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Monster des Bodenlosen. Laudatio für Inge Hannemann zur Verleihung des Preises “Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte”. Von Prof. Stefan Selke

hier 11/2015

Der folgende Blogeintrag ist die leicht veränderte Fassung meiner Laudatio für Inge Hannemann zur Verleihung des Preises “Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte” der Humanistischen Union Marburg, die ich am 8. Mai im Rathaus der Universitätsstadt Marburg gehalten habe – auch dies eine Form Öffentlicher Soziologie.
… Als wir uns das erste Mal am Rande eines Kirchentages in Hamburg in einer Kneipe begegneten, konnte ich während und nach unserem atemlosen Gespräch schon einiges von dem Mut erahnen, den es braucht, um dem „Monster des Bodenlosen“ auf eine statthafte Weise zu begegnen. Auf diesem Mut der Preisträgerin werde ich später noch einmal zurückkommen.
Vielleicht sollte ich kurz erläutern, warum ich hier eine sehr bildhafte Sprache nutze. Natürlich gibt es für die Entwicklungen, deren Zeugen wir gegenwärtig sind, zahlreiche durchdefinierte Fachbegriffe: Erosion des Sozialstaates, Prekarisierung, Gouvernementalität usf. Aber diese Begriffe verbergen in ihrer vermeintlich objektivierten Sachlichkeit zugleich die zugrunde liegenden gesellschaftlichen Skandale.
Ich bevorzuge es daher, vom „Monster des Bodenlosen“ zu sprechen, um damit die allgegenwärtigen Abbaumaßnahmen, Sparmaßnahmen, Disziplinierungsmaßnahmen und Entwürdigungsmaßnahmen zu beschreiben, mit denen immer mehr Menschen existentiell in Bedrängnis gebracht werden…  Der vollständige Text der Laudatio.

Quantified Self – gesunder Trend oder grosse Gefahr?

20. Februar 2014 SRF

Regelmässig joggen, besser essen, ruhiger schlafen – und dadurch gesünder leben: Diese Ziele verfolgen die Anhänger der Quantified-Self-Bewegung. Leben die Selbstvermesser, die Gesundheitsdaten mit Gadgets und Apps analysieren, gesünder? Pro und Contra – von einem Pionier und einem Soziologen.


3. Bekommen Selbstvermesser ein besseres Körpergefühl?
Davon ist Florian Schumacher, der die Praxis der Selbstvermessung seit Jahren beobachtet, überzeugt: Alleine schon die Aufmerksamkeit auf Dinge wie Pulsfrequenz, Ernährung oder Schlaf zu richten, verbessere die Sensibilität für den eigenen Zustand. Und eine veränderte Lebensweise, die zu messbaren Verbesserungen führt, würde die Datensammler positiv bestärken. Auch er selbst, so Schuhmacher, habe diese Erfahrung gemacht.

Stefan Selke sieht das ganz anders. «Das Gegenteil ist der Fall», sagt er, «man kann das Körpergefühl auch verlieren. Daten ersetzen es nicht, sondern liefern eine Scheinobjektivität.» Das Gefühl für den eigenen Körper sei etwas Ganzheitliches und lasse sich auch mit zahllosen Datenreihen kaum abbilden. Zudem sieht er die Gefahr von «Überdiagnosen», wenn Menschen vor lauter Analysen vergessen, ihr Leben gut zu führen und im besten Fall zu geniessen. Zum Artikel.