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Prof. Eberhard Mechels verstorben.

05/2017

Prof. Eberhard Mechels, der Mitherausgeber des Buches „Kirche der Reformation?“, verstarb am Dienstag nach Ostern nach schwerer Krankheit.

Aus diesem Anlass stellen wir hier einen seiner kritischen Reflexionen zum Reformprozess „Kirche der Freiheit“ ein. Der Artikel erschien in der Ausgabe 06/2010 des deutschen Pfarrerblattes.

Das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ und seine Weichenstellungen. Ein Zwischenruf aus dem Jahr 2010. Von Prof. Eberhard Mechels.

05/2017

Das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ und seine Weichenstellungen.
Ein Zwischenruf aus dem Jahr 2010

Eberhard L.J. Mechels

1. Eine positive Bilanz?

Die Bilanz „Reformprozess“ der EKD seit der Veröffentlichung des Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ vom Juli 20062 ist nicht so positiv, wie einige sie gern sehen wollen. Denn erstens sind Bilanzen von der Art „Aufbruch mit Rückenwind“3 wenig überzeugend, wenn dort Reformen als durch „Kirche der Freiheit“ „angestoßen“ oder „beflügelt“ aufgelistet werden, die zum großen Teil vor 2006 bereits abgeschlossen waren (so in der EKHN, 2000) bzw. vor und unabhängig von „Kirche der Freiheit“ begonnen wurden und liefen (so in der Badischen Landeskirche, in der Evangelischen Kirche im Rheinland, in der Nordkirche.) Und zweitens ist der Tenor dort so überaus positiv, auch von Insidern des EKD-Kirchenamtes, dass Zweifel aufkommen: „´Kirche der Freiheit´ hat als Katalysator gewirkt und überall die Reformkräfte gestärkt, bestätigt Oberkirchenrat Thorsten Latzel, Leiter des ´Projektbüros Reformprozess im Kirchenamt…“4 „So viel Aufbruch gab es selten.“5 Demgegenüber fällt auf, dass auf kritische Stimmen wie z.B die von Michael Welker, Matthias Rein, Christian Möller, Christoph Demke, Rolf Adler, Rolf Festerra, Klaus Douglass, Klaus Hoffmann, Friedrich Weber, Wilfried Härle, Isolde Karle, Heino Falcke, Klaus Weber, Christof Dinkel, Günter Thomas, Hans Martin Dober6, um einige der fundiert argumentierenden Kritiker zu nennen, inhaltlich kaum Bezug genommen wird, sondern allenfalls durch diskreditierend – abschätzige Charakterisierungen. Dazu nur ein Beispiel: “Der Impuls der EKD ´Kirche der Freiheit´ wurde in der inner- und außerkirchlichen Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen… Aus dem Funktionärsmilieu und von Hochschullehrern kam dagegen harsche Kritik.“7 Mit keinem Satz wird hier auf die Argumente und Anfragen eingegangen, sondern es wird schlicht konstatiert: „Im Rückblick auf diese Debatte können sich die Autoren des Impulspapiers nur bestätigt fühlen.“8

Mechels Aufsatz 2010

Der Reformprozess als Strategie der Integration von Christentum, Kirche und Gesellschaft. Von Eberhard Mechels. Eine Leseprobe.

10/2015

(Leseprobe aus dem Buch „Kirche der Reformation?“, Hrsg. Gisela Kittel und Eberhard Mechels, Neukirchner Verlag, 2016)

…Das theologische Grundmodell des Impulspapiers ist nicht die Ekklesiologie der „Kirche für andere“, sondern die Christentumstheorie.1
Was bedeutet „Christentumstheorie“? Es handelt sich um eine theologische Konzeption, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemein wurde. Ihr Zentralbegriff ist „das Christentum“ als eine gesellschaftlich – kulturelle Grösse, die kritisch unterschieden wird von der Institution Kirche und ihrer Dogmatik, in der die Kirche, so ist die Theorie, monopolartig und autoritär festlegen will, was Christen zu glauben haben. Das moderne, aufgeklärte Individuum ist aber emanzipiert, es lässt seine Freiheit, auch seine religiöse Freiheit nicht einschränken durch eine Organisation und ihre autoritären Vorgaben.
Ausgangs- und Mittelpunkt der Theorie ist demnach die gesellschaftliche Verfassung des Christentums und die christliche Verfassung der modernen Gesellschaft. Ihre Orientierungsgröße ist „das Christentum“ als neuzeitlich-emanzipatorischer Begriff, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allgemein wird und mit dem der positiven historisch-christlichen Institution, der Kirche und ihrer Dogmatik, das Monopol streitig gemacht wird, allein zu bestimmen, was christliche Religion ist.2 Ihr zentrales Anliegen ist die Integration von christlicher Religion und Gesellschaft, d.h. der Aufweis der gesellschaftlichen Verfasstheit des Christentums bzw. der christlichen Verfasstheit der Gesellschaft. Es geht demnach nicht primär um „Integration“ als Aufgabe oder Projekt, sondern um das Postulat der faktischen Integriertheit von Christentum und Gesellschaft. So ist oft die Rede von der „Christlichkeit unserer Gesellschaft“, 3 vom außerkirchlichen „Christentum in unserer Gesellschaft“4, von der „Welt des Christentums“ 5 als „christlicher Welt“ 6. So kann die Studie der Perspektivkommission der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau konstatieren: Wenn man unter Religion nicht nur ein gedankliches Erlebnis verstehe sondern einen weiteren Religionsbegriff voraussetze, dann werde erkennbar, dass die christliche Religion unsere gesamte Lebenswelt durchdringe. „Der Umgang mit Geld, die Einstellung zur Arbeit, die Gestaltung der Sexualität, das Erleben von Kunst, die Feier von Festen und Lebenshöhepunkten, das politisch-soziale Engagement – all diese Handlungsfelder bewahren christliche Überlieferung.“ 7 Ebenso ist die Individualisierung als ein gesamtgesellschaftlicher Prozess „eine späte Folge des Protestantismus selbst, für den Individualität (´der einzelne in seinem Gewissen vor Gott ´) eine leitende Kategorie der christlichen Theologie war.“8 Alle diese Beispiele zeigen das Bemühen, die gegenseitige Beeinflussung und Durchdringung von Christentum und heutiger Gesellschaft aufzuzeigen.
Von da aus wird die Kirche als eine Gestalt des Christentums in die Gesellschaft integriert als das Besondere dieses Allgemeinen. In der Neuzeit habe sich ein neuzeitliches Christentum konstituiert, in deutlicher Selbstunterscheidung vom kirchlich verfassten Christentum, befördert vor allem durch die Renaissance und die deutsche Aufklärung. Die Neuzeit ist „in gleichem Maße aus spezifischen Einsichten und Argumenten des Christentums hervorgegangen, wie sie andererseits durch ihre Entfaltung das Christentum zutiefst beeinflusst hat.“9 Und darum sind die oben genannten drei Gestalten des Christentums in der Neuzeit zu unterscheiden: das öffentliche, das kirchliche und das private Christentum. Und innerhalb des kirchlichen Christentums ist wiederum die Gemeinde eine von sieben möglichen Wahrnehmungen von Kirchenmitgliedschaft.10
Aus dieser christentumstheoretischen Systematik wird bereits ersichtlich, was in den Reformprogrammen von EKD und Landeskirchenleitungen mit Händen zu greifen ist: die entschlossene Marginalisierung der Gemeinden.

Selbstgefällig und inhaltsarm. Offener Brief zum „Impulspapier“ des reformierten Moderamens von Prof. Eberhard Mechels u.a.

07/2016
…Das im Februar dieses Jahres in der Alasko-Bibliothek mit grossem Aufwand veröffentlichte Impulspapier der reformierten Kirche zeichnet sich aus durch bemerkenswerte Selbstgefälligkeit und Inhaltsarmut. Es beschreibt eine Tendenz, die sich von der Gemeindekirche abwendet: Es werden größere Einheiten angestrebt, Gemeinden und Synodalverbände sollen zusammengeschlossen werden, die Zahl der Pfarrstellen um mindestens ein Drittel zurückgefahren werden… Der vollständige Text des offenen Briefs.

Veraltung und Verkrustung. Zur Gerontologie von Institutionen: „Konsistoriale Kirche oder Gemeindekirche“ – ein Vortrag von Prof. Eberhard Mechels.

11/2015
„Institutionen neigen zur Verkrustung … Sie werden zum Selbstzweck. Und darum muss ein konstruktiver Umgang mit Institutionen immer ein kritischer sein. Das ist vielleicht das wichtigste Merkmal der protestantischen Kirche als »Kirche der Freiheit«, dass sie sich immer wieder die Freiheit nimmt, sich kritisch zu ihrer eigenen Institutionalisierung zu verhalten. Diese Freiheit ist der evangelischen Kirche in die Wiege gelegt, und sie zeigt sich gegenwärtig im Aufstand der Gemeinden gegen eine selbstherrliche und übermächtig gewordene Kircheninstitution.“

Vor der Mitgliederversammlung unseres Vereins am 25. Oktober 2015 war Prof. Dr. Eberhard Mechels unser Gast in Rommerskirchen und hat einen erhellenden Vortrag zum Thema „Konsistoriale Kirche oder Gemeindekirche“ gehalten. Der vollständige Text steht hier als PDF zum Download bereit. Zum Vortrag ( pdf-download).