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Freihandel – TTIP, CETA, Tafta

TAFTA: Das Kapital gegen den Rest der Welt

von Michael R. Krätke in: Blätter für Deutsche und internationale Politik.
Was allerdings pessimistisch stimmen muss: Die erste Schlacht um TAFTA/TTIP ist längst verloren. Denn die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada um ein ganz ähnliches Abkommen namens CETA sind bereits abgeschlossen. Zwar sind die Vereinbarungen noch geheim, an einem Vertragstext wird noch gebastelt, aber große Änderungen dürfen wir nicht mehr erwarten. Nach allem, was wir wissen, haben sich weder die EU-Kommission noch die kanadische Regierung um die Bedingungen der EU-Parlamentarier geschert: Vorrang für den gewöhnlichen Rechtsweg und für die nationale Gerichtsbarkeit vor dubiosen Schiedsgerichten. Deshalb bleibt dem EU-Parlament gar nichts anderes übrig, als den Vertrag schon wegen der vorgesehenen Schiedsgerichtsbarkeit insgesamt abzulehnen. Sollte CETA dagegen in Kraft treten, während die Verhandlungen zu TAFTA/TTIP noch laufen, hätten die Amerikaner einen entscheidenden Vorteil errungen. Über ihre kanadischen Standorte und Töchter können die US-Konzerne dann jederzeit zu gleichen Bedingungen auf den europäischen Markt vordringen wie kanadische Unternehmen – umgekehrt wäre das schon erheblich schwieriger. Eigentlich bräuchten die Amerikaner TAFTA dann gar nicht mehr. Zum Artikel.

TTIP: Internationale Megakonzerne verhindern die soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung

von Prof. Hickel mit Anmerkung von Jens Berger. 13.02.14

Die geplante „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ zwischen den USA und der EU ist heftig umstritten. Das Kürzel TTIP (Transatlantic Trade- and Investmentpartnership) taucht bereits auf den Plakaten nicht nur der Globalisierungskritiker auf. Zwei Positionen stehen sich ziemlich unversöhnlich gegenüber. Die Befürworter eines entgrenzten Freihandels betonen die Wohlfahrtsgewinne für alle durch sinkende Preise, mehr an Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Die Kritiker dieser Globalisierung mit abgeschmolzenen arbeits- und verbraucherbezogenen, sozialen sowie ökologischen Mindeststandards befürchten den Machtgewinn internationaler Konzerne gegenüber dem Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Beschäftigten. Die modellhaft skizzierbaren Vorteile einer grenzüberschreitenden Liberalisierung der Märkte durch den Abbau protektionistischer Hürden und damit sinkender Preise werden durchaus gesehen. In der Realität der international monopolistischen Konkurenz dominieren jedoch die einzelwirtschaftlichen Gewinninteressen zu Lasten breiter Wohlstandsgewinne. Von Rudolf Hickel[*], mit einer Anmerkung von Jens Berger.

Kurze Fassung erschien in der TAZ am 11. 2. 2014

Anmerkung Jens Berger: Rudolf Hickel nennt – vollkommen zu Recht – zahlreiche Beispiele, bei denen US-Konzerne vom Freihandelsabkommen profitieren würden. Das ist jedoch gleich aus zweierlei Hinsicht nur die halbe Wahrheit und kann schnell in der Art und Weise falsch verstanden werden, dass das geplante Freihandelsabkommen einseitig die US-Konzerne begünstigt.

Was für US-Konzerne auf dem EU-Markt gilt, gilt spiegelbildlich auch für EU-Konzerne auf dem US-Markt. Nehmen wir da nur die Arzneimittelzulassung, die in den USA wesentlich schärfer und somit verbraucherfreundlicher reguliert ist als in der EU – eine Harmonisierung wäre hier ein Milliardengeschenk für die europäischen Pharmariesen GlaxoSmithKline (GB), Sanofi-Aventis (F) und AstraZeneca (GB) und Merck (D). Ein besonderes Geschenk für die deutschen Exporteure wäre auch eine Harmonisierung der Produkthaftungsgesetze. Unternehmen wie der Maschinenbauer Stihl kalkulieren hier eine Rücklage in Höhe von 15% vom US-Umsatz für Produkthaftungsklagen ein – sollte ein Freihandelsabkommen die US-Produkthaftung auf das EU-Niveau absenken, wäre dies ein Milliardengeschenk an EU-Unternehmen, vor allem an deutsche Exporteure. Es ist also nicht so, dass nur US-Konzerne profitieren würden. Alleine die beiden genannten Beispiele sind vom Volumen her um einiges bedeutsamer als die vielzitierten Chlorhühnchen. Warum tauchen sie in keinem TTIP-kritischen Artikel auf?
Die Absenkung des Verbraucherschutzes – und darum geht ja letztendlich – nutzt freilich nicht nur den Konzernen aus dem anderen Wirtschaftsraum, sondern auch und vor allem den Konzernen aus dem eigenen Wirtschaftsraum. Oder glauben Sie, dass Wiesenhof keine Chlorhühnchen anbieten würde, wenn die Kennzeichnungspflicht wegfällt? Ob die US-Konzerne sich dann überhaupt mit ihren Chlorhühnchen gegen die der niedersächsischen Hühnerbarone durchsetzen können, ist eine weitere Frage. Und auch dies gilt spiegelbildlich. Von einer Absenkung der US-Produkthaftung und einer Verwässerung der Arzneimittelzulassungskriterien würden auch und vor allem US-Konzerne auf ihrem Heimatmarkt profitieren.
Bei TTIP geht es nicht um die Frage, ob US- oder EU-Konzerne profitieren. Unter dem Strich profitieren beide. Die Konfliktlinie ist nicht USA gegen EU, sondern Unternehmen gegen Verbraucher. Und hier sitzt Erika Mustermann mit John Doe in einem Boot. Lässt man alle Details heraus, geht es also um die Frage, ob eine Absenkung des Verbraucherschutzes im Sinne der Verbraucher ist, da dadurch die Preise sinken. Und hier ist zu Recht Zweifel angebracht, zumal – was Rudolf Hickel vollkommen korrekt erwähnt – es bei dem schon jetzt vorhandenen Angebotsoligopol mehr als fraglich ist, ob die sinkenden Kosten überhaupt an den Verbraucher weitergegeben werden oder nicht doch nur als Renditesteigerung verbucht werden. Zum Beitrag.

Anaylse einer ‚Studie‘ zum Freihandelsabkommen – fast eine Glosse

„Deutschland winken 180.000 neue Jobs“ – so frohlockte am gestrigen Tag eine Überschrift bei SPIEGEL Online,… das Zahlen und Satzfragmente aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU nachplapperte. Schaut man sich besagte „Studie“ jedoch einmal genauer an, weiß man nicht, ob man über dieses merkwürdige Elaborat nun lachen oder weinen soll. Das im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung da von Hans-Werner Sinns ifo-Institut zusammengeschrieben wurde,…


Da die Autoren sich weigern, konkrete „Handelshemmnisse“ im transatlantischen Handel zu benennen, unterstellen sie ganz einfach, dass der Handel zwischen der USA und der EU pauschal um 80% zulegen würde, wenn es denn nur das gewünschte Freihandelsabkommen gäbe. Warum dies so sein soll, erfährt der interessierte Leser nicht…

Während bei der Betrachtung der Handelszunahme zwischen der USA und der EU natürlich – wenig überraschend – eine glatte „plus 80%“ steht, verteilt sich der unterstellte Handelszuwachs innerhalb der EU-Staaten unterschiedlich. Nach dem Willen der Excel-Tabellen des ifo-Instituts profitieren vor allem die EU-Staaten, in denen es momentan die größten „nicht-tarifären“ Handelsbarrieren gibt. Hier staunt der Laie und der Fachmann wundert sich: Sind diese Barrieren innerhalb der EU nicht gleich? Nein! Die Briten profitieren – so will es das ifo – nicht so sehr vom Abkommen wie die Esten, da die Briten – man höre und staune – schon jetzt viel mit den USA handeln und eine gemeinsame Sprache haben. Auch wenn der Handel zwischen Großbritannien und den USA nur vergleichsweise gering steigt, so errechnen die Excel-Tabellen des ifo dennoch, dass ausgerechnet Großbritannien bei der Betrachtung des Wirtschaftswachstums am stärksten von dem Abkommen profitiert – und zwar mit stolzen 9,7%. Ei der Daus! Warum dies so sein soll, erschließt sich in den kryptischen mit Fremdwörtern gespickten Erklärungen des ifo-Instituts freilich nicht.
Freihandelsstudie – Scharlatanerie im pseudowissenschaftlichen Gewand, von Jens Berger

…Aber bleiben wir bei Deutschland. Auch für Deutschland „errechnen“ die ifo-Forscher ja ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Und auch hier ist nicht klar, warum es überhaupt zu einem Wachstum kommen soll. Freihandelsfreunde alter Schule verweisen an dieser Stelle stets darauf, dass höhere Handelsvolumina automatisch zu Wirtschaftswachstum führen. Dass dies ein Fehlschluss ist, erkennt man bereits, wenn man sich einmal vor Augen hält, wie sich das Bruttoinlandsprodukt zusammensetzt. Bereits im ersten Semester lernt jeder Ökonomie-Student, dass sich das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen nach der Formel BIP = C (Konsum) + I (Investitionen) + G (Staatsausgaben) + Ex (Exporte) – Im (Importe) berechnet. Der Freihandel lässt zwar die Summe der Exporte steigen, gleichzeitig steigt jedoch auch die Summe der Importe. Und da die ifo-Forscher bei der Betrachtung des deutsch-amerikanischen Handels zum Ergebnis kommen, dass die Exporte und die Importe im gleichen Maß steigen, bleibt zumindest bei dieser Betrachtung kein Raum fürs Wirtschaftswachstum…

Dabei scheinen die ifo-Forscher sogar zu wissen, dass durch Freihandelsabkommen eigentlich global kein Wachstum geschaffen wird, sondern lediglich Handelsströme umgelenkt werden. Daher hat man ja auch nicht nur das Handelsvolumen mit den USA, sondern auch das Handelsvolumen zwischen sämtlichen anderen Staaten in einem Rechenmodell simuliert. Es versteht sich von selbst, dass man dabei die Realität so gut es geht ignoriert und noch nicht einmal untersucht hat, welche Güter denn hier aus welchem Grund gehandelt werden. Dort wo eine qualitative Analyse nötig wäre, beschränkte man sich auf rein quantitative Rechentricks. Was dabei herauskommt, ist eine sinnlose – und wissenschaftlich wertlose – Excel-Spielerei. So soll beispielsweise Saudi-Arabien zu den großen Verlierern eines transatlantischen Freihandelsabkommens zählen. Warum dies so sein soll, erschließt sich jedoch nicht. Bekanntermaßen exportiert Saudi-Arabien nahezu ausschließlich Öl- und Ölprodukte. Werden diese nun in den USA und in der EU weniger nachgefragt, weil die Esten besser Englisch lernen, die Deutschen die Galone als Maßeinheit einführen und die Amerikaner ihre Medikamente nicht mehr so gründlich testen?… Zur tiefgründigen, spritzigen Analyse der „Sinn-Studie“.

Kritik am Freihandelsabkommen TTIP Viele Fragen, wenige Antworten

Standards für Essen und Umwelt bleiben hoch – behaupten die Unterhändler von EU und USA. Sie reagieren nach der zweiten Verhandlungsrunde zum transatlantischen Freihandelsabkommen auf ihre Kritiker. Was sie konkret vorhaben, halten sie weiter geheim.

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