Schlagwort-Archive: Wolfgang Lieb

Verfassungsgerichtsurteil vom 17.02.16 bedeutet Leitbildwechsel der Hoschulpolitik. Selbstentmachtung der Parlamente verfassungswidrig. Von Wolfgang Lieb.

04/2016 Ein Leitbildwechsel für die Hochschulpolitik

Der Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgericht vom 17. Februar 2016 bedeutet einen Leitbildwechsel für die Hochschulpolitik. Die Karlsruher Richter setzen sich ab vom Paradigma der vom Wettbewerb gesteuerten „unternehmerischen“ Hochschule und setzen wieder dort an, von wo aus Hochschulen insgesamt und speziell auch die Hochschullehre organisiert werden müssen, nämlich vom Individualrecht der Freiheit der Wissenschaft wie sie im Grundgesetz nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 garantiert ist.

„Das Grundrecht garantiert einen Freiraum, der wissenschaftlich Tätige vor jeder staatlichen Einwirkung auf Prozesse der Gewinnung und der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse schützt. Geschützt ist insbesondere die Selbstbestimmung über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz der Lehrveranstaltung sowie das Recht auf die Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen und das Recht, sich im Rahmen des Studiums am wissenschaftlichen Gespräch aktiv zu beteiligen.“

Nach dem Urteil der Verfassungshüter stellen die gesetzlichen Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar, weil sie die Freiheit der Hochschule, über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz des Studiengangs und der Lehrveranstaltungen zu bestimmen beschränkten. Der Akkreditierungsvorbehalt sei auch ein Eingriff in die Rechte der Lehrenden und der Fakultäten oder Fachbereiche.

Die Wissenschaftsfreiheit sei zwar zur Sicherung der Qualität der Lehre grundsätzlich einschränkbar, der Gesetzgeber habe jedoch „keine hinreichenden Vorgaben“ gemacht, die den mit einer Akkreditierung einhergehenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen würden. Den geltenden Regelungen fehlten „hinreichende gesetzgeberische Entscheidungen zu den Bewertungskriterien, den Verfahren und der Organisation der Akkreditierung“.

Zum Artikel.

Systemwechsel von der sich selbstverwaltenden Gruppenuniversität zur „unternehmerischen“ Hochschule. Von Wolfgang Lieb.

21. September 2015,

Funktionale Privatisierung staatlicher Aufgaben – am Beispiel öffentlicher Hochschulen
von Wolfgang Lieb

Damit kein Missverständnis aufkommt, ich wende mich nicht gegen einen Wettbewerb um die besten Forschungsleistungen. Einen solchen Wettbewerb unter Wissenschaftlern hat es immer gegeben. Wissenschaft – zumal an einer von der Allgemeinheit getragenen Hochschule – ist genuin auf den Wettstreit um die richtige Antwort – pathetisch gesagt – auf den Wettstreit um Wahrheit angelegt.
Hinter dem Wettbewerb im Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ steht aber nicht das Bild vom Wettstreit um Wahrheit: Es ist das Bild einer Hochschule, die wie ein Unternehmen ihre „Produkte“ und „Waren“ – also ihre Forschungsleistungen sowie ihre Aus- und Weiterbildungsangebote – auf dem Markt an kaufkräftige Nachfrager abzusetzen hat: nämlich an zahlungskräftige Forschungsförderer und Auftraggeber, an Stifter und Sponsoren – und an Studierende, die nunmehr „Kunden“ sein sollen und deshalb für die eingekaufte „Ware“ namens Studium zur Kasse gebeten werden sollten….  Zum Bericht.

Drittmittel korrumpieren mehr und mehr die Idee der Universität. Problem auch von Kirchen.

Verantwortlich: Wolfgang Lieb

Bei real stagnierenden Grundmitteln, sind die Universitäten, um überhaupt noch Forschung betreiben zu können, mehr und mehr auf die Einwerbung von Drittmitteln angewiesen. Der Wettbewerb um Drittmittel wurde geradezu zum Steuerungsinstrument der Universitätsforschung. Das Grundecht der Wissenschaftsfreiheit für den einzelnen Hochschulwissenschaftler wird dadurch eingeschränkt und die Idee der Universität als ein von Fremdbestimmung, von wirtschaftlichen Verwertungsinteressen oder von politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freier Ort der Wissenschaft wird zunehmend korrumpiert. Von Wolfgang Lieb.

Welche Probleme bringt die Abhängigkeit von Drittmitteln mit sich?

Drittmittel sorgen nicht mehr dafür, dass die Hochschulforscher zusätzliches Geld für die Forschung ausgeben können, wie das früher einmal der Fall war, sie werden mehr und mehr zur Grundbedingung für Forschung überhaupt. Weite Bereiche der Forschung könnten ohne Drittmittel gar nicht mehr durchgeführt werden, weil die Grundfinanzierung der Forschung seit Jahren stagniert.

Es besteht die Gefahr, dass das Individualrecht der Wissenschaftsfreiheit, das jedem Hochschulwissenschaftler vom Grundgesetz garantiert wird, ausgehöhlt wird und das individuelle Erkenntnisinteresse und damit auch die Forschungsentwicklung insgesamt vom Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln gesteuert wird.


Die nach wie vor überwiegend öffentlich finanzierten Hochschulen geraten unter das Diktat einseitiger externen Verwertungsinteressen. Dieser grundlegende institutionelle Wandel bedroht die innere akademische Freiheit und unterwirft Bildung und Wissenstransfer äußeren Zwecken.

Das Konzept der wettbewerbsgesteuerten Hochschule, also das Regime von McKinsey und Co widerspricht den „professionskulturellen“ Voraussetzungen einer freien Wissenschaft und beeinträchtigt die Innovationsfähigkeit der Hochschulforschung. Denn Innovationen entstehen innerhalb der Universität als Ergebnis weitgehend ungeplanter Prozesse in Nischen, die sich einer direkten Kontrolle entzögen. Sie beruhen auf kollektivem Lernen, setzten Vertrauen und gegenseitige Anerkennung vor. Durch strikte Effizienzorientierung geraten gerade jene assoziativen Arbeitsformen, Freiräume und Vertrauensbeziehungen unter Druck, die eine zentrale Bedingung für Innovationen sind….

Zur Kurzstudie.

Auf dieselbe Problematik hatte  Pfr. Hans-Jürgen Volk vor kurzem in seinem Artikel zur EKiR Landessynode Januar 2015 hingewiesen.

Verbarrikadierte Demokratie – Schafft sich die Politik ab? Referat von Wolfgang Lieb auf der Herbstkonferenz 2014 der Evangelischen Akademie Bad Boll

21. Oktober 2014

Referat von Wolfgang Lieb auf der Herbstkonferenz 2014 der Evangelischen Akademie Bad Boll unter dem Titel „Kirche in der Demokratie, Demokratie in der Kirche“ am 21. Oktober 2014.

Nach einer Zustandsbeschreibung der Demokratie aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger, wird am Beispiel der Einführung der sog. „Schuldenbremse“ dargestellt, wie die neoliberale Wirtschaftslehre auf Verfassungsrang erhoben wurde. Danach werden weitere Beispiele angesprochen, wie sich die Politik in zentralen Fragen sich hinter Vorfestlegungen verbarrikadiert und sich selbst abschafft.

Als Pfarrer Michalak Ende März dieses Jahres bei mir anfragte, ob ich auf Ihrer Herbstkonferenz unter dem Titel „Kirche und Demokratie“ ein Referat halten könne, hat er mir als Thema, das von dem britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch beschriebene Phänomen der „Postdemokratie“ vorgeschlagen. Das vollständige Referat.

 

Gesundheits“reform“ als Täuschungsmanöver – von Ex- Staatssekretär Wolfgang Lieb

28. März 2014

Inzwischen mussten sich die Deutschen ja daran gewöhnen, dass alles, was die Politik „Reform“ nennt, entweder zu Sozialabbau oder zu einer Mehrbelastung der Arbeitnehmer führt. Mit der „Reform“ der gesetzlichen Krankenversicherung leistet sich die Politik ein besonders hinterhältiges Täuschungsmanöver, um die Mehrbelastung der Versicherten zu vertuschen.

Der Essener Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem geht davon aus, dass der Zusatzbeitrag (im Schnitt aller Kassen) jedes Jahr um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte steigen werden und schon 2017 bei 1,3 bis 1,5 Prozent – wohlgemerkt nur für die Arbeitnehmer – zusätzlich liegen dürfte. Das Bundesversicherungsamt rechnet sogar mit Zusatzbeiträgen von 1,6 bis 1,7 Prozent.

Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Mikrodaten-Analyse bedeutet eine Erhöhung des Zusatzbeitrages um 1,4 Prozent für den Durchschnittsverdiener mit rund 2500 Euro Einkommen schon 423 Euro und für einen ein Gutverdiener mit 4050 Euro, 680 Euro im Jahr [PDF – 158 KB]. Wenn aber ein durchschnittlicher Haushalt pro Jahr 109 Euro mehr für Strom bezahlen muss, dann gilt das als Katastrophe und führt zu einer Wende in der Energiewende… Zum Artikel.