05/20115, Wolfgang Vögele
– Was sollen wir denn damit?
– Da haben wir noch nie hineingeschaut!
– Das soll ich einmal unterschrieben haben?
Solche Aussagen kann man hören, wenn Pfarrer und Älteste zum ersten Mal einen Blick in neue Ausgaben und Auflagen der Bekenntnisschriften werfen. Bekenntnisschriften führen bekanntlich ein Schattendasein im evangelischen Legitimationsuntergrund – weit verbreitetes und ausgedehntes Wurzelwerk bei geringer Blütengröße. Dabei schaffen die Grundordnungen der evangelischen Landeskirchen eigentlich ein solides normatives Dreieck zwischen Bibel, Bekenntnisschriften und Kirchenrecht. Die ausgewogene Balance dieses Dreiecks geht allerdings in den letzten Jahren zunehmend verloren. Um die theologische Dignität der Bekenntnisschriften zu würdigen und anzuerkennen, ist zunächst ihre Kenntnis vonnöten….
Glaubensvisionen haben im Moment ja gar keine Konjunktur, die Zukunft scheint in der Gegenwart der evangelischen Kirche ihren Ort verloren zu haben. Denn in den Konsistorien ächzt man unter der Last der grauen Wirklichkeit und hat bisher kein Mittel gegen die bleibend hohen Austrittszahlen gefunden: Milieuanalysen, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, Reformprogramme oder das Pfeifen im Walde (Minderheit mit Zukunft!) haben alle nicht geholfen. Aus der EKD kommt der Vorschlag, die Confessio Augustana als das früheste und gemeinsame Grundbekenntnis der Reformation als gemeinsame Grundlage der evangelischen Landeskirchen zu implementieren[11]. So würde die EKD von der „Kirchengemeinschaft“ zur Kirche mit gemeinsamem Bekenntnis promoviert. Diesem Vorschlag ist schon mit guten historischen und aktuellen Gründen widersprochen worden. Er nimmt einfach das Differenzmoment nicht ernst genug. Man muss im Übrigen kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass dieser Vorschlag zwischen der Kritik an dem damit verbundenen Zentralismus und den bekannten irrationalen Regionalisierungskräften zerrieben werden wird.
Visionär wäre die Weiterführung von Leuenberg zu einem europäischen evangelischen Bekenntnis, das über die landeskirchlichen und nationalen Grenzen hinausreicht. Aber im Moment sind Kräfte und Personen nicht zu erkennen, die dafür Kraft, Kreativität und langen Atem besitzen würden. Der Heilige Geist hat im Moment eine Menge zu tun. Zum Artikel.