Die protestantische Basis emanzipiert sich. Von Friedhelm Schneider.

06.07.2015

Nachdem schon früh einige der Pfarrvereine fast prophetisch gegen den EKD- Kirchenumbauprozess argumentiert hatten, nachdem im letzten Jahr auch leitende Geistliche hinsichtlich der sog. „Reformen“ von Zweifeln beschlichen wurden, formuliert nun auch die protestantische Basis ihren Widerspruch. In unterschiedlichen Landeskirchen hatten sich schon Gemeindebünde gegründet. Dieser Teil der Basis ändert nun offensichtlich seine Aktionsform: Dass eine einzige Gemeinde mit einer Demonstration im Landeskirchenamt viel Unsicherheit in den sonst sich eher arrogant gebenden Führungsetagen erzeugen kann, belegt die Aktion der Kirchengemeinde Rommerskirchen in der EKiR vom 25.Juni.

Neben solchem öffentlichkeitswirksamen Protest emanzipiert sich an der Basis die Landessynode der württembergischen Landeskirche immer stärker vom offiziellen Reformkurs. Schon bei der letzten Synodentagung war der eigenständige Weg unübersehbar. Sie tut dies nicht öffentlichkeitswirksam, sondern völlig unauffällig. Und trotzdem ist das kein buissiness as usual. Am Beispiel der aktuellen Synode vom Juli 2015 kann man die wiedergewonnene Selbständigkeit der Synode an etlichen zentralen Themen der Synode festmachen, weswegen wir die Ergebnisse in dieser Ausgabe etwas ausführlicher darstellen:
1. Finanzpolitik
Die Synode votiert mit den Stimmen aller Fraktionen (Gesprächskreise), die Kirchensteuermehreinnahmen den Gemeinden zur Verfügung zu stellen. Damit kommen die Mittel dorthin, wo sie hingehören – und wo sie schließlich auch herkommen: an die Basis.
Das ist zwar noch nicht die Garantie, dass die Mittel dort auch wirkungsorientiert eingesetzt
werden. Aber die Bedingung der Möglichkeit ist immerhin gegeben. Die Schwaben sagen also der (bei Nordlichtern übrigens gerne missverstandenen!) Finanzpolitik der schwäbischen Hausfrau „ade“. Gut so!
2. Personalmanagement
Dass die Landeskirche bei der Schlüsselposition, den PfarrerInnen viel Vertrauen zerstört habe, wird hier unumwunden eingeräumt, wurde zuvor schon von Thomas Striegler und Jens Böhm/ EKHN eingeräumt. (Eigentlich mehr Skandal als nur Fehler!) Die württembergische Synode zieht aus den Folgen der damaligen Fehlentscheidungen Konsequenzen. Sie erkennt die Problematik der wachsender Belastungen und zurückgehender Attraktivität Pfarrdienstes und stellt einen qualifiziert begründeten Antrag zur Entschärfung der Lage.
3. Kontrolle der Arbeit der Führungskräfte
Die Synode schaut den Führungskräften auf die Finger. Und verlangt, dass Beschlüsse der
Synode von der Leitung ernst genommen und umgesetzt werden. So wird OKR Prof. Dr. Ulrich Heckel vorgeführt. Er hat den Synodenbeschluss der Bilanzierung der Reduktion der CO2 Emmissionen aus dem Jahr 2011 (!) bis 2015 bis heute nicht umgesetzt. Seine Erklärung: „Die Bilanzierung… liegt den Verantwortlichen am Herzen.“ In der Synode wissen jetzt alle um die Herzensnöte  des Oberkirchenrats. Man weiß auch: der Mann hat sich bemüht. Merke: nur qualifizierte Kontrolle wird Qualität der Arbeit in den Landeskirchenämtern steigern.
4. Rückgewinnung einer an Barmen orientierten theologischen Basis
Die Synode beschließt eine Stelle für Friedenspädagogik am pti. Damit werden Entscheidungen
wieder auf die Basis theologischer Argumentationen gegründet.

Der Weg der Emanzipation der Synode ist aufgrund der Informationsasymetrie zw. Synodalen und Leitung nicht einfach. Nicht immer ist bspw. die Kontrolle von Behauptungen Leitender sofort möglich, wie das Beispiel des Dr. Hardecker zeigt. Dann stehen Flaschaussagen unwidersprochen im Raum. Die Synode kann aber im Nachhinein prüfen und die betreffende Person auf der nächsten Tagung mit seinen Behauptungen und den abweichenden Fakten, wie etwa hier im Falle der angeblichen Steigerung der Studierendenzahlen, konfrontieren.

Die Gemeindebasis demonstriert, die Synode emanzipiert sich von der Leitung. Die Basis
überlässt also das Schicksal ihrer Kirche oder Gemeinde nicht mehr allein der – früher immer unterstellten – Weisheit der Führung. Das Vertrauen in die Leitungen ist dahin. Das sind zwei wichtige Entwicklungen im Protestantismus. Sie könnten in anderen Gemeinden und anderen landeskirchlichen Synoden Schule machen.  Die Beispiele nähren die Höffnung, dass das Reformationsjubläum 2017 doch noch ein echt protestantisches Ereignis werden kann.

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