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Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Siglitz zu „Fesseln der Buchführungssysteme“. Parallelen zu kaufmännischen Systemen. Oder: Gefahren der Doppik in der Kirche.

07/2015

Joseph Stiglitz zu staatlichen Buchhaltungssystemen (in: Chancen der Globalisierung, 2006, S. 200)

„Die Buchführung ist wichtig, weil sie Entscheidungen beeinflusst… Orientieren sich Länder stärker am grünen NSP (grünes Nettosozialprodukt), würden sie mehr für Umweltschutz ausgeben… Auch die Berechnungsweise von Defiziten muss geändert werden… die insbesondere jene Fälle vermerken, in denen Verkäufe von Vermögenswerten … in irreführender Weise dazu benutzt werden, die Defizite  niedriger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Länder können ihre Defizite verringern, in dem sie Wälder abholzen, Staatsvermögen verkaufen oder ihre natürlichen Ressourcen zu einem Bruchteil ihres vollen Wertes zu verschleudern. … Um den Fesseln der Buchführungssysteme zu entgehen, privatisieren viele Länder zu ungünstigen Bedingungen, so dass sie sich, völlig unnötig, selbst arm machen und ihre Zukunft gefährden.“

Über die Gefahren der Doppik hinsichtlich ihres Informationsgehaltes hatten wir in den Wort-Meldungen schon des Öfteren berichtet. U.a. auch anhand der Ausführungen von Koryphäen der Managementlehre wie Fredmund Malik (St. Gallen) oder Harvard-Prof. George Sandel.

Wir führen diese grundsätzlichen Betrachtungen hier fort mit Aussagen des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu volkswirtschaftlichen Systemen. Die Erkenntnisse können aber ohne größere Abstriche auf die Kirche und das kirchliche Buchhaltungssystem übertragen werden.

Die Frage ist: wie wird ein Schuldner zur Herausgabe seines Vermögens getrieben? Nun waren Kirche (und Gemeinden) bislang keine Schuldner. Ein reales Defizit (etwa an Liquidität) bestand nicht und besteht nicht: noch sprudeln die Kirchensteuereinnahmen.

Damit das System funktioniert, muss das Defizit also zunächst noch geschaffen werden. Und da kommt das Buchhaltungssystem ins Spiel. Die Kameralistik gibt das nicht her. Zu diesem Zweck braucht es die Doppik. Jetzt braucht es Abschreibungen auf vorher mit großem Sielraum festgelegte Immobilienwerte. Und jetzt droht das rechnerische Defizit. Die solcherart arm gerechneten Einrichtungen oder Gemeinden müssen dann genau das tun, was auch Staaten (vom IWF) abverlangt wird: sie müssen ihre Defizite verringern, indem sie Kirchenvermögen verkaufen. Genau das ist landauf-landab in der Kirche geschehen, etwa flächendeckend in der EKiR schon heute sichtbar mit Gemeindeimmobilien, oder in mehr oder weniger allen Landeskirchen mit Tagungshäusern aller Art. Damit wurden nun aber weder die realen immobilienwirtschaftlichen Aufgaben in den Blick genommen, die ein echtes Controlling hätte erstellen können. Noch kamen die wahren „Defizite“, die eigentlichen Probleme der Kirche in den Blick. Ganz im Gegenteil.
Erstaunlich: dass selbst ökonomische Laien allein mithilfe des gesunden Menschenverstandes die Problematik erkennen konnten, wenngleich ihnen die Worte fehlten, das Problem zu verbalisieren. Daher hat die Kirche weit in die Basis hinein Vertrauen durch falsches Management, basierend auf einem falschen Buchführungssystem, verspielt.
In Landeskirchen, die die Doppik noch nicht eingeführt haben, die also noch im status problembehafter Piloten sind, wie etwa die EKHN, ist man sich dieser eigentlichen Problematik offensichtlich noch immer nicht bewusst. Hier sorgen bislang allein grobe handwerkliche Schnitzer bei der Implementierung für Frust.  Aber das dicke Ende wird erst noch kommen. Wenn die neue Buchhaltung Doppik Verkaufsentscheidungen von Vermögen (Gebäude, Grundstücke) erzwingt für Defizite, die allermeist nur in den Büchern stehen.

Am Erstaunlichsten von allem: die Kirche hat sich diese Fesseln selbst angelegt. Und für die eigenen Fesseln auch noch Unsummen an Kirchensteuermitteln verschwendet. F.S.

 

Prof. Fredmund Malik: Die doppelte Buchhaltung (in bestimmten Punkten) auf gefährliche Weise irreführend

In den Wort-Meldungen hatten wir bereits über potentielle Probleme der betriebswirtschaftliche Fehlsteuerung wegen der Doppik berichtet. Prof. Fredmund Malik, der ‚Management-Guru‘ (DIE ZEIT), zeigt entsprechende Probleme in volkswirtschaftlicher Sicht dar.  Zurückhaltung in Sachen Doppik hätte der Kirche also gut angestanden, so lange sie immer wieder Kritik an der volkswirtschaftlichen Entwicklung übt.

Wir entnehmen den Beitrag einem Kapitel, das uns der Autor Prof. Malik freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat. Und das schon einmal in anderem Zusammenhang Basis einer Wort-Meldung war.

„Der Markt ist somit nicht nur der Ort des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage, sondern er ist auch – und vor allem – der Ort, wo verschuldete Produzenten die erforderlichen Schuldendeckungsmittel, nämlich Geld, aufzutreiben versuchen. In allen Fällen, in denen die Illusionen eines infalliblen Finanzsystems zusammenbrachen, konnte man das gut beobachten. Das Problem sind nicht die übertriebenen Konsumansprüche der Menschen. Diese Ansprüche insbesondere für das tägliche Leben können die Menschen weit heruntersetzen, und sie tun es auch, sobald sie dazu gezwungen sind. Was sie nicht beseitigen können, sind die vorher gemachten Schulden, die aufgrund von Zins und Zinseszins ihr autonomes Wachstum haben, das sich nicht danach richtet, wie es den Leuten wirtschaftlich geht…

Die unmittelbaren Kosten für die Produktion fließen als Betriebsausgaben wieder zurück in den Markt. Die Produktion schafft sich somit scheinbar die eigene Kaufkraft und Nachfrage. Das ist deshalb nur scheinbar so, weil jede Produktion und ganz allgemein alles Wirtschaften, wie gesagt, vorfinanziert werden müssen. Das Geld (oder Kapital) für die Vorfinanzierung kann gesamtwirtschaftlich gesehen im Wirtschaftskreislauf aber niemals schon vorhanden sein. Die Wirtschaft ist gesamthaft also immer verschuldet. Die doppelte Buchhaltung, also die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise, die gelegentlich zur Erklärung ökonomischer Vorgänge herangezogen wird, ist in diesem Punkt auf gefährliche Weise irreführend. Die Kosten der Vorfinanzierung, das Risiko und der Gewinn werden zwar kalkuliert und verbucht, aber diese Komponenten sind im Nachfragekreislauf nicht vorhanden. Sie existieren nur scheinbar als wirtschaftliche Realitäten, sind aber in Wahrheit Fiktionen des Rechnungswesens. Diese Kosten können immer und ausschließlich nur durch Vorverschuldung aufgebracht werden. Die Produktion kann also – und konnte – niemals ihre
eigene Nachfrage schaffen, wie die Theorien behaupten. Die freiwillig und unfreiwillig entstehenden Schuldverhältnisse und die mit ihnen verbundenen Zinsverpflichtungen stellen, wie erwähnt, den entscheidenden Dynamik- oder Druckfaktor dar.“

Lesen Sie zum Thema insbesondere die Seiten 130ff dieses Kapitels aus dem Werk Malik_Management-Das-A-und-O-des-Handwerks_Kapitel-8 (1).

Sie säen nicht. Sie ernten nicht… Zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.

von Friedhelm Schneider.
Die sprunghaft angestiegene Distanz der Jugendlichen zur Kirche müsste am meisten aufrütteln: 52% der Jugendlichen sind distanziert und 20% denken ernsthaft über Austritt nach. Das ist hart. Aber das ist aus Sicht der Jugendlichen auch fair. Warum?

Betrachten wir einfach Jugendarbeit der Kirchen in den zurückliegenden 2 Dekaden und nehmen wir die EKHN. 1997 pilotiert die EKHN mit dem Projekt „Prioritätenplanung und Ressourcenkonzentration“ eine neue Art der Reform, die sich von dem vorausgehenden Reformansatz, wie er 1992 in „Person und Institution“ angelegt war, distanzierte. Im Nachhinein ist klar: es war eine vorbereitende Phase des Organisationsumbaus der Kirche, der dann mit „Kirche der Freiheit“ obsiegte. Einer der ersten, stante pede umgesetzten Beschlüsse von 1997: Reduktion der Gemeindepädagogenstellen um 20%. Gemeindepädagogen – also das Personal, das in der EKHN wesentlich für die Jugendarbeit zuständig ist. Das war der massive Einstieg in das Downsizing der Jugendarbeit. Und in das Downsizing generell: des Abbau auch von Pfarrpersonal, auch von Zuweisungen für die Arbeit an der Basis, auch von Gebäuden, auch von… McKinsey ließ schon damals grüßen. Nur ein konkretes Beispiel: gab es damals in meinem Stadtteil Darmstadts mit 25000 Einwohnern noch 2 kirchensteuerfinanzierte Stellen für die Jugendarbeit, so ist es heute noch ca. eine halbe Stelle, ergänzt durch einen gemeindefinanzierten (!) Stellenanteil. Der Personalabbau mag an anderer Stelle etwas moderater erfolgt sein und punktuell mag es Unterschiede geben. Aber es kommt hinzu, dass die Pfarrerschaft heute aufgrund der Überalterung für die Jugendarbeit ebenfalls nicht mehr in dem selben Umfang wie früher zur Verfügung steht. Und dass man den Religionslehrern die Fortbildungsstätte im noblen Kronberg genommen hat, ist ein symbolischer Akt gegen eine ganze Berufsgruppe, deren Unterstützung die EKHN offensichtlich auch nicht nötig zu haben scheint.  Punktuelle neue Angebote wie einen alle 2 Jahre stattfindenen Jugendkirchentag können solche Verluste bei weitem nicht kompensieren…  Generell bleibt die Innovationsleistung als Folge der Streichorgie und Marginalisierung des Arbeitsfeldes hinter den Erfordernissen zurück.  52 Prozent distanzierte! Da machen ein paar Sonnenstrahlen noch keinen Sommer. Die Jugendarbeit ist das fünfte Rad am Wagen der Kirche. Da können sich die Mitarbeiter an der Basis noch so mühen und abrackern, sie können durch ihre Person die harte Politik der Kirche gegenüber den Jugendlichen vielleicht etwas abfedern. Sie können sie aber nicht ungeschehen machen. Wen wundern also die Ergebnisse der neuen Mitgliedschaftstudie? In anderen Landeskirchen mag die Entwicklung in der konkreten Ausgestaltung differieren. Die Politik ist aber im Prinzip dieselbe. Sie säen nicht. Sie ernten nicht…

In den letzten sieben Jahren fährt die EKHN fünf mal Haushaltsüberschüsse in Höhe von 40 bis 70 Mio.€ ein! Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch?

Als die EKHN vor einigen Jahren – wieder einmal – einen Haushaltsüberschuss von 40 Mio. € verbuchen konnte, regte ich in kleiner Runde an, diese Mehreinnahmen diesmal nicht in die Rücklagen zu schieben, sondern komplett in die Jugendarbeit (mit einem professionellen 10-Jahreskonzept etc.) zu investieren. Ich erntete seitens einer anwesenden kirchenleitenden Person nur verständnislose Blicke und den Hinweis, dass sich einem solchen Vorschlag in der Kirchenleitung wohl niemand anschließen würde. Wie auch? Haben nicht alle leitenden Personen internalisert: die Kirchen müssten Rücklagen bilden? Da tut es nichts zur Sache, dass die EKHN ihr Soll der Rücklagenbildung schon zu 100% übererfüllt hat, weil 70% als ausreichend gelten. Gewinne für Rücklagen, aber keine Investitionen in die Mitglieder, hier in die Jugendlichen. Das ist die von den Finanzdezernenten ausgegebene Finanzpolitik. Und die bildet das „Management“-Konzept der Kirche. Ein Konzept, das einigen grundlegenden irrtümern aufsitzt. Halten wir uns an Prof. Fredmund Malik, den Doyen des europäischen Managements aus St. Gallen: „Die Meinung, dass der Zweck von Unternehmen der Gewinn sei, ist so alt wie irreführend.. .Alle paar Jahre taucht sie in einem neuen Kleid auf… diesmal in der Sharholder-Value-Theorie…Wer sich am Shareholder-Value… orientiert, hat die Gewissheit, dass er systematisch falsche, das heißt das Unternehmen schädigende Entscheidungen trifft.“

Das ist in der Kirche passiert. Es wurden systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Die Jugendlichen waren außerhalb des Horizonts der Kirchenleitungen und der „Hohen Häuser“ der Synoden. Die Jugendlichen werden mit den Angeboten und mit der Botschaft in der Breite nicht mehr erreicht. Es fehlt an Mitarbeitern. Und es fehlt dadurch bedingt auch an Innovationen. Es fehlt an schlüssigen Antworten auf die Herausforderungen des Wechsels von der analogen in die digitale Welt. Angesichts erhöhter Anforderungen konnte die Strategie nicht darin bestehen die Mittel zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: man hätte investieren müssen. In die Jugend, und nicht in Maßnahmen, die die  Bürokratie aufbauschen ohne nennenswert bessere Leistungen im Sinne einer Unterstützung für die an der Basis arbeitenden PfarrerInnen u.a. hervorzubringen! Und wie geht es weiter: Dass Pfarrerinnenmangel droht, hat sich herumgesprochen. Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs bei den Gemeindepädagogen aus?

Nikolaus Schneider kündigt an, man wolle aus der Studie lernen. Was aber passiert gerade in seinen Stammlanden, der EKiR? Der Finanzbedarf für die Bürokratie steigt aufgrund der von ihm zu verantwortenden Umbauprozesse. Aufgrund der Einführung der Doppik in den Regionalverwaltungen wird mehr mehr Personal für die (in diesem Falle: nutzlose!) Bürokratie benötigt. Um solche Stellen finanzieren zu können muss man in manchem Kirchenkreis an anderer Stelle einsparen. An welcher? Man muss nicht dreimal fragen – selbstverständlich spart man da, wo sich keiner wehrt – an der Jugendarbeit. So höre ich. Damit die Bürokratie lebe, stirbt die Jugendarbeit! Und so wird es vielen Kirchenkreisen der EKiR gehen –  und vielen Landeskirchen. Nikolaus Schneider…

Was heißt das für die Zukunft der Kirche? Die Jugendlichen werden zunehmend weniger von der Kirche erreicht. Die schon heute ihren Austrittswillen bekunden, werden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen. Denn dieser Wille wird nur schwer und mit hohem Aufwand zu korrigieren sein. Die Austrittsquote steigt und damit werden die Kirchensteuereinnahmen, Spenden oder Beiträge weiter sinken. Man muss also die Kausalketten richtig erkennen! Weil man nicht in die Jugend investiert hat, werden Kirchensteuereinnahmen sinken! Man weiß freilich schon heute, wie die Finanzdezernenten dereinst bei rückläufigen Einnahmen in Verdrehung der Ursachenketten behaupten werden: „Gut, dass wir damals Rücklagen gebildet haben…“ Dabei werden zukünftige Rückgänge der Einnahmen auch auf ihre verfehlte Finanzpolitik heute, namentlich auf die verfehlte Kirchenpolitik gegenüber der Jugend, zurückzuführen sein! Das Problem des Managements der Kirche besteht darin, dass es nicht ganzheitlich denkt und agiert. Es folgt de facto einem beschränkten, monetären Gewinnbegriff. Noch einmal Malik: „Mit einem zu kurz gegriffenen Gewinnbegriff ist noch immer der Untergang eines Unternehmens eingeleitet worden.“ Insofern darf man die aktuellen Haushaltsüberschüsse zwar als vergänglichen Segen betrachten. Mehr noch sind sie aber Menetekel: Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch… – Noch!

Die wichtige Differenz zwischen Management und Sachaufgaben (Thema des Monats)

Management bleibt immer gleich, die Sachaufgaben hingegen, auf die Management angewandt wird, sind so vielgestaltig wie die Gesellschaft selbst. Management ist die Konstante, die Sachgebiete sind die Variablen.

Die vielleicht größte Verwirrung entsteht dadurch, dass Management nicht sauber unterschieden wird von den Sachgebieten, auf die es angewandt wird. Die Quelle der Konfusion sind die Betriebswirtschaftslehre und die MBA-Programme, weil man irrtümlich anzunehmen neigt, dass jemand, der Marketing, Rechnungswesen oder Personalwesen studiert hat, schon deswegen ein Manager, gar ein guter Manager sei. Weniges richtet mehr Schaden an als dieser Irrtum. Management und Betriebswirtschaftslehre sowie die MBA-Programme haben nur wenig gemeinsam.

Entscheidend sind zwei Tatsachen: Erstens, Management erfordert ganz anderes Wissen und andere Erfahrungen als die Erfüllung von Sachaufgaben. Die beiden Elemente, Management und Sachaufgaben, hängen zwar voneinander ab und müssen zusammenwirken, um Ergebnisse zu erzielen, sind aber dennoch ganz verschieden und erfordern unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Zweitens, Management bleibt invariant, ungeachtet der Sachaufgaben, auf die es angewandt wird. Z.B. kann jemand zwar ein ausgezeichneter Forscher in der Pharmaindustrie, also ein Sachexperte, und dennoch – nicht selten gerade deshalb – gleichzeitig ein schlechter Manager sein, und er läuft Risiko, an seinen Führungsaufgaben zu scheitern. Umgekehrt ist selbst der beste Manager weitgehend hilflos, wenn er von den Sachgebieten der Pharmaforschung nichts versteht. Ein guter Jurist zu sein genügt nicht für die Leitung der Rechtsabteilung eines großen Konzerns und auch nicht, um eine Anwaltssozietät zu führen, denn das erfordert Managementkenntnisse. Diese sind andere als die des Juristen. Andererseits kann ein noch so guter Manager, der selbst kein Jurist ist, eine Rechtsabteilung oder Law-Firm kaum erfolgreich zu managen hoffen, schon allein deshalb, weil ihn die Juristen nicht als Chef akzeptieren werden, eben weil er vom Recht nichts versteht.

Sachgebiete brauchen Management, und je schwieriger sie sind, desto mehr brauchen sie richtiges und gutes Management. Damit Management andererseits professionell angewandt werden kann, braucht eine Führungskraft ein hohes Maß an Kenntnissen über das Sachgebiet. Daher ist es ein krasser, wenn auch weit verbreiteter Irrtum, dass Sachexperten allein wegen ihres Sachwissens auch schon gute Manager seien. Ein genauso schwerwiegender Fehler ist die ebenfalls verbreitete Meinung, dass ein professioneller Manager jedes beliebige Unternehmen, überhaupt jede beliebige Organisation führen könne. Zum Artikel von Prof. Fredmund Malik im Deutschen Pfarrerblatt.

Die hier geschilderte Problematik ist in der Kirche nicht unbekannt, wenngleich sie unbeachtet ist. Denn viele, insbesondere juristische Führungskräfte (Dezernenten etc.) lernen die Kirche erst mit ihrem Dienstantritt richtig kennen. Das wirkt sich dann vielfach im o.g. Sinne schädlich aus. Denn Sachwissen ist immer organisationsspezifisches Sachwissen und systemisches Sachwissen. Defizite bei Neubesetzungen können vermieden werden, wenn als Grundvoraussetzung die aktive Teilnahme in einem Kirchenvorstand/Presbyterium während mindestens einer Periode gilt. Ob die betreffenden Personen dann aber auch gute Manager sind, das steht selbst damit leider noch nicht fest. F.S.

Von der Dogmatik der Wirtschaftswissenschaften und der Schädlichkeit des Shareholder- Value (Thema des Monats)

Zentrale Passagen aus Prof. Fredmund Malik, Management, Frankfurt 2007, S. 122ff:

„Corporate Governance war das dominierende Thema der letzten eineinhalb Jahrzehnte. Die Art CG die daraus entstanden ist, ist die Ursache einer der schädlichsten Entwicklungen, die es in der Wirtschaftsgeschichte gab.“ Die Aufgabe der Corporate Governance ist nicht wie es die herrschende Meinung sagt, „Aktionäre reich zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass das Unternehmen richtig und gut geführt wird.“… “Die absurden Theorien, die mit der Corporate Governance- Diskussion in die Welt kamen – Shareholder-Value etc… – sind wirtschaftsschädigend und als Folge dessen schädigen sie die Gesellschaft.“ … „Die seit zehn Jahren mit zum Teil mittelalterlichem Dogmatismus geführte Auseinandersetzung hat zum Gegenteil dessen geführt, was beabsichtigt war: zu den größten Betrugsskandalen an den Aktionären… zu den schlechtest geführten Unternehmungen… größten Managerbereicherungen, zu den historisch raffiniertesten Bilanzfälschungen und zur schlimmsten Sorte von Wirtschaftskriminalität.“… „Unter dem Etikett der Deregulierung (sind) die monströsesten Regulierungswerke der Geschichte entstanden…“ Mehr.

Missverständnisse des Neoliberalismus hinsichtlich der Ökonomie und die Notwendigkeit eines neuen Wirtschaftsverständnisses (Thema des Monats)

Wenn man Management verstehen will muss man die Differenzierung zwischen dem realwirtschaftlichen Ansatz, wie er bspw. in St. Gallen gelehrt wird, und dem Sharholder-Value-Ansatz des Neoliberalismus verstehen. Dann erschließt sich einem Vieles. Dann beginnt man auch die Schwächen der Kirchenreformen zu verstehen.
Über Missverständnisse des Neoliberalismus, von Prof. Fredmund Malik, St. Gallen

Der echte Liberalismus verlangt nicht,
dass wir alle Ziele der Wirtschaft unterstellen sollen. Niemand hat deut-
licher gesagt, als Friedrich von Hayek, dass letztlich alle Ziele nicht-öko-
nomischer Natur seien. »Die letzten Ziele, die vernunftbegabte Wesen
durch ihre Tätigkeit zu erreichen suchen, sind niemals ökonomischer Art.
Streng genommen gibt es kein ›wirtschaftliches Motiv‹, sondern nur wirt-
schaftliche Faktoren, die die Voraussetzungen für unser Streben nach an-
deren Zielen schaffen. Was gemeinhin in irreführender Weise das ›wirt-
schaftliche Motiv‹ genannt wird, bedeutet nichts anderes als das Verlangen
nach der Möglichkeit, beliebige Ziele zu verwirklichen.«44 Wir würden
viele einflussreiche Gegner zu Befürwortern eines freien Wirtschaftssys-
tems machen können, wenn wir von ihnen nicht ständig verlangten, alles
rein ökonomischer Ratio unterzuordnen, wogegen sich mit Recht Gefühl
und Vernunft sträuben. Was der Liberalismus aber verlangt, ist, dass je-
der für seine Handlungen einzustehen hat. Das muss auch für Manager
gelten.

Neues Wirtschaftsverständnis nötig?
Die Antwort ist: Ja. Nicht nur viele neoliberale Positionen sind fragwür-
dig. Das heutige Wirtschaftsverständnis als Ganzes ist – von wenigen Aus-
nahmen abgesehen – in grundlegenden Dimensionen falsch. Es wird zum
Beispiel noch immer aus dem Tausch erklärt, obwohl bis heute für keine
Epoche die Existenz einer Tauschwirtschaft nachgewiesen werden konnte.
Lesen Sie aus dem von Prof. Malik zur Verfügung gestellten Kapitel
seines Buchs „Management. Das A und O des Handwerks“ die Seiten 125- 129.

 

Warum die Doppik in der Kirche obsolet ist – anhand Prof. Fredmund Malik erklärt

Der eigentliche Zweck der Doppik besteht in der Darstellung des Vermögens, des Wertes, eines Unternehmens.  Für wen aber ist dieser Wert in der Kirche überhaupt relevant? Für einen Kirchenvorstand? Für ein anderes Leitungsgremium? Für wen und in welchen Fällen also ist der Wert bedeutsam? Hierauf gibt Prof. Fredmund Malik, St. Gallen, in seiner Management-Lehre folgende allgemeine Antwort:

„Der Wert des Unternehmens ist nur bedeutsam für Leute, die das Unternehmen als solches oder Teile davon kaufen bzw. verkaufen wollen. Für die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens selbst, für das eigentliche Wirtschaften also, stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit.“

Fredmund Malik, Management. Das A und O des Handwerks, Frankfurt/New York 2008, S. 62

Übertragen auf die Kirche kann man bei den ergriffenen Maßnahmen der zurückliegenden Jahre von einem Teilverkauf des Immobiliensektors reden. Das ist ein eigenes Thema. Vergleichen Sie dazu den früheren Beitrag der wort-meldungen. Wir interessieren uns mehr für den zweiten Satz: „Für die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens selbst,… stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit. Ein Satz mit Sprengkraft. Man muss nur die Worte leicht modifizieren und damit den Inhalt aus der Unternehmenswelt auf den der Kirche übertragen. Der Satz lautet dann: Für die Tätigkeit(en) der Kirche selbst stellt sich die Frage nach dem Unternehmenswert überhaupt nicht, sondern es stellt sich jeden Tag neu die Frage nach der Leistungsfähigkeit in Hinblick auf alle gewünschten und notwendigen Tätigkeiten der Kirche, bestehend in der inhaltlichen Arbeit an den Menschen in Gemeinde und Funktion und den erforderlichen unterstützenden (administrativen und organisatorisch-partizipativen) Tätigkeiten. Für diese Zwecke benötigt man die Doppik in er Tat nicht. Die Doppik ist in diesem Sinne für die Kirche völlig nutzlos und obsolet.
Das heißt aber nicht, dass es keine Information(en) bräuchte! Stehen etwa in Teilbereichen, (einer Gemeinde, einer Einrichtung etc.) Veränderungen an, wie z.B. der Verkauf eines einzelnen (!) Immobilien-Objektes, wird selbstverständlich ein individueller und präziser Wert als Grundlage und zum speziellen Zweck des Verkaufs benötigt. Diesen präzisen Wert liefert aber die Doppik dann gerade nicht, denn der Wert der Doppik ist für solche Zwecke nicht gedacht und viel zu ungenau. Dazu bedarf es hier z.B. eines Gutachtens. Analog gilt das für die Planung der Instandhaltung der Gebäude, also der Bildung von Rücklagen. Auch dafür ist die Doppik zu ungenau und liefert namentlich bei einem Bestand wie dem der Kirche notorisch zu hohe Werte. Folglich müssen dann viel höhere Rücklagen gebildet werden, als erforderlich. Erforderlich wäre eine nicht an pauschalen Kennziffern, sondern an Realdaten orientierte Instandhaltungsplanung. In Fällen der konkreten Arbeitsabläufe kirchlicher Administration ist also die Doppik zu ungenau. Denn sie verfolgt ja, siehe oben – ein anderes Ziel.

Wem soll also die Doppik nutzen? Dazu eine fatalistische Anmerkung: die Doppik hat natürlich Nutznießer. Denn ihre Einführung ist teuer. Offiziell ist in größeren Landeskirchen von 40-50 Mio. € die Rede. Die wahren werte dürften aber – wie bei den Darstellungen von Bundesländern auch – deutlich darüber liegen. Man wird für die Umstellung auf die Doppik in den Landeskirchen sicher mit 1 Mrd. € zu rechnen haben. Die ev. Kirchen bauen also keine teuren Bischofspaläste, sie bauen Doppik-Schlösser. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Fazit: ein wirklicher Nutzen der von der Doppik gelieferten Steuerungsziffern für die Kirche ist nicht vorhanden. Vielleicht sollte die EKD- Synode in Düsseldorf mal über dieses Problem diskutieren… Bevor sie die in der Kirche mit Engagement Arbeitenden weiterhin mit unnötiger und damit frustrierenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen belästigt und belastet. Und bevor sie weiter das Geld der Kirchensteuerzahler aus dem Fenster wirft.

Friedhelm Schneider

Prof. Fredmund Malik geht mit der ‚Neuen Reichtumstheorie‘, der New Economy und dem Dogmatismus der Wirtschaftswissenschaften ins Gericht

In Kap. 8 seines Buchs behandelt Fredmund Malik die neue amerikanische Wirtschaftstheorie, die New Economy. Er zeigt, dass sie ökonomisch schädlich ist und politisch Kriege, wie den Irak-Krieg verursacht:

„Zu durchdenken wäre, was es für die USA bedeutete, wenn sie die Importe, unter anderem an Energie, im Umfang von 100 Milliarden nicht mehr in Dollars, sondern zum Teil in Euro, vielleicht schon bald in Yuan zu bezahlen hätten. Es dämmerte einem, dass vielleicht diese Gefahr der wahre Grund für den Irak-Überfall war. Nicht Öl, sondern Öl in Dollar. Saddam wollte Euro statt Dollar für sein Öl. Auch die anderen Öllieferanten wollen nicht ständig enteignet werden. Das Szenario würde unter anderem vorsehen, dass Russland seine Energielieferungen in Euro fakturierte und die Regierung deshalb die Hand auf den Yukos-Konzern gelegt hat und nicht, weil sie zurück zur Staatswirtschaft will. Man würde sich dann dessen bewusst werden, dass das wirklich entscheidende Millenniums-Ereignis nicht gefeiert wurde, nämlich dass es erstmals in der Geschichte eine Alternative zum Dollar als Weltleitwährung gibt, und würde sich darauf einstellen, dass der nächste Krieg nicht mit Waffen, sondern mit Währungen geführt wird.“

Nehmen Sie sich etwas Zeit. Sie werden durch wichtige makroökonomische und politische Erkenntnisse belohnt. Bei der Lektüre von Fredmund Maliks_Management-Das-A-und-O-des-Handwerks -_Kapitel-8.

Die Wort-Meldungen danken dem Autor für die Genehmigung der Einstellung dieses Kapitels.

 

Irrtümer des Neoliberalismus

Prof. Fredmund Malik, St. Gallen, ist mit einem Artikel im Dt. Pfarrerblatt vertreten. Hier noch ergänzend eine kleine Zitatesammlung aus F. Malik, Management, Frankfurt 2007, S. 122ff)

Corporate Governance war das dominierende Thema der letzten eineinhalb Jahrzehnte. Die Art CG die daraus entstanden ist, ist die Ursache einer der schädlichsten Entwicklungen, die es in der Wirtschaftsgeschichte gab.“ Die Aufgabe der Corporate Governance ist nicht wie es die herrschende Meinung sagt, „Aktionäre reich zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass das Unternehmen richtig und gut geführt wird.“… „Die absurden Theorien, die mit der Corporate Governance– Diskussion in die Welt kamen – Shareholder-Value etc… – sind wirtschaftsschädigend und als Folge dessen schädigen sie die Gesellschaft.“ … „Die seit zehn Jahren mit zum Teil mittelalterlichem Dogmatismus geführte Auseinandersetzung hat zum Gegenteil dessen geführt, was beabsichtigt war: zu den größten Betrugsskandalen an den Aktionären… zu den schlechtest geführten Unternehmungen… größten Managerbereicherungen, zu den historisch raffiniertesten Bilanzfälschungen und zur schlimmsten Sorte von Wirtschaftskriminalität.“… „Unter dem Etikett der Deregulierung (sind) die monströsesten Regulierungswerke der Geschichte entstanden…“

„Corporate Governance, wie sie weltweit seit etwa Anfang der 1990er Jahre bis heute entstanden ist, ist eine Missgeburt, die zu den bisher größten materiellen und immateriellen Schäden der Wirtschaftsgeschichte geführt hat… damit degenerierte die Unternehmensführung zu einer primitiven Form der unternehmensschädigenden Gewinnmaximierung… es gab kein Korrekturelement. Gerade… in der Wirtschaft fehlte in den letzten Jahren das entscheidende Element vernünftigen Denkens, nämlich institutionalisierte Kritik. Die Wissenschaft versagte größtenteils. Von den USA konnte kaum Kritisches erwartet werden, denn dort wurde der Unfug erfunden. Aber auch die deutschsprachige Betriebswirtschaftslehre hat größtenteils keine eigene Meinung gehabt, sondern im Gegenteil eifrig an der Legitimierung mitgewirkt. Es gab schon Wissenschaftler, die kritisch waren, sie waren eine kleine Minderheit, die von der Mehrheit zum Teil höchst unfair übertönt wurde. Statt Argumente auszutragen wurden Dogmen aufgestellt… die Irrlehren nahmen ihren Ausgang Ende der 1980iger Jahre in den USA; sie wurden in Europa mit Zeitverzug etwa ab Mitte der 1990er Jahre unkritisch, teilweise naiv nachgeahmt…“

„Es ist nicht so, wie in den Diskussionen jetzt, wo die Schäden offenkundig sind, oft gehört wird. Dass man den Shareholder-Value nur falsch verstanden hat. Er wurde nicht falsch verstanden, sondern er ist falsch …als Orientierungsgröße für nachhaltiges unternehmerisches und managerielles Handeln… er führt außerdem zu tiefgreifenden Zerwürfnissen in der Gesellschaft, zu sozialen Grabenkämpfen und zum Verlust der Glaubwürdigkeit der Führung.“