Das Internet ist immer wieder ein Reizthema. Für die einen ist es das gelobte Land, für die anderen der Untergang der westlichen Kultur und für einige eine riesige ökonomische Bedrohung.
Vor allem für Zeitungen ist es oft letzteres. Das Geschäftsmodell Agenturmeldungen als erstes geringfügig aufbereitet an die Abonnenten zu verkaufen leidet, wie kaum ein anderes unter den Möglichkeiten des Internets. Die Informationen sind im Internet schneller verfügbar und meistens günstiger. Die klassische Zeitung hat nur noch bei guter journalistischer Arbeit die Exklusivität auf ihrer Seite. Bei der allgemeinen Boulevardisierung der Medien stellt sich natürlich die Frage wie viele für diese Qualität zahlen wollen. Wenn Zeitungen nun über das Internet berichten, sind sie folglich immer schon befangen.
Vielleicht erklärt das den abstrusen Artikel „Der Ketzer“ in der Süddeutschen Zeitung. Er zeigt dennoch gut, warum eine grundlegende intelligente Debatte über das Internet notwendig ist.
Die Grundfrage des Artikels „Wem gehört die Zukunft?“ wird darauf reduziert, ob jeder mit dem Internet Geld verdient. Natürlich sind dann die Gewinner in erste Linie die großen Konzerne. Der normale Bürger bekommt keine Dividenden aus dem Internet.
Alleine das ist aber eine ziemlich seltsame Betrachtungsweise. Mit der gleichen Argumentation haben wir auch keinen Gewinn aus der Elektrizität, wir nicht zu den wenigen Großaktionären von RWE, EON oder Vattenfall gehören. Das gleiche gilt für Automobile und wahrscheinlich so fast jeden Bereich des Lebens. Finanziell gewinnen immer große Konzerne am meisten.
Dennoch profitiert eine große Mehrheit von der Elektrizität im Haushalt, der individuellen Mobilität. Das große Konzerne davon finanziell mehr Profitieren ist ihr Geschäftsmodell und in unserer ökonomischen Ordnung so gewollt. Das Internet bildet keine Ausnahme. Ich frage mich, warum sich Leute überraschen lassen, das dort auch die gleichen ökonomischen Gesetzte gelten.
Um den Anschein des bösen Internets zu wahren wird nun behauptet es gäbe gute technologische Innovationen und schlechte. Während die Industrialisierung und die Elektrifizierung Arbeitsplätze schaffen, würde das Internet sie vernichten. Als Beleg werden Birnen mit Äpfeln verglichen. Ein Unternehmen Kodak verlor rapide an Wert und ein anderes Instagram gewann schlagartig an Wert. Um zu verstehen, wie absurd der Vergleich ist will ich kurz die beiden Geschäftsmodelle vorstellen, die nur peripher etwas miteinander zu tun haben. Kodak verdient sein Geld mit Fotoapparaten, Filmen und Druckern. Alle diese Produkte werden verkauft. Instargram bietet Nutzern die Möglichkeit Fotos im Internet umsonst hochzuladen, damit Freunde und Fremde Leute sie betrachten können. Das Geld verdient Instagram mit der Möglichkeit Werbung im Umfeld zu Platzieren. Der Aufstieg der einen hat also kaum etwas mit dem Abstieg des anderen zu tun. Das Problem vor dem Kodak steht, ist das immer mehr Fotos digital gemacht werden. Zwar produziert Kodak auch entsprechende Kameras und Drucker um diese Bilder auf Papier zu bringen. Doch ist der Marktanteil geschrumpft und die Gewinnspanne im Vergleicht zu den vorherigen Filmen und deren Entwicklung geringer. Das hat mit dem Internet nichts zu tun. Wahrscheinlich wären Digitalkameras auch ohne das Internet mittlerweile wesentlich verbreiteter als die fotomechanische Modelle.
Es stimmt auch, dass wie im Artikel behauptet damit Fotolaboranten und Spezialgeschäfte ihre Existenzgrundlage verloren. Aber das ist ein normaler wirtschaftlicher Prozess. Mit der Verbreitung von Waschmaschinen haben viele Wäscherinnen ihre Existenzgrundlage verloren. Das gleiche Schicksal teilten die Weber in der Industrialisierung. Sicherlich wird das Internet auch Arbeitsplätze überflüssig machen und andere generieren. Wie genau die Bilanz ausfällt, kann ich nicht beurteilen. Es wird aber sicherlich eine wesentlich eine differenziertere Betrachtung notwendig sein.
Trotz der schweren Fehler in dem Artikel stimme ich dem Autor zu, das sich im Internet einiges ändern muss. Es gibt genügend Missstände im Internet, die es zu beheben gilt. Die Überwachung durch Geheimdienste und die Machtkonglomeration auf wenige Unternehmen schaden der Mehrheit der Gesellschaft. Beides sind allgemeine Regeln der normalen Wirtschaft, der ich das Internet auch zurechne.
Der Autor setzt seine Hoffnung auf die jungen wilden, die nun das gesättigte Internet als „Rockstars“ umkrempeln. Da habe ich weniger Hoffnung. Die jungen wilden müssen erst einmal den Marsch durch die Instanzen antreten. Was dabei heraus kommt haben wir immer wieder beobachten können. Seit dem ein Grüner Außenminister einen Angriffskrieg vehement verteidigte bin ich in der Hinsicht desillusioniert.
Nur wenn die Gesellschaft als ganzes ein Bewusstsein für die wichtigen Aspekte des Internets entwickelt, wird sich auch etwas verändern. Sonderwirtschaftszonen und Paradiesvögel werden uns nicht weiter helfen.