Schlagwort-Archive: Grundrechte

Bundesregierung will schwere Grundrechtseingriffe im Eilverfahren durch die Hintertür einführen

09. Juni 2017

Sechs Bürgerrechtsorganisationen – Humanistische Union e.V.; Internationale Liga für Menschenrechte e.V.; Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.; Neue Richtervereinigung e.V.; Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.; Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. – nehmen zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Einführung der Online-Durchsuchung und Quellen-TKÜ im Strafverfahren Stellung. Sie kommen zu dem Ergebnis: „Es ist ein Skandal, dass die Regierung praktisch heimlich und ohne öffentliche Debatte versucht, schwerste Grundrechtseingriffe in die Strafprozessordnung einzuführen.“… Mehr dazu.

Wie der Kampf gegen den Terrorismus zum Angriff auf Grundrechte wird. Von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

06/2016, evangelische Aspekte

(aktuelles Heft, Thema: Überwachung und Freiheitsrechte)

Paradigmenwechsel durch den „Großen Lauschangriff“

Ein entscheidender rechtspolitischer Paradigmenwechsel wurde mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ vom 26. März 1998 vorgenommen. Darin wird die akustische Wohnraumüberwachung – der „große Lauschangriff“ – strafprozessual geregelt, was durch eine gleichzeitig vorgenommene Änderung von Artikel 13 des Grundgesetzes (GG) ermöglicht wurde: Der privateste Zufluchtsraum, die private Wohnung, schützt nicht mehr vor staatlichen Abhörmaßnahmen…
Dieses Gesetz wurde mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 als in wichtigen Teilen mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt….

Neue Gefahr: Vorratsdatenspeicherung

Die am 15. März 2006 in Kraft getretene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sah für alle Kommunikationsdaten Speicherfristen von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren vor. Das zur Umsetzung der Richtlinie am 1. Januar 2008 in Kraft getretene deutsche Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht am 2. März 2010 als verfassungswidrig verworfen.
Die Praxis der Vorratsdatenspeicherung seit 2015

Dennoch hat die Bundesregierung unter der täuschenden Bezeichnung so genannter „Höchstspeicherfristen“ einen Gesetzentwurf zur anlasslosen Speicherung der meisten Telekommunikationsverbindungsdaten vorgelegt und behauptet, dies sei zum Vorgehen gegen den Terrorismus erforderlich. Seit 18. Dezember 2015 ist das Gesetz in Kraft. Auch wenn gewisse Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes berücksichtigt werden, handelt es sich wieder um eine ohne jeden Anlass verpflichtende Speicherung von Daten der Telekommunikation für 4 bzw. 10 Wochen.

Zum Aufsatz.

Zwei Jahre Kölner Genitalurteil: Neues Fachbuch heizt Beschneidungs-Diskussion wieder an. „Hinschaun, was Kindern angetan wird.“

07.05.14,

“Die Religionsfreiheit Erwachsener endet an der Körpergrenze von Kindern”, postuliert Matthias Franz, Universitätsprofessor für psychosomatische Medizin Düsseldorf, im brandaktuellen, von ihm herausgegebenen Buch “Die Beschneidung von Jungen – Ein trauriges Vermächtnis“. Zwei Jahre nach dem Kölner Urteil, das rituelle Beschneidung als Körperverletzung bewertet, legen nun erstmals Betroffene, Ärzte, Juristen, Psychoanalytiker, Politiker, Historiker und jüdische Intellektuelle umfassend die Fakten zur Vorhautamputation dar und plädieren für einen sachlichen Diskurs fernab von klerikalen Machtansprüchen. Sie lassen keinen Zweifel darüber offen, dass “in einer aufgeklärten Welt kein Platz mehr für steinzeitliche Verletzungsrituale ist, wenn dadurch Kinder verletzt werden, die sich nicht frei entscheiden können“, wie der Herausgeber ausführt. In Deutschland lebt die Diskussion zur religiösen Vorhautamputation wieder auf: Gestern fand eine vielbeachtete wissenschaftliche Tagung zum Thema statt: Das Symposium: “Genitale Autonomie: Körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmung – von der Theorie zur Praxis“ genitale-autonomie.de  Mehr dazu.

65 Jahre Grundgesetz. Kermani-Rede und Video mit Heribert Prantl zu „Neuen Bedrohungen für die Grundrechte“

1. Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde „65 Jahre Grundgesetz“ im Bundestag

Sehr geehrte Herren Präsidenten! Frau Bundeskanzlerin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Exzellenzen! Liebe Gäste!

Das Paradox gehört nicht zu den üblichen Ausdrucksmitteln juristischer Texte, die schließlich größtmögliche Klarheit anstreben. Einem Paradox ist notwendig der Rätselcharakter zu eigen, ja, es hat dort seinen Platz, wo Eindeutigkeit zur Lüge geriete. Deshalb ist es eines der gängigsten Mittel der Poesie.

Und doch beginnt ausgerechnet das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit einem Paradox. Denn wäre die Würde des Menschen unantastbar, wie es im ersten Satz heißt, müsste der Staat sie nicht achten und schon gar nicht schützen, wie es der zweite Satz verlangt. Die Würde existierte unabhängig und unberührt von jedweder Gewalt. Mit einem einfachen, auf Anhieb kaum merklichen Paradox ‑ die Würde ist unantastbar und bedarf dennoch des Schutzes ‑ kehrt das Grundgesetz die Prämisse der vorherigen deutschen Verfassungen ins Gegenteil um und erklärt den Staat statt zum Telos nunmehr zum Diener der Menschen, und zwar grundsätzlich aller Menschen, der Menschlichkeit im emphatischen Sinn. Sprachlich ist das ‑ man mag es nicht als brillant bezeichnen, weil man damit einen eminent normativen Text ästhetisierte – es ist vollkommen, nichts anderes. Das Protokoll des Vortrags anläßlich der Feiersstunde im Bundestag.

Heribert Prantl: „Neue Bedrohungen für die Grundrechte“. Eine Analyse im Video.

Damals nur als Übergangslösung gedacht, wird das Grundgesetz nun 65 Jahre alt. Sind die Ziele der Gründerväter aufgegangen? Und ist die Wirksamkeit der Grundrechte durch die NSA-Spionagetechniken bedroht?  Zum Video.

 

Kirche nicht durch Grundrechte gebunden?

Ein Brief der INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau

an das Präsidium der EKD- Synode betreffend das

Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften – Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV

„… Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV “ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Mit diesen rechtlichen Schranken können demzufolge nur die Grundrechte und die darauf basierenden Rechtsnormen gemeint sein. Welche denn sonst? Für diese Annahme spricht auch der Gottesbezug in der Präambel unseres Grundgesetzes. Denn bekanntlich sind diese staatsbürgerlichen Grundrechte von unseren christlichen Grundwerten abgeleitet (Menschenwürde, Achtung des Nächsten, Wahrheit, Gerechtigkeit u. a.). Unzählige Menschen weltweit beneiden uns darum.

Umso unfassbarer ist es, dass ausgerechnet die Kirche sie missachtet, anstatt sie zu schützen. So schreibt z. B. die Verwaltungskammer der Ev. Kirche im Rheinland in einem Urteil (VK 16/2006):

“Die Kirche ist nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausgestaltung ihres Dienstrechtes unabhängig. Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch … gebunden ist“…“ Lesen Sie den Brief an das EKD-Präsidium_Art-140 GG.