Archiv der Kategorie:
Bildungswesen

Kompetenzbasierung und Digitalisierung als rückwärtsgewandte Ideologien. Parallele Folgen der „Reform“strategien auch in der Kirche?

04/2016, Bildung-Wissen.eu

Gastbeitrag von Burkard Chwalek, Bingen
Mainstreams folgen meist einem ähnlichen Muster. Die Geschichte geht etwa so: Es wird ein Unbehagen an den bestehenden Verhältnissen diagnostiziert und formuliert, die Notwendigkeit einer Veränderung ausgerufen, deren Richtung vorgegeben, die Entwicklung – zusehends Eigendynamik entfaltend – verstetigt, mit dem Merkmal des Paradigmenwechsels versehen, als gegeben und nicht befragbar hingenommen, schließlich als notwendig und damit alternativlos erachtet. So geschehen im Kontext der Kompetenzbasierung und Output-Steuerung von Schule und Unterricht….  Mehr dazu.

Überall gescheiterte „Reformen“, hier: Fachbereiche Soziologie steigen bei CHE- Ranking mehrheitlich aus.

04/2016

Wissenschaftliche Evaluation Ja – CHE-Ranking Nein

Von den 53 durch das CHE gelisteten deutschen Instituten, an denen ein Soziologiestudium angeboten wird, sind bereits 37 (70%) aus der Bewertung ausgestiegen….

Mehr dazu: s. Spalte links der Startseite.

Verfassungsgerichtsurteil vom 17.02.16 bedeutet Leitbildwechsel der Hoschulpolitik. Selbstentmachtung der Parlamente verfassungswidrig. Von Wolfgang Lieb.

04/2016 Ein Leitbildwechsel für die Hochschulpolitik

Der Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgericht vom 17. Februar 2016 bedeutet einen Leitbildwechsel für die Hochschulpolitik. Die Karlsruher Richter setzen sich ab vom Paradigma der vom Wettbewerb gesteuerten „unternehmerischen“ Hochschule und setzen wieder dort an, von wo aus Hochschulen insgesamt und speziell auch die Hochschullehre organisiert werden müssen, nämlich vom Individualrecht der Freiheit der Wissenschaft wie sie im Grundgesetz nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 garantiert ist.

„Das Grundrecht garantiert einen Freiraum, der wissenschaftlich Tätige vor jeder staatlichen Einwirkung auf Prozesse der Gewinnung und der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse schützt. Geschützt ist insbesondere die Selbstbestimmung über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz der Lehrveranstaltung sowie das Recht auf die Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen und das Recht, sich im Rahmen des Studiums am wissenschaftlichen Gespräch aktiv zu beteiligen.“

Nach dem Urteil der Verfassungshüter stellen die gesetzlichen Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit dar, weil sie die Freiheit der Hochschule, über Inhalt, Ablauf und methodischen Ansatz des Studiengangs und der Lehrveranstaltungen zu bestimmen beschränkten. Der Akkreditierungsvorbehalt sei auch ein Eingriff in die Rechte der Lehrenden und der Fakultäten oder Fachbereiche.

Die Wissenschaftsfreiheit sei zwar zur Sicherung der Qualität der Lehre grundsätzlich einschränkbar, der Gesetzgeber habe jedoch „keine hinreichenden Vorgaben“ gemacht, die den mit einer Akkreditierung einhergehenden Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen würden. Den geltenden Regelungen fehlten „hinreichende gesetzgeberische Entscheidungen zu den Bewertungskriterien, den Verfahren und der Organisation der Akkreditierung“.

Zum Artikel.

Epoche der neuen „Schwarzen Pädagogik“. Von Prof. Pierangelo Maset.

12. April 2016
„Grundsätzlich müssen wir gemeinsam daran arbeiten, von einer Kultur der Kontrolle zu einer Kultur des Vertrauens zu wechseln; – das ist die mittelfristige Perspektive. Langfristig sollte die aktuelle Phase der europäischen Bildungsgeschichte als die Epoche der „Neuen Schwarzen Pädagogik“ beschrieben werden. Begriffe wie Akkreditierung, Evaluation, Rankings, Benchmarks etc. werden in das „Schwarzbuch der Zivilisationen“ aufgenommen und den nachfolgenden Generationen als ständige Mahnung dienen. “  Mehr dazu.

Der Bildungsputsch.

14. März 2016, Jens Wernicke sprach hierzu mit Matthias Burchardt, einem der Autoren der Publikation.

… Die Probleme mit G8 sind ja seit Langem bekannt und die Landesregierungen haben die Reform bereits mannigfach nachjustiert: Lehrpläne entschlackt, den gestiegenen Druck wieder reduziert etc. Wogegen richtet sich da noch Ihre Kritik?

Das war im Grunde alles nur Kosmetik. Der Kern blieb unberührt: Die Errichtung eines zeitpolitischen Regimes über die Kindheit, das in hohem Maße zerstörerisch wirkt. Man könnte fast von symbolischem Kannibalismus sprechen: Das Auffressen kindlichen Mensch-Seins durch maximal intensive und extensive Bewirtschaftung von Lebenszeit: G8 komprimiert die Schulzeit und verdichtet dadurch Leistungsdruck, frisst sich aber zugleich auch immer mehr in die Nachmittage.

Dadurch entsteht eine besinnungslose Hetze in der Schule, die einem taylorisierten Arbeitsprozess – Stichwort Fließband – angepasst wird. Auf der anderen Seite fallen außerschulische Bildungsgelegenheiten weg: Freunde, Vereine, Brauchtum, politisches und soziales Engagement. Als Surrogat bietet sich den Kindern die Orwellsche Welt der sozialen Netzwerke, die sie aber wiederum nur stresst und vereinzelt.

Fatal ist ja, dass G8 die Kinder wie beschrieben einerseits quantitativ überfordert, andererseits qualitativ unterfordert, weil im Zuge der Kompetenzorientierungen fachliche Bewährungsmöglichkeiten abgebaut wurden.

Verständnisfrage: Sie meinen also, es geht womöglich im Kern darum, Kinder bewusst zu überfordern, damit Sie nicht mehr zu Reflexionen und kritischem Hinterfragen in der Lage sind? Sie ihrer sozialen Bindungen etc. zu berauben, damit Sie zu, ja, sagen wir, später besser verwertbarem Humankapital zu machen sind?

Der Eindruck entsteht tatsächlich, zumindest ist es ein Effekt in der Summe der Reformmaßnahmen: Vieles, was einmal zur Bildung gehörte und zur Humanisierung der Gesellschaft beitragen sollte, verkümmert heute: fundierte Sachkenntnisse, ein Können im Sinne des Sich-auf-etwas-Verstehens, Urteilskraft, Selbsterkenntnis, Gemeinschaftssinn…

All das bedarf einer anderen Grundsituation. Unser Wort „Schule“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet dort „Muße“, also befreit von Zwängen sich einer Sache zuzuwenden – nicht um untätig zu bleiben, sondern um zu einer besonnenen und verantwortungsbewusst handelnden Person werden zu können…. Zum Interview.

Lehrerbildung raus aus Bologna! Stellungnahmen zum Lehrerausbildungsgesetz NRW. Von Prof. Dr. Ursula Frost, Prof. Dr. Ulrich Heinen und Prof. Dr. Hans Peter Klein

Veröffentlicht am 26.02.16
Bei einer Expertenanhörung im Landtag NRW zur Novellierung des Lehrerausbildungsgesetzes wurden markante und denkwürdige Stellungnahmen vorgebracht. Diese mahnten eine grundsätzliche Revision der durch Bolognareform und Kompetenzorientierung zunehmend wissenschafts- und bildungsfeindlichen Lehramtsstudiengänge an. Nicht Bologna sei alternativlos: „Alternativlos ist nur Humanität“, so Ursula Frost von der Universität zu Köln. Tatsächlich habe die Bolognareform die selbst gesetzten Ziele nicht erreicht, sei rechtlich und theoretisch fragwürdig und praktisch schädlich. „Kompetenz“ widerspreche dem Anspruch universitärer Bildung, mit ihr würde eine Verhaltenssteuerung künftiger Lehrerinnen und Lehrer angestrebt, die sich so kritiklos den ministeriell gewünschten gewünschten Vorgaben anpassen sollten…  Zur Stellungnahme.

Technokratische Reformen gefährden die hohe Qualität des Schweizer Bildungssystems.

Veröffentlicht am 03.01.16
Reformhektik im öffentlichen Schulwesen

Im Bildungswesen als wohl sensibelsten Bereich dieses Service public, das vom TISA-Abkommen im Hinblick auf Privatisierungsbestrebungen mit Sicherheit betroffen sein dürfte, erleben wir seit Jahren Kaskaden von Reformen, die mit enormer Propaganda und dem Gestus einer eigenmächtigen Verwaltungsbürokratie durchgezogen werden – zumeist ohne öffentliche Diskussion und gänzlich ohne Zustimmung der eigentlichen Schulexperten, nämlich den Lehrpersonen. Einige wenige profilierte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik haben – mit merkwürdig wenig Resonanz – wiederholt versucht, auf die fehlende Sach- und Fachbegründung dieser «Reformitis» hinzuweisen und die längst fällige Zäsur zur vertieften Reflexion und Diskussion endlich zu ermöglichen. Im Memorandum «Mehr Bildung – weniger Reformen» forderten vor zwei Jahren namhafte Humanwissenschaftler, unter anderem die Professoren Walter Herzog, Roland Reichenbach, Allan Guggenbühl, Remo Largo, Fritz Osterwalder, Rolf Dubs einen «Stopp der Reformhektik», die ohne öffentlichen Konsens «von oben» verordnet und durchgesetzt werde; ja man sprach gar vom Weichen der öffentlichen Kontrolle im Bildungswesen zugunsten einer «demokratiefernen Expertokratie»… Zum Bericht.

Wider die Standardisierung menschlicher Lern- und Lebenswelten. Gespräch mit dem Professor für Erziehungswissenschaft Hans Brügelmann.

14. Januar 2016, www.nachdenkseiten.de
… Herr Brügelmann, in Ihrem unlängst erschienen Buch „Vermessene Schulen – standardisierte Schüler“ wenden Sie sich gegen die allgemeine Testeritis, die das Bildungssystem seit einiger Zeit heimsucht. Wieso? Was haben Sie gegen derlei Bemühungen um Qualitätssicherung?

Durch Leistungstests die Qualität von Schule sichern? Eine kühne These! Solche Tests erfassen doch nur den sogenannten „Output“ und davon wiederum nur einen kleinen Teil, schon vom Ansatz her eingeschränkt auf wenige Fächer und von diesen wiederum nur Ausschnitte – und das auch noch in sehr oberflächlicher Form.

Wo bleiben die Wirkungen der Schule auf das soziale und das ästhetische Lernen oder gar auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen? Und was ist mit der Qualität des pädagogischen Umgangs: Respekt füreinander, Offenheit für die besonderen Bedürfnisse und Interessen einzelner Kinder, Bemühen um die Überwindung ihrer Schwächen, demokratische Entscheidungsverfahren usw.? Ich finde, die Fixierung auf Punktwerte in Leistungstests führt zu einer Verarmung der Qualitätsdiskussion.

Zum vollständigen Wortlaut.

Schulkooperationen von RWE.

01/2016, Spiegel

Der Energiekonzern RWE kooperiert mit Schulen, auch um die umstrittene Braunkohleförderung beim Nachwuchs populär zu machen. Jetzt hat sich das NRW-Kultusministerium eingeschaltet – und demonstriert Ahnungslosigkeit.


Für den Energiekonzern RWE ist Braunkohle jedoch ein wichtiges Geschäft. Und um es beim Nachwuchs populärer zu machen, hat der Konzern Kooperationsvereinbarungen mit Schulen geschlossen. In zwei Verträgen, die der Initiative Lobbycontrol vorliegen und über die DER SPIEGEL berichtet hatte, hat RWE seine Absicht recht deutlich formuliert: Den Jugendlichen solle „die Bedeutung und der Nutzen dieser Industrie für die Gesellschaft, besonders auch im heimischen Revier“ deutlich werden. Von den Schattenseiten der Braunkohle ist zumindest im Vertrag keine Rede – und im Unterricht?… Zum Beitrag.

Bildungsreform: Die Irrationalität der Reformen ist für alle die mit Händen zu greifen. Der Bildungs-Rat der Gesellschaft für Bildung und Wissen

11/2015, EInleitung von Prof. Andreas Gruschka

Zugleich sind in unserer Mitgliedschaft und auch im Beirat viele aktiv
geworden, die jenseits der einander verbindenden Kritik nicht unbedingt derselben
bildungspolitischen „Konfession“ angehören. Unter uns sind harte
Vertreter der Einheitsschule wie solche des Gymnasiums, „linke“ wie „konservative“
Pädagogen, Reformpädagogen und Kritiker der Reformpädagogik usf.
Dass wir überhaupt mit dieser Mischung leben können und zunehmend
Einfluss gewinnen, hängt wohl an den gemeinsamen Überzeugungen, dass
nämlich das öffentliche Erziehungs- und Bildungssystem zu bewahren und angemessen
auszustatten ist und dass es vor allem die Aufgabe besitzt, der nachwachsenden
Generation erschließendes Weltwissen und mit ihm Mündigkeit
zu vermitteln und ermöglichen…

Zur Einführung.

Gliederung des Momorandums:

I Ausgangspunkte der Kritik
II Die bildungspolitische Rahmung unseres BildungsRates
III Eine pädagogische Vorstellung von Bildung und Erziehung
IV Was heißt also Bildung?
V Was bedeutet Bildung für die Didaktik und den Unterricht?
VI Lehrer und ihre Ausbildung

Zur Streitschrift.