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Prof. Jochen Krautz: Ware Bildung – Buchbesprechung

Der große Umbau deutscher Hochschulen und die neuen Studiengänge werden weder zu besserer Anschlussfähigkeit deutscher Abschlüsse führen noch zu einer besseren akademischen Bildung. Das ist nur ein Punkt in Jochen Krautz Generalabrechnung mit der Umgestaltung des deutsche Bildungssystems, für die die Schlagworte Bologna und PISA stehen.

Unter dem Zwang der Effektivierung, des Benchmarking, Ranking und der Outputorientierung ist Bildung verloren gegangen, und deshalb stellt Krautz den Bildungsbegriff an den Beginn seiner Kritik. Als Kunsterzieher leitet er ihn anschaulich und gut verständlich aus der Betrachtung eines Reliefs über dem Tor einer tschechischen Volksschule her. Bildhaft und angenehm lesbar wie der Einstieg ist das ganze Buch geschrieben. Bildung als Persönlichkeitsentwicklung und Erziehung als ein personaler Prozess zwischen Lehrer und Schüler sind verloren gegangen, stattdessen geht es nur noch um die Ausbildung der eigenen Arbeitskraft und der quasi industriellen Produktion von Kompetenzen, um das Human-Kapital der künftigen Ich-AGs.

Zur immer noch aktuellen Buchbesprechung von Wolfgang Lieb von 2007.

Ökonomisierung und Entdemokratisierung des Bildungswesens – Veranstaltungshinweis

Sind Kompetenzen, Standards und Methoden ein Allheilmittel?
Vortragsreihe: Vom 31.10.2013 bis 30.01.2014 alle 14 Tage donnerstags um 19:30 Uhr in der Goethe-Uni Frankfurt, Campus Bockenheim Hörsaalgebäude, Gräfstraße, Ecke Mertonstraße

Bildungsstandards, Einzug des Qualitätsmanagements in die Schule, Individualisierung der Lernprozesse durch selbstorganisiertes Lernen, Ausrichtung der Schule an betriebswirtschaftlichen Kriterien – das sind einige der Schlagwörter, mit denen Bildungsplaner/-innen das auf angeblich abgestandenes „Abfragewissen“ zielende Schulsystem in Deutschland umkrempeln wollen.

Die Veranstaltungsreihe „*Ökonomisierung und Entdemokratisierung des Bildungswesens*“ der Frankfurter GEW in Kooperation mit dem AStA der Goethe-Universität und der „Gesellschaft für Bildung & Wissen“ zielt auf den Blick hinter die Kulissen, die von Politikern/-innen und Meinungsmonopolisten aufgebaut wurden und werden, um die Aufmerksamkeit von den für Lehrkräfte und betroffene Schülerinnen und Schüler negativen Folgen der beabsichtigten „Reformen“ abzulenken und um Veränderungen von Strukturen und Inhalten des Bildungssystems durchzusetzen, die kritisch zu hinterfragen sind.
Zum Programm der Abende.

Wandel oder Transformation? – Liebesgrüße aus Gütersloh

„Liebesgrüße aus Gütersloh “ von Prof. Matthias Burchardt, Universität Ludwigsburg.

„Spätestens seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts können auffällige Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft beobachtet werden: Politik, Kultur, Medien, Gesundheitswesen, Sozialsysteme, Landwirtschaft, Wirtschaft, Strafvollzug, Polizei, Kirchen, Familien und natürlich das Bildungswesen zeigen in Strukturen, Prozessen, Sprachspielen, Deutungen und Bewertungen ein gänzlich anderes Gesicht. Der vollzogene Wandel wurde in der politischen Rhetorik durch Begriffe wie Reform oder „Modernisierung“ ausgewiesen. Als Legitimation wurde – postlyotard – die große Erzählung der „Globalisierung“ bemüht, Vokabeln wie „Zukunftsfähigkeit“ erzeugten Anpassungsdruck und Thatcher’s TINA-Doktrin (There is no alternative!) gewann unausgesprochen Allgemeingültigkeit. Wie wenig diese Modernisierungsprozesse tatsächlich zur Ermöglichung von Zukunft beigetragen haben, zeigt sich an den diversen Krisen, die einerseits Folge der genannten Maßnahmen sind und gleichzeitig als Argumente für weitere „alternativlose“ Reformen herangezogen werden: ökologische Krise, Klimakrise, Überschuldungskrise, Energiekrise, Wasserkrise, Krise der Sozialsystem, Bildungskrise, Finanzkrise, Euro-Krise, Demokratiekrise, Kulturinfarkt usf.“

Hinter all diesen Prozessen steckt nicht allein die Bertelsmann-Stiftung. Aber ihr Einfluss darauf ist enorm. Welche Mittel, Methoden, Instrumente und – Personen mitwirken, beschreibt Prof. Burchardt in seinem Artikel „Liebesgrüße aus Gütersloh“ auf sehr anschauliche, bisweilen unterhaltsame Weise. Zur Lektüre wärmstens empfohlen!

Matthias Burchardt „Liebesgrüße aus Gütersloh“. Der Artikel ist erschienen in: In: Demokratie setzt aus. Gegen die sanfte Liquidation einer politischen Lebensform. Hrsg. von Ursula Frost und Markus Rieger-Ladich. Sonderheft der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Paderborn 2012. S. 65-77.