässlich der Festveranstaltung in Erinnerung an die erste Sozialenzyklika „Rerum Novarum“, die Papst Leo XIII. vor 120 Jahren verfasst hat. Die Enzyklika sei so alt und mit ihren Grundsätzen zugleich so neu und aktuell, sagte Neugebauer und wies auf zentrale Prinzipien des Dokuments wie Personalität, Subsidiarität und Solidarität hin. Wer als Person akzeptiert werden und nicht in der Vermassung aufgehen möchte, der müsse für Personalität sein; wer gegen Zentralismus auftritt, müsse sich für Subsidiarität einsetzen; wer politischem Egoismus oder dem Motto „Geiz ist geil“ eine Absage erteile, der müsse für Solidarität kämpfen. …

Vor 120 Jahren, am 15. Mai 1891, nahm Papst Leo XIII. mit der ersten Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ umfassend zur sozialen Frage Stellung und legte damit den Grundstein für die „Christliche Soziallehre“. Er ging deshalb auch als „Arbeiterpapst“ in die Geschichte ein. Die Sozialenzyklika beruht auf vier Grundsätzen: einem „JA zur Industriewirtschaft“, einem „JA zur Industriegesellschaft“, einem „JA zum Sozialstaat“ und einem „JA zu einer neuen Werte- und Pastoralkultur“ und besitzt damit bis heute Gültigkeit.  Zum Beitrag.

Wenn Gutmenschen die Subsidiarität abschaffen wollen

Immer wieder komme ich in die Diskussion mit Menschen, die ein Problem mit Sonderrechten der Kirche haben. Die Neutralität, die der Staat zu erbringen hat, wird dann von der Kirche gefordert. Argumentationsgrundlage ist, das die Kirche mit öffentlichen Geldern wirtschaftet. Die Überzeugung dieser Personen ist dann, das die Kirche sobald sie öffentliche Gelder erhält nicht mehr als Kirche erkennbar sein soll. Sie wird in der Vorstellung dieser Personen zu einer entpersonifizierten Verwalterin werden. Ohne eigene Interessen und eigenes Profil.

In der Jugendarbeit, die oft vertrete führt das zu absurden Vorstellungen. Immer wider werde ich mit zwei Forderungen konfrontiert:

– Freizeiten, Jugendgruppen und Jugendtreffs sollen keine religiösen Inhalte Vermitteln, da sie mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden und daher für alle offen stehen.

– Wenn wir als kirchlicher Träger schon auf unserem religiösem Profil bestehen, müssen wir im gleichem Maß über den Islam, Atheismus , den Hinduismus und den Buddhismus informieren.

Beide Forderungen zeigen, das es erhebliche Mängel in dem Verständnis von Subsidiarität gibt. Teilweise wird sie noch nicht einmal von der Politik verstanden. Einfach gesagt heißt es, das der Staat bevor er etwas macht immer überprüfen muss, ob nicht jemand anderes unterstützt werden kann diese Aufgabe zu übernehmen. Das gilt natürlich nicht für die Polizei oder unsere Armee. Jedoch für ziemlich vieles andere, wie den öffentlichen Nahverkehr, Krankenhäuser, Kindergärten oder die Jugendarbeit.

Als ordnungspolitisches Prinzip hat die Subsidiarität mehrere Vorteile:

– Sie fördert die Wirtschaftlichkeit, da nicht hoheitliche Aufgaben meist von nichtstaatlichen Stellen effizienter bewältigt werden.

– Sie fördert die Vielfalt, da mehrere Träger Aufgaben gleichzeitig übernehmen können.

– Sie entzieht sensible Bereiche in Teilen der staatlichen Überwachung und Einmischung.

Gerade in der Jugendarbeit zeigen sich deutlich die Vorteile der Subsidiarität. Wenn in einer Stadt mehrere Träger Freizeiten und Jugendgruppen anbieten, entsteht ein Wettbewerb. Wer seine Mittel ineffizient verplant, kann nur weniger attraktive Veranstaltungen anbieten. Gleichzeitig ermöglicht die öffentliche Förderung unterschiedliche Träger und Formen der Jugendarbeit gleichzeitig zu haben. In Darmstadt gibt es daher ein autonomes Jugendkulturzentrum für Punks, kirchliche Jugendarbeit, Pfadfinder, gewerkschaftliche Jugendarbeit und vieles mehr. Ziel ist es, dass im Optimalfall jeder Jugendliche ein passendes Angebot finden kann. Die Gefahr, das der Staat die Jugendarbeit zur Indoktrination missbraucht ist aktuell nicht gegeben. Die Erfahrungen mit der DDR zeigt aber, das es sinnvoll ist die Jugendarbeit nicht direkt vom Staat betreuen zu lassen.

Die Jugendarbeit zeigt deutlich, warum die meist humanistischen Forderungen nach Neutralität in die falsche Richtung gehen. Fast jeder Träger vertritt eine eigene Weltanschauung. Sollen die Umweltschützer ihre Jugend nun auch über die Vorteile der Autobahn und Schwerindustrie unterweisen? Soll ein autonomes Jugendkulturzentrum Vertreter der deutschen Bank einladen, damit Punks auch lernen wie toll Banken sein können?

Die Neutralität besteht nicht darin allen Akteuren einen einheitlichen Kurs vorzuschreiben, sondern die Vielfalt zu fördern. So sollte jeder Jugendliche ein Angebot finden, dass zur Person passt. Daher ist es auch gut, das in der Jugendarbeit ein Träger nach seinen evangelischen Maßstäben arbeitet. Voraussetzung ist, das die anderen Träger nicht daran gehindert werden entsprechend ihrer Weltanschauung zu arbeiten.

Für mich als Vertreter der evangelischen Jugendarbeit im Jugendring bedeutet das aktuell eben auch dafür zu sorgen, das es auch Muslimische Träger gibt. Der Respekt zur Vielfalt und vor der Neutralität bedeutet, für mich, wenn ich nach evangelischen Maßstäben arbeiten will, muss ich anderen auch ihre Zugestehen. Daher geht es nicht um weniger, sondern mehr Profil.

Dennoch gibt es immer wieder Kritiker an der Kirche, die das Kind mit dem Zuber ausschütten wollen. Um der Kirche einige Privilegien zu entreißen wird die Subsidiarität ausgehöhlt.

Momentan wird in Stuttgart darüber debattiert für alle mit städtischer Förderung angestellten Personen auch die städtischen Kriterien verpflichtend zu machen. Der Humanistische Pressedienst schürt die Aversionen gegen die Kirche mit eben jener Argumentation.