EKHN: Thomas Striegler, Leiter der Kirchenverwaltung und OKR Jens Böhm, Personaldezernent räumen in einem FAZ-Gespräch Fehler der Kirchenleitung in der Vergangenheit ein.

Wir kaufen uns eine Pfarrerin. Die Kirchen nehmen so viel Geld ein wie nie.
24.12.2014, von Corinna Budras, FAZ


Womit wir auch gleich bei der schlechten Nachricht wären: Denn dieses Paradebeispiel kommt ausgerechnet in einer Zeit, in der es überhaupt nicht nötig erscheint. Noch nie sprudelten die Kirchensteuern so munter wie in diesem Jahr. Die evangelische Kirche wird rund fünf Milliarden Euro einnehmen, das sind etwa fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Schon seit Jahren geht das so. Seit 2005 sind die Kirchensteuereinnahmen um mehr als 43 Prozent gestiegen -..
Doch wenn es der Kirche so gut geht, warum müssen dann die Gläubigen darben? Das ist etwa so, als würden die Theater in Zeiten von Rekordeinnahmen erst einmal ihre Stammschauspieler abbauen. Doch bei der Kirche erscheint es besonders absurd…

Wer angesichts dieser Zahlen Fehler der Kirchenleitung in der Vergangenheit wittert, liegt goldrichtig. Das sehen selbst Böhm und Striegler so… „

Zwei Fehler werden dann genannt: 1. die Einstellungspraxis der geburtenstarken Jahrgänge Ende der 80iger Jahre und 2. die Verweigerung, zwei fertig ausgebildete Vikarskurse in den Dienst zu über nehmen 1997/98. Beide Kurse wurden damals komplett abgewiesen. Zum Artikel der FAZ.

Kommentar FS: Bisher wurden Fehlentscheidungen oder Fehleinschätzungen der Kirchenleitung eher verhohlen eingeräumt. Man erinnere sich an das erst jüngst erfolgte Eingeständnis, dass die Kirchensteuern nicht nur  nominal gestiegen, sondern auch real seit 2 Jahrzehnten auf dem selben Niveau liegen.  Was man ja zuvor immer bestritten hatte. Noch 2011 behauptete man ein reales Minus von 0,8 Prozent, was allerdings nicht zutraf. (Vgl. dazu Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft.)

Nun werden gar Fehler eingeräumt. In der Personalpolitik. Deren zwei werden genannt: erstens die Einstellungspraxis der 80iger Jahre, als die Absolventen der geburtenstarken Jahrgänge in den kirchlichen Dienst übernommen wurden. Es wäre spannend diese aus Verwaltungssicht als Sündenfall des Managements deklarierte Praxis einmal intensiv zu durchleuchten. Zu untersuchen, was an dieser Sicht real dran ist – und wie sich daraus ein Mythos entwickelte. Das kann hier nicht geschehen. Festgehalten werden soll hier nur, dass auch eine ganz andere Sicht dieser damaligen Praxis denkbar wäre. Dergestalt, dass die Kirche damals tatsächlich die – zuvor selbst in großen Werbekampagnen für das Theologiestudium gewonnenen (!) – jungen Christen der geburtenstarken Jahrgänge übernommen hat. Dass sie als Arbeitgeber also Wort gehalten hat. Und dass sie damit Vertrauen geschaffen hat bei den Mitarbeitenden. Zusätzlich wurde Solidarität praktiziert, indem die Pfarrerschaft in gewissem finanziellen Umfang bei dieser Praxis beteiligt wurde. Der Fehler bestünde bei solcher Sicht allerdings darin,  dass die Kirche zwar Gutes getan hätte, davon aber nicht sprach, es also versäumte, sich das Image des sozial egagiertes und handelndes „Unternehmen“ zu geben. Denn PR war in der Verwaltung unbekannt. Dieser Einwurf ist überaus verkürzt. Er soll dennoch mal so stehen bleiben.

Zweiter eingeräumter Fehler: die EKHN-Praxis aus den Jahren 1997 und 98, in denen fertig ausgebildet Jahre an Vikaren komplett die Übernahme in die EKHN verwehrt wurde. Da wird man in der Sache nicht widersprechen. Man wird aber widersprechen, wenn hier aus durchsichtigen Gründen der Versuch unternommen wird, diesen Fehler als zweimalige Episode zu verniedlichen. Das waren keine Ausrutscher, sondern das war die Spitze des Eisbergs, der hier sichtbar wurde. Das Problem, der Eisberg, war das System gegen die Schlüsselposition, gegen die Pfarrerschaft. Keine Episode, sondern System: nicht nur wurden 2 Jahrgänge nicht übernommen, jahrelang wurden in der Folge die jungen VikarInnen in aus der Bankenbranche stammenden Assessment-Center ausgefiltert; lange nachdem dies Verfahren in anderen Branchen wieder abgeschafft wurde und nachdem es in der EKHN verheerende Wirkung zeitigte, ersetzte man es 2003 durch die Potentialanalyse. Und erst 2009 ergänzte man die beiden 1. und 2. Examen mit Assessment-Center durch eine Art 3. Prüfung vor der Verbeamtung, also nach der Zeit des Pfarrvikariats. Und im Jahr 2009 trat OKR Jens Böhm seinen Dienst als Referent im Personaldezernat an. Hat die EKHN ihm diese neue Errungenschaft der 3. Prüfung zu verdanken? (Das kann in Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft noch eimmal nachgelesen werden.)

Das System greift aber weiter: in die Zeit, in der Jens Böhm Mitverantwortung im Personaldezernat trug, fällt der Plan zur Kürzung der Pfarrstellen um 2%, die sog. Pfarrstellenbemessung 2025. Kein Sterbenswörtchern der Kritik an dieser Vorlage von Seiten des OKR Böhm wurde damals bekannt. Er hätte die beste Gelegenheit gehabt, sich durch Richtigstellungen der wenigstens in Teilen konfusen Vorlage seines Vorgängers oder durch intelligente Alternativvorschläge zu profilieren. OKR Jens Böhm aber folgte seinem Dezernenten Walter Bechinger. Wer dem Dezernenten allerdings nicht folgte war die Synode der EKHN. Sie beschloss eine Kürzung um nur 1% der Pfarrstellen – entsprechend dem Rückgang der Gemeindegliederzahlen. (Zu dieser Thematik im Detail, hier mehr: Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft). 

Der Finanzdezernent Thomas Striegler, seit 2002 in Kirchendiensten und seit diesem Zeitpunkt Finanzdezernent der EKHN, steht seit seinem Eintritt in die EKHN für einen Spar- und Kürzungskurs, von dem die PfarrerInnen auf vielerlei Weise betroffen sind (in den Wort-Meldungen des Öfteren berichtet). Die Finanzpolitik war seit mindestens 15 Jahren Dreh-und Angelpunkt der gesamten Kirchenpolitik, des gesamten kirchlichen Managements. Jede Kürzung wurde mit Finanzknappheit begründet. Und die (angebliche) Finanzknappheit war Grund für manche Kürzung. Und Kürzungen betrafen vielfach die PfarrerInnen, galten die Pfarrgehälter doch als der größte Posten des Haushalts. Und damit musste man dort ansetzen. (Dies formulierte fast wörtlich in dieser – aus Managementsicht tatsächlich fatalen Form nicht Herr Striegler, sondern auf der Synode 2007 die damalige stellvertretende Kirchenpräsidentin.) Das war ein Kurs der Finanzpolitik, der dazu beitrug, dass der Pfarrberuf immer weniger attraktiv und Kirche jungen Menschen als Arbeitgeber immer weniger vertrauenswürdig erscheint (In Punkto Vertrauen der Mitarbeitenden steht die EKHN heute also am entgegengesetzten Ende der Skala im Vergleich zu Ende der 80iger Jahre – s.o.). Auch die Tatsache, dass Pfarrer heute für den Beruf selbst letztlich keine Werbung mehr betreiben, dürfte zu einem gewissen Teil auf das Konto Vertrauensverlust gehen. 

Fazit: man wird also nach dem Eingeständnis  zweier Fehler auf weitere Feherl- und Korrekturmeldungen gespannt sein dürfen

3 Gedanken zu „EKHN: Thomas Striegler, Leiter der Kirchenverwaltung und OKR Jens Böhm, Personaldezernent räumen in einem FAZ-Gespräch Fehler der Kirchenleitung in der Vergangenheit ein.

  1. Markus Geppler

    Die hohen Zahlen der Einstellungen in den 80er Jahren sind doch vorwiegend auf demografische Entwicklungen zurückzuführen. Das war doch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Der Kirchenpräsident gehört als 1960-Geborener doch selbst den sog. „Babyboomer“-Jahrgängen an. Zudem war die hohe Einstellungszahl in den 80er Jahren dem Bedarf geschuldet. Das hatte seinen Grund in der Dezimierung der Kriegsjahrgänge, die zudem in den späten 70ern in den Ruhestand gingen. Jede 3. bis 4. Pfarrstelle in der EKHN war oder wurde vakant. Deshalb betrieb bis Ende der 70er Jahre die EKHN eine bis heute bekannte Werbekampagne für den Pfarrberuf unter dem Slogan „Weil Menschen Menschen brauchen“, anscheinend damals mit dem erhofften Erfolg. Deshalb waren es (nicht zuletzt auch aus demografischen Gründen) am Ende mehr fertige Theologen, wie es vielleicht dem Bedarf an Pfarrpersonen entsprach. Es wurden bekanntlich nicht alle in den kirchlichen Dienst übernommen. Doch die Zeit der Aussonderung war nicht nur besonders stark in den Jahren 1997 – 2003, sondern fing schon zu Vikarszeiten 1985 an! Nun strebt die Kirchenleitung an, mit 40 – 50 neuen Einstellungen eine „gute Altersstruktur im Pfarrdienst“ zu schaffen. Rein rechnerisch sind das bei 36 Berufsjahren 1440 Pfarrpersonen (die jedoch nicht alle eine volle Stelle ausüben). 2025 sollte die EKHN der Kirchenleitungsvorlage nach aber nur noch 1116 Pfarrstellen haben. Bedeutet dies, dass die KL bei dieser Zahl davon ausgeht, dass ca. 650 Pfarrpersonen nur eine halben Dienstauftrag ausüben, oder liegt der Grund darin, dass trotz der genannten Einstellungszahlen mit einer Unterversorgung zu rechnen ist? Man darf gespannt sein…

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    1. FK Beitragsautor

      Dieser Kommentar ist überaus aufschlussreich. Seine Schlussfolgerung: die Planungszahlen der EKHN für die Pfarrstellen sind inkonsistent. Man würde nun erwarten, dass daraus eine Forderung abgeleitet würde, dergestalt: die Kirchenverwaltung soll sicherstellen, dass bei dieser zentralen Frage mit seriösen Zahlen gearbeitet wird. Die Phase solcher Forderungen hat der – offensichtlich nicht unkundige – Kommentator offensichtlich längst hinter sich. Er ergibt sich in sein Schicksal und formuliert: „man darf gespannt sein“.

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  2. Ilona Bechtoldt-Werle

    Der FAZ-Artikel ist erschütternd:
    „Wo die Gläubigen mit besonders üppigen Gehältern gesegnet sind, kaufen sie sich einfach ihren Pfarrer selbst.“
    Wenn ich Pfarrerin wäre, würde ich das nicht mit mir machen lassen, abhängig zu sein von Sponsoren oder Mäzenen, die mein Gehalt finanzieren. Von welcher Dauer ist denn dieser Deal? Was geschieht, wenn ich etwas predige, was den Damen oder Herren Spendern nicht gefällt? Muss ich dann mit Gehaltskürzungen oder gar Entlassung rechnen? Nicht umsonst hat sich nach der Reformation bei den Pfarrpersonen ein beamtenähnlicher Status entwickelt, damit sie den Verkündigungsdienst des Evangeliums in Freiheit und Unabhängigkeit in einem volkskirchlichen Umfeld ausüben können. Gerade die EKHN hat doch bisher immer auf diese Unabhängigkeit und Freiheit so großen Wert gelegt! Das scheint nun vorbei zu sein. Hier zeigt sich nicht nur ein „geschmeidiger“ Prozess des Personalabschmelzens, sondern ebenso „geschmeidig“ die Aushöhlung des volkskirchlichen Prinzips. Wir sind damit auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse und fördern damit in der Tat die Ökonomisierung der Kirche. Den Kauf von EKHN-PfarrerInnen müsste die Kirchenleitung eigentlich unterbinden, denn wenn dieses Modell weiter um sich greift, wird es viele Verlierer-Gemeinden geben, die sich den Kauf einer Pfarrperson nicht werden leisten können. Damit führt man auf geschmeidige Art eine im vorletzten Jahrhundert überwundene ekklesiologische Struktur wieder ein: Reiche, meist städtische Gemeinden mit üppiger Personalausstattung; dagegen arme, meist ländliche Gemeinden, die noch nicht mal mehr etwas für ihre darbenden Kirchenmäuse übrig haben werden, geschweige denn noch eine Pfarrperson im Pfarrhaus wohnen haben werden.
    Ja, lieber Herr von Ditfurth, Sie haben das richtig erkannt:
    „Mit dem Verständnis von Kirche ist das nicht zu vereinbaren.“
    Nun begründen die Herren Oberkirchenräte Striegler und Böhm das geschmeidige Abschmelzen des Pfarrpersonals mit der Aussage: „Die Pensionslast werde jedes Jahr erdrückender.“ Die Wahrheit sieht jedoch anders aus:
    Gut die Hälfte der Pensionsansprüche ist momentan abgedeckt durch Leistungen aus der BfA (Einzahlungen bis 2003) und der KZVK (Kirchlichen Zusatzversorgungskasse). Diese mit Eintritt der Pension entstehenden Lasten sind insoweit für die EKHN kostenneutral. Die Anzahl der Empfänger spielt dabei keine Rolle, da den Ausgaben personenbezogene Ansprüche gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass für die aus dem aktiven Dienst Ausscheidenden keine weiteren Einzahlungen mehr erfolgen müssen. Unter dem Strich sinkt also die Belastung des EKHN-Haushalts für diesen Teil der Versorgung. Von der verbleibenden Hälfte der Versorgungsleistungen sind wiederum ca. 25% abgedeckt durch die Versorgungsstiftung der EKHN. Ein Rest von ca. 25% müsste – wie bisher – aus laufenden Haushaltsmitteln fließen. Dieser Anteil, max. ca.10. Mio. € p.a., könnte etwas ansteigen. Doch dieser Anstieg deckt sich in etwa mit der Verringerung der Belastung durch den Wegfall der Einzahlungen für die Aktiven.
    Für die EKHN ist die Pensionierungswelle im Hinblick auf die Pensionslasten im Grunde ein Nullsummenspiel.
    Und noch etwas: Geht man realistischerweise davon aus, dass in den nächsten Jahren (ab 2017) ca. 30 Pfarrpersonen mehr in den Ruhestand eintreten, als Nachwuchs generiert werden kann, bedeutet dies zusätzlich durch Rückgang an Gehaltszahlungen eine jährliche Einsparung in Höhe von 1,8 Mio €, jeweils jährlich um den selben Betrag wachsend, bis die Pensionierungswelle ab ca. 2025 abgeebbt ist.
    Wer angesichts dieser Zahlen Fehler der Kirchenleitung in der Außendarstellung wittert, liegt goldrichtig.
    In der Tat: „Da darf man auch etwas vorausschauende Planung erwarten. Das hat auch die EKHN erkannt: Erstmals setze sie im Haushalt 2015 auf eine „kaufmännische Buchführung“, kündigte sie im November an. Das sorgt für Transparenz und eine bessere Übersicht über die Kosten.“
    Nun, dazu ist zu bemerken, dass die geplanten Kosten für die Einführung der neuen kaufmännischen Buchführung in Höhe von über 9 Mio € der EKHN anscheinend keine Last sind. Ob die beschworene Transparenz und die bessere Übersicht der Kosten dafür dann tatsächlich eintreten, ist sehr stark zu bezweifeln. Empirisch zeigt sich, dass überall da, wo die kaufmännische Buchführung eingeführt wurde, nicht nur die Einführungskosten explodieren (in der EKiR mittlerweile bei geschätzten 60 Mio. €), sondern auch die laufenden Kosten durch den Mehrbedarf an Verwaltungsfachkräften nicht nur „geschmeidig“ steigen. Denn die erwartete Transparenz und bessere Übersicht der Kosten, das zeigt die Erfahrung, ist einem Laiengremium Kirchenvorstand, das in der Regel nicht nur aus Bankern, Ökonomen oder Finanzwirten besteht, ohne teure Expertenhilfe kaum noch zu vermitteln.

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