Von Hans-Jürgen Volk
„Wir müssen uns kleiner setzen!“ „Wir werden in Zukunft anders Kirche sein müssen.“ „Schmerzvolle Einschnitte und große Anstrengungen sind erforderlich.“ Imperative, die eine Hingabe an das scheinbar Unausweichliche verlangen, dominieren den sog „Präsesblog“ der EKiR – jedenfalls dort, wo es ums Sparen geht. Wenn „Entscheidungen im Dialog“ vorbereitet werden sollen, dann offenbar nur solche, in denen die Sparvorgaben der Kirchenleitung strenge Beachtung finden. 15% Einsparungen im Haushalt der Landeskirche jetzt bis 2015, 35% insgesamt bis 2018, diese Ansage, herbeigeführt durch einen Beschluss der rheinischen Kirchenleitung Anfang Juli, scheinen wie in Stein gemeißelt. Die Basis dieser Vorgaben ist allerdings mehr als fragwürdig. Die außerordentliche Landessynode, die am 23. November 2013 in Hilden stattfindet, soll diesen Sparkurs absegnen. Die Beschlussvorlagen zur sind hier zu finden.
Die Sparvorgaben der Kirchenleitung haben keine belastbare Grundlage:
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Ausgangspunkt der Berechnungen sind die Planungsvorgaben für 2013 mit einem Nettokirchensteueraufkommen von 575 Mio. €. Diese Zahl ist überholt. Der erweiterte Finanzausschuss geht mittlerweile von einem Aufkommen von 593,5 Mio. € für 2013 aus. Dies liegt immer noch eine halbe Mio. € unter dem schon lange bekannten Ergebnis von 2012. Auf Grund der Tatsache, dass die Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen 2013 insgesamt deutlich positiver verläuft als im Vorjahr kann man getrost davon ausgehen, dass auch dieser Betrag überboten wird.
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Das Netto-Kirchensteueraufkommen ist seit 2005 nominal um deutlich über 20% gestiegen. Alle signifikanten Fakten sprechen im Moment dafür, dass es entgegen der wiederum allzu vorsichtigen Planung (- angenommen wird ein Verteilbetrag von 584,8 Mio. € -) auch 2014 steigen wird.
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Der Haushalt der Landeskirche gerät also nicht etwa auf Grund sinkender Kirchensteuereinnahmen unter Druck. Ein entscheidender Faktor ist die unsinnige Doppelung von Substanzerhaltungspauschalen (SEP) und Abschreibungen (AfA) bei Gebäuden, die es sonst in der Doppik weder bei Kommunen noch bei den Ländern gibt. Der landeskirchliche Haushalts wird mit 13,4 Mio. € für Beides belastet. Dies macht etwa 22% der gesamten Haushaltsmittel aus. Die AfA hat ein Volumen von 5,2 Mio. €, SEP von 8,2 Mio. €. Würde man auf die AfA verzichten, reduzierte sich das Defizit des landeskirchlichen Haushalts auf 2,6 Mio. €, bei Abschaffung der SEP würde unter Beibehaltung der AfA selbst nach den Planzahlen für 2013 ein Plus von 400.000 € zu verzeichnen sein.
Fazit: Was in Stein gemeißelt zu sein scheint, ist tatsächlich in den Sand geschrieben und hält einer Überprüfung an den Fakten nicht stand.
Thesen zur Argumentation der KL:
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Es sind keine zwingenden Gründe für die enorme zeitliche Verdichtung des ursprünglichen Sparziels von 15% und die Verschärfung auf 35% bis 2018 erkennbar.
Geht man von des Zahlen aus, die der erweiterte Finanzausschuss für 2013 jetzt als Netto-Kirchensteueraufkommen annimmt – 593,5 statt 575 Mio. € – und beseitigt man die Geburtsfehler der rheinischen NKF-Variante, wozu eindeutig die Doppelung von SEP und AfA gehört, reduziert sich das Defizit im Haushalt der Landeskirche erheblich und verwandelt sich unter Umständen sogar in einen Überschuss.
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Auf Grund der zeitlichen Verdichtung besteht die Gefahr, dass weder eine inhaltliche Begleitung des Sparprozesses noch eine Überprüfung im Blick auf die funktionalen Folgen ausreichend gewährleistet ist.
Die den Haushalt der Landeskirche betreffenden Sparbemühungen wurden nach einem Beschluss der KL durch die Landessynode 2010 unter der Überschrift „Aufgabenkritik“ auf den Weg gebracht. Die Landessynode installierte zudem einen Ausschuss für Aufgabenkritik, der den Sparprozess inhaltlich begleiten sollte. Handlungsleitende Kriterien ergaben sich aus dem auf der gleichen Synode beschlossenen „Leitbild“ der EKiR „Missionarisch Volkskirche sein“ und nicht zuletzt aus der grundlegenden, zahlreiche Selbstverpflichtungen enthaltenden Schrift aus 2008 „Wirtschaften für das Leben“.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass für die neue KL beide Schriften bestenfalls Fußnoten darstellen, keinesfalls aber eine handlungsleitende Funktion übernehmen sollen. Dieser Eindruck wird bestätigt durch die Vorlage der KL zur Gestaltung des weiteren Beratungsprozesses, in der lediglich die 8 im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ vom 28.09. 2013 entwickelten Kriterien zur Umgestaltung benannt werden. Wie will man eine sinnvolle, theologisch und sozialethisch vertretbare Umgestaltung unserer Kirche bei dem jetzt erzeugten Zeitdruck hinbekommen?
Schon jetzt überlappen sich zahlreiche „Reform“-Projekte, die dringend nach Korrekturen verlangen. Nun folgt auf den nicht abgeschlossen, wenig reflektierten ersten Sparschritt von 15% der wesentlich drastischere von 35% bis 2018. Hiermit wird die für den bbz-Finanzskandal ursächliche Überforderungskultur auf die Spitze getrieben!
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Wer sparen will sollte zunächst NKF, die Verwaltungsstrukturreform und andere fragwürdige Reformprojekte auf den Prüfstand stellen und dringend erforderliche Korrekturen herbeiführen!
Dass NKF wie die Verwaltungsstrukturreform, die wie andere „Reform“-Projekte einst propagiert worden sind, um Kosten zu reduzieren, dass genaue Gegenteil bewirken, wird immer deutlicher. (Vgl. hierzu den Beitrag: „NKF und Verwaltungsstrukturreform – ein ‚weiter so‘ führt ins Desaster“.)
Mir persönlich sind mehrere Kirchenkreise bekannt, die in den letzten Monaten neue Verwaltungsstellen eingerichtet haben. Finanzmittel werden von der Arbeit mit Menschen abgezogen, stattdessen fließen immer mehr Ressourcen in die Verwaltung. Es ist evident, dass die aktuelle Leitung der EKiR die Komplexität der eigenen Landeskirche in Verbindung mit den bereits erfolgten Umstrukturierungsmaßnahmen nicht wirklich beherrscht. Durch den verschärften Sparkurs werden sich die ungewollten Effekte verstärken.
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Falsche Grundannahmen führen zu falschen Prognosen.
In Gefolgschaft von Vorgaben der EKD geht die KL von einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen von 1% im Jahr aus. Dies wird begründet mit dem demographischen Wandel und dem Mitgliederrückgang. Diese Grundannahme ist schlicht falsch! Seit 1970 hat sich das Kirchensteueraufkommen trotz Mitgliederrückgang vervielfacht. Den demographischen Wandel gibt es in Deutschland seit ca. 150 Jahren. Die nicht akzeptable Diskrepanz zwischen Planzahlen und tatsächlichen Ergebnissen ist zum großen Teil auf diese falsche Grundannahme zurückzuführen. Langfristprognosen über das Jahr 2020 oder gar 2030 hinaus sind unsinnig, da seriöse Aussagen über einen derart langen Zeitraum hinweg weder über das Steueraufkommen, noch die ökonomische Entwicklung oder das Finanzmarktgeschehen möglich sind. Sinnvoll und möglich ist eine transparente Bewertung von Risiken und Chancen, die zu unterschiedlichen Szenarien führt.
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Zukünftige Versorgungs- und Beihilfeansprüche sind eine Herausforderung, die nur von einer vitalen Kirche bewältigt werden kann.
Eine bedenklich geringe Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche sind eine große Herausforderung für die EKiR. Was ist der beste Weg, um gegenzusteuern? In dem Beitrag „sparen oder gestalten“ werden hierzu Vorschläge gemacht.
Die Kirchenleitung hält es für geboten, die laufende Arbeit durch den Abzug von Finanzmitteln zu schwächen, um die Kapitalbildung zur Bewältigung zukünftiger Beihilfe- und Versorgungsansprüche zu intensivieren. Diese Reaktion auf eine EKD-Rüge verrät ein bürokratisch-statisches Denken, das verkennt, dass nur eine vitale Kirche kommenden Herausforderungen gewachsen ist. Zudem werden Finanzmarktrisiken sträflich unterschätzt.
Bald werden gut ein Viertel des verfügbaren Kirchensteueraufkommens zur Absicherung von Versorgungsleistungen und Beihilfeansprüchen verwendet. Damit ist die Grenze des Sinnvollen und Vermittelbaren mehr als erreicht. Auch eine Kirche kann man kaputt sparen! Unterstrichen werden muss, dass die Ev. Kirche im Rhein bereits erheblich Anstrengungen bis über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus unternommen hat, um der Herausforderung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche gerecht zu werden.
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Gerade im Hinblick auf den bbz-Finanzskandal ist beim Anlagevermögen der EKiR Transparenz und ein professionelles Anlagemanagement erforderlich. Die Empfehlungen der Höppner-Kommission sind zu beachten!
Unter 3.1.4 schreibt die Höppner-Kommission der EKiR ins Stammbuch: „Geld ist also nicht nur ein Mittel, um den Verkündigungsauftrag zu erfüllen. Die Art, wie die Kirche mit ihrem Geld umgeht, ist selbst ein Teil glaubwürdiger Verkündigung. Wort und Tat müssen im Einklang miteinander stehen. Hier hat sich die Parallelität von christlicher Botschaft und kirchlichem Handeln zu bewähren. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht nur nach innen, sondern insbesondere auch im öffentlichen Raum.“ Die Kommission empfiehlt unter 4. eine Reihe von Maßnahmen. Hierbei geht es im klare Leitungsstrukturen und eindeutige Verantwortlichkeiten sowie um ein ethisch orientiertes professionelles Anlagenmanagement.
Hoffentlich lernen Kirchenleitung und Landessynode aus der bbz-Affäre, die bekanntlich die EKiR im Blick auf ihre Rücklagensituation so sehr geschwächt hat, dass sie als Begründung für den von der KL geforderten Sparkurs mit herhalten muss.
Die Geldanlagen der EKHN wurden kürzlich von einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter die Lupe genommen, wobei erhebliche Mängel und Risiken sichtbar wurden. Friedhelm Schneider weist in einem eigenen Beitrag auf den Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses hin, der auf der Studie der Wirtschaftsprüfer basiert. Die Vermutung, dass in der EKiR ähnliche Mängel vorhanden sind, liegt nahe.
Wirft man einen Blick auf den Verwaltungsrat der Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte (VKPB) Dortmund, wachsen Befürchtungen. Dieses Gremium, das den 2-köpfigen Vorstand kontrollieren soll, besteht fast ausschließlich aus TheologInnen und JuristInnen. Ob hier die nötige Kompetenz im Blick auf Anlagemanagement und Investmentrisiken vorhanden ist, darf bezweifelt werden.
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Es ist nicht akzeptabel, wie die EKiR mit ihren Beschäftigten umgeht. Das Verhalten der Kirchenleitung befindet sich im offenkundigen Widerspruch zu sozialethischen Positionen der EKiR.
Ein Vorgeschmack auf das, was bei Umsetzung des verschärften Sparkurses auch anderen Arbeitsfeldern droht, ist derzeit bei der Umstrukturierung der Medien und Öffentlichkeitsarbeit zu beobachten. Hiermit ist eine einstmals unabhängige evangelische Publizistik durch die Ansiedlung im LKA nun endgültig zur kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit mutiert. Bedrückend ist, dass durch die Umstrukturierung Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben, die nur unter großen Schwierigkeiten an anderer Stelle eine neue Beschäftigung finden dürften. Bei anderen Berufsgruppen hat die Ev. Kirche im Rheinland quasi eine Monopolstellung als Arbeitgeberin. Sie trifft der Arbeitsplatzverlust noch härter und bedeutet in der Regel das beruflich Aus. Menschen sind jetzt unter Druck, die teilweise jahrzehntelang kompetent und gedeihlich für die Kirche gearbeitet haben und nur wenige Jahre vor ihrem Ruhestand stehen.
„Wir wollen so solidarisch mit Armen handeln und uns anwaltschaftlich für die einsetzen, die die Stärkung ihrer Rechte und Lebenschancen brauchen. Auf diese Weise werden Menschen neugierig auf die Gemeinschaft, in deren Praxis Gerechtigkeit und Solidarität sichtbar leitend sind.“ (Missionarisch Volkskirche sein S. 7 -2.8) – Will jemand ernsthaft behaupten, die vor allem an Finanzgrößen orientierte Vorlage der KL „Umgang mit der finanziellen Situation der Evangelischen Kirche im Rheinland“ würde einer Praxis den Weg bereiten, in der „Gerechtigkeit und Solidarität sichtbar leitend sind“?