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Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zu Deutschland und TTIP: „Wachstumseffekte von Freihandel sind klein, Verteilungswirkungen aber groß“

22. 4. 2016, die TAZ, Interview

„…Okay, aber ist es nicht logisch, dass der Exportweltmeister für Freihandel eintritt?
Stiglitz: Kein Aspekt von TTIP ist wirklich wichtig für Deutschland. Die geplante Harmonisierung technischer Normen ließe sich auch ohne TTIP regeln. Inzwischen wissen wir doch, dass die Wachstumseffekte von Freihandel klein, die Verteilungswirkungen aber groß sind. Erstaunlicherweise wird darüber nicht viel diskutiert….“ Zum vollständigen Text, ggf. „Nein danke“ anklicken .

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Siglitz zu „Fesseln der Buchführungssysteme“. Parallelen zu kaufmännischen Systemen. Oder: Gefahren der Doppik in der Kirche.

07/2015

Joseph Stiglitz zu staatlichen Buchhaltungssystemen (in: Chancen der Globalisierung, 2006, S. 200)

„Die Buchführung ist wichtig, weil sie Entscheidungen beeinflusst… Orientieren sich Länder stärker am grünen NSP (grünes Nettosozialprodukt), würden sie mehr für Umweltschutz ausgeben… Auch die Berechnungsweise von Defiziten muss geändert werden… die insbesondere jene Fälle vermerken, in denen Verkäufe von Vermögenswerten … in irreführender Weise dazu benutzt werden, die Defizite  niedriger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Länder können ihre Defizite verringern, in dem sie Wälder abholzen, Staatsvermögen verkaufen oder ihre natürlichen Ressourcen zu einem Bruchteil ihres vollen Wertes zu verschleudern. … Um den Fesseln der Buchführungssysteme zu entgehen, privatisieren viele Länder zu ungünstigen Bedingungen, so dass sie sich, völlig unnötig, selbst arm machen und ihre Zukunft gefährden.“

Über die Gefahren der Doppik hinsichtlich ihres Informationsgehaltes hatten wir in den Wort-Meldungen schon des Öfteren berichtet. U.a. auch anhand der Ausführungen von Koryphäen der Managementlehre wie Fredmund Malik (St. Gallen) oder Harvard-Prof. George Sandel.

Wir führen diese grundsätzlichen Betrachtungen hier fort mit Aussagen des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu volkswirtschaftlichen Systemen. Die Erkenntnisse können aber ohne größere Abstriche auf die Kirche und das kirchliche Buchhaltungssystem übertragen werden.

Die Frage ist: wie wird ein Schuldner zur Herausgabe seines Vermögens getrieben? Nun waren Kirche (und Gemeinden) bislang keine Schuldner. Ein reales Defizit (etwa an Liquidität) bestand nicht und besteht nicht: noch sprudeln die Kirchensteuereinnahmen.

Damit das System funktioniert, muss das Defizit also zunächst noch geschaffen werden. Und da kommt das Buchhaltungssystem ins Spiel. Die Kameralistik gibt das nicht her. Zu diesem Zweck braucht es die Doppik. Jetzt braucht es Abschreibungen auf vorher mit großem Sielraum festgelegte Immobilienwerte. Und jetzt droht das rechnerische Defizit. Die solcherart arm gerechneten Einrichtungen oder Gemeinden müssen dann genau das tun, was auch Staaten (vom IWF) abverlangt wird: sie müssen ihre Defizite verringern, indem sie Kirchenvermögen verkaufen. Genau das ist landauf-landab in der Kirche geschehen, etwa flächendeckend in der EKiR schon heute sichtbar mit Gemeindeimmobilien, oder in mehr oder weniger allen Landeskirchen mit Tagungshäusern aller Art. Damit wurden nun aber weder die realen immobilienwirtschaftlichen Aufgaben in den Blick genommen, die ein echtes Controlling hätte erstellen können. Noch kamen die wahren „Defizite“, die eigentlichen Probleme der Kirche in den Blick. Ganz im Gegenteil.
Erstaunlich: dass selbst ökonomische Laien allein mithilfe des gesunden Menschenverstandes die Problematik erkennen konnten, wenngleich ihnen die Worte fehlten, das Problem zu verbalisieren. Daher hat die Kirche weit in die Basis hinein Vertrauen durch falsches Management, basierend auf einem falschen Buchführungssystem, verspielt.
In Landeskirchen, die die Doppik noch nicht eingeführt haben, die also noch im status problembehafter Piloten sind, wie etwa die EKHN, ist man sich dieser eigentlichen Problematik offensichtlich noch immer nicht bewusst. Hier sorgen bislang allein grobe handwerkliche Schnitzer bei der Implementierung für Frust.  Aber das dicke Ende wird erst noch kommen. Wenn die neue Buchhaltung Doppik Verkaufsentscheidungen von Vermögen (Gebäude, Grundstücke) erzwingt für Defizite, die allermeist nur in den Büchern stehen.

Am Erstaunlichsten von allem: die Kirche hat sich diese Fesseln selbst angelegt. Und für die eigenen Fesseln auch noch Unsummen an Kirchensteuermitteln verschwendet. F.S.

 

Die falschen Lehren aus Detroits Bankrott – von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz

NYT 12.8.2013, By JOSEPH E. STIGLITZ (Wirtschaftsnobelpreisträger)

Als ich in Gary, Indiana aufwuchs, war fast ein Viertel der amerikanischen Arbeiterschaft in der verarbeitenden Industrie beschäftigt. Damals gab es jede Menge Jobs mit einer Entlohnung, die es Alleinverdienern mit nur einem Job ermöglichte, den American Dream für eine vierköpfige Familie zu realisieren. Mit einer Arbeitskraft konnte man den Lebensunterhalt für die Familie verdienen, seine Kinder aufs College schicken und sie dann auch in gehobene Berufsgruppen aufsteigen sehen…

Die Versäumnisse der Politik auf nationaler und kommunaler Ebene sind inzwischen allgemein bekannt: mangelnde Investitionen in Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen, geographische Isolierung, die zu einer Marginalisierung von armen und afroamerikanischen Gemeinden im Rust Belt geführt hat, generationenübergreifende Armut, die jede Chancengleichheit blockiert, Vorrangstellung von Vermögensinteressen (wie denen von

Managern und Finanzunternehmen) über die der Beschäftigten…

Anstatt dieses sich wandelnde wirtschaftliche Umfeld nun entschlossen mit angemessenen Maßnahmen zur Förderung des Wachstums anderer Wirtschaftszweige anzugehen, hat unsere Regierung Jahrzehnte damit vergeudet, die immer größeren Schwachstellen zu übertünchen, indem sie den Finanzsektor Amok laufen und so ein auf Blasen gebautes Wachstum entstehen ließ. Wir haben dem Markt nicht nur freien Lauf gelassen. Wir haben eine klare Entscheidung zugunsten kurzfristiger Profite und weitreichender wirtschaftlicher Ineffizienz getroffen. Den ganzen Artikel.