Schlagwort-Archive: Pfr. Hans-Dieter Zepf

Das Weißbuch 2016 – Zur Sicherheitspolitik und Zukunft der Bundeswehr. Von Hans Dieter Zepf, Pfarrer i. R.

08/2016

Das im Juli erschienene Weißbuch 2016 ist ein Dokument für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung.

Die im Weißbuch dargelegte Sicherheits- und Rüstungpolitik ist friedensgefährdend und auf Konfrontationskurs besonders gegenüber Russland.

Einzelne Kritikpunkte:

weitere Aufrüstung, eine Fortsetzung der Auslandseinsätze der Bundeswehr, Rüstungsexport. (Die Bundesregierung handelt gegen die Mehrheit der Menschen in Deutschland, die gegen Kriegseinsätze und Rüstungsexporte sind. Es ist eine Illusion zu glauben, dass mehr Sicherheit durch Aufrüstung und Militärinterventionen errreicht werden kann)

Erhöhung der Streitkräfte

Sicherung der Handelswege und Rohstoffe ( Wahrscheinlichkeit, dass Krieg um Handelwege und Rohstoffe geführt wird)

Notwendigkeit nukleare Abschreckung

die weltweite soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit wird ausgeklammert

Im Jahre 2016 werden weltweit 1,676 Billionen US- Dollar für Rüstung und Krieg ausgegeben (Quelle: schwedisches Friedensforschungsinstitut SIPRI). Gelder, die besser in zivilen Projekten angelegt wären!
Friedenspolitik muss sich orientieren an

  • der Absage an Aufrüstung und Kriegseinsätzen
  • der weltweiten Ächtung und Abschaffung der Atomwaffen
  • ziviler Konfliktbearbeitung
  • internationaler Gerechtigkeit, ohne die es keinen Frieden gibt
  • der Überwindung des ungebremsten Kapitalismus

Forderungen

  • keine Ausgaben für Rüstung, Rüstungsexporte und Kriegseinsätze
  • mehr Geld für Soziales und Bildung
  • mehr Geld für zivile Konfliktbearbeitung.

Steigende Ausgaben für Rüstung – Waffenexporte – das Geschäft mit dem Tod. Von Hans Dieter Zepf, Pfarrer i. R.

04/2016

Nach dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri hat Deutschland 2015 rund 39,4 Milliarden für Rüstung ausgegeben. Saudi-Arabien hat 2015 mehr als doppelt soviel für militärische Rüstung wie Deutschland ausgegeben. Mit 87,2 Milliarden Dollar liegt das sunnitische Königreich weltweit auf dem dritten Platz vor Russland mit 66,4 und Großbritanien mit 55,5 Milliarden Dollar. Die USA liegen mit 596 Milliarden Dollar vor China mit 215 Milliarden. In den letzten vier Jahren war ein Rückgang zu verzeichnen, 2015 sind die Rüstungsausgaben weltweit um ein Prozent gestiegen. (1)

Die Herstellung von Waffen töten noch vor ihrem Einsatz. Es werden Gelder gebunden, die für soziale Ausgaben verloren sind.

„Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Schiff, das vom Stapel gelassen wird,
jede abgefeurte Rakete bedeutet letzlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, und an denen, die frieren und keine Kleidung haben.
Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld alleine. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“ (2)

Aber nicht nur die Rüstungsausgaben sind gestiegen, sondern auch die Rüstungsexporte. In den letzten Jahre haben sich die deutschen Exporte von Kriegswaffen und Rüstungsgütern verdoppelt. Der Waffenexport ist ein Geschäft mit dem Tod. Deutschland ist weltweit nach den USA, Russland und China der viertgrößte Großwaffenexporteuer. Empfänger sind Diktaturen und autoritäre Regime in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa. Nach Schätzung von Fachleuten wird alle 14 Minuten ein Mensch duch Kugeln aus Waffen, die von Heckler & Koch stammen, getötet.

Für deutsche Firmen sind Waffenexporte ein lukratives Geschäft. (3)

„Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemand gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhalt und Förderung des Friedens geworfen hätte.“ (4)

Konflikte eskalieren durch Waffenlieferungen. „Letztlich aber lässt der Einsatz perfektionierter Tötungsinstrumente die Konfliktaustragung eskalieren und ist somit ein Beitrag zu mehr Ungerechtigkeit und Unfrieden. Mit Waffenlieferungen wird Öl ins Feuer von Krisen und Kriegen gegossen. Wer Kriegswaffen und Rüstungsgüter an Scheindemokraten, Repressoren und Diktatoren exportiert, leistet vielfach Beihilfe zu Mord oder – im Falle von Kleinwaffentransfers – zu Massenmord.

Waffenhandel ist also die tödlichste Form der Außen-, Sicherheits-und Wirtschaftspolitik. Die Opfer sind in den weit überwiegenden Fällen wehrlose Zivilistinnen und Zivilisten. Die Lieferung von Kriegswaffen unterstützt massiv Ungerechtigkeit in weiten Regionen der Welt. Am Ende entpuppt sich Waffenhandel als ein aktiver Beitrag zu Ungerechtigkeit. Wer eine friedlichere und gerechtere Welt anstrebt, muss sich für ein Verbot von Rüstungsexporten einsetzen.“ (5)

Deshalb muss Artikel 26/2 des Grundgesetzes geändert werden in: „Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert.“ Das ist das Ziel der „Aktion Aufschrei- Stoppt den Waffenhandel!“
(1) Quelle: Darmstädter Echo vom 5.4.2016, Seite 2
(2) Dwight D. Eisenhower, 34. Präsident der USA – 1953 bis 1961 in seiner Rede „Chance for Peace“ am 16.04.1953

(3) Quelle: www.aufschrei-waffenhandel.de/Forderungen-Ziele.65.0html

(4) Carl von Ossieztky inder Weltbühne 1931
(5) www.theeuropean.de/juergen-graesslin

Ist die EKD auf dem Weg zu einer Friedenskirche? Zur EKD- Konferenz für Friedensarbeit tagte in Villigst. Von Hans Dieter Zepf, Pfarrer i. R.

02/2015

Am 20. und 21. Januar 2015 tagte in der Evangelischen Akademie Villigst die EKD – Konferenz für Friedensarbeit. Das Thema lautete „In der noch nicht erlösten Welt … für Recht und Frieden … zu sorgen“, Frieden, Gerechtigkeit, Recht und staatliche Gewalt im Kontext von Just Policing.

In der Einladung heißt es:

„ Die Präambel der UN-Charta aus dem Jahr 1945 nennt den Krieg eine Geißel der Menschheit, die es zu überwindengelte. Die Weltversammlung der Kirchen erklärte im Jahr 1948 den Krieg als unvereinbar mit Gottes Willen. Die friedensethische Grundposition der Evangelischen Kirche in Deutschland wie auch die ökumenische Bewegung heute richten sich aus am Leitbild des gerechten Friedens. Angesichts der aktuellen Beispiele für die Entgrenzung von Gewalt und staatlicher Ordnung in den internationalen Beziehungen stellen sich die Fragen nach der Legitimität der Anwendung von militärischer Gewalt zur Rechtserhaltung ganz neu. `Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen.`So formulierte die Bekenntnissynode von Barmen im Jahr 1934 in ihrer 5. These. Gewiss haben die Synodalen damals die militärische und kriegerische Gewalt zu dem legitimierten staatlichen Gewaltpotential gerechnet.

Die Tagung nimmt das friedensethische Dilemma zwischen Interventionsverbot und Schutzgebot auf und fragt nach dem ´Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens` heute: Wie ist staatliche Gewalt zu organisieren, wenn sie für Recht und Frieden sorgen, jedoch auch der Ächtung des Krieges entsprechen soll? Welche Optionen zur Konfliktbewältigung bietet eine internationale Polizei als Alternative zum klassischen Militär? Kann die Konzeption von Just Policing einen zukünftigen Weg aufzeigen, wenn es darum geht, Terror, Völkermord und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu widerstehen?“

Politiker, Theologen, Sozialwissensschaftler und Soldaten haben in zwei Tagen über ein schwieriges Thema nachgedacht. Die pazifistische Position wurde durch Dr. Jakob Fehr vom Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee vertreten. In einer anschließenden Pressemitteilung heißt es, dass die Kirche zu „einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens werden“ soll. Und der Friedensbeauftragte des Rates der EKD unterstreicht: “Ich bin davon überzeugt, dass friedenstheologische Fragen wieder stärker aufgegriffen und behandelt werden müssen, in den Gemeinden, in den Landeskirchen und auch im Rat EKD“. Das alles klingt gut. Dass die Kirche zu „einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens werden“ soll, ist das Eingeständnis, dass sie es bisher nicht war.

Um eine Friedenskirche im klassischen Sinne zu werden, müsste die EKD das in der Friedesdenkschrift von 2007 Ultima-Ratio-Denken aufgeben.

Alle bisherigen Äußerungen der EKD sind weithin eine Bestätigung der vorherrschenden Sicherheitspolitik der BRD.

Weiter wird in der Pressemitteilung auf den Beschluss der Synode der badischen Landeskirche vom 24. Oktober 2013 verwiesen, der mit dem „Entwurf eines Positionspapieres zur Friedensethik“ zusammenhängt.

Eine Stellungnahme zu diesem bemerkenswerten Positionspapier erfolgt in einem eigenen Artikel, der demnächst in Wort-Meldungen erscheinen wird.

Toleranz- Möglichkeiten und Grenzen

Ein Rundfunkbeitrag eines Regionalsenders. Von Pfr. i.R. Hans-Dieter Zepf

Zwei Beispiele – Toleranz und Intoleranz

„Kann auch der Islam für die Menschen ein Weg zum ewigen Heil sein?“, fragt der katholische Theologe Hans Küng in seinem Buch „Erlebte Menschlichkeit – Erinnerungen“ und fährt fort: „Meine Antwort ist ein eindeutiges Ja“ (Seite 214).

Die Langhaarmode in den 60-er Jahren, besonders in der Studentenbewegung, war ein Protestsymbol gegenüber der konservativen älteren Generation. Haarlänge galt als Ausdruck nonkonformistischen Lebensstiles. Das störte damals nicht wenige, es zeigte sich kaum Bereitschaft zu Toleranz. Das ist heute – von Ausnahmen -abgesehen – anders.

Definition von Toleranz und Intoleranz

Jeweils ein Beispiel von Toleranz und Intoleranz. Aber was bedeuten die Begriffe Toleranz und Intoleranz? In einem Philosophie – Lexikon (Hügli/Lübcke) lesen wir: „ Toleranz (lat. tolerare, dulden, ertragen, aushalten) das Dulden und Ertragen der Anschauungen, Sitten und Lebensformen anderer, die von den eigenen abweichen. T. darf schon von diesem Wortsinn her nicht mit Indifferenz oder ethischem Relativismus verwechselt werden, welche alle Positionen gleich – gültig erklärt. Sie verlangt vielmehr die Duldung gerade jener Meinung oder Handlungen anderer, die man selbst als falsch ansieht und denen man deshalb keineswegs indifferent gegenüber steht. Der Gegensatz zur T. , die Intoleranz, besteht darin, abweichende Meinungen und Lebensformen zu bekämpfen und zu unterdrücken“.

Toleranz ist ein hohes Gut. Der Toleranzgedanke im deutschen Grundgesetz von 1949 ist ein Meilenstein in der deutschen Geschichte:

Art. 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Art. 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Toleranz bedeutet allerdings mehr als „dulden und „ertragen“. Von Johann Wolfgang von Goethe stammen die die Sätze: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Versteht man Toleranz nur im Sinne von „dulden“ und „ertragen“, so ist das letztlich eine Form von Desinteresse. Das bedeutet zum Beispiel, dass Fremden die Integration verweigert wird.

Warum es notwendig ist tolerant zu sein

Wir leben in einer Gesellschaft, die pluralistisch und multikulturell ist. Damit unser Zusammenleben gelingen kann, ist es notwendig, dass wir einander achten und respektieren. Nur so wird eine friedliche Koexistenz möglich sein. Pluralismus ist eine Herausforderung und Chance zugleich. Die verschiedenen Religionen können von einander lernen, wenn sie sich im offenen Dialog begegnen. Dialog bedeutet mehr als ein Gespräch zwischen Christen und Andersgläubigen. Dialog ist Begegnung auf Augenhöhe, die Fähigkeit sich vorbehaltlos aufeinander einzulassen. Es gibt über alle Unterschiede der Religionen hinweg eine Konsens, die sogenannte goldene Regel: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“!, so lesen wir im Matthäus-Evangelium Kapitel 7, Vers 12.

Tolerante Gesinnung ist längst nicht Allgemeingut. Das zeigt sich am Umgang mit Fremden in unserem Land. Viele hegen Antipathie, Abwehr ja sogar Aggression gegenüber Menschen, die aus einem anderen Kulturkreis kommen, andere religiöse Auffassungen haben.

Toleranz beschränkt sich weithin auf eine passive Haltung: das Fremde wird ertragen, es fehlt ein lebendiges Interesse für das Gegenüber. Es gehört zum Wesen der Toleranz aktiv zu sein, das heißt, sich auf andere Menschen und ihre Geisteshaltungen einzulassen. Dazu ist die Bereitschaft zum Dialog notwendig, Zeit und die Bereitschaft zum Zuhören. Nur so wird es möglich sein den anderen zu verstehen und Respekt zu haben vor der anderen Position. „Keine Sünde ist so verderblich wie die Verachtung eines Bruders wegen der Verschiedenheit seines Bekenntnissses“( Bayezid Bastami, persischer Sufimeister aus dem 9. Jahrhundert).

Die unterschiedlichen Religionen müssen Toleranz lernen, damit ein friedliches Zusammenleben möglich ist.

Im Jahre 1995 verabschiedeten die Mitgliedsstaaten der UNESO „Die Erklärung der Prinzipien der Toleranz“. Sie waren „entschlossen alle positiven Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um den Gedanken der Toleranz in unseren Gesellschaften zu verbreiten – denn Toleranz ist nicht nur ein hochgeschätztes Prinzip, sondern eine notwendige Voraussetzung für den Frieden und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Völker … „.

Toleranzgeschichte der christlichen Religionen

Historisch gesehen entwickelte sich die Diskussion um die Toleranz ursprünglich im Problemfeld der Religion. Als Christen sind wir stolz auf unsere eigene Toleranz gegenüber anderen Religionen. Dabei vergessen wir, dass uns die Geschichte eines anderen belehrt. Blicken wir auf die Geschichte der christlichen Kirchen zurück, so ist Toleranz kein Ruhmesblatt.

Im Jahre 313 n. Chr. – nach einer langen Periode grausamer Verfolgungen – wurde den Christen in einem Erlass uneingeschränkte Religionsfreiheit gewährt. Für das Christentum begann eine neue Ära in seiner Geschichte. Am Ende des 4. Jhdt. wurde es zur Staatsreligion. Der damalig Kaiser Konstation sah im Christentum die Möglichkeit sein Reich zu einen. Dem Heidetum wollte er keine Religionsfreiheit mehr gewähren. Die Christen drehten ihrerseits nun den Spieß herum und begannen die Heiden zu verfolgen, von Religionsfreiheit war nichts mehr zu spüren. Eine Zeit der Intoleranz begann, die sich in den folgenden Jahrhunderten fortsetzte.

Verdeutlichen wir uns das an einigen Beispielen:

So hat Kaiser Karl der Große, der im Jahre 814 verstarb, unter Zwang Massentaufen
durchführen lassen. In Verden an der Aller ließ er über 4000 Menschen als Abschreckung hinrichten, weil sie ihre alten Götter weiter verehrten, Diese grausame Tat trug Karl dem Großen den Namen „Sachsenschlächter“ ein.

Im Jahre 1095 rief Papst Urban zum ersten Kreuzzug auf. Juden- und Ketzerverfolgungen folgten. Auch in der reformatorischen Kirchengeschichte ist Toleranz nicht gerade an der Tagesordnung. Luther war im Umgang mit Andersdenkenden vielfach intolerant. Erschreckend sind seine Hetzschriften gegen die Bauernaufstände und gegen die Juden. Fürsten metzelten mit dem Segen der Geistlichkeit aufständische Bauern nieder. Zauberer und Hexen wurden in der Reformationszeit hingerichtet. Die Wiedertäufer, die für die Erwachsenentaufe waren und jegliche Gewalt ablehnten, wurden verdammt. So heißt es in der Confessio Augustana, der maßgeblichen Bekenntnisschrift der evangelischen Kirche in Artikel 16: „Von den staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen ( urspr: Polizei und weltlichem Regiment) wird gelehrt, dass alle Regierungsgewalt (urspr.: Obrigkeit) in der Welt, staatliche Rechtsordnung und Gesetze von Gott geschaffene und eingesetzte gute Ordnungen sind. Christen könne ohne Sünde (gemeint ist : die genannten Funktionen sind als solche nicht sündhaft – H.D. Zepf) in Regierungsverantwortung (urspr.: Oberkeit sic!), im Fürsten- und Richteramt wirken, nach kaiserlichen und anderen geltenden Rechten Urteile fällen und Recht sprechen, Rechtsbrecher mit dem Schwert bestrafen (Todesstrafe H.D. Zepf), rechtmäßig Kriege führen und an ihnen teilnehmen … geforderte Eide leisten … usw.“

„Hiermit werden die Wiedertäufer verworfen (urspr.: verdammt), die das alles als unchristlich ablehnen“ (revidierter Text – H. D. Zepf – zitiert nach: Das Augsburger Bekenntnis Deutsch 1530- 1980, hrsgb. Von Günther Gaßmann …)
Die Inquisition (lat. inquirere, untersuchen), die Anfang des 13. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und bis Ende des 18. Jahrhunderts bestand, ist ebenso ein dunkles Kapitel. Sie war hauptsächlich ein Instrument der katholischen Kirche, um Häretiker aufzuspüren. Heute heißt diese Institution harmlos „Kongregation für Glaubenslehre“. Der inquisitorische Geist ist der gleiche geblieben. Der Umgang mit kritischen Theologen in der katholischen Kirche etwa mit Eugen Drewermann und Hans Küng, um nur zwei Namen zu nennen, ist ein Beleg dafür.

Die Kirchen waren keine Wegbereiter für Toleranz in religiöser und gesellschaftlicher Hinsicht von den Anfängen bis in die jüngste Gegenwart. Die Philosophen waren die Wegbereiter in Sachen Toleranz.

Bibel und Toleranz

Ist die Bibel tolerant? Der Toleranz widerspricht, um Beispiel zu nennen, das erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.“

Von tödlicher Intoleranz zeugt 3. Mose 20, Vers 13: „Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel, und sie sollen beide des Todes sterben.“

Dennoch gibt es Toleranz in der Bibel. Paulus sagt in Römer 12, Vers 18: „Ist`s möglich, so viel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ Das ist eine Aufforderung tolerant zu sein. Es ist ein Aufruf zu einem friedlichen Zusammenleben aller Menschen. Das ist nur möglich, wenn wir tolerant sind, Andersdenkenden, auch anderen Religionen gegenüber. Jesus hat Toleranz vorgelebt, wie die Geschichte vom barmherzigen Samariter belegt (Lukas 10, 25 – 36) belegt. Ein Schriftgelehrter fragt ihn: „ Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ Und Jesus fragt ihn: „ Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?“ Der Schriftgelehrte antwortete: „’Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst’“ und Jesus antwortet ihm: „Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben“. Auf die Frage des Schriftgelehrten, wer denn sein Nächster sei, erzählt Jesus die Geschichte vom barmherzigen Samariter, der sich um den Schwerverletzten kümmert. Während ein Priester und ein Levit, – heute würden wir sagen Küster – sich nicht um den Verletzten kümmerten, tut es der Fremde aus dem Nachbarland. Der Samariter wurde dem Überfallenen zum Nächsten. Die Samariter galten zur Zeit Jesu als Ketzer, weil sie nur die fünf Bücher Mose anerkannten. Jesu durchbricht die Religionsgrenze. Sie zeigt ihn als toleranten Menschen. Er richtet keine Grenzen auf. Er urteilt nicht über den Samariter. Und will wohl damit deutlich machen, dass Gott sich auch in anderen Religionen offenbart. Denn „Gott ist nicht das Privateigentum des Vatikans, er sitzt nicht an der Klagemauer in Jerusalem und auch nicht an der Kaaba von Mekka. Gott ist kein Besitz einer Religion Er ist der Schöpfer aller Menschen und Zielpunkt des Lebens aller Menschen …“ (Eugen Drewermann in Psychologie heute, März 2008, S. 52).

Und Klaus Peter Jörns stellt in seinem Buch: „Notwendige Abschiede“ zu Recht fest:„Ein glaubwürdiges Christentum ( … ) gesteht auch anderen Religionen zu, wirkliche Selbstmitteilungen Gottes wahrgenommen zu haben und noch wahrzunehmen, auch wenn diese Religionen dem christlichen Selbstverständnis als Religion nicht entsprechen. Die positive Unterstellung, dass Gott auch die anderen Religionen – und nicht nur das Christentum – gewollt hat, ist nicht zu widerlegen. Ein glaubwürdiges Christentum weiß deshalb zu anderen Religionen mehr zu sagen, als das Bedauern, dass es sie gibt. Da es vor und neben Juden und Christen andere Religionen gegeben hat und gibt, verlangt der Glaube an die Gottheit und Einheit Gottes positive Aussagen zur Vielfalt der Religionen und Kulturen. Ein glaubwürdiger Christ tut alles dazu, dass seine Glaubensvorstellungen interkulturell und interreligiös besprochen und verstanden werden können“ (S. 345)

Plädoyer für ein Christentum ohne Absolutheitsanspruch

Lieb Hörerinnen und Hörer,

„Kann auch der Islam für die Menschen ein Weg zum ewigen Heil sein?“, fragt der katholische Theologe Hans Küng und fährt fort: „Meine Antwort ist ein eindeutiges Ja“, so haben wir am Anfang der Sendung gehört.

Mit dieser Feststellung stellt sich die Frage nach dem Absolutheitsanspruch des christlichen Glaubens. Gehört es nicht zum Wesen einer Religion, dass sie für sich beansprucht die absolute Wahrheit zu haben? Wird nicht alles gleich -gültig und beliebig, wenn der Absolutheitsanspruch aufgegeben wird?

Peter de Rosa, ein kritischer Katholik aus Irland, hat zu dieser Fragestellung eine befreiende Antwort gegeben, wenn er sagt: „Die Behauptung, meine Religion sei die beste, kann nur bedeuten, dass meine Religion die beste für mich ist. Ich liebe meine Religion, wie ich meine Frau und meine Kinder liebe: mehr als alle anderen. In meiner Frau liebe ich alle Frauen; in meinen Kindern liebe ich alle Kinder ( …). Manche meinen, es sei zu wenig, zu sagen, dass das Christentum die beste Religion für Christen ist. Eine Religion jedoch, die die Religionen anderer nicht nach ihren eigenen Maßstäben würdigen oder so ernst nehmen kann wie wir die unsere, verdient unsere Loyalität nicht. Ist unser Gott nicht der Gott aller Menschen, einschließlich aller ihrer Religionen? Ist der Traum einer allumfassenden Religion nicht einfach eine Form des Turmbaus zu Babel?“ (Peter de Rosa: Der Jesus-Mythos,S. 554f.)

Dialog und Wahrheitsanspruch

Das Bestehen darauf im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein ist das Ende allen Dialoges. Dialog muss nicht darauf verzichten, die eigene Glaubensüberzeugung klar zu benennen. Dialog ist eine ethische Haltung, die dem Dialogpartner gegenüber nicht in der Rolle eines „Wahrheitsmonopolisten“ auftritt, sondern in Respekt dem anderen begegnet. Was ist das Ziel der dialogischen Begegnung? Hören wir dazu, was Reinhold Bernhardt in seinem Buch „Zwischen Größenwahn, Fanatismus und Bekennermut – Für ein Christentum ohne Absolutheitsanspruch“ sagt: „Ziel der dialogischen Begegnung ist es nicht, einen Konsens über Glaubensinhalte zu erzielen, sondern

falsche Vorstellungen zu korrigieren,

zwischenmenschliche Beziehungen zu verbessern,

von Angst zu befreien,

den eigenen Glauben zu vertiefen und

auf den Weg der Einheit zu führen.

‚Auf den Weg der Einheit zu führen‘ meint dabei nicht: eine Welteinheitsreligion anzustreben (…) “ ‚Einheit‘ meint nicht die verwaschende Vereinheitlichung der Überzeugungen in harmlosem Harmoniestreben, sondern ihre Profilierung in gegenseitigem Verständigungswillen; nicht Uniformität, sondern Gemeinschaft in bleibender Verschiedenheit. Die Glaubensformen sollen nicht verschmelzen und sich nicht gegenseitig neutralisieren. Jeder der Partner bleibt auf seinem Weg und dringt sogar noch weiter auf ihm vor. Doch herrscht eine grundlegende gegenseitige Akzeptanz der verschiedenen Wege. Sie hat ihren Grund nicht zuerst in aufgeklärter Toleranz, sondern in der Unterstellung, dass auch der Weg des Anderen von Gott kommt und zu Gott führt. Er wird als Zeuge des Göttlichen anerkannt. Zwischen den Partnern herrscht dann ein Verhältnis der Parität; nicht der Gleichheit, wohl aber der Gleichberechtigung“ (Seite 210)

Abolutheitsansprüche in der Bibel

Nach all dem Gesagten stellt sich nun die Frage: wie gehen wir mit den Abolutheitsansprüchen in der Bibel um?

Stellvertretend für viele Stellen der Bibel, die eine Absolutheitsanspruch vertreten, beziehe ich mich auf zwei.

1. In Johannes 14, Vers 6 behauptet Jesus: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich“. Jesus erhebt damit den Anspruch, dass nur durch ihn allein das Heil vermittelt wird. Isoliert man diese Stelle und beachtet nicht den Kontext der Situation, in der dieses Wort hineingesprochen wurde, dann handelt es sich in der Tat um einen Absolutheitsanspruch. Dazu Reinhold Bernhardt: „Man kann diese Aussage nur verstehen, wenn man die bedrängte Situation der johanneischen Gemeinde mitbedenkt. Die johanneischen Christen waren ursprünglich Juden und wollten es bleiben. Mit ihrem Glauben an den messianischen Erlöser, der als Richter von Gott gesandt worden war, wollten sie keineswegs ein eigene Religion begründen, sondern das Judentum durchdringen. Doch stieß dieser Glaube in der Synagoge auf zunehmende Ablehnung. Es kam zum Bruch. Die johanneische Gemeinde wurde gegen ihren Willen aus der Synagoge ausgeschlossen; wahrscheinlich gab es gewaltsame Übergriffe. ( … ). „ Mit der Verabsolutierung ihrer eigenen Überzeugung reagierte die johanneische Gemeinde auf die akute Bedrohung von außen. Die dabei entstandenen scharfen Aussagen sind als Reaktion auf die ganz konkrete Herausforderung zu deuten und nicht als allgemeingültige, übergeschichtliche Urteile über die Religionen der Welt“ ( 96 f.).

2. In Apostelgeschichte 4, Vers 12 heißt es: „Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden“. Dieser Satz stammt von Petrus, der zusammen mit Johannes
vor Gericht stand. Petrus hatte eine Gelähmten geheilt und musste sich nun verantworten. Auf die Frage „aus welcher Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan“ (Apostelgeschichte 4, Vers 7), antwortet Petrus, dass diese Heilung im Namen Jesu geschehen sei.

Reinhold Bernhardt bemerkt dazu:„ .. diese einzelne (‚therapeutische) Heilungstat“ wird auf ‚unsere‘ (‚geistliche‘ ) Rettung übertragen. Die Heilung eines Gelähmten wird zur Proklamation der universalen, endzeitlichen Heilsbedeutung Jesu. … War der Hintergrund von Joh. 14,6 die Bedrohung einer ganzen Gemeinde, so ist es in Apg. 4,12 die drohende Verurteilung und Tötung des Gemeindeleiters. In beiden Fällen also echte Bekenntnissituationen; Situationen, in denen man sich seiner eigenen Widerstandskraft dadurch versichert, dass man sich auf die Fundamente seines Glaubens zurückzieht und sie mit Bekennermut den Angreifern entgegenschleudert“ (S. 101)

Toleranz ist nicht Beliebigkeit

Toleranz hat Grenzen. Nicht alles ist gleich – gültig und erlaubt. Toleranz wird unglaubwürdig, wenn sie alles kritiklos hinnimmt. Allerdings wer einen eigenen Standpunkt vertritt, muss nicht deshalb schon intolerant sein. Eigene Positionierungen sind kein Hinderungsgrund für echte Toleranz. Aber es gibt Situationen, wo Nulltoleranz angesagt ist:

wenn Menschenrechte verletzt werden

wenn die Würde des Menschen mit Füßen getreten wird

bei Antisemitismus

bei Rechtsextremismus

bei Vorurteilen: zum Beispiel alle Muslime sind Terroristen

wenn Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt und getötet werden.

Wo immer das Recht auf Religionsfreiheit eingeschränkt wird – und das ist in vielen Ländern der Fall – ist Nulltoleranz angesagt. In Artikel 4 des Grundgesetzes heißt es:

(1)„Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich..

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“.

Dass auch bei uns die Frage der Religionsfreiheit eine Herausforderung ist, wird deutlich an der Tatsache, dass der Bau einer Moschee vielfach zu Protesten führt.

Kompromisslos ist jeglicher religiöser Aufruf zur Gewalt gegenüber Andersgläubigen zu verwerfen.

Nachdenklich stimmen die Worte von Norbert Copray

„Ich habe einen traum
von einer kirche
die menschen liebt
nicht verprellt
die einheit im Glauben
nicht erkauft
durch die einigung mit
spaltern
inquisitoren
uundemokraten

Ich habe einen traum
von eine kirchenleitung
die gläubige nicht scheidet
in unverzichtbare und verzichtbare
in hoheiten und niedrigkeiten
in wahre und unwahre
um die toleranten
gegen die geduldigen
antreten zu lassen

Ich habe einen traum
von einem glaubensvolk
weltweit dialogisch
kritisch tolerant
wahrhaft jesuanisch
kämpferich für eine
gemeinsame kirche

die mit den Menschen geht
und sie nicht zensiert …..

(Quelle: Publik-Forum-Dossier, Februar 2009.)