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Pathologische‘ Beziehung zwischen Person und Institution: Heile, heile Segen – Gesundheitsförderung von Pfarrerinnen und Pfarrern zwischen Zauberworten und Beschwichtigungsstrategien. Von Dr. Lothar Stempin.

hier: 02/2017, Vortrag auf dem Rheinischen
Pfarrertag 2016

…SeelsorgerInnen zeigen eine überraschend hohe Lebens- und Arbeitszufriedenheit – höher als bei der Normalbevölkerung. Diese steht jedoch im Kontrast zur Zufriedenheit mit der eigenen Organisation. Die Fähigkeit zur Strukturierung und Leitung der Kirchenämter und Kirchenleitung finden viele Mitarbeitende unbefriedigend. In der Folge ist das Vertrauen in die eigene Kirchenorganisation im letzten Jahrzehnt geschwunden.

Dennoch ist diese gestörte Beziehungssituation zwischen Pfarrerinnen und Pfarrer auf der einen Seite und kirchenleitenden Gremien auf der anderen Seite nicht allein mit persönlichem Unvermögen zu erklären. Vielmehr charakterisiert diese Lage generell Institutionen, die in der Tiefe ermüdet sind. Das auf dem kirchlichen Feld zu bemerkende schwindende Organisationsvertrauen ist auch in anderen gesellschaftlichen Feldern wahrzunehmen. …

Damit rücken scheinbar Institution und Person auseinander und für Pfarrerinnen und Pfarrer werden personenbezogene Vergewisserungstechniken wichtig. Angesichts der Schwäche der Institutionen ziehen Zauberworte am Horizont auf, wie Salutogenese und Resilienz. „Heile, heile Segen …“ diese Worte müssen aus der Tiefe der Person aufsteigen, dem der wärmende Mantel des Himmelsgewölbes genommen ist. Coaching und Supervision unterstützen diese Schritte zur Selbsterbauung. Sie fördern die Selbststeuerung und wecken die eigenen Ressourcen. Ist das nicht die konsequente Antwort auf die Schwäche der Organisationen? …

An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass mit diesen Beschreibungen ein wechselseitig gestörtes Verhältnis von Personen und Institutionen erfasst werden soll. Diese ‚pathologische‘ Beziehung wird nicht hinreichend durchschaut, wenn Salutogenese als Befreiung aus der depressiven Gestimmtheit durch Handlungsorientierung und Selbststeuerung gesehen wird. Generell verfehlt das Optimierungsparadigma die gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen. Entspannungstechniken und andere Regenerationsmethode stehen in der Gefahr, zu Instrumenten einer methodischen Lebensführung zu werden, die den Kern des Lebendigen verfehlen….

Mehr dazu, vgl. S.2ff

Zur Untauglichkeit von Finanzgrößen für die strategische Steuerung (Thema des Monats)

Von Friedhelm Schneider. Bei den neoliberalen Reformen fällt die starke, fast ausschließliche Orientierung an Finanzgrößen auf. Sie sollen die Steuerung auf Kurs bringen. Dazu sind sie aber nicht geeignet. Insofern muss der Versuch misslingen. Denn die Finanzgrößen sind Teil der operativen, der kurzfristigen Steuerung. Strategische, langfristige Steuerung basiert hingegen auf anderen Orientierungsgrößen.

In der Kirche stammen solche strategischen Orientierungsgrößen klassischerweise aus der Theologie und/oder der Soziologie. Bis Anfang der 90er Jahre bestimmten diese konzeptuell die Steuerung in der Kirche. Das letzte Große Zeugnis dafür ist die EKHN- Reformschrift „Person und Institution“ aus dem Jahr 1992.

Wir hatten auf den Sachverhalt der Zugehörigkeit des Finanzwesens zur operativen Steuerung in einer früheren Ausgabe der Wort-Meldungen schon einmal hingewiesen.

Hier noch einmal eine Grafik, die den Managementansatz von Gälweiler (St. Galler Schule) zur strategischen Steuerung verdeutlicht. Die Begrifflichkeit ist die der Wirtschaft. Sie ist also noch nicht übertragen auf die Kirche. Selbstverständlich muss sie bei einer Anwendung auf die Kirche entsprechend modifiziert werden. Stoßen sie sich also nicht am „Kunden“ – begriff. Der taugt in der Kirche selbstredend nicht.

 

Bildschirmfoto vom 2013-12-14 14:28:20

 

Entscheidende Erkenntnis: mit Finanzgrößen wird nur das operative, kurzfristige Geschäft gesteuert. Die strategische Steuerung hat anhand von Orientierungsgrößen zu erfolgen, die den Unternehmenszweck ausdrücken. Entscheidend sind die Konsequenzen, die aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind. Sie lauten: die Theologie, sprich: die PfarrerInnen, TheologInnen, die BischöfIn, die KirchenpräsidentIn, die Präses, dürfen sich nicht länger hinter den „alternativlosen“ Vorgaben der Finanzabteilungen oder mit externen Beratern besetzten Reformzirkeln verstecken. Sie, die Theologen und nicht irgendwelche Kirchenjuristen, sind zuständig für die strategische Steuerung. In Managementsprache: sie sind zuständig für die Effektivität. Die Finanzdezernenten hingegen sind „nur“ für die operative Steuerung, für die Effizienz, zuständig. Dabei verstehe man das in Anführungszeichen gesetzte „nur“ nicht falsch. Das ist und bleibt immer noch eine große, selten befriedigend erledigte Aufgabe! Namentlich im Bereich des Immobilienmanagements oder der Verwaltungstätigkeiten selbst. Auch die Frage nach dem angemessenen Rechnungswesen (Doppik/NKF?) oder nach der Anlagenpolitik braucht ganz offensichtlich neues Nachdenken und neue Impulse und fordert also Aufmerksamkeit. Baustellen gäbe es also im originären Sektor der Finanzdezernate wahrlich genug.

Die Fragestellung der Effizienz ist hingegen bei der Arbeit mit Menschen selbst, also bspw. In der Seelsorge, aber auch der Pädagogik weitgehend unangemessen. Weswegen die an Effizienzgesichtspunkten orientierten „Totalen Qualitatsmessungen“
auch immer wieder ins leere laufen oder völlig unbrauchbare Ergebnisse liefern. Vgl. bspw. das aktuelle Beispiel der Pflegeheime.

Richtiges Management, etwa im Sinne Gälweilers, ordnet also die Bedeutung des Finanzwesens und die Orientierung an Finanzgrößen in der Kirche (wie auch in allen Unternehmen) anders ein als neoliberale Ansätze. Als operative Steuerungsgrößen haben sie keine Priorität gegenüber der Theologie. Das ist es, was die Kirche heute von richtiger Managementlehre (wieder) lernen kann. Das ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Aufforderung an alle Theologinnen und Theologen, die Leitung der Kirche nunmehr wieder selbst zu übernehmen. Finanzdezernenten, die einer solchen Managementlehre der St. Galler Schule zuzuordnen sind, erkennt man umgekehrt daran, dass sie sich selbstredend der strategischen Steuerung (der Theologen) unterordnen. Wo dies nicht geschieht, sind Managementprobleme in der Kirche zwangsläufig.