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Finanzkontrolle zunehmend unter Kontrolle (Thema des Monats)

von Friedhelm Schneider

„Transparenz und Kontrolle“ – hieß der letzte Beitrag zum Thema des Monats. Mit dem zweiten Aspekt, der Kontrolle, genauer: der Finanzkontrolle, wollen wir heute fortfahren.
Angesichts der Affären um den Bischofspalais von Limburg, aber auch den bbz- Skandal in der EkiR oder der Finanzanlageskandal in München, und deren mediale Ausschlachtung dämmert die Bedeutung der Finanzkontrolle. Auf evangelischer Seite kann man sich nun des Eindrucks nicht erwehren, dass Kontrollmechanismen tendenziell reduziert werden. Dazu einige Beispiele:
In den Gremien, also in Synoden (Kreis- oder Landessynoden), werden Rückfragen zu Haushaltsplänen oder bei der Abnahme von Jahresrechnungen – so sie denn gestellt werden – von den Vorsitzenden oder Dekanen/Superintendentinnen unterdrückt oder zurückgewiesen. Es bedarf, so berichten unbeirrte Fragende, eines erheblichen Standvermögens und Selbstbewußtseins, diesem ‚moralischen‘ (oder unmoralischen?) Druck zu widerstehen. Diese ziemlich billige Masche der Verhandlungsführer rührt natürlich oftmals daher, dass diese selbst nicht selten nicht in der Lage sind qualifizierte Antworten zu geben. Das mit der Doppik einhergehende Problem besteht aber darin, dass dort auch eigentlich einfache Vorgänge für Laien – und auch für Mitarbeiter – nicht mehr nachvollziehbar dargestellt sind. “Die Berichte (gemeint: der Doppik, Anm. F.S.) erinnern mich eher an das Gespräch zwischen einem Steuerberater und einem Wirtschaftsprüfer”, findet ein Stadtrat einer Kommune. Es findet eine Entdemokratisierung statt – und jegliche Kontrolle wird unterdrückt.

Hier sind die Wort-Meldungen offen für illustrierende Beiträge, die auch anonym abgedruckt werden können. Institutionalisiert ist die Kontrolle in allen Institutionen in Form der Rechnungsprüfung in Rechnungshöfen oder Rechnungsprüfungsämtern. Aufgrund der Problematik müsste das Ziel der Institution darin bestehen, der Kontrolle eine möglichst starke Struktur und Position zu geben. Die zweite Möglichkeit die Kontrolle zu stärken besteht darin, das Amt mit Personen auszustatten, die durch Erfahrung und Kompetenz ein entsprechendes Standing haben.
1. Zur Strukturfrage: Traditionell ist die Rechnungsprüfung innerhalb des Landeskirchenamts als eigenständige Abteilung angesiedelt. Sie ist dann aber der Leitung des Landeskirchenamtes und/oder der Kirchenleitung unterstellt. Sie ist also der Instanz unterstellt, die sie selbst auch kontrollieren soll. Diese Position ist denkbar schlecht, weil ziemlich schwach. Aus dieser Position können Dekanate geprüft werden, aber kaum die dienstlich „vorgesetzte“ Behörde, die Landeskirche,  selbst. In der EKHN hatte man dies Problem vor 10 Jahren erkannt. Der Rechnungsprüfungsausschuss hatte Erfolg mit seiner Eingabe, die Rechnungsprüfung der Synode, also der Legislative zuzuordnen, zu unterstellen. Damit ist die Position strukturell gestärkt. Diese Stärke kommt aber nur dann wirklich zum Tragen, wenn die Synode ihre Funktion der Legislative wahrt. Und keine Vermischung mit der Exekutive stattfindet. Das Erfordernis der „Gewaltenteilung“ einzuhalten, war die entscheidende Erkenntnis der Höppner-Kommission, die den bbz-Skandal in der EkiR aufgearbeitet hatte.
Ist die EKHN den Weg der Stärkung der Finanzkontrolle auf struktureller Basis gegangen, so schlug die EkiR mit der Neuordnung der Rechnungsprüfung vor wenigen Jahren den umgekehrten Weg ein. Und zwar dadurch, dass sie die Kontrolle der Landeskirche nicht einer für die ganz spezifischen Fragestellung besonders ausgestatteten Kontrollbehörde übertrug, sondern einer von mehreren, für die Kirchenkreise zuständigen regionalen Prüfungsbehörde, die eben in der Region Düsseldorf ihr Aufgabengebiet hat: Artikel 147a. Die regionale Rechnungsprüfungsstelle, in der die Landeskirche Mitglied ist, nimmt die Rechnungsprüfung der Landeskirche und deren Einrichtungen wahr. Der Rechnungsprüfungsvorstand dieser Rechnungsprüfungsstelle entlastet die an der Ausführung des Haushaltes und der Wirtschaftsführung Beteiligten der Einrichtungen der Landeskirche. Das Nähere regelt ein Kirchengesetz. Es darf vermutet werden, dass diese „schwache“ Struktur schon als solche die Leistungsfähigkeit des Amtes beeinträchtigt. Das kommt dann zum Problem der – von der Höppnerkommission monierten – fehlenden Gewaltenteilung noch erschwerend hinzu.
2. Zur Personalfrage: selbstverständlich ist die zahlenmäßige und fachlich qualifizierte Ausstattung der Ämter wichtig. Es kommt aber auch auf eine Amtsleitung an, die die Aufgabenstellung, die das Amt erfordert vor gerade im Zuge von Umbauprozessen oftmals von den regeln abweichenden Ansprüchen anderer Abteilungen stellt. Kurz: es braucht eine umsichtige, kompetente, es braucht aber vor allem eine erfahrene und standfeste Amtsleitung. In der EKHN fand gerade ein Wechsel in der Amtsleitung statt. Und das Los des neuen Amtsleiter fiel auf eine Person, die wie man hört, gerade mal 30 Lenze zählt. Ohne jemandem persönlich zu nahe treten zu wollen: das Kriterium der Erfahrung dürfte bei dieser Auswahl kaum  gezählt haben. Warum eigentlich nicht?
Alles aktuelle Beispiele. Beispiele, die zeigen, dass Kontrolle von leitenden Kräften immer wieder geknebelt und geknechtet wird. Dabei wird das Interesse in der Regel – so unterstellen wir – nicht darin liegen, die Aufdeckung doloser, krimineller Handlungen zu unterbinden. Nein. In der Regel dient die Unterdrückung der Finanzkontrolle dazu, das eigene Image der Person von jeglicher Kritik  frei zu halten. Und Kritik gehört zum Geschäft der Finanzkontrolle – in den Fällen, in denen sie angebracht ist. Denn die Rechnungsprüfung untersucht ja nicht nur dolose Fälle, sondern ihre Aufgabe besteht darin, auch die Wirtschaftlichkeit von Projekten und Maßnahmen, also die Zweck-Mittel-Relation zu überprüfen oder auch die Funktionsfähigkeit von Verwaltungseinheiten zu prüfen. Da können unliebsame Ergebnisse ans Licht kommen, die das Image von Dezernenten nicht immer stützen: „komplexere Anlageprodukte bei unzureichender Professionalisierung und Ausstattung des Personals –  Abbau der Finanzkontrolle – hohe Kosten für externe Mandate. So lauten die Kritikpunkte.“ So etwa in einer Studie zu den Finanzanlagen der EKHN,  veranlasst durch den Rechnungsprüfungsausschuss und das Rechnungsprüfungsamt. Das tut weh, wenn man als Verantwortlicher Finanzdezernent und Leiter der Kirchenverwaltung in Personalunion betroffen ist. Wen wundert es, wenn die Amtsleitung und also die Finanzkontrolle geschwächt werden sollte? Dass diejenigen, die bei der Beschneidung und Beeinträchtigung der Kontrollfunktion willig mitspielen, für den nächsten Skandal mit- verantwortlich sind, sei hier schon vorausblickend vermerkt.

Gewaltenteilung als Basis der Betriebskultur und des langfristigen Erfolgs (Thema des Monats)

Skandale haben meist auch etwas Gutes. Die Aufarbeitung verlangt nämlich oft Fragen, die man vorher nicht zu stellen wagte, weil Sachverhalte immunisiert, mit einem Tabu belegt waren. So war das auch etwa in der Ekir bei der Aufarbeitung des bbz-Skandals durch die Höppner-Kommission. Höppner, der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, war zudem aufgrund seiner räumlichen Distanz zur EkiR nicht verdächtig, in einem möglichem Filz verwickelt zu sein, der die Aufarbeitung behindert hätte. Das Ergebnis der Kommission wird in diesen Empfehlungen besonders anschaulich:

„Ich komme nun zu den Empfehlungen

Klare Strukturen sind die Grundvoraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung und Umsetzung von Entscheidungen. Wer entscheidet? Wer setzt die getroffenen Entscheidungen um? Wer kontrolliert die Entscheidungsorgane und die Umsetzung der von ihr getroffenen Entscheidungen? Diese Kompetenzen müssen klar verteilt sein. Interessenkonflikte handelnder Personen innerhalb dieser Strukturen (Agieren mit „verschiedenen Hüten“) sind möglichst zu vermeiden.

Das gilt zunächst einmal für das Verhältnis von Landessynode, Kirchenleitung und Landeskirchenamt. Die Landessynode leitet die Evangelische Kirche im Rheinland (KO 128 (1)). Eine Aufgabe der Synode ist es auch, die Entscheidungen der Kirchenleitung und ihre Ausführung durch das Landeskirchenamt zu kontrollieren (KO 129 (3)). Die Kirchenordnung sieht vor, dass der Präses sowohl der Vorsitzende der Synode als auch der Kirchenleitung und des Kollegiums des Landeskirchenamtes ist (KO 156 (1)). Wenn beispielsweise die Kirchenleitung von der Synode in ihrer Leitungstätigkeit angefragt ist, erhebt sich die Frage, ob diese Beratungen von einem Mitglied der Kirchenleitung geleitet werden können. Das haben nicht nur die Beratungen zum Thema bbz gezeigt. Die Kommission empfiehlt, einen eigenen Synodalvorstand (Präsidium) zu bilden und die Kirchenordnung entsprechend zu ändern.
Die Kirchenleitung überträgt die Ausführung ihrer Entscheidungen der Verwaltung und ist damit auch dafür verantwortlich, die sachgemäße Ausführung zu kontrollieren. Auch in diesem Falle ist es schwierig, wenn der Präses gleichzeitig Vorsitzender des Kollegiums des Landeskirchenamtes ist und als solcher die Entscheidungen des Landeskirchenamtes vor der Kirchenleitung vertreten muss. Auch hier halten wir eine Entflechtung der Zuständigkeiten für notwendig.
Die Organisationsuntersuchung des LKA von Steria Mummert stellt in ihrem Bericht vom 28. Dezember 2007 einen „Widerspruch zwischen hohem Vertrauen zu den leitenden Personen der Landeskirche und auch des LKA, die eine sehr hohe Wertschätzung genießen, und spürbarem Misstrauen zu den Gremien auf landeskirchlicher Ebene“ fest. Das muss also strukturelle Ursachen haben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine der Ursachen in der unklaren Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen der Leitung, der Ausführung von Entscheidungen und ihrer Kontrolle liegt. Auch das hat uns zu der Einschätzung geführt, dass über das Problem der Gewaltenteilung grundsätzlicher nachgedacht werden muss.
Eine solche Entflechtung hätte auch Konsequenzen für die Kirchenkreise und ihre Leitungsstrukturen. Konsequenzen für die Kirchengemeinden wären zu prüfen. Eine Kirchenverfassung muss in sich stimmig sein.“ vgl. Vortrag Höppner auf der Landessynode, Teil A, Kap. A1.

So weit die klare Empfehlung an die EKiR.

In der EKiR mangelte es an der Gewaltenteilung und in der Folge an ausreichender Kontrolle. Leidet die Gewaltenteilung, leidet die demokratische Verfassung selbst. Durch fehlende Kontrolle wird zudem die Wirksamkeit des Managements auf lange Sicht eingeschränkt bzw. vermindert. Unkontrollierte, auch autoritäre Systeme können nur auf kurze Sicht bessere Ergebnisse verbuchen. Mittel- und langfristig führen sie hingegen in die Abwärtsspirale oder ins Desaster. Die zahlreichen Crashs in Finanzwirtschaft und Wirtschaft bestätigen dies. Auch dort fehlt die Kontrolle.

Der Sinn der Gewaltenteilung besteht –  wie im Bericht der Höppner-Kommision sehr deutlich wird – nicht nur in der Teilung der Gewalt, sondern vor allem in einem System gegenseitiger Kontrolle, in Strukturen, die gegenseitige Kontrolle nicht nur ermöglichen sondern verlangen.

Die Organisationsstruktur der EKiR auf Landeskirchenebene hatte hier sicherlich traditionell Schwächen: Sie fielen früher in einer extrem ausgeprägten bottom-up organisierten Landeskirche wie der EKiR, bei der die Gemeinden die Hoheit über die Kirchensteuer besaßen und die Zentralverwaltung mit einem festgelegten Anteil aushielt, kaum auf. Denn die Befugnisse und Kompetenzen der Landeskirche waren sehr eingeengt. Schon mit der Reform der Kirchenverfassung der EKiR in den Nuller- Jahren mit der Stärkung der Zentralfunktion hatte sich das geändert. Das alte System der unvermischten Gewalten wurde aber nicht an die neue Situation angepasst.

Diese Empfehlungen haben über die spezifisch rheinische Problemlage hinaus allgemeine Bedeutung. Es besteht nämlich heute in allen Institutionen eine Tendenz, Funktionen, die früher unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Institution zugeordnet waren (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion) zu vermischen. Dies muss nicht durch eine Strukturveränderung erfolgen, sondern kann auch durch Personalunion mehrerer Funktionen durch eine Person erfolgen. In der Politik ist der Sachverhalt unter dem Stichwort ‚Drehtüren‘ ein begriff.
Bleiben wir aber bei der Kirche: Die Tendenz der Zuordnung einzelner Personen zu mehreren Funktionsteilen (Exekutive, Legislative) besteht nun aber nicht nun in der EKiR. Auch in der EKHN wurde mit der Novellierung der KO gewisse Personen eine funktionelle Doppelfunktion zugestanden. So sind z.B. Mitglieder des Synodalvorstandes wie auch der Vorsitzende des Synodalvorstandes der Landessynode gleichzeitig Mitglied der Kirchenleitung. Und zwar entweder als Vollmitglied oder als beratendes Mitglied. Hier wird also das von der Gewaltenteilung geforderte Gegenüber der Gewalten zum Miteinander. Und böse Zungen behaupten gar, der Synodalvorstand mutiere zum verlängerten Arm der Kirchenleitung. Und diese bösen Zungen können mit Recht neben Meinungskonformitäten und – identitäten zwischen Vorstand/einzelnen Vorstandsmitliedern und Kirchenleitung in den Synodaldebatten auf die Strukturen verweisen, die eben diese Behauptung fundieren. Kurzfristig mag das zu „Erfolgen“ der Akteure etwa bei Abstimmungen der Synoden führen. Langfristig schadet sich aber die Kirche selbst. Denn die Qualität der Entscheidungen leidet. Und die demokratische Kultur geht den Bach hinunter.