Schlagwort-Archive: Humanismus

„Was man vom Kirchentag schon lange nicht mehr erwarten darf, ist das kritische, gerade auch selbstkritische Religionsgespräch.“ Sollten nicht alle Menschen zuerst Humanisten sein? Fragen zum Kirchentag 2017 an Prof. Wilhelm Gräb

13. Mai 2017 : Prof. Wilhelm Gräb im Gespräch

Die Fragen stellte Christian Modehn
…Der Kirchentag ist ein weiteres Element in der „Eventisierung“ populärer Kultur und dabei zugleich ein Fest, auf dem die Kirchenchristen erleben können, dass sie doch immer noch ziemlich viele sind und offensichtlich in die Mitte der Gesellschaft gehören. Von der Bundeskanzlerin über den Bundespräsidenten bis zu Barack Obama, alle machen sie ihre Aufwartung. Und dabei werden natürlich auch die uns heute global bedrängenden Probleme angesprochen, vom Beitrag der Religionen zum Weltfrieden, bis hin zu den Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des Klimawandels.

Nur, was man vom Kirchentag schon lange nicht mehr erwarten darf, ist das kritische, gerade auch selbstkritische Religionsgespräch. Die rationale, aufklärende und aufgeklärte Auseinandersetzung um Religion und Vernunft, um Religion und Humanität, um Religion und Weltanschauung, Religionsbegründung und Religionskritik, um die Religion in den Religionen und deren Verhältnis zueinander, findet nicht statt – das nicht erst dieses Mal in Berlin…

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Der schweizer Soziologe Jean Ziegler begeistert auf der LITCOLOGNE.

16.03.2015

Jean Ziegler beschäftigte sich schon für die UN mit dem Recht auf Essen und dem globalen Nahrungsmittelmangel.
Der Schweizer Soziologe Jean Ziegler begeisterte mit einem fulminanten LitCologne-Auftritt in der Comedia. Hoch die internationale Solidarität, eine Fundamentalkritik an einer Gesellschaft, die Millionen von Menschen verhungern lässt. Von Thomas Geisen

Denn eines seiner Hauptanliegen ist die Entlarvung der seiner Auffassung nach menschenfeindlichen Ökonomie: „Heute ist die mächtigste und zugleich die gefährlichste metasoziale Begründungsweise die „Naturalisierung“ ökonomischer Fakten. Die Ökonomen, die Manager und Banker, die er auch schon mal als Halunken, Räuber oder Mörder bezeichnet, „berufen sich auf sogenannte ‚Naturgesetze der Wirtschaft‘, um den Menschen aus seiner eigenen Geschichte zu vertreiben, um präventiv jeden Ansatz von Widerstand zu brechen und ihre Profite abzusichern.“ Ziel dieser „Wahnidee“: Die Selbstregulierung des Weltmarktes, endlich befreit von aller Einmischung von Staaten, Gewerkschaften, Bürgern.

Ziegler, gegen den es Augstein manchmal etwas schwer hat, appelliert an „alle Aktivisten der weltweiten Zivilgesellschaft“, die er durch den moralischen Imperativ angetrieben sieht, die Kräfte zu bündeln für „eine solidarische Gesellschaft, die Humanisierung des Menschen, die Entfaltung all seiner unendlichen schöpferischen Kräfte, seiner Fähigkeit, glücklich zu sein, zu lieben, kurzum seiner Freiheit“, schreibt er. Und singt in Köln das Hohelied auf die sozialen Bewegungen, die zivil Gesellschaft…  Mehr dazu.

Heimlich in eine neue Welt. Von Heinz Sauren.

05.12.14, von Heinz Sauren, Le Bohémien

In der Postmoderne wurde ein ganz neues Gesellschaftsmodell erdacht, das so grundlegend anders als das Alte ist, dass es jeden Lebensbereich von Grund auf neu definieren und verändern wird.

Gesellschaften stehen in stetigem Wandel. Der Wandel als Anpassung an Entwicklungen und Veränderungen ist notwendig. Notwendig für eine solche gesellschaftliche Evolution ist aber auch Zeit. Je langsamer eine gesellschaftliche Entwicklung vonstatten geht, desto ausgeglichener ist der Abgleich zwischen der notwendigen Veränderung und der gewünschten Übernahme der Errungenschaften, die eine Gesellschaft im Laufe ihrer Geschichte machte und die sie ausmachen…  Zum Artikel.

Wenn Gutmenschen die Subsidiarität abschaffen wollen

Immer wieder komme ich in die Diskussion mit Menschen, die ein Problem mit Sonderrechten der Kirche haben. Die Neutralität, die der Staat zu erbringen hat, wird dann von der Kirche gefordert. Argumentationsgrundlage ist, das die Kirche mit öffentlichen Geldern wirtschaftet. Die Überzeugung dieser Personen ist dann, das die Kirche sobald sie öffentliche Gelder erhält nicht mehr als Kirche erkennbar sein soll. Sie wird in der Vorstellung dieser Personen zu einer entpersonifizierten Verwalterin werden. Ohne eigene Interessen und eigenes Profil.

In der Jugendarbeit, die oft vertrete führt das zu absurden Vorstellungen. Immer wider werde ich mit zwei Forderungen konfrontiert:

– Freizeiten, Jugendgruppen und Jugendtreffs sollen keine religiösen Inhalte Vermitteln, da sie mit öffentlichen Geldern bezuschusst werden und daher für alle offen stehen.

– Wenn wir als kirchlicher Träger schon auf unserem religiösem Profil bestehen, müssen wir im gleichem Maß über den Islam, Atheismus , den Hinduismus und den Buddhismus informieren.

Beide Forderungen zeigen, das es erhebliche Mängel in dem Verständnis von Subsidiarität gibt. Teilweise wird sie noch nicht einmal von der Politik verstanden. Einfach gesagt heißt es, das der Staat bevor er etwas macht immer überprüfen muss, ob nicht jemand anderes unterstützt werden kann diese Aufgabe zu übernehmen. Das gilt natürlich nicht für die Polizei oder unsere Armee. Jedoch für ziemlich vieles andere, wie den öffentlichen Nahverkehr, Krankenhäuser, Kindergärten oder die Jugendarbeit.

Als ordnungspolitisches Prinzip hat die Subsidiarität mehrere Vorteile:

– Sie fördert die Wirtschaftlichkeit, da nicht hoheitliche Aufgaben meist von nichtstaatlichen Stellen effizienter bewältigt werden.

– Sie fördert die Vielfalt, da mehrere Träger Aufgaben gleichzeitig übernehmen können.

– Sie entzieht sensible Bereiche in Teilen der staatlichen Überwachung und Einmischung.

Gerade in der Jugendarbeit zeigen sich deutlich die Vorteile der Subsidiarität. Wenn in einer Stadt mehrere Träger Freizeiten und Jugendgruppen anbieten, entsteht ein Wettbewerb. Wer seine Mittel ineffizient verplant, kann nur weniger attraktive Veranstaltungen anbieten. Gleichzeitig ermöglicht die öffentliche Förderung unterschiedliche Träger und Formen der Jugendarbeit gleichzeitig zu haben. In Darmstadt gibt es daher ein autonomes Jugendkulturzentrum für Punks, kirchliche Jugendarbeit, Pfadfinder, gewerkschaftliche Jugendarbeit und vieles mehr. Ziel ist es, dass im Optimalfall jeder Jugendliche ein passendes Angebot finden kann. Die Gefahr, das der Staat die Jugendarbeit zur Indoktrination missbraucht ist aktuell nicht gegeben. Die Erfahrungen mit der DDR zeigt aber, das es sinnvoll ist die Jugendarbeit nicht direkt vom Staat betreuen zu lassen.

Die Jugendarbeit zeigt deutlich, warum die meist humanistischen Forderungen nach Neutralität in die falsche Richtung gehen. Fast jeder Träger vertritt eine eigene Weltanschauung. Sollen die Umweltschützer ihre Jugend nun auch über die Vorteile der Autobahn und Schwerindustrie unterweisen? Soll ein autonomes Jugendkulturzentrum Vertreter der deutschen Bank einladen, damit Punks auch lernen wie toll Banken sein können?

Die Neutralität besteht nicht darin allen Akteuren einen einheitlichen Kurs vorzuschreiben, sondern die Vielfalt zu fördern. So sollte jeder Jugendliche ein Angebot finden, dass zur Person passt. Daher ist es auch gut, das in der Jugendarbeit ein Träger nach seinen evangelischen Maßstäben arbeitet. Voraussetzung ist, das die anderen Träger nicht daran gehindert werden entsprechend ihrer Weltanschauung zu arbeiten.

Für mich als Vertreter der evangelischen Jugendarbeit im Jugendring bedeutet das aktuell eben auch dafür zu sorgen, das es auch Muslimische Träger gibt. Der Respekt zur Vielfalt und vor der Neutralität bedeutet, für mich, wenn ich nach evangelischen Maßstäben arbeiten will, muss ich anderen auch ihre Zugestehen. Daher geht es nicht um weniger, sondern mehr Profil.

Dennoch gibt es immer wieder Kritiker an der Kirche, die das Kind mit dem Zuber ausschütten wollen. Um der Kirche einige Privilegien zu entreißen wird die Subsidiarität ausgehöhlt.

Momentan wird in Stuttgart darüber debattiert für alle mit städtischer Förderung angestellten Personen auch die städtischen Kriterien verpflichtend zu machen. Der Humanistische Pressedienst schürt die Aversionen gegen die Kirche mit eben jener Argumentation.