Schlagwort-Archive: Institutioneller Wandel

Altenpflegerin: „Ich fühle mich nicht mehr respektiert.“ZEIT-Online bringt persönlichen Erfahrungsbericht.

Altenpflege: Pflegemutter
Seit 30 Jahren kümmert sie sich um alte Menschen. Jetzt sagt sie plötzlich, sie kann nicht mehr. Was ist das für ein Job, der eine wie sie zum Aufgeben zwingt?, fragt sich Moritz Herrmann. Und begleitet seine Mutter auf eine letzte Schicht
Von Moritz Herrmann…
…Je länger wir durch die Stadt fahren, desto weniger frage ich mich, warum meine Mutter diesen Job nicht mehr machen will. Im Gegenteil: Warum hat sie nicht schon längst aufgehört?

„Wieso bist du eigentlich Krankenschwester geworden?“

„Ich kam mir damals edel vor. Ich wollte Menschen helfen, ihr Leben zu genießen oder das, was davon bleibt. Ich dachte: Ja, hier tu ich das Richtige. Das Gefühl ist sehr schön, das hast du nicht in jedem Job.“

„Und dieses Gefühl ist jetzt weg?“

„Ich fühle mich nicht mehr respektiert.“…

Mehr dazu.

EKHN-Synode 1/2016. Herborner Theologieprofessor Peter Scherle: Kirchensynode hat keine Kontrollfunktion gegenüber Exekutive und Synodale haben sind keine Interessensvertreter (ihrer Dekanate/ Gemeinden)

06/2016, EKHN
„…Zuvor hatte Scherle auf die besondere Bedeutung des Zusammenspiels der verschiedenen Leitungsorgane in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hingewiesen. Obwohl die Synode vergleichbar mit einem demokratischen Parlament eine Gesetzgebungs- und eine Wahlfunktion sowie das Budgetrecht habe, übe sie keine „Kontrollfunktion gegenüber einer Exekutive“ aus. Es gehe aus evangelischer Sicht vielmehr um das „Zusammenwirken der Leitungsorgane“ wie der Kirchensynode, Kirchenleitung und der Kirchenverwaltung. Es gehe aus evangelischer Sicht vielmehr um das „Zusammenwirken der Leitungsorgane“ wie der Kirchensynode, Kirchenleitung und der Kirchenverwaltung. Im ursprünglichen Sinne bedeute das Wort Synode zudem eine „gottesdienstliche Versammlung derer, die miteinander auf dem Weg des Glaubens sind.“ Demnach sind die Synodalen nach Scherle auch keine Interessensvertreter. Vielmehr seien sie „allein Christus verpflichtet, nicht aber bestimmten Interessen, wie zum Beispiel denen einer Region oder bestimmter Handlungsfelder“. Als Synodale repräsentierten sie „die ganze Kirche, die sich wiederum als Zeugin Jesu Christi versteht“, so Scherle… Zum EKHN-Bericht.

Kommentar von Friedhelm Schneider:

Die Amtsperiode der neuen EKHN-Synode beginnt, Wahlen standen auf der aktuellen Tagung im Juni 2016 im Vordergrund. Aber doch mit pikanter Beilage: die Synodalen mussten offensichtlich nicht nur gewählt, sondern auch justiert werden. Von Prof. Peter Scherle wurden sie zu Beginn der Arbeit über das Wesen des Systems EKHN, die Aufgaben und Funktion der Synode belehrt. Nach manchen – im Falle schwacher Kirchenleitungsvorlagen – korrigierenden Entscheidungen früherer Synoden wurde eine solche Belehrung offensichtlich als notwendig erachtet. Schwache Kirchenleitungsvolagen?… wie etwa zu Pfarrstellenbemessung (2011, Wiedervorlage 2019) oder auch gravierenden Umsetzungsproblemen mit prinzipiell umstrittenen Entscheidungen, etwa bei der Doppik. Im letzeren Fall musste jüngst die Kirchenleitung den (Achtung Consultingdeutsch:) „roll out“ erneut um ein Jahr auf 2018 verschieben. Flopps sind also – leider – keine Einzelfälle. Und so erscheint zur Gewährleistung eines reibungslosen Durchgangs zukünftiger Vorlagen eine solche Belehrung, eine Justierung des Organs der Synode mittlerweile offensichtlich als notwendig.

Doch: sind Synoden, sind die Synodalen denn per se widerspenstig? Die Erfahrung lehrt das Gegenteil: die Synodalen erscheinen in der Regel als sehr auf Harmonie bedachte Geschöpfe aufzutreten. Was ist also los? Hat sich die nach Harmonie strebende Synode gewisse Funktionen wie die der Kontrolle etwa am Ende gar nicht selbst ausgesucht? Vielleicht wurde sie ihr geradezu aufgezwungen – aus der Verantwortung nicht nur für die entsendende Region, sondern für das große Ganze der Kirche (Scherle: Christus). Und sie folgt gerade im Widerspruch – gut protestantisch – ihrem Gewissen. Und damit – so viel lässt sich ja empirisch schon nachweisen – dem Besten der Kirche. Denn mittlerweile wurden solche Positionen des Widerspruchs der Synode(n) nur zu oft durch die nachfolgende Realität mehr als bestätigt: Pfarrerschelte und massiver Pfarrstellenabbau – wer von den Führungskräften wagte es, dafür heute noch einzustehen? Strukturreformen? wer schämte sich nicht, diese als eine zentrale Problemlösungsmittel für die Kirche propagiert zu haben? Last not least: Kirche der Freiheit, das Impulspapier der Kirchenreform? Völlig demontiert durch die 5. KMU, die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Alles Irrwege in einer Phase neoliberalen institutionellen Wandels auch der Kirchen, die vielleicht früher hätten gestoppt werden können, wenn in der Kirche eine Kultur des offenen Diskurses, ja des Widerspruchs bei wenig überzeugenden Vorlagen bestanden hätte. Wenn die Synode aktiv mit der Kontrollfunktion betraut worden wäre, für die die Rechnungsämter aufgrund von Amtsabhängigkeiten in Zeiten starken Veränderungsdrucks ganz offensichtlich vielfach überfordert waren. Und nun Professor Scherle, die Synode habe keine Kontrollfunktion! Um solche Aussagen zu treffen, muss man jegliche empirische Forschung konsequent ausblenden und tief in die Klamottenkiste eines platten Begriffsplatonismus greifen, wie Scherle es tut: „im ursprünglichen Sinn bedeutet das Wort Synode…“. Sorry, Herr Professor. Da war theologische und kirchliche Wissenschaft schon einmal weiter, viel weiter… Auf diesem Weg – so viel ist klar – werden die (teilweise selbstgeschaffenen und so zu benennenden) Probleme der EKHN (und der anderen Landeskirchen) nicht zu lösen sein.

 

Wandel in anderen Institutionen: Die Wut geht um in der deutschen Polizei: Millionen Überstunden, schlechte Bezahlung. Nun rächt sich der Sparkurs.

Heiligabend in Uniform, Millionen Überstunden, schlechte Bezahlung: Die Beamten sind von Flüchtlingskrise und Terrorgefahr überfordert. Nun rächt sich der Sparkurs.

24. Dezember 2015, Von Joachim Käppner, SZ

Mindestens zehn Millionen Überstunden

Radek schätzt die Zahl der aufgestauten Überstunden aller Polizisten in Bund und Ländern „auf mindestens zehn Millionen“. Statistisch werden sie nicht einheitlich erhoben. Aber allein Nordrhein-Westfalen bringt es, so Plickert, auf 3,6 Millionen: „Wer glaubt, diese ließen sich jemals wieder abfeiern, macht sich Illusionen.“ In Bayern sind bei der Bundespolizei seit Einführung der Grenzkontrollen am 13. September eine halbe Million Überstunden angefallen. Gleichzeitig hat die GdP aus Zahlen der Innenministerien berechnet, dass bundesweit seit 1997 mindestens 16 000 Stellen weggespart wurden, vielleicht sogar, meint Radek, bis zu 17 000.

Die Überlastung hinterlässt Spuren…  Zum Artikel.

Kommentar: Parallelen der „Reform“folgen in den unterschiedlichen Institutionen sind unübersehbar.

Welchen Stellenwert haben Institutionen in unserer Gesellschaft? Eine Diskussion im Forum der SZ.

22. Juli 2015

aus den Diskussionsbeiträgen z.B.

„Institutionen sollen das Leben zwischen den Menschen regeln und sicherer machen (Gesetze, Parlamente, Verträge, Unternehmen, Nachrichtendienste,Geld, Normen, Werte, Kirche, sonstige Organisationen). Allerdings scheinen die Institutionen überall zu verfallen und von Fäulnis befallen. Dies liegt allerdings nicht daran, dass Institutionen von außen torpediert würden. Vielmehr sind es die Vertreter der Institutionen selbst, die zum Institutionenverfall beitragen und von Institutionenfäulnis betroffen sind – bestechliche und unwahrhaftige Politiker (…), nachlässige Richter (Vergleichs- und Gutachtenindustrie), korrupte Vorstände und Geschäftsführer (ein Blick in den Wirtschaftsteil von Zeitungen genügt), über das gesetzliche Maß hinaus tätige und Links- und Rechtsextreme befeuernde Nachrichtendienstler (…), korrupte Banker und für Geldpolitik zuständige Vertreter (…), bestechliche Sportfunktionäre (…), versagende und in zahlreichen Skandalen verwickelte Kirchenvertreter (…) usw. Aus den Ruinen der Institutionen, lachen die letzten Institutionenvertreter hervor, schlagen sich auf ihre Schenkel und amüsieren sich über diejenigen, die sich über die aufpolierten Institutionenfassaden noch beeindrucken lassen. Trotzdem, wo keine Substanz mehr ist, verfällt der Glanz bald auf breiter Front. Der „Glaube“ an Institutionen und ihre Vertreter wird in der Epoche der Postmoderne zwangsläufig weiter unterminiert und dekonstruiert… Es ist daher wenig überraschend, wenn Institutionen die Leute davon laufen. Im mittel- bis langfristigen Trend beobachten wir z.B. Mitgliederverluste bei den Gewerkschaften und Parteien, sinkende Wahlbeteiligungen, zunehmende Wechselwähler, verstärkte Personalfluktuationen in Unternehmen, steigende Kirchenaustritte, Angst vor dem Verfall des Euro usw…. “

Quelle: scrollen Sie zu:  Schneider • vor … Tagen

Moratorium gegen den ‚Morbus testeritis‘ gefordert: Eine Dekade Pisa-frei – von Prof. Ralf Lankau

Veröffentlicht am 02.04.14 | Prof. Ralf Lankau

Wer am 2. April 2014 die Tageszeitungen daraufhin durchschaute, welche Aprilscherze am 1. April dieses Jahr veröffentlicht wurden, findet unter anderem eine Pressemeldung der OECD: „PISA – Beim kreativen Problemlösen liegen deutsche Schülerinnen und Schüler im oberen Mittelfeld.“

Wer die Meldung daraufhin aufruft, darf lesen, dass schwächere Schülerinnen und  Schüler Schwierigkeiten haben, einen (simulierten) Fahrkartenautomaten zu bedienen (was, je nach Automat und Software, durchaus eine Herausforderung sein kann, hier erschwert durch die Aufgabenformulierung) oder dabei scheitern, die kürzeste Strecke zwischen zwei Stationen auf einer interaktiv anzuklickenden Karte zu ermitteln. Wer diese computer-basierten Aufgaben selbst ausprobieren möchte (siehe: Testfragen) …

Moratorium gegen den Morbus testeritis: Eine Dekade Pisa-frei

Hilfreich wäre stattdessen eine Moratorium: Setzen wir PISA- und alle anderen Morbus Testeritis-Szenarien für eine Dekade aus und gewähren den Schulen und allen Beteiligten eine Pause von diesem Zähl- und Rankingwahn. Zu tun gibt es genug, das gesparte Geld wäre für Personal an den Schulen deutlich besser investiert als an den mittlerweile ungezählten empirischen Studien über Schule.
Die Testpäpste und ihre Adlaten haben auch so genug Zahlenmaterial, um für die nächsten Jahre sinnfreie Bedarfs-Statistiken zu generieren, um sich ihrer selbst zu vergewissern, auch wenn deren Aussagekraft und Relevanz selbst in angeblich „harten Faktenfächern“ wie Mathematik mehr als fragwürdig sind (siehe die Vortragsreihe: Mathematik in der Schule – Versuch über eine Bildungsmiser), den Beitrag des Kollegen Jahnke: Die Illusion der Statistiker oder oder die Publikationen zu PISA von  Wolfram Meyerhöfer, (Univ. Paderborn).

Empiriker und „Bildungs-“Forscher überschätzen die Relevanz des Messbaren im Verhältnis zum Relevanten. Dabei gilt das Einstein-Wort: “Nicht alles, was zählt, ist zählbar, und nicht alles, was zählbar ist, zählt.” Eine Dekade „testfrei“ böte die Gelegenheit, sich auf Wesentliches der Lehre, d.h, die Arbeit mit den Lernenden, zu konzentrieren, denn gerade in Pädagogik und Bildung, sind die wesentlichen Qualitäten weder zähl- noch messbar und ungeeignet für Statistik. Zum Artikel.

Spricht nicht mehr von ‚Reformen‘: Prof. Detlef Pollack spricht jetzt auch von Umbauten hinsichtlich der ‚Reformmaßnahmen‘.

In seinem Votum zur zur fünften EKD Mitgliedschaftsstudie spricht nun auch Prof. Detlef Pollack, Münster, von Umbauten. In früheren Äußerungen war noch in der Sprachregelung der EKD von Reformen die Rede (vgl. Franz-Xaver Kaufmann und Detlef Pollack, Kirchliche Reformbemühungen in soziologischer Perspektive, Ev. Theologie 1/2013, 154.). Prof. Pollack schließt sich damit der Bezeichnung an, die schon vor Jahren von Pfr. Hans-Jürgen Volk eingeführt wurde. F.S.

Prof. Pollack: „Die Soziologie beschreibt gegenwärtige gesellschaftliche Wandlungsprozesse mit Begriffen wie funktionale Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung. Für eine Institution wie die evangelische Kirche, aber auch für andere Institutionen und Organisationen, wie etwa Gewerkschaften, Parteien oder auch Familien gehen von diesen Prozessen erosive Wirkungen aus, die sie zu mannigfachen internen Umbauten zwingen und ihre traditionale Gestalt verändern.“ Der vollständige Text.

Folgen der fortschreitenden Ökonomisierung des Dritten Sektors

Studie zu den Auswirkungen des steigenden Ökonomisierungsdrucks

Ebenfalls im Fokus der Auswertung des empirischen Datenmaterials stand die Frage, ob sich aus einem erhöhten Ökonomisierungsdruck spezifische Auswirkungen für die Organisationen ergeben. Untersucht wurden hierbei die Effekte der Ökonomisierung auf Struktur, Arbeitsweise, Beschäftigungssituation und Selbstverständnis der Organisationen. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Organisationen, die einem hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind, u. a. häufiger ihre Strukturen rationalisieren, eine stärkere organische Ausdifferenzierung zwischen ideellen und wirtschaftlichen Bereichen vornehmen, Beschäftigungsverhältnisse flexibler gestalten sowie öfter befristete Arbeitsverhältnisse einsetzen. Beispielsweise liegt der Anteil zeitlich begrenzter Verträge unter den Organisationen mit geringem Ökonomisierungsdruck bei 28 Prozent, bei mittlerem Druck liegt er bereits bei mehr als der Hälfte (53 Prozent) und bei hohem Druck schließlich bei 61 Prozent. Demgegenüber werden die gemeinwohlorientierten, zivilgesellschaftlichen Leitlinien sowie der hohe Stellenwert der Förderung ehrenamtlichen Engagements von den Entwicklungen der Organisationen bisher nicht beeinflusst. Gleichwohl ist nach Angaben des Autors jedoch davon auszugehen, dass wirtschaftliche Leitlinien eine immer größere Rolle spielen. So sind betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente in den befragten Organisationen inzwischen generell sehr verbreitet. Zur Studie.

Reform und Realität – die Hochschulrektorenkonferenz übt Selbstkritik

Hochschulrektoren gestehen Fehler bei Umsetzung des Bologna-Prozesses ein.

20. 11. 2013 Von Johann Osel,

Bologna-Prozess Hochschulrektoren räumen Defizite bei Bachelor und Master ein

Die Studierenden üben schon lange Kritik am Bachelor-Master-System. Jetzt gestehen auch die Hochschulrektoren ein, dass es Versäumnisse bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses gibt. Vor allem in einem Bereich sehen sie Nachbesserungsbedarf.

„Bislang war in Bologna-Beschlüssen der HRK Selbstkritik kaum zu finden.“ Mehr in der SZ.

Organisationsveränderungen in neoliberalen Reformprozessen

Am Beispiel der Veränderungen in traditionellen Professionen zeigten sich die Einheitlichkeit des Reformprogramms wie auch der Folgen über die Professionsgrenzen hinweg. Diese Einheitlichkeit des Reformkonzeptes betrifft auch das Organisationsmodell und die Instrumente. Sie sollen ganz unterschiedlichen Institutionen – der Kommune, dem Staat, der Schule, der Universität, der Krankenkasse, der Kirche – übergestülpt werden. Unabhängig von den individuellen Problemen und Anforderungen. Am Beispiel der Struktur des neuen Steuerungsmodells hatten wir bereits früher dargestellt. Damit geht es bei den Reformen also nicht wie oft behauptet um individuelle Korrekturen von Schwachstellen zur Verbesserung des Steuerungssystems. Sonst wären die Lösungen individuell angepasst, wie das von ExpertInnen immer wieder gefordert wird.  Und zwar nicht allein auf der Ebene der jeweiligen Institution, sondern auch auf der Ebene von Einheiten innerhalb der Institution, wie z.B. der Kirchengemeinden. Die Generallösung hat also nicht den Zweck der Korrektur und Optimierung, Es geht um eine einheitliche Veränderung, es geht um die Transformation aller Institutionen. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, dann  verbirgt sich hinter den sog. Reformen nichts anderes als eine Ideologie. Dann werden wir Fragen stellen müssen, wohin diese Ideologie die Gesellschaft führt. Und ob es für die Kirche zweckmäßig ist, in diesem Strom mitzuschwimmen.